Kitabı oku: «Breathe», sayfa 8

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Ich schiebe meine Hand in Sultans Fell, als könnte er mir Kraft spenden. Aber das kann er natürlich nicht, weswegen ich mich mit der anderen Hand am Türrahmen festhalte. Wahrscheinlich sollte ich mich drinnen auf das Sofa setzen. Noch besser sollte ich verlangen, dass Ice mich zu einem Arzt fährt. Und wenn ich reingehe, könnte ich meine einzige Chance zur Flucht verpassen. Die beiden sind so versunken in ihrem Gespräch, vielleicht könnte ich es in meinen Pick-up schaffen, den Ersatzschlüssel hinter der Sonnenblende hervorholen und losfahren, bevor sie mich aufhalten können. Ich müsste das Risiko eingehen, dass Sultan sich in mir verbeißt, aber wenn ich mich gedanklich mit dem Schmerz abfinde, wäre ich vorbereitet und könnte ihn ignorieren. Oder ich versuche, Sultan ins Haus zu drängen. Immer ein kleines Stückchen. Solange, bis ich die Tür vor seiner Nase zuwerfen kann. Wenn meine Beine sich nur nicht anfühlen würden wie Wackelpudding.

Ich mache eine winzige Bewegung, löse mich nur wenige Zentimeter vom Türrahmen, aber Ice bemerkt es sofort. Sein Blick richtet sich auf mich und er befiehlt mir mit grollendem Ton, zu bleiben. Seine Stimme streift über meine Haut und löst ein merkwürdiges Gefühl in meinem Nacken aus. Als würden sich meine Haare aufstellen. Meine Muskeln erstarren und sträuben sich, sich weiter zu bewegen. Sultan drückt seine Schnauze gegen meinen Oberschenkel und blockiert meinen Fluchtversuch zusätzlich. Zornig über mich selbst, stütze ich mich wieder gegen den Rahmen.

In diesem Augenblick kommt Sam auf der anderen Seite der Straße aus dem Wald. Er zieht sich sein Shirt über den Kopf und mustert Ice und Will verwundert. Sam sieht gar nicht aus, als wäre er gelaufen. Da ist kein Glanz auf seiner Stirn, sein Gesicht ist nicht gerötet und er atmet auch nicht hastig.

Was auch immer gesagt wird, geht in dem Rauschen in meinen Ohren unter, das von einem erneuten Schwindelanfall ausgelöst wird. Ich schließe die Augen, aber das war ein Fehler, denn als ich sie wieder öffne, dreht sich die Welt noch schlimmer. Ich kämpfe, bis ich wieder klar sehen kann. Es müssen Sekunden vergangen sein, denn als ich aufsehe, steigt Sam gerade in das Auto des Sheriffs und Ice kommt mit angestrengter Miene die wenigen Stufen zur Veranda hoch.

»Rein mit dir«, sagt er streng.

Ich will mich weigern, aber er packt meinen Oberarm und zwingt mich unnachgiebig in das Haus zurück.

»Warum ist Sam weggefahren?«, bringe ich atemlos hervor.

Ice wirft die Tür hinter uns zu. Sultan trottet zufrieden in die Küche und legt sich auf die alten weißen Fliesen. Ihm ist wohl auch zu warm heute. »Wir müssen reden.«

»Über was?«, will ich wissen.

Ice drängt mich auf das Sofa zu. Ich will mich dagegen wehren, dass er mich herumschubst, als wäre ich ein lästiger alter Sack, aber ich fühle mich zu schwach, um zu streiten, also lasse ich mich auf die Sitzfläche fallen, versuche aber mein Bestes, Ice nicht bemerken zu lassen, dass etwas nicht mit mir stimmt. Im günstigsten Fall habe ich irgendwas, das mich töten wird. Dann kann Ice mich nicht länger gefangen halten. Ich muss fast grinsen bei der Vorstellung. Andererseits: Würde ich in seiner Gefangenschaft sterben, würde mein Vater Ice und Sam wahrscheinlich erst recht töten wollen. Auch wenn es nicht so sein sollte, aber der Gedanke, Ice könnte etwas zustoßen, stört mich. Ich setze ein möglichst provozierendes Lächeln auf. »Also?«

Ice setzt sich neben mich. Kurz darauf überlegt er es sich anders, geht durch den Raum und nimmt von der Kommode in der Ecke eine Flasche Bourbon. Er gießt sich ein Glas ein, dreht sich zu mir und fragt mich mit einer hochgezogenen Augenbraue stumm, ob ich auch was möchte.

»Um diese Zeit?«, fahre ich ihn entrüstet an.

»Glaub mir, du wirst das hier gleich sehr dringend haben wollen«, stellt er klar.

»Nein, danke«, sage ich und verdrehe die Augen. Habe ich überhaupt schon jemals harten Alkohol getrunken? Solche Drinks erinnern mich zu sehr an meine Mutter. Und ich will auf keinen Fall so enden wie sie. »Also? Was hast du mir zu sagen?«, will ich ungeduldig wissen.

Ich fühle mich gereizt, nur weil Ice dort mit einem Glas Bourbon in der Hand steht. Ich weiß nicht, warum mich der Anblick so wütend macht, dass ich innerlich zittere. Eigentlich sollte es mir egal sein, was er seiner Leber antut. Aber es ist mir nicht egal. Ich fixiere das Glas in seinen Händen und verfolge, wie er es an seine Lippen hebt und auf einen Zug ausleert. Und das zu sehen, lässt meine Wut auf die Größe eines Heißluftballons anwachsen. Ich balle meine Hände und drücke die Nägel so fest in meine Handflächen, dass es schmerzt. So habe ich nicht einmal empfunden, wenn meine Mutter betrunken unseren Trailer vollgekotzt hat.

Ice schenkt sich noch einmal ein, bevor er zurückkommt und sich neben mich setzt. Er stellt das Glas vor uns auf den Tisch, lehnt sich mit der Seite gegen die Rücklehne und mustert mich einen Augenblick. »Wie fühlst du dich?«

»Als ob dich das interessiert?«, fauche ich.

»Du bist wütend«, erklärt er mit einem Zupfen um seine Mundwinkel, das kaum zu erkennen war, weil es so schnell wieder verschwand. Ich habe es nur gesehen, weil ich auf seinen Mund gestarrt habe. Noch immer enttäuscht von der Tatsache, dass er eben Alkohol getrunken hat. Noch weit vor Mittag. Enttäuscht ist nicht das richtige Wort. Mein Puls rast vor Wut. Ich möchte ihn packen und ihm gewaltvoll erklären, wie falsch es ist, sich zu betrinken. Was ist nur los mit mir? Ich versuche, diese Wut mit einem tiefen Atemzug abzuschütteln, weil mir klar ist, dass ich völlig überzogen reagiere.

»Woher willst du das wissen?«

Jetzt lacht er höhnisch auf und beugt sich etwas mehr in meine Richtung. »Weil ich es rieche. Und ich bin auch wütend. Unkontrollierbar wütend. So sehr, dass es mich zerreißt, deswegen brauche ich das hier«, sagt er und hebt mir sein Glas entgegen.

Ich stoße ein abfälliges Schnauben aus. Was er dort sagt, könnte auch aus dem Mund meiner Mutter stammen. Ich kenne alle Ausreden wieso sie jetzt dieses Glas Whiskey braucht. Oder diesen Druck Heroin. »Verarsch mich nicht. Ich schlage vor, du lässt diese Spielereien und sagst mir, was du sagen wolltest. Was ist mit Sam? Wieso ist er eben weggefahren? Brauchst du mich nicht mehr? Wirst du mich jetzt töten?«, rattere ich einen Großteil der Fragen herunter, die meinen Schädel malträtieren. Es ist komisch, aber alles scheint Karussell zu fahren in meinem Kopf. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie versinken in einem Chaos. Überlagert von der Finsternis, die sich immer mehr in den Vordergrund drängt, als wolle sie mich verschlingen. Als hätte sie vor, mich auszulöschen. So mächtig hat die Dunkelheit in mir sich noch nie angefühlt.

Ice lehnt sich wieder zurück und presst die Lippen aufeinander. »Im Moment bist du die größere Gefahr.« Er zieht eine Braue hoch, als warte er auf meine Reaktion. Was auch immer er erwartet hatte, dass ich ihn auslache, war es nicht. Ice zieht auch die zweite Augenbraue hoch, als ich mir die Tränen aus den Augen wische und den Kopf schüttle.

»Das ist wirklich witzig«, stoße ich atemlos aus. »Aber wie könnte ich Sam gefährlich werden? Ich habe noch niemals jemandem wehgetan, außer dir, als ich dich geohrfeigt habe. Und sind wir doch ehrlich, du hast es verdient.«

Ice seufzt genervt. Er reibt sich über die Wangen, als wäre ich der anstrengendste Mensch, mit dem er es jemals zu tun hatte. Vielleicht hat er recht und ich verstehe nicht, was er von mir will, weil ich ihn nicht verstehen will oder einfach zu dumm bin. Aber vielleicht versteht er auch viel weniger, denn wenn er alle Seiten betrachten würde, dann sitze ich in diesem Moment nur hier neben ihm, weil er es so wollte. Und es ist einfach undenkbar, dass ich jemals eine Gefahr für Sam sein könnte. Ich mag ihn zufälligerweise lieber als seinen Bruder. Sam hat mir nie etwas getan, und doch ist er wie ich oft allein und auf sich gestellt.

»Sieh mich an«, stößt Ice genervt aus.

Ich wische mir die Tränen vom Gesicht, hole tief Luft und schlucke die Wut herunter, die mich dazu gebracht hat, über Ice zu lachen. Er sieht so ernst aus, dass ich das Gefühl bekomme, er sagt die Wahrheit. Zumindest glaubt er ganz fest daran. Und das erschüttert mich. »Also gut, vielleicht sagst du mir einfach, was hier los ist.«

»Du fühlst dich krank, als würden deine Organe kochen, deine Knochen zermahlen werden und deine Gefühle völlig außer Kontrolle geraten.« Er atmet noch einmal tief ein und wirkt dabei, als würde er mich in sich einsaugen. Sein Blick gleitet über meinen Körper und wirkt besorgt. »Es geht dir nicht gut, und du weißt nicht warum.«

Ich nicke ergeben, weil ich mir sicher bin, dass es sich nicht lohnen würde, zu lügen. Er kennt die Wahrheit längst. In meinem Hinterkopf warnt mich eine leise Stimme, ich sollte jetzt beginnen wegzulaufen. Denn was auch immer Ice mir gleich sagen wird, es wird alles verändern. Ich sehe es an dem Mitleid in seinem Gesicht. Ich sehe ihn an und fühle mich, als könnte er mir gleich eröffnen, dass ich am Untergang der Zivilisation schuld bin. »Was kannst du schon über mich wissen?«, zische ich ihm in einem letzten Versuch, mich zu retten, entgegen.

Ice presst die Lippen fest aufeinander. Sein Blick geht für Sekunden an mir vorbei. Die Stille zwischen uns breitet sich aus, es ist so leise, gäbe es in diesem Haus Termiten, dann könnte ich sie wahrscheinlich in den Wänden hören. »Du wirst dich verwandeln«, stößt er mit heiserer Stimme aus. Erst jetzt sieht er mich wieder an.

Ich unterdrücke das Lachen, das sich schon wieder meine Kehle hocharbeiten will. Mir gegenüber sitzt ein Mann, der behauptet, ich würde mich verwandeln. »In was? Eine bessere Hausfrau, schlaue Studentin, das nächste Topmodel?«

Gereizt knurrt Ice mich an. »Ich weiß, du versuchst immer hinter irgendwelchen Sprüchen zu verstecken, dass du Angst hast, aber wie wäre es, wenn du für ein paar Minuten den Mund hältst und mir einfach zuhörst?«

Ich möchte Ice am liebsten erwürgen, stattdessen tue ich, was er verlangt hat und verschränke abwehrend die Arme vor der Brust. Ich tue das auch, weil ich mich zu schwach fühle, um weiter zu kämpfen.

»Wahrscheinlich wirst du kein Wort von dem glauben, was ich dir gleich sagen werde. Aber bevor du aufspringst und wegläufst, weil du mich für verrückt erklärst, behalte einfach im Hinterkopf, dass ich es dir gleich beweisen werde. Also hör mir erst zu und warte ab.« Ice wirft dem Glas Bourbon auf dem Tisch einen kurzen Blick zu. »Trink es aus, bitte«, sagt er. Er klingt so eindringlich, dass ich nur eine Sekunde lang zögere, bevor ich das Glas nehme und es mit zitternden Fingern an meine Lippen führe. Ich dränge meine Zweifel zurück und lasse den Schock meine Handlung übernehmen.

»Warum tue ich das?«, frage ich ihn, bevor ich vorsichtig an der scharfen Flüssigkeit nippe.

»Weil es hilft, einen Teil von dir in Schach zu halten. Ruhigzustellen. Ich hab den Bourbon eben getrunken, damit ich es besser in deiner Nähe aushalte. Trink«, befiehlt er mir.

Alles ist total verwirrend und irre. Und ich habe das Gefühl, wir werden nicht weiterkommen, wenn ich nicht nachgebe. Mein Instinkt sagt mir aber, dass wir das müssen. Wir müssen weiterkommen, dieses Gespräch voranbringen, weil etwas Wichtiges gerade in diesem kleinen Farmhaus passiert. Auch wenn es mir völlig zuwider ist, ich ergebe mich. Auch weil ich mich zu schwach fühle, um weiter zu kämpfen. Ich trinke das Glas mit großen Schlucken, ohne meiner Kehle oder meiner Zunge Zeit zu geben, den Bourbon zu fühlen. Ich schlucke einfach weiter, bis das Glas leer ist und sich in meinem Magen Hitze ausbreitet. Erst als es leer ist, erlaube ich mir zu husten und nach Luft zu schnappen. Ich verziehe das Gesicht und lasse mir von Ice den Tumbler abnehmen. Keuchend schnappe ich nach Luft und blinzle gegen die Tränen an. Aber fast sofort fühle ich, wie diese unbändige Wut in mir zurückgedrängt wird, bis nur noch eine kleine Flamme tief in mir zuckt. »Okay«, bringe ich rau hervor.

»Zuerst solltest du wissen, weder Will noch ich können uns erklären, wie das passiert sein kann. Das ist also etwas, das du deinen Vater fragen solltest.« Ice betrachtet seine geballten Fäuste. Er atmet schwer ein und aus und schweigt eine Weile. »Als ich mich in deine Nähe begeben habe, habe ich etwas in dir aufgeweckt. Da gab es schon immer eine dunkle Seite in dir. Etwas, das dir das Gefühl gegeben hat, anders zu sein als die Menschen um dich herum.« Er mustert mich fragend, als wolle er sichergehen, dass er recht hat, also nicke ich.

»Diese dunkle Seite, das ist deine Wölfin. Wölfe sind Rudeltiere. Sie hat in dir auf den Tag gelauert, an dem du auf einen anderen Wolf triffst und alt genug für deine Wandlung bist. Wäre ich nicht nach Black Falls gekommen, wärst du wahrscheinlich bis an dein Lebensende ein Mensch geblieben. Dein Vater wusste, was du bist. Deswegen hat er dich seit Jahren nicht mehr besucht. Und deswegen hat sein Vize nur noch aus der Ferne nach dir gesehen«, erklärt Ice. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er jedes Wort glaubt, das er ausspricht. Aber ich glaube ihm nicht. Trotzdem nicke ich und versuche, nicht in Gelächter auszubrechen. Ich versuche wirklich ernsthaft ihm zu folgen und so zu tun, als würde ich ihn nicht für völlig irre halten.

Aber ich kann ihm nicht glauben, denn ich verstehe noch immer nichts. Ich schüttle verwirrt den Kopf und reibe über meine Wangen. Ich versuche gedanklich seine Worte zu sortieren und ihnen eine Bedeutung zu verleihen, aber ich scheitere an der Sinnfreiheit seiner Aussage. »Also diese Wölfin ist eine Metapher. Du willst mir etwas sagen, aber ich kapier nicht, was. Wieso redest du nicht einfach Klartext. Wofür steht diese Wölfin? Für welche dunkle Seite in mir? Bin ich eine Psychopathin?« Was Ice da redet ergibt für mich so wenig Sinn wie der Müll, den der amerikanische Präsident in den Nachrichten so gerne von sich gibt.

»Das sind keine Lügen, keine Metapher, und du weißt es. Du spürst es unter deiner Haut. Seit ich dich entführt habe noch mehr als jemals zuvor. Es kribbelt überall. Dein Herz fühlt sich an, als wollte es aus deiner Brust springen und rennen. Immer schneller und schneller, bis du völlig außer Kraft bist.« Plötzlich ist Ice mir ganz nah. Er legt seine Hand an meinen Hals, berührt mit dem Daumen meinen Puls. Ein Hitzeschauer wühlt sich durch meinen Körper und löst ein Prickeln zwischen meinen Schenkeln aus. »Und wenn ich dich berühre, hast du das Gefühl, zu verbrennen. Und du kannst nicht genug bekommen. Das Gefühl, mir nahe sein zu wollen, verschlingt dich.«

»Das bildest du dir ein«, spucke ich ihm wütend entgegen. Ich will nicht, dass wahr ist, was er sagt. Ich will ihm nicht nah sein wollen. Aber er hat recht, alles in mir sehnt sich nach ihm.

Ice grinst nervös. Er presst seine geballten Fäuste gegen seine Oberschenkel und atmet zitternd ein. In seinem Gesicht arbeiten die Muskeln und verhärten sich. Er wirkt, als kämpfe er mit sich oder gegen etwas. »Ich wusste, dass das nicht einfach wird. Die meisten von uns wachsen im Rudel auf, sie wissen ihr ganzes Leben lang, wer sie sind. Außer die Gebissenen, die erfahren es so wie du. Ohne Vorbereitung. Und ehrlich, ich bin in so was nicht gut«, windet Ice sich. Er steht auf und sieht auf mich runter. Ich starre ihn noch immer verständnislos an. Wahrscheinlich sehe ich so aus wie ich mich fühle. Als hätte mir jemand das Hirn ausgesaugt und ein Vakuum hinterlassen. »So wird das nicht funktionieren. Ich mache es für uns beide etwas einfacher. Nur lauf nicht weg, Süße. Du würdest nicht weit kommen, weil mein Tier dich niemals gehen lassen würde. Bleib einfach da sitzen und verhalte dich ruhig«, erklärt er stammelnd und fährt sich nervös durch die Haare. Sein Blick gleitet besorgt über mich, und für endlose Sekunden starrt er mich einfach nur an, als wäre er nicht sicher, ob er tun soll, was er vorhat. Aber dann hat er es plötzlich eilig, als wolle er seinen Plan so schnell wie möglich hinter sich bringen. Er reißt sich das Shirt vom Körper und wirft es neben mich auf das Sofa. Und er zieht seine Ringe von seinen Fingern und legt sie auf den Tisch. Vielleicht hätte ich den Bourbon doch nicht trinken dürfen. Zieht er sich schon wieder vor mir aus?

»Was tust du?«, stoße ich verzweifelt aus, kann aber meinen Blick nicht von seinem muskulösen Oberkörper fortbewegen.

Er lacht und öffnet seine Hose. »Was du gleich sehen wirst, wird dich entweder so schockieren, dass du nur noch hier wegwillst. Oder es wird dich beeindrucken und vor Staunen umhauen. Ich hoffe, dass es das Letzte sein wird. Oder dein Verstand wird kollabieren und nichts mehr von der Frau übrig lassen, die vor mir sitzt und mir mit ihrem frechen Mundwerk so viel Freude bereitet.«

»Ich hab deinen Schwanz schon gesehen, du hast ihn mir schon unter die Nase gerieben. Und mein Verstand funktioniert noch gut, denke ich«, füge ich protestierend an. »Und zur Hölle, was auch immer du hier denkst, was hier läuft, ich werde nicht mit dir schlafen. Also zieh dich wieder an.«

Ice grinst nur dreckig. Er streift seine Hose runter und tritt ein Stück zurück in Richtung der Haustür, und als er jetzt zu mir sieht, scheint es, als würde das Eisblau seiner Augen von innen heraus beleuchtet, ähnlich wie bei einer Katze. Was unmöglich ist. Es muss am Bourbon liegen. Ich werfe einen flüchtigen Blick auf mein leeres Glas. Ich wusste, das Zeug zu trinken war ein Fehler. Aber als ich Ice wieder ansehe, leuchten seine Augen noch immer. Ich schnappe nach Luft und will gerade etwas sagen, als seine Knochen beginnen, sich unter seiner Haut zu verschieben. Ich höre sie brechen, sehe, wie er sich krümmt, aber ich traue meinen Augen nicht, also blinzle ich wie wild. Trotzdem verschwindet Ice nicht. Das Knacken seiner Knochen hallt in mir nach und lässt mich erschaudern. Ich reibe mir über die Arme, aber sonst bin ich nicht in der Lage, zu fühlen, zu verstehen oder auch nur zu denken. Was ich sehe, kann nicht real sein.

Er geht auf alle viere runter, streckt sich, beugt sich, knurrt und stößt ein lautes, hohes Jaulen aus. Aus den Poren seiner Haut dringen schwarze Haare, sie stellen sich erst auf, dann legen sie sich über seine Haut, bis Ice komplett mit schwarzem Fell bedeckt ist. Ich springe hektisch von dem Sofa auf und stolpere so weit weg, wie es mir in dem kleinen Wohnzimmer möglich ist. Dabei falle ich beinahe über meine weichen Knie. Mein Mund klappt fassungslos auf und ich habe das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.

»Das passiert nicht. Das liegt am Alkohol«, flüstere ich.

Ice antwortet mit einem Bellen, das klingt, als würde er lachen. Seine Finger werden länger, strecken sich über den Boden. Auch sein Gesicht schiebt sich nach vorne, und noch immer höre ich Knochen knacken und Muskeln reißen. Sultan taucht neben Ice auf und schmiegt seinen Kopf an seine Seite. Aus Ice Fingerspitzen und seinen Fußzehen wachsen Krallen, die leise über den Holzboden kratzen. Nach dem nächsten Jaulen steht ein nachtschwarzer Wolf mit leuchtenden blauen Augen vor mir. Dieser Wolf ist mindestens zwei Köpfe größer als Sultan, der ihm die Schnauze leckt, als würde er sich dem größeren und stärkeren Tier unterwerfen.

»Das meintest du also mit Wolf«, stoße ich hysterisch kichernd aus. Ich drücke mich panisch gegen die Wand hinter mir und versuche, mich an ihr entlang zum Fenster zu schieben. Ice hat recht, mein Verstand ist eben dabei, zu kollabieren. Mir muss nur gelingen, es zu öffnen und raus auf die Veranda zu steigen. Mein Gehirn sagt mir, dass es unmöglich ist, dem Wolf zu entkommen. Aber ich muss es zumindest versuchen. Auf die Veranda, ins Auto und weg hier, lege ich mir im Kopf zurecht. Ich lege meine Hand an den Fensterrahmen und will ihn nach oben drücken. Aber der Wolf ist schneller bei mir. Mit einem großen Satz springt er quer durch den Raum und über das Sofa und baut sich mit einem Knurren, das sich durch jede Zelle meines Körpers arbeitet, vor mir auf.

Da steht ein Wolf vor mir. Seine Augen sind unverwandt und drohend auf mich gerichtet, seine Zähne sind gefletscht und angsteinflößend groß. Auf seinem Rücken hat sich das Fell aufgestellt und bildet einen Kamm. Und er knurrt. Sein Atem bläst über mein Gesicht. Seine Schnauze ist nur Zentimeter von meiner Nase entfernt. Wie kann so was überhaupt funktionieren? Das hier kann nicht wahr sein. Unmöglich. Aber in mir drin regt sich etwas. Es ist die Dunkelheit. Sie bewegt sich in meinem Kopf. Diese Leere, die ich schon immer gefühlt habe. Plötzlich fühlt sie sich ganz warm an.

Das Knurren des Wolfs wird noch aggressiver, als ich mich nicht vom Fenster wegbewege, obwohl der Wolf versucht, mich rückwärts wegzudrängen. Sein gewaltiger Kopf drückt sich gegen meinen Oberkörper und dirigiert mich zurück auf die andere Seite des Zimmers. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu tun, was der Wolf verlangt. Erst als ich stehe, wo er mich haben will, erlaubt der Wolf es sich, sich vor meine Füße zu legen. Aber er lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Ich hole zitternd Luft. Vor meinen Augen flimmert es. Vielleicht aufgrund der Angst, die in meinen Knochen sitzt. Oder wegen meiner Schwäche, die ich noch immer in meinen Muskeln spüre. Ich stütze mich auf der kleinen Kommode ab und versuche, meine Nerven zu beruhigen. Aber angesichts der letzten Minuten wird mir das wohl nie wieder gelingen. Vielleicht stehe ich unter Drogen. Etwas muss im Bourbon gewesen sein. Mein Puls rast. Meine Hände zittern. Das Flimmern wird immer stärker. Ich bekomme einfach nicht genug Sauerstoff in meine Lunge.

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