Kitabı oku: «Das Lebenselixier», sayfa 6
Kapitel XI
Mit welcher Freude empfing ich die Patienten, die mich am nächsten Morgen aufsuchten. Die ganze menschliche Rasse schien mir auf einmal liebenswerter und ich sehnte mich danach, auf alle einige Strahlen der herrlichen Hoffnung fallen zu lassen, die in meinem Herzen dämmerte. Mein erster Besuch dieses Tages galt der armen jungen Frau, von der zurückkehrend mich ein Zug des Schicksals in den Garten lockte, in dem ich Lilian zuerst erblickte. Ich fühlte eine tiefe Dankbarkeit gegenüber dieser Patientin; ohne sie hätte ich Lilian noch nicht kennengelernt.
Der Bruder des Mädchens, ein junger Mann, der bei der Polizei Dienst tat und dessen Gehalt eine verwitwete Mutter und die leidende Schwester unterstützte, empfing mich an der Schwelle des kleinen Hauses.
„Oh, Sir, sie fühlt sich heute viel besser – hat fast keine Schmerzen. Wird sie es überleben, gibt es Hoffnung?“
„Wenn meine Behandlung so gut angeschlagen hat, wie Sie sagen, wenn sie sich wirklich so viel besser fühlt, kann ich, glaube ich, eine Genesung versprechen. Aber zuerst einmal muss ich sie mir ansehen.“
Der Kranken ging es tatsächlich sehr viel besser. Ich fühlte, dass ich durch meine Geschicklichkeit einen großen Triumph errungen hatte, aber an diesem Tag war selbst mein intellektueller Stolz in dem Übermaß an Gefühl, das in meinem Herzen erblüht war, vergessen.
Als ich auf dem Rückweg aus dem Krankenzimmer wieder auf den Bruder traf, der noch immer draußen wartete, lächelte ich.
„Ihre Schwester ist gerettet, Wady. Sie braucht jetzt hauptsächlich Wein und leichte Kost. Beides können Sie von nun an täglich bei mir zu Haus abholen.“
„Gott segne Sie, Sir. Wenn ich jemals etwas für Sie tun kann....“ stammelte er. Dann versagte ihm seine Stimme den Dienst.
Mir, Allen Fenwick, helfen – dieser arme Polizeibeamte. Mir, dem selbst ein König keinen Dienst mehr erweisen konnte. Was verlangte ich auf Erden, außer Ruhm und Lilian´s Herz? Einen Thron und Brot gewinnt man durch die Hilfe anderer; Ruhm und das Herz einer Frau kann man nur aus eigener Kraft erringen.
So schritt ich fröhlich den Hill hinauf, durch das offene Eisentor, über den Feengrund und stand schließlich vor Lilian´s Heim. Der Bedienstete, der mir die Tür öffnete, schien etwas verwirrt zu sein, ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen, sondern sagte hastig:
„Nicht zu Hause, Sir; eine Nachricht für Sie.“
Mechanisch drehte ich die Notiz in meiner Hand. Ich fühlte mich wie betäubt.
„Nicht zu Hause! Miss Ashleigh kann doch nicht ausgegangen sein. Wie geht es ihr?“
„Viel besser, Sir, danke Ihnen.“
Immer noch konnte ich die Nachricht nicht öffnen. Meine Blicke wanderten sehnsüchtig zu den Fenstern hinauf und dort – hinter dem Fenster des Besuchszimmers – erblickte ich das finstere Gesicht Mr. Vigors. Vor Zorn fing mein Gesicht an zu glühen, ich erkannte, dass ich entlassen war und verließ mit erhobenem Haupt und festem Schritt den Schauplatz.
Sobald ich das Tor hinter mir hatte, öffnete ich die Nachricht. Sie begann sehr förmlich, man dankte mir in höflichen Worten für den am Vorabend geleisteten Dienst, wolle mich jedoch nicht mit der Wiederholung meines Besuches bemühen und sende anbei den doppelten Betrag des sonst üblichen Honorars. Ich schleuderte das Geld wie eine Natter, die mich gebissen hatte, über die hohe Mauer und zerriss die Nachricht in Fetzen. Nachdem ich auf derart unsinnige Weise meinem Ärger Luft gemacht hatte, machte sie einer dumpfen, nagenden Trauer Platz, die alle anderen Gefühle überlagerte. An Ende der Gasse machte ich halt. Ich schreckte vor dem Gedanken an das Menschengewühl auf den Straßen zurück. Ein noch größeres Greuel aber war mir der Gedanke an die Routine meiner Pflichten, die sich vor mir in der Wüste ausbreitete, in die sich mein Alltag verwandelt hatte. Ich setzte mich auf eine Bank und bedeckte mein mutloses Gesicht mit zitternden Händen. Ich sah auf, als das Geräusch von Schritten an mein Ohr drang und sah Dr. Jones, der, offensichtlich vom Abbots´House kommend rasch die Gasse herunterkam. Er musste zur selben Zeit dort gewesen sein, als ich meine Aufwartung machte. Ich war nicht nur entlassen, sondern sogar schon ersetzt. Ich stand auf, bevor er den Platz erreichen konnte, an dem ich saß, begab mich auf den Weg in die Stadt und machte meine Runde; aber meine Aufmerksamkeit war nicht mehr so zärtlich, meine Kunst nicht mehr so genial von der Glut des Wohlwollens beschleunigt, wie dies meine ärmeren Patienten am Morgen empfunden haben mochten. Ich habe gesagt, wie der Arzt das Krankenzimmer betreten müsse - ruhige Intelligenz. Aber wenn das Herz getroffen ist, leidet der Intellekt ebenfalls. Ich befürchte, an diesem Tag war mein ruhiger Intellekt nicht viel wert. Bichat teilt in seinem berühmten Buch über Leben und Tod das Leben in zwei Klassen, tierisch und organisch. Die Intelligenz des Menschen, mit dem Gehirn als Mittelpunkt, gehört dem tierischen Leben an; seine Leidenschaften, mit Sitz in seinem Herzen und seinen Eingeweiden, dem Organischen. Sollten wirklich die edelsten Leidenschaften, durch die allein wir uns zu dem moralischen Reich des Schönen und Erhabenen aufschwingen, nur in dem Leben wurzeln, welches selbst das organische Leben einer Pflanze mit uns teilt? Sollte dieses niedere organische Leben jenes im Innern des Gehirn befindliche Leben, welches wir mit jeder Wesenheit teilen - wie engelsgleich sie auch sein oder wie weit der Stern, auf dem sie lebt, auch entfernt sein mag, und welchem der Schöpfer die Fähigkeit zu denken geschenkt hat - blockieren, hemmen oder gar zerstören können?
Kapitel XII
Da erinnerte ich mich plötzlich an Mrs. Poyntz. Ich musste Kontakt zu ihr aufnehmen. Deshalb richtete ich meine Runde so ein, dass sie vor ihrer Tür endete. Der Tag war schon weit fortgeschritten und der Diener informierte mich höflich, dass Mrs. Poyntz diniere. Ich konnte also nur meine Karte mit einer Notiz, dass ich ihr am nächsten Tag meine Aufwartung machen würde, hinterlassen. Noch am selben Abend erhielt ich folgende Nachricht von ihr:
Lieber Dr. Fenwick,Ich bedauere sehr, dass ich nicht das Vergnügen haben werde, Sie morgen empfangen zu können. Poyntz und ich machen einen Besuch bei seinem Bruder, der am anderen Ende des Countys wohnt, und wir fahren bereits früh ab. Wir werden einige Tage fort sein. Es tut mir leid, erfahren zu müssen, dass Mrs. Ashleigh sich von Mr. Vigors hat beschwatzen lassen, wegen Lilian Dr. Jones zu Rate zu ziehen. Vigors und Jones haben die arme Mutter eingeschüchtert und bestehen auf einer Tendenz zur Schwindsucht. Unglücklicherweise scheinen Sie selbst den Fall heruntergespielt zu haben. Manche Ärzte füllen ihre Praxis wie einige Priester ihre Kirchen füllen – durch geschickte Hinweise auf die Erscheinungsformen des Schreckens. Sie brauchen keine Patienten, Dr. Jones sehr wohl. Und wahrscheinlich ist es besser so, wie es ist.Ihre, usw. M. Poyntz
Zu meinem selbstsüchtigen Kummer addierte sich nun auch noch Sorge um Lilian. Ich hatte mehr Patienten fälschlicherweise auf Schwindsucht behandelt sterben sehen, als an der Schwindsucht selbst. Dr. Jones war ein geldgieriger, gerissener Mann, ziemlich knapp bei Kasse, der sich sehr gut mit den menschlichen Schwächen auskannte, aber sich nicht sonderlich auf die Behandlung menschlicher Krankheiten verstand. Meine Befürchtungen sollten sich bald bestätigen. Ein paar Tage später hörte ich von Miss Brabazon, dass Lilian ernsthaft erkrankt sei und ihr Zimmer nicht verlassen könne. Mrs. Ashleigh hatte sich durch diesen Umstand bei dem Berg entschuldigen lassen, um die Erwiderung der Besuche, die ihr vom Hill zugeströmt waren, verschieben zu können. Miss Brabazon hatte mit Dr. Jones gesprochen, der habe seinen Kopf geschüttelt und den Fall als ernst bezeichnet; Zeit und Pflege (seine Zeit und seine Pflege!) hätten jedoch schon Wunder bewirkt.
Verstohlen schlich ich mitten in der Nacht den Berg hinauf und blickte auf die Fenster des alten düsteren Hauses – auf ein Fenster, hinter dem ein trübes trauriges Licht brannte, das Licht eines Krankenzimmers – ihres Zimmers!
Endlich kam Mrs. Poyntz zurück. Ich besuchte sie, nachdem ich mir sorgfältig eine Taktik für den Potentaten zurecht gelegt hatte, den ich hoffte, als Alliierten gewinnen zu können. Es war klar, dass ich gar nicht erst zu versuchen brauchte, den Scharfblick eines so feinen Verstandes durch Verstellung oder Halbwahrheiten täuschen zu wollen, mir aber das Wohlwollen eines so herrschsüchtigen und resoluten Charakters verscherzen würde. Vollste Offenheit war hier die klügste Vorgehensweise; außerdem war dies der meiner eigenen Natur am besten zusagende und meiner Ehre am angemessensten erscheinende Weg.
Das Glück wollte es, dass ich Mrs. Poyntz alleine vorfand. Ich ergriff die Hand, die sie mir etwas unterkühlt anbot, mit meinen beiden Händen und sagte mit der Ernsthaftigkeit unterdrückter Emotion:
„Sie äußerten bei unserer letzten Begegnung, ich habe Sie noch nicht gebeten, mein Freund zu sein. Ich bitte Sie, hören Sie mir mit aller Nachsicht zu, die Sie mir zugestehen wollen und gewähren Sie mir wenigstens Ihren Rat, wenn Sie es ablehnen müssten, mir zu Hilfe zu kommen.“
In aller Kürze teilte ich ihr mit, wie ich Lilian zum ersten Mal gesehen hatte und was für einen großen Eindruck – mir selbst unverständlich – diese erste Begegnung auf mich gemacht hatte.
„Sie haben die Veränderung bemerkt, die sie bewirkt hat,“ sagte ich, „Sie erahnten die Ursache, bevor ich selbst mir ihr bewusst war – erahnten sie, als ich an Ihrer Seite saß und mir Gedanken darüber machte, ob es nicht durch Ihre Vermittlung möglich sein könnte, dieses Gesicht, welches mir keine Ruhe mehr ließ, in der Freiheit einer Ihrer Gesellschaften wiederzusehen. Sie wissen, was seither passiert ist. Miss Ashleigh ist krank; ihr Zustand wird meiner Meinung nach völlig falsch eingeschätzt. Die Angst um sie lässt keine anderen Gefühle mehr in mir aufkommen als - Furcht. Aber ich bin es mir schuldig, bin es allen schuldig - auf die Gefahr hin, mich vor Ihnen eher lächerlich zu machen, als eine Rüge zu bekommen - Ihnen offen und aufrichtig meine Gefühle einzugestehen, die meine Furcht so tief werden lassen und die, obwohl kaum mit der Romantik eines träumerischen jungen Mannes vergleichbar, einen unverzeihlichen Narren aus einen Mann meines Rufes und Alters machen könnten – mir, Ihnen und Mrs. Ashleigh schuldig, weil die Ehre immer noch das wertvollste Gut für mich darstellt. Sollten Sie, die Mrs. Ashleigh so nahe stehen und mehr oder weniger auch mit ihren Wünschen und Plänen für die Zukunft ihrer Tochter vertraut sein müssen – sollten Sie glauben, dass diese Pläne oder Wünsche auf eine wesentlich vielversprechendere Verbindung als mit mir abzielen könnten, dann helfen Sie Mr. Vigors, mich aus diesem Haus zu verbannen; helfen Sie dabei, eine anmaßende, eingebildete Leidenschaft zu unterdrücken. Ich kann dieses Haus nicht ohne Liebe und Hoffnung in meinem Herzen betreten; und ich kann die Schwelle dieses Hauses nicht in dem Bewusstsein überschreiten, diese Liebe und Hoffnung könnte Sünde und Verrat sein. Ich könnte vielleicht Miss Ashleigh wieder zu ihrer Gesundheit verhelfen und ihre Dankbarkeit könnte.... – aber ich kann nicht weiter sprechen. Einer solchen Gefahr darf weder sie noch ich ausgesetzt werden, wenn ihre Mutter Absichten verfolgen sollte, deren ich als Schwiegersohn nicht gerecht werden könnte. Ich bin um so mehr verpflichtet, über all das nachzudenken, so lange es noch Zeit ist, da, wie ich von Ihnen weiß, Miss Ashleigh sehr vermögend ist. Wenn ich mich recht entsinne, waren es Ihre eigenen Worte, dass aller Ruhm, den mir mein Beruf verschaffen kann, nicht im Stande ist, mir die Aussichten auf gesellschaftliche Macht und Größe zu eröffnen, die durch Berufe ermöglicht werden, die in meinen Augen weniger edel sind als die des Mediziners. Das waren Ihre Worte.
Ansonsten wissen Sie, dass meine Abstammung als ausreichend achtbar bezeichnet werden kann, dass selbst eine Familie vornehmster Herkunft in einer Verbindung mit mir keine Mesalliance befürchten müsste, hätte ich meinen ererbten Besitz behalten und nicht die Laufbahn beschritten, die mich der Menschheit nützlich macht. Aber ich gebe zu, dass wenn man einen Beruf wie den meinen ergreift – eigentlich jeden Beruf außer dem Militärdienst oder Senat – den Stammbaum vor der Türe lassen muss, er wird ohne jede Bedeutung. Alle Menschen, hoch oder niedrig geboren, betreten die Arena, in der ein Mensch Hilfe von einem anderen Menschen, der etwas aus sich gemacht hat, Hilfe erbittet als gleichwertig; für sie sind ihre toten Vorfahren toter Staub. Daher leite ich auch kein Anrecht aus meiner Herkunft ab. Ich bin nur ein Provinzarzt, dessen Stellung sich in nichts von der derzeitigen unterscheiden würde, wäre sein Vater Schuster gewesen. Aber das Gold behält sein Recht in allen Ständen bei. Derjenige, der es besitzt, ist erhaben über den Verdacht, ein gieriger Glücksritter zu sein. Mein Vermögen und meine Ersparnisse reichen aus, meiner zukünftigen Frau eine bessere Zukunft zu sichern, als dies einem Squire möglich wäre. Ich brauche keine vermögende Frau; ist sie es, bleibt es ihr Eigentum. Entschuldigen Sie diese profanen Details. Habe ich mich klar ausgedrückt?“
„Vollkommen,“ antwortete die Königin des Hills, die mich ruhig, aufmerksam und ohne auch nur eine Unterbrechung angehört hatte – „Vollkommen. Und Sie haben gut daran getan, sich mir so rückhaltlos und umfassend anzuvertrauen. Bevor ich weiterspreche, erlauben Sie mir die Frage, was würden Sie in Lilians Fall empfehlen, nur für den Fall, Sie sollten sie nicht besuchen können? Sie haben kein Vertrauen zu Dr. Jones – ich auch nicht. Zudem bestätigt eine Notiz, die ich heute von Annie Ashleigh bekommen habe, Ihre Befürchtungen. Glauben Sie immer noch, dass keine Anlage zur Schwindsucht vorhanden ist?“
„Ich bin fest davon überzeugt. Soweit dies der flüchtige Einblick erlaubt, den ich in dem Fall gewinnen konnte, scheint mir die Erkrankung einfacher und nicht ungewöhnlicher Natur zu sein. Aber im Falle, dass meine eigenen Fähigkeiten, so wertvoll sie auch sein mögen, unerwünscht sein sollten, empfehle ich dringend, dass Mrs. Ashleigh mit ihrer Tochter unverzüglich nach London reist, um dort Kapazitäten zu konsultieren, mit denen meine eigene Meinung und Erfahrung nicht konkurrieren kann, und deren Ratschläge befolgt.“
Mrs. Poyntz beschattete einige Momente ihre Augen mit ihrer Hand und schien sich mit sich selbst zu beraten. Dann sagte sie mit der ihr eigenen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Spott:
„In einer normaleren Angelegenheit hätten Sie mich längst auf Ihrer Seite. Dass Mr. Vigors sich erdreisten konnte, meine Empfehlungen an einen Bewohner des Hills zu negieren, ist gleichbedeutend mit einem Akt der Rebellion und greift meine Vorrechte an. Aber ich habe meinen Unwillen über einen so ungewöhnlichen Affront teilweise aus Ärger über Sie, mehr noch aber aufgrund meiner Achtung vor Ihnen unterdrückt.“
„Ich verstehe. Sie entdeckten mein Geheimnis und wussten, dass Mrs. Ashleigh ihre Tochter keinem Provinzarzt vermählen würde.“
„Kann ich – oder können Sie sicher sein, dass die Tochter selbst ein solches Schicksal akzeptieren würde; oder dass sie ihre Entscheidung nicht später bereuen würde?“
„Halten Sie mich bitte nicht für den eitelsten aller Männer, wenn ich sage – ich kann nicht glauben, dass ein Gefühl, das so ganz im Widerstreit zu meiner Vernunft steht, allem widersprechend, was den Gewohnheiten meines Empfindens entspräche, selbst den Träumen der Jugend, deren Wissensdurst jeden Gedanken an Liebe ausschloss, wenn ich nicht absolut der Überzeugung sein könnte, dass Miss Ashleighs Herz frei sei, ich es gewinnen und festhalten könnte. Ich kann Ihnen nicht sagen, warum ich so überzeugt davon bin, dass sie mich lieben könnte – genau so wenig, wie ich Ihnen sagen könnte, weshalb ich sie liebe.“
„Ich bin zwar ziemlich der Welt zugewandt - also weltlich; aber ich bin auch eine Frau, wenn ich mir auch nicht viel daraus mache, als solche anerkannt zu werden. Deshalb hört sich das, was Sie sagen, vom weltlichen Standpunkt aus betrachtet als völliger Unsinn, von einem weiblichen Standpunkt aus aber als durchaus logisch an. Aber Sie können Lilian nicht so gut kennen wie ich. Ihre Natur steht in einem starken Gegensatz zu der Ihren. Ich glaube nicht, dass sie eine gute Frau für Sie abgeben wird. Sie ist die reinste, unschuldigste Kreatur, die man sich nur vorstellen kann, aber mit dem Kopf immer irgendwo im siebten Himmel. Sie selbst war im Moment auch dort, aber Sie haben einen unwiderstehlichen Drang zum festen Boden unter den Füßen, der nach den Flitterwochen wieder sein Recht fordern wird – ich glaube nicht, dass Sie beide in Harmonie leben könnten. Ich glaube nicht, dass Lilian mit Ihnen sympathisieren würde und bin sicher, dass auch Ihre Sympathie die langweilige Bahn des Alltagslebens nicht überbrücken könnte. Deshalb war es mir sowohl für Ihr, als auch das Wohl des Mädchens nicht unangenehm, als ich erfuhr, dass Sie durch Dr. Jones ersetzt worden waren. Um aber Ihre Offenheit zu erwidern, sage ich Ihnen, kehren Sie nicht mehr in dieses Haus zurück. Überwinden Sie dieses Gefühl, diese Einbildung, Leidenschaft – wie immer Sie es nennen wollen. Ich werde Mrs. Ashleigh raten, Lilian mit in die Stadt zu nehmen. Wollen wir die Angelegenheit so regeln?“
Ich war unfähig zu sprechen. Ich begrub mein Gesicht in meinen Händen – Not, Elend, Einsamkeit!
Ich weiß nicht, wie lange ich so da gestanden haben mochte, vielleicht viele Minuten. Schließlich fühlte ich eine feste, aber keineswegs unsanfte Berührung meiner Hand, und eine klare, volle, aber nicht entmutigende Stimme sagte zu mir:
„Lassen Sie mich über dieses Gespräch noch einmal gut nachdenken und die Bedeutung all dessen, was Ihr tiefes Gefühl übermittelt, erwägen. Die materiellen Interessen füllen nicht beide Schalen der Waage. Das Herz liegt nicht immer auf der Seite der materiellen Überlegungen, sondern wirft sein Gewicht oft in die andere Waagschale. Ich habe manchen weisen Mann, noch viel öfter aber törichte Frauen sagen hören, es sei besser, mit jemandem, den man liebt, unglücklich zu sein, als mit jemandem, den man nicht liebt, glücklich zu sein. Sind Sie auch dieser Auffassung?“
„Mit jedem Gedanken meines Gehirns und jedem Pochen meines Herzens, ja!“
„Nach dieser Antwort erübrigen sich alle meine Fragen. Sie werden morgen von mir hören. Bis dahin werde ich Annie und Lilian getroffen haben. Ich werde beide Seiten der Waagschale belastet haben – und dieses Herz hier, Allen Fenwick, scheint sehr schwer ins Gewicht zu fallen. Gehen Sie jetzt. Ich höre Schritte auf der Treppe, Poyntz bringt mir einige Klatschbasen, und Schwätzer sind Spione.“
Ich fuhr mit der Hand über meine tränenlosen Augen, aber wie hätten Tränen mir Erleichterung verschaffen können? Ich ging ohne ein Wort die Treppe hinunter und traf am Fuß der Treppe Oberst Poyntz und den alten Mann, den mein Rezept von seiner Neuralgie befreit hatte. Der Mann pfiff eine heitere Arie, die er vielleicht auf dem Schulhof gelernt hatte. Als ich an ihm vorbei gleiten wollte, brach er in Dankesbezeigungen aus und hätte mich fast umarmt. Ich fasste seine freudigen Segenswünsche als gutes Omen auf und nahm sie mit mir hinaus in den hellen Sonnenschein. Einsamkeit – Einsamkeit! War das mein Los für alle Zeit?
Kapitel XIII
Am nächsten Tag hatte ich den letzten Patienten verabschiedet und wollte gerade meinen Wagen besteigen, um meine Hausbesuche zu machen, als ich ein zerknittertes Schreiben bekam, welches nur folgende Worte enthielt:
Kommen Sie heute so bald wie möglich bei mir vorbei. M. Poyntz
Einige Minuten später stand ich im Salon der Verfasserin des Schreibens.
„Nun, Allen Fenwick,“ sagte sie, „ich diene meinen Freunden nicht halbherzig. Nein, danken Sie mir nicht! Ich verfolge damit nur einen Grundsatz, den ich mir selbst auferlegt habe. Ich verbrachte den letzten Abend bei den Ashleigh´s. Lilian hat sich auf jeden Fall sehr verändert – sie ist sehr schwach und, wie ich fürchte, sehr krank. Ich glaube, dass dieser Zustand auf die unsachgemäße Behandlung durch Dr. Jones zurückzuführen ist und habe es für meine Pflicht gehalten, auf einem Wechsel des behandelnden Arztes zu bestehen; aber da war noch etwas anderes zu bedenken als wer dieser Nachfolger sein sollte. Als ihre Vertraute war ich verpflichtet, ihre eigenen Ehrbegriffe zu wahren. Deshalb konnte ich natürlich nicht rundheraus zu Mrs. Ashleigh sagen: „Dr. Fenwick ist ein Verehrer Ihrer Tochter, hätten Sie etwas gegen ihn als Schwiegersohn einzuwenden?“ Ich durfte das Geheimnis, in das Sie mich eingeweiht haben, nicht offenbaren. Aber ich bin in Übereinstimmung mit meiner früheren Ansicht, dass Annie Ashleigh nicht sehr weltgewandt ist, zu der Überzeugung gekommen, dass Mrs. Ashleigh ebensowenig die Ambitionen einer weltgewandten Dame für ihre ebenso hübsche wie reiche Tochter hat. Ihre Hauptsorge gilt dem Glück ihres Kindes und sie hat Angst, ihre Tochter könne sterben. Sie würde sich nie der Wahl Lilian´s entgegenstellen und wenn Lilian den Mann wählen würde, der ihr das Leben gerettet hat, glaube ich, dass ihr Herz dem ihrer Tochter dankbar folgen würde. Damit dürften alle Bedenken, die Ihre Ehre berühren, sich in Luft aufgelöst haben.“
Vor Freude strahlend sprang ich von meinem Stuhl auf. Mrs. Poyntz fuhr jedoch trocken fort: „Sie bewerten Ihren gesunden Menschenverstand ein wenig zu hoch und an ihn möchte ich einige Worte des Rates richten, die Ihrer Romantik vielleicht nicht entgegenkommen. Ich habe bereits gesagt, dass auf lange Sicht gesehen Sie und Lilian nicht zusammenpassen, und meine reiflichen Überlegungen bestätigen diese Ansicht. Hören Sie mir zu und passen Sie gut auf. Fragen Sie sich selbst als einen Mann, dessen Tage seinem anstrengenden Beruf gewidmet sind, dessen Ehrgeiz eng mit dem Erfolg seiner Anstrengungen verknüpft ist und dessen Denken von seinen Zielen in Anspruch genommen wird – fragen Sie sich selbst, welche Art Frau Sie sich gesucht hätten, wenn Sie nicht durch dieses bezaubernde Gesicht völlig durcheinander geraten wären und alle Ihre früheren Pläne und Entschlüsse über den Haufen geworfen hätten. Sicherlich jemanden, auf den sich Ihr Herz stützen könnte und durch den Ihre Gedanken nicht aus den Kanälen geleitet würden, in deren Bahnen Ihr Fluss durch Ihren Beruf bedingt gelenkt werden sollte – um es kurz zu sagen, eine heitere, ruhige Gefährtin in einem trauten, erholsamen Heim! Ist es nicht so?“
„Sie geben den Gedanken Ausdruck, die ich hatte, als ich mich mit dem Gedanken an eine Heirat befasste. Aber was sollte Lilian Ashleigh haben, dass das von Ihnen entworfene Bild verzerren könnte?“
„Was hat Lilian Ashleigh, das dem Bild auch nur einigermaßen entspricht? Zunächst einmal sollte die Gattin eines jungen Arztes nicht gleichzeitig sein ständiger Patient sein. Je mehr er sie liebt und je mehr sie seiner Liebe würdig ist, um so mehr wird ihn ihre Krankheit verfolgen, wohin immer er geht. Wenn er nach Hause zurückkehrt, findet er keine Erholung; es erwartet ihn der Patient, um den er sich am meisten sorgt, und die Angst, die ihn am stärksten quält.“
„Aber, gütiger Himmel, warum sollte Lilian Ashleigh ein ständiger Patient sein? Die gesundheitlichen Ressourcen der Jugend sind unberechenbar. Und...“
„Erlauben Sie mir, Sie zu unterbrechen, ich kann nicht gegen einen verliebten Arzt argumentieren. Ich werde meinen Diskussionsstandpunkt aufgeben und einfach an meiner Überzeugung festhalten, dass in Lilian´s Konstitution etwas liegt, dass Sie verwirren, quälen und all ihre Pläne durchkreuzen wird. Genau so war es bei ihrem Vater, dem sie im Aussehen und Charakter ähnlich ist. Er zeigte ebenfalls keine Symptome einer ernsten Erkrankung. Seine äußere Form zeigte, wie die Lilian´s, ein Muster an Ebenmaß, nur dass er, wie sie, zu empfindlich war. Selbst wenn er sich anscheinend bester Gesundheit erfreute, konnte ihn eine leichte nervliche Belastung beunruhigend krank machen. Ich war überzeugt, dass er jung sterben würde, und ich behielt Recht.“
„Schon, aber Mrs. Ashleigh sagte etwas von einer Hirnhautentzündung, die er sich durch ein Übermaß an geistiger Beschäftigung zugezogen haben soll. Frauen überbeanspruchen selten ihr Gehirn auf diese Weise. In meiner ganzen Praxis ist mir noch kein Fall bekannt geworden, in dem eine Frau an rein mentaler Überanstrengung gestorben ist.“
„In Folge rein mentaler Überanstrengung vielleicht nicht; aber aufgrund einer emotionalen Überbelastung ihres Herzens? Oh, das geben Sie zu! Ich weiß nicht viel über das Nervensystem; aber ich nehme an, dass wenn es zu fein für die tägliche Arbeit ausgelegt ist und zerreißt, das Resultat für das Leben dasselbe ist. Das ist der Grund, weshalb ich behaupte, dass Sie und Lilian nicht zusammenpassen. Bis jetzt war sie ein Kind; ihre Natur ist unterentwickelt und sie ist in Bezug auf Zuneigungen unerprobt. Sie könnten annehmen, ihr Herz gewonnen zu haben, sie mag glauben, sie habe es Ihnen geschenkt und doch würden Sie beide getäuscht. Würden auch heute noch Elfen ihre Nachkommenschaft gegen die der Sterblichen austauschen und würde die volkstümliche Tradition einen derartigen Wechselbalg nicht als hässliches, bösartiges Geschöpf schildern, dem nichts von der Anmut seiner Eltern innewohnt, wäre ich fast geneigt anzunehmen, dass Lilian zum Volk der Elfen gehört. Sie schien noch nie auf der Erde zu Hause zu sein und glaube ich nicht, dass sie je mit ihrem prosaischen Erdenlos zufrieden sein wird. Nun habe ich Ihnen gesagt, weshalb ich glaube, sie passt nicht zu Ihnen. Ich muss es Ihnen überlassen, selbst zu beurteilen, inwieweit Sie zu ihr passen würden. Ich teile Ihnen dies alles bei Zeiten mit, um es Ihnen zu ermöglichen, Ihren Impuls zu steuern. Jetzt können Sie noch beobachten, beurteilen und darüber nachdenken. Von diesem Moment an werde ich nichts mehr zu der Angelegenheit sagen. Ich erteile gerne einen Rat, aber ich verschleudere ihn niemals.“
Sie schwieg und begann, ihre Kopfbedeckung aufzusetzen und ihren Schal umzulegen, die auf dem Tisch neben ihr gelegen hatten. Ich war von ihren Worten und noch mehr von ihrem schlauen groben Blick und der Gestik, welche diese begleitet hatten, wie erstarrt. Aber diese Erstarrung schmolz in der plötzlichen Glut meines Herzens, als sie sich noch einmal zu mir umwandte und sagte:
„Natürlich können Sie sich nach dieser Einleitung vorstellen, dass Sie wirklich in Gefahr sind? Mrs. Ashleigh möchte Ihre Ansicht über Lilian hören und ich schlage vor, dass ich Sie jetzt zu ihr bringe.“
„Oh meine liebe Freundin, wie kann ich das jemals wieder gut machen?“ Ich ergriff ihre Hand, ihre feste weiße Hand und hob sie an meine Lippen.
Sie zog sie hastig zurück, legte sie sanft auf meine Schulter und sagte mit weicher Stimme:
„Armer Allen, wie wenig die Welt uns beide kennt! Aber wie wenig wir uns vielleicht selbst kennen. Kommen Sie, wartet Ihr Wagen? Das ist gut; wir müssen Dr. Jones öffentlich und in aller Form absetzen.“
Im Wagen unterrichte mich Mrs. Poyntz von dem Inhalt ihrer Unterredung mit Mrs. Ashleigh, der ich meine Wiedereinführung ins Abbots´ House verdankte. Es schien, dass sich Mr. Vigors am Morgen nach meinem ersten Besuch dort eingefunden hatte und große Unzufriedenheit darüber geäußert hatte, dass ich hinzugezogen worden war. Er ließ sich über mein schändliches Benehmen gegenüber Dr. Lloyd aus, einem entfernten Verwandten von ihm, und da er wiederum entfernt mit dem verstorbenen Gilbert Ashleigh verwandt gewesen war, bemühte er sich, seiner Zuhörerin den Gekränkten als einen Angehörigen der Familie ihres Gatten darzustellen und sie dazu zu bewegen, Partei gegen den Beleidiger zu nehmen. Er bezeichnete mich als einen Untreuen, von „den französischen Doktrinen angesteckten“ vorschnellen und anmaßenden Arzt und bekundete seine eigene Freiheit vor Anmaßung und Hast damit, dass er rundweg entschied, meine Behandlung könne nur falsch sein. Vor dem Umzug von Mrs. Ashleigh nach L... hatte er ihr Interesse für die angeblichen Phänomene des Mesmerismus wecken können. Er hatte eine, von dem armen Dr. Lloyd sehr geschätzte Hellseherin wegen Lilian´s Gesundheit konsultiert, die sie als konstitutionell schwindsüchtig veranlagt deklariert hatte. Mr. Vigors überredete Mrs. Ashleigh, sofort mit ihm zu dieser Hellseherin zu gehen, bewaffnet mit einer Locke Lilians und einem Handschuh, den diese getragen hatte, als Medien des mesmerischen Rapports.
Die Hellseherin war eine derjenigen, die ich öffentlich als Betrügerin gebrandmarkt hatte und rächte sich natürlich jetzt dafür. Als Mr. Vigors sie feierlich bat „nach Dr. Fenwick zu forschen und festzustellen, ob sein Einfluss für das Subjekt zuträglich sei“ geriet die Sibylle in heftige Bewegung und teilte mit, dass sie „wenn sie uns zusammen sehe, wir in eine schwarze Wolke gehüllt wären; die sei ein Vorzeichen für Not und unheilvolle Konsequenzen; unser Rapport sei antagonistisch.“ Mr. Vigors forderte sie dann dazu auf, mein Bild fallen zu lassen und das von Dr. Jones heraufzubeschwören. Die Somnambule wurde ruhiger und sagte: „Dr. Jones wird das Richtige tun, wenn er sich von höheren Lichtern als seiner eigenen Geschicklichkeit leiten lasse und sich täglich mit ihr über die anzuwendenden Heilmittel berate. Das beste aller Heilmittel sei der Mesmerismus. Aber seit Dr. Lloyds Tod kenne sie keinen Mesmerist, der begabt genug sei, um in Affinität mit dem Patienten zu treten.“ Kurz sie beeindruckte Mrs. Ashleigh und versetzte sie dermaßen in Angst und Schrecken, dass sie in aller Eile zurückkehrte, Dr. Jones rufen ließ und mich entließ.
„Ich hätte nicht gedacht, dass Mrs. Ashleigh so wenig gesunden Menschenverstand besitzt,“ sagte ich. „Sie hörte sich eigentlich ganz vernünftig an, als ich sie besuchte.“