Kitabı oku: «Problemzone Ostmann?», sayfa 7

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1989 hatte unsere Partnergemeinde in Wuppertal ein Jubiläum. Ministerpräsident Rau, der aus dieser Gemeinde stammte, nahm an den Feierlichkeiten teil. Meine Frau hat ihn in guter Erinnerung. Als Partnergemeinde hatte man uns eingeladen. Diesmal fuhren meine Frau und der Kirchgemeinderats-Vorsitzende. Nicht immer die Pfarrer sollten es sein. Sie fuhren noch zu Honeckers Zeiten und kamen nach seinem Rücktritt zurück. Es waren ihre ersten Westreisen. Dort hörte sie im Radio, dass Honecker in den nächsten Tagen zurücktreten werde. Als sie zurückkamen, waren die Grenzer deutlich freundlicher.

Der 9. November ist ein schicksalsträchtiges Datum. Wir haben erst bis zum Sonntag gewartet, ehe wir nach Berlin fuhren und in den Westteil gingen. Wir waren überwältigt. Bis dahin fühlten wir uns doch sehr eingeengt. Wir dachten, »Toll, wahnsinnig«, und sind gleich an einem der nächsten Wochenenden nach Österreich gefahren.

Abgesehen von Dienstreisen, die wir machten, haben wir privat so große Reisen in der DDR nicht gemacht, bis auf eine ganz große Reise mit meiner ersten Familie: Wir fuhren mit dem Pkw und einem Campinganhänger mit unseren drei Töchtern bis nach Jerewan. Das war ein Angebot vom DDR-Reisebüro. Leider mussten wir für drei Tage ins Krankenhaus. Da haben sie für uns eine ganze Station freigeräumt. Als wir wieder raus waren, brauchten wir eine neue Marschroute, weil ja die Übernachtungen um diese drei Tage verschoben waren. Das war und bleibt ein unvergessliches Erlebnis!

Wir haben in der Kirche im Unterschied zu nichtkirchlichen Berufen im Osten wenig Geld bekommen. Wir kamen finanziell mühsam über die Runden. Nach der Wende stieg das Pfarrgehalt schnell an, aber das von den Mitarbeitern blieb relativ niedrig. So liegt zum Beispiel mein Ruhegehalt dreimal höher als das meiner Frau. Während sie gearbeitet hat, war es besser, aber ihre Rente ist ziemlich gering.

Unterschiede zwischen Ost- und Westmännern fallen mir keine ein. Jedenfalls zu den Männern, die ich näher kenne. Ich weiß aber, dass ich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in der DDR viel mehr reflektiert habe, als ich dies im Westen getan hätte. Wir mussten uns immer überlegen, unter welchen Voraussetzungen wir in der Kirche arbeiten und wo wir Ansätze oder Wege zu einem Gespräch finden können. Wie kommen wir mit den staatlichen Vertretern zurecht? Das nahm mich alles sehr in Anspruch. Wir sind in der Kirche zum Dienst erzogen worden, nicht zur Karriere, auch nicht, um vielleicht Bischof zu werden. Es geht darum, Verantwortung wahrzunehmen. Unterschiede zwischen Ost und West bestanden wie gesagt im Einkommen. Nach der Wende habe ich keine Akzeptanzprobleme von westlichen Kollegen in der Kirche verspürt. Sie bestanden wohl in der Verwaltung, nicht aber in der eigentlichen Arbeit. Durch die wieder gesetzliche Kirchensteuer kam es zu vielen Austritten. In der DDR zahlte man einfach die Kirchensteuer nicht, und so ruhte mehr oder weniger die Kirchenzugehörigkeit. Es sei denn, man wurde in gewissen Berufen zum Austritt gezwungen.

Als ich 1995 in den Ruhestand ging, engagierte ich mich weiter mit Vertretungen. 1996 begann ich im Kreisseniorenbeirat mitzuarbeiten und wurde ein Jahr später für zehn Jahre dessen Vorsitzender, war später auch einige Jahre einer der stellvertretenden Vorsitzenden des Landesseniorenrates. So waren die jährlichen Seniorenwochen zu organisieren. Für die Eröffnungsveranstaltung im Kreis suchten wir Kontakt zum Theater. Dort wurde gerade das Seniorentheater gegründet. Und da machte ich gleich mit. Bis heute bin ich dabei. Abgesehen von eigenen Stücken waren wir Statisten in Faust I und II und sind mit auf Theaterreisen gegangen, unter anderem bis Südtirol.

In meinen letzten Dienstjahren habe ich das Bibliodrama entdeckt und an einigen dieser Kurse teilgenommen. Da ging es zum Beispiel darum, was unter dem Wort ›Engel‹ bei uns zum Laufen gebracht wird. Oder in einem anderen Kurs zum Vaterunser. Im großen Tagungsraum hingen an den Wänden und Türen große Blätter, auf denen immer ein Wort des Vaterunser stand. Und wir sollten uns zu einem dieser Wörter, die uns etwas sagen, stellen. Ich wählte das Wort Schuld für mich und arbeitete so meine Scheidung mit meiner ersten Frau und die darum rankenden Probleme auf.

Bei einem 14-tägigen Polnisch-Kurs in Krakau lernte ich die Studentin L. kennen, die Geschichte studierte und mit der ich heute noch nach fast 20 Jahren gut befreundet bin. Von den fast 60 Teilnehmern waren die meisten Studierende. Mit L. habe ich zwei Wochenendseminare mit deutschen und polnischen Senioren durchgeführt. Das erste in Kreisau zum Thema »Flucht und Vertreibung – können wir darüber reden«. Dass das ging, hat mich sehr beeindruckt. Ich werde das nicht vergessen. L. ist inzwischen schon lange Geschichtslehrerin.

Zur Gleichberechtigung: Die Hausarbeiten haben wir uns im Großen und Ganzen geteilt, je nach dem, was zu tun war. Kochen ist allerdings nicht mein Ding, kann ich aber, wenn es sein muss. Ich habe die Kinder ins Bett gebracht, wenn es sein musste, oder unsere kleine Tochter getröstet, als sie Schmerzen beim Zahnen hatte, oder auch sonst. Die Großen halfen bei der Hausarbeit viel mit. Ebenso war ich beim Putzen mit dabei. Die Kinder in meiner ersten Familie gingen nicht in den Kindergarten. Das war uns zu ideologisch. Anders in der zweiten.

Nach der Wende bauten wir für den Ruhestand ein eigenes Haus, in dem wir 25 Jahre lebten. Jetzt sind wir in die Stadt in eine Mietwohnung gezogen, wegen des Alters, haben das Haus verkauft und sind froh, keinen Garten mehr zu haben. Wichtig ist, glaube ich, dass wir uns als Eheleute gegenseitig viel Eigenständigkeit gewährt haben. So zum Beispiel machte ich die meisten mehrtägigen Radtouren, etwa zwölf an der Zahl, allein. Meine weiteste Fahrt war die an der Donau entlang von Wien bis hinter das Eiserne Tor in Rumänien, 2010. Die letzte weite Radtour führte von Danzig nach Riga, das war 2017, die aber zusammen mit meiner Frau und einem Dutzend weiterer Teilnehmer. Meine Frau dagegen ging zu Fuß den Camino-Weg*, zweimal, auf verschiedenen Übergängen von der spanischen Grenze bis Santiago de Compostela und in jährlichen Abschnitten von 14 Tagen von Görlitz über Eisenach bis Genf. Mit dem Fahrrad war auch ich auf dem Camino nach Santiago unterwegs, allerdings erst ab Burgos, und ich habe sie im letzten Abschnitt eingeholt. Wir machen auch sonst so manche Reise allein oder in einer anderen Gruppierung. So war sie in den USA, auf einer Dienstreise mit anderen Kolleginnen und Kollegen. Neben gemeinsamen Hobbys haben wir jeder unsere eigenen, das Gleiche gilt für Freundschaften. Ganz wichtig ist für mich das Lesen. Wir haben jeder unser eigenes Konto, sie übernimmt im Wesentlichen die Lebensmittel und ihre normalen Bedürfnisse, ich alles andere: Miete, Versicherung, die größeren Anschaffungen, Auto- und Urlaubskosten usw.

Im letzten Jahr hatte es mich leider erwischt. Ich hatte Darmkrebs. Während der OP erlitt ich einen Schlaganfall. Der Krebs konnte gut operiert werden. Vom Schlaganfall ist eine gewisse Beeinträchtigung zurückgeblieben, vor allem im rechten oberen Gesichtsfeld, sodass ich nicht mehr Auto fahren kann. Aber ich kann wieder einige Kilometer wandern und aufs Ganze geht es mir gut, wirklich gut.

Radio-Kassettenrecorder KR 2000

Hersteller: VEB Sternradio, Berlin

Design: Andreas Dietzel/Michael Stender/M. Marschhauser, 1987


Spiegelreflex-Kamera Practica „BX-20“

Hersteller: Kombinat VEB Pentacon, Dresden

Design: Manfred Claus und Reinhard Voigt

2. Die Arbeit ist für den Ostmann Sinn des Lebens, ein kulturelles Gut und nicht nur Mittel zum Geldverdienen. Der Betrieb war für ihn Lebensmittelpunkt. Aufgrund der Mangelwirtschaft lernte er gut zu improvisieren. Der Verlust von Arbeit führte zu Brüchen männlicher Identitäten.

Ralph, Jahrgang 1952 | 2 Kinder, verheiratet in erster Ehe

Ost: Diplomingenieurarchitekt, West: Diplomarchitekt

Szenenbildner beim DDR-Fernsehen

Heute sehe ich
die Plattenbauten positiv

In Eichwalde bin ich geboren, wo ich jetzt wieder wohne. Ich hatte als kleiner Junge eine glückliche Kindheit, denn da gab es noch die Oma, die wohnte im Haus und hat mich, weil beide Eltern berufstätig waren, tagsüber betreut. Teilweise war ich im Kindergarten. Das war okay. Mir ist ein Großteil der Krippe und Kindergartenzeit erspart geblieben. Oma starb, als ich neun Jahre alt war, da war dann alles anders. Ich bin Gott sei Dank Einzelkind und nach der Schule allein zu Hause geblieben – obwohl es den Hort gab, aber das brauchte ich nicht. Ich spielte in unserem Einfamilienhaus mit Garten, baute Höhlen, machte Lagerfeuer und fühlte mich wohl. Helfen im Haushalt musste sein, weil die Eltern erst abends nach Hause kamen. Bis heute bin ich Einzelgänger.

Mein Vater war Prüfer bei der Investitionsbank, also kaufmännisch tätig, später arbeitete er leitend im Berliner Glühlampenwerk und im Haus der Elektrotechnik. Meine Mutter war Sekretärin in einer privaten Chemiefirma. Das war eine wirtschaftlich gute Position mit gutem Geld. Sie hat immer gearbeitet, halbtags, bis zur Rente.

Ich habe Abitur gemacht. Wie weiter war nach dem Abi für mich relativ früh entschieden. Meine Eltern haben das von Kindheit an vorbereitet. Sie beeinflussten mich, Architekt zu werden. Ich war zeichnerisch immer begabt, bereits als kleines Kind. Von meinen Bildern wurden immer kleine Ausstellungen gemacht. Ich hantierte viel mit Baukästen. Da sieht man, ob ein Kind talentiert ist oder nicht. Das hat mich geprägt, und der Beruf war klar. Ich wollte zwischendurch wie viele Jungs Lokomotivführer und Pilot werden, aber ab der 7. oder 8. Klasse nicht mehr.

Ich bin nur drei Monate bei der Armee gewesen. Das ist kein gutes Thema, was da mit den Männern gemacht wurde. Wenn man studieren wollte, musste man drei Jahre zur Armee. So war das in meinem Jahrgang. Diese drei Monate jedenfalls haben mir gereicht. Wer da drei Jahre dabei ist, der hat vielleicht gar keine Lust mehr zum Studieren, weil er am Boden ist. Das war für mich ein Verbrechen. Ich habe in Weimar von 1971 bis 1975 studiert, vier Jahre, denn damals gab es die Hochschulreform, die die Studienzeit reduzierte. Meine Berufsbezeichnung ist Diplomingenieurarchitekt. Gleich nach der Wende nannte ich mich Diplomarchitekt.

1974 lernte ich in den Semesterferien meine Frau kennen. Sie hat mich mit ihrer Schwester in ihr Elternhaus entführt, als die Eltern verreist waren. Die erste Nacht blieb ich natürlich da. Wir haben uns von vornherein gut verstanden und heirateten nach drei Jahren. 1978 und 1980 kamen beide Töchter am gleichen Tag zur Welt. Meine Frau ging arbeiten, sie studierte Musik, Deutsch und Pädagogik an der Humboldt-Universität mit dem Ziel Lehramt. Sie hielt es aber an der Schule im Beruf nicht aus, es war einfach nicht ihr Ding. Sie ging aus der Volksbildung raus und kam zum Rundfunk als Musikredakteurin. Das machte sie bis zur Wende.

1975 – also nach meinem Studium – gab es in der DDR keine Möglichkeiten, selbstständig zu werden. Bei Handwerksbetrieben ging das, aber in meiner Berufsgruppe nicht. Ich wurde über die Hochschule vermittelt, denn frei bewerben konnte man sich nicht. Ich hatte den Wunsch, wieder in Elternhausnähe zu kommen, nach Berlin, und das klappte. Im Wohnungsbaukombinat Berlin fing ich nahtlos nach dem Studium an. Als Absolvent hatte man erst mal so eine Art Probehalbjahr. Und da ein Architekt ein Planer ist, hat er in einem langen Investitionsprozess vorbereitend zu arbeiten. Meine Domäne war das Zeichnen. Viel war auf Plattenbau bezogen, bis hin zur Mitwirkung an dem Programm zur WBS-70*-Funktionsunterlagerung für das Neubauzentrum in Marzahn. Schon zu DDR-Zeiten gab es die Idee, die Untergeschosse der Häuser mit Läden und hinteren Lagerräumen zu bauen. Heute sehe ich die Plattenbauten positiv. Erstens deshalb, weil sie große Fenster, also viel Licht haben, was für die Menschen wichtig ist. Wenn man heute die Einfamilienhäuser sieht, haben das die Menschen vergessen. Zweitens gab es logische Grundrisse und drittens große Loggien. Die Berliner WBS-70-Serie hatte 4,80 Meter bis 6 Meter lange Balkone. Das war alles gut. Was wir als Architekten kritisierten, war der langweilige Städtebau an sich. Nichts war beweglich und nichts gewachsen. Der damals monotone Städtebau war vor allem deshalb entstanden, weil die Kräne auf Schienen nur 13 Meter Auslegung hatten. Die Technik in der DDR war nicht westlich. Die Platten konnten nur auf diese Weise montiert werden. Schuld waren aber nicht nur die Kräne, sondern das nur auf Quantität ausgerichtete Wohnungsbauprogramm. Heute gibt es Mobilkräne, die im Bau eine größere Flexibilität ermöglichen. Natürlich sind auch Gründerzeitgebäude abgerissen worden, das war in Ost wie West so durch die große Zerstörung im Krieg. Historische Quartiere wie der Alexanderplatz in Berlin sind verloren gegangen, weil man das teils zerstörte Quartier komplett abgerissen hat. Deshalb kam es zum Fernsehturm und dem heutigen Platz mit dem Märchenbrunnen. Darüber kann man gespaltener Meinung sein. Aber es kam noch die russische Philosophie der großen Plätze hinzu, was durch Moskau politisch beeinflusst wurde. Durch die Tonnenideologie, wie in der Karl-Marx-Allee, wurde die Zuckerbäckerarchitektur von Moskau aus über Walter Ulbricht der Stadt Berlin übergestülpt. Dinge, die ich heute anders werte, habe ich mir selbst in Moskau angesehen. Die gleiche Architektur wurde von Russland auf Deutschland Ost übertragen, weil das eine Machtfrage war. Da haben wir höchstens mal hinter vorgehaltener Hand und beim Bierchen über Meinungsfreiheit geredet. Eine kritische Diskussion gab es nicht. Es ging bis zum Berufsverbot. So weit habe ich es nicht betrieben, ich war kein Regimegegner. Ich habe mir stattdessen Nischen gesucht. Im Nikolaiviertel in Berlin hat man später versucht, es anders zu machen. Es ist liebevoller gebaut, da wurde mit neuem Plattenbaukasten sensibler gearbeitet. Später ging ich zur Bauakademie und durfte als Sonderbauvorhaben eine Kirche bauen, ein katholisches Gemeindezentrum, obwohl Kirche in der DDR nicht gefragt war. Dieses Gemeindevorhaben wurde vom Caritasverband in Westberlin bezahlt. Ich bekam den Auftrag wegen meiner guten Zeichnungen. Da war ich 31 Jahre alt und es war für mich eine große Sache. Wir waren ein Team, aber ich durfte es führen.

1977 habe ich angefangen, mein eigenes Haus zu bauen. In dieser Zeit war es sicher so, dass meine Frau Kinder und Haushalt gemacht hat und ich mit dem Bau mehr zu tun hatte. Aber für mich war der Haushalt kein Problem. Ich bin früh aufgestanden, denn meine Frau schlief gerne länger, habe die beiden Mädchen mit Frühstück versorgt. Multitasking als Mann, das ging alles. Ich war immer hoch belastbar. Meine Sicht auf die Gleichberechtigung ist deshalb gut, denn wir sind damit groß geworden und haben sie mitgetragen. Es war normal, dass die Frau arbeitete. Was im Kapitalismus für Denkweisen heute noch darüber existieren, hat uns eigentlich erschreckt. Ansichten wie im Mittelalter. In der Zeit des Hausbaus hatte ich noch kein Auto, und meine Hin- und Rückfahrt zur Bauakademie war lang. Außerdem war damals die DDR politischer Unterstützer des Irak. Ich sollte Militär-Baracken für den Irak zeichnen, das war nicht mein Ding. Ich zeichnete, fand es aber nicht gut. Auch Wohnungsbau in Libyen und Mozambique war eine Sache als Sonderbauvorhaben, die mir nicht lag. Dann wurde noch mein Gehalt gekürzt, weil ich oft in der Arbeitszeit bei der Baustoffversorgung anstand, wegen meines eigenen Hausbaus. Denn wenn man in der DDR ein Haus bauen wollte, musste man Beziehungen haben. Die hatte ich aber nicht und deshalb musste ich mich als normaler Bürger anstellen. Das alles kam zusammen. Näher an meinem Wohnort lag das DDR-Fernsehen. Ich hatte gehofft, dass man dort eine große Bauabteilung hatte, in der ich als Architekt arbeiten konnte. Ich bewarb mich. Allerdings stellte sich heraus, dass das Fernsehen keine Bauabteilung hatte. Deshalb bin ich als Szenenbildner in der Unterhaltung und dem Kinder- und Jugendfernsehen eingestiegen. Das war 1983/84. Ich war sehr erfolgreich, machte große Sendungen als Szenenbildner. Und dann kam die Wende.

Es war spät abends im Herbst 1989. Ich machte den Betonmischer aus, Schabowski* hielt die Rede, die keiner verstand, die Leute rannten los. Ich verstand das, wenn man in der Stadt wohnte. In meiner Gegend war das weiter weg. Hinzu kam, dass ich eine Außenproduktion in Buna* bei Halle hatte, da wurde Achims Hitparade* gedreht. Ich machte die Dekoration im Kulturhaus von Buna. Als die Mauer fiel, war mir das egal, denn als disziplinierter Mensch fuhr ich nach Buna. Ich bin quasi nicht durch die gefallene Mauer, sondern arbeiten gefahren. Ich dachte aber, dass der Mauerfall dufte sei. Wir gehörten nicht zu den Montagsdemonstrierern. Wir hatten zu DDR-Zeiten entschieden, uns als Ehepaar eine Nische zu suchen. Wir wollten nicht in den Westen, hatten früh unsere Töchter gezeugt und entschieden uns, weil wir Verantwortung für die Kinder hatten, zum Hausbau. Es war klar, dass wir bleiben würden, brav und artig sein und unser Ding machen würden. Wir haben uns also nicht die Augen zugehalten, sondern eine Alternative gesucht, danach, was möglich war. Als Eigenheimbauer konnte man nur typengerecht bauen, aber es gab Ausnahmen, wenn es ein Umbau war. Wir hatten auf dem Grundstück ein kleines Häuschen und ich stülpte darüber einfach einen Umbau. Im Endeffekt blieb nur acht Prozent vom Alten übrig, aber es sah ohnehin keiner mehr durch. Ich konnte die Nische nutzen und etwas Individuelles bauen.

Nach dem Mauerfall hatte auch ich die Illusion, dass jetzt alles besser werden würde. Es ist vieles besser geworden, im Konsumbereich. Ich fuhr einen alten Lada und Dank der neuen Finanzierungsmöglichkeiten der Banken konnten wir uns zwei ordentliche Autos kaufen. Ich habe natürlich einen BMW gewählt. Das wurde mir von der Bank als standesgemäß empfohlen. Jetzt nach der Wende wollte ich aber endlich die Möglichkeit haben, so beruflich einzusteigen, wie es in der DDR nicht möglich war. Dazu ist zu sagen, dass ich in den 1980er Jahren auch in die NDPD* – die Blockpartei zur SED – gegangen bin. In der DDR musste man in einer Blockpartei sein, um Freiberufler werden zu können. Bis zur Wende war ich da drin, dann ging sie in die FDP über. Das war mir zu blöd, kostete Geld, und nun gab es ohne in einer Partei zu sein die Möglichkeit, Freiberufler zu werden.

Ich musste mich nun entscheiden, ob ich beim Fernsehen, jetzt ARD und ZDF, weitermachen oder als Architekt einen neuen Anfang suchen wollte. Wenn man so viele Jahre raus ist, hat man aber den Kollegenkreis nicht mehr, die Netzwerke fehlen. Ich musste deshalb ganz allein bei null anfangen. Die Leute, die ich kannte, haben mir nicht viel genutzt. Die Bauakademie war pleite, das Wohnungsbaukombinat zerfiel, da bleib nur noch eine kleine GmbH übrig. Ein Festangestelltenverhältnis fiel aus, denn ich hatte mich über die Jahre durch Arbeit von zu Hause aus an meine Freiheit gewöhnt.

Ich ging zur Bank und lotete die vielen finanziellen Möglichkeiten für eine neue Büroeinrichtung und natürlich für den Weiterbau unseres Hauses aus. Ich kaufte mir eine ordentliche Büroausstattung, die es in der DDR so nicht gab. Als Freiberufler konnte man da richtig zulangen. Und es ging sehr viel Geld drauf. Es gab Förderkredite, und ich habe die gerne in Anspruch genommen. Heute würde ich sagen, dass ich in die Falle gegangen bin. Man hat mir zwar gesagt, dass ich in den nächsten 20 Jahren möglichst nicht krank werden sollte. Aber das habe ich verdrängt. Wir waren noch relativ jung und dachten, dass das schon klappen wird. Ich konnte also materiell meinen Beruf ausüben und mein Talent kannte ich. Es entdeckte mich ein Wessi, der mich unter Wert einkaufte. Ich sammelte Erfahrungen, lernte andere Kreise kennen, die mich weiterbrachten. Dass Häuser mit Tiefgaragen gebaut werden, so etwas gab es im Osten nicht. Ich bin also in die kapitalistische Arbeitsweise hineingerutscht. Meine Aufträge lagen vorwiegend im Osten, es waren schöne Sachen dabei, und das Geld war ordentlich. Ich hatte zwar keinen Ruhm, aber meine Arbeit wurde geschätzt. Ich war Anfang der 2000er Jahre in Usbekistan, in Moskau, Kasan, in Taschkent, und habe dort große Gebäude entworfen. Aber diese Firma ging als Auftraggeber insolvent. Ich hätte mich davor anders orientieren müssen. Man kann sich niemals – und das lernt man im Kapitalismus – auf nur einen Auftraggeber konzentrieren, jedenfalls nicht als Freiberufler. Das habe ich versäumt. So fehlte mir die Alternative.

2004 wurde ich mit einem Burn-out krank. Und das war das Ende des Geldverdienens für uns und die Bank. Ein nobles Haus kostet nobles Geld und die Kredite musste ich abzahlen. Durch das Schwächeln ging das nicht mehr so. Ich war krankgeschrieben und für vier bis fünf Wochen in der Reha-Klinik für psychosomatische Krankheiten. Das half mir zwar sehr, ich musste aber wieder neu anfangen. Diesmal setzte ich auf Fotovoltaikanlagen. Leider kannten und wollten die Leute so etwas nicht. Es lief schleppend. Die Bank bekam das mit und kündigte meine Kredite. Banken neigen dazu, ihr Geld zügig wieder zurückbekommen zu wollen. Die Methoden sind nicht angenehm. Sie haben unser Haus versteigert. Es war weg, und ich musste mich wieder neu orientieren. Das wurde eine holprige Zeit und ich bin deshalb heute trotz Rentnerstatus noch immer im Beruf tätig. Über die Jahre fand ich wieder feste Partner. Man kennt meine Fähigkeiten und mein Durchsetzungsvermögen. Heute arbeite ich an altlastigen Militärobjekten, die zu Wohnungen umgebaut werden.

Ich habe mit West- und Ostleuten zusammengearbeitet. Aber es stellte sich schnell heraus, dass das mit West nicht zusammenpasst. Die unterschiedliche Entwicklung über 40 Jahre in beiden deutschen Staaten hat zu erheblich unterschiedlichen menschlichen Entwicklungen geführt. Obwohl Wessis, die mich haben wollten, mich umgarnten, nie einer sich erlaubte, frech zu werden, zeigten sich die Unterschiede knallhart. Einmal sollte ich nach einem Entwurf ein Einfamilienhaus bauen, der Flur hatte aber keine Fenster, also keinerlei natürliches Licht. Ich schlug deshalb vor, den Kunden zu beraten und ihm zu vermitteln, das Tageslicht wichtig sei. Das ist mein Verständnis von meinem Beruf. Der Wessichef aber sagte: »Wir können nicht beraten, wir müssen Geld verdienen.« Das ist sicherlich nicht die Denkweise aller meiner Berufskollegen. Aber Geld ist die einzige Moral, die uns sofort nach der Wende entgegenschlug. Wir bauen zwar für Menschen, es geht aber meist zuerst um das eigene Honorar. Ein Grundstück maximal auszunutzen. Die Ämter haben dafür gesorgt, dass man nicht alles komplett bebauen darf. Aber wenn es zur damaligen Zeit nach den Investoren aus dem Westen gegangen wäre, wäre Berlin heute zubetoniert. Je höher und je mehr Gebäude, desto mehr Miete, und umso mehr erhielt der Architekt als Honorar. Mit Architektenphilosophie vom menschlichen Bauen hatte das nichts zu tun. Ich wollte schön bauen und gleichzeitig Geld verdienen. Aber ich hatte meine eigenen Ansprüche, und daran bin ich manchmal gescheitert. Ein Apotheker wollte zum Beispiel ein großes Haus haben. Ich entwarf es in vielen Sitzungen mit allem Drum und Dran, Pool und Sauna im Keller. Eines Tages kam er mit einem Katalog eines großen Villenanbieters, in dem ein völlig kitschiges Haus war, Villen mit Kitsch-Säulen, und ich fragte ihn, ob er mich veralbern wolle. »Wenn das die ästhetischen Vorstellungen sind«, so sagte ich, »nehme ich meine Tasche und meinen Hut.« Ich machte einen letzten, gestalterisch ausgewogenen Entwurf für sein Schloss. Wir mussten uns trennen, es war ihm zu teuer. Trotzdem wurde mein Entwurf verwirklicht – mit meinen Urheberrechten. Jetzt steht es. Er gab viel Geld aus, aber für meinen Entwurf, so wie ich das vorgeschlagen hatte. Darauf bin ich stolz, aber so etwas ist anstrengend.

Bestimmte Posten in meiner Berufsgruppe sind eine Männerdomäne, das war auch im Osten so. Auf dem Bau war es für eine Frau schwer, besonders für Architektinnen. Frauen waren weniger in Leitungspositionen, obwohl es im Studium mindestens so viel Mädels wie Jungs gab. Viele haben sich nach dem Studium aber unsicherer gefühlt, manche sind später aus dem Beruf rausgegangen. Frauen mehr als Männer. Auf dem Bau war es schon immer sehr rüde. Saufen, die Art des Miteinanders, eine Frau ist da unter den Jungs gefährdet. Eine Architektin auf dem Bau hatte allein kaum eine Chance. Und wenn die noch hübsch war, gab es die alten Klischees. Man muss aber sagen, dass manche Frauen die Fähigkeiten für den Beruf nicht hatten. Das Auswahlkriterium für das Studium der Architektur war die Durchschnittszensur im Abi und nicht das Talent, das Technikverständnis. In so einem komplexen Beruf reicht eine gute Marxismus-Leninismus Note nicht aus. Talent, Mathe, Management und Führungseigenschaften sind gefragt.

Der Ostmann hat sich in den Westen eingebracht. Es fehlt ihm aber manchmal an Individualität. Viele meiner Ostkollegen sind in den Westen gegangen und dort erfolgreich. Es fand mit der Völkerwanderung von Ost nach West eine Durchmischung statt. Auch Ostbüros haben sich ohne und mit Partnerschaften im Westen etabliert. Ich kann mir vorstellen, dass der Ostmann den Westmann beeinflusst hat. Die Solidarität des Ostens hat den Westen beeinflusst. Die Leute, die nach der Wende vom Westen in den Osten kamen, hier arbeiteten, das waren oft nicht die Besten, denn wenn sie gut gewesen wären, wären sie zu Hause geblieben. Das gab es überall und es schwappten die rüber, die im Westen keine Chance hatten. Wir haben zuerst nur diese Wessis kennengelernt. Das relativierte sich dann auf etablierte gute und tolle Geschäftsleute, solide und menschlich. Geblieben ist aber auch, dass in solchen Krisensituationen wie hier im Osten nach der Wende schon immer Leute fragwürdige Sachen durchgesetzt haben. Dazu gehört auch die AfD. Es ist logisch, dass die Leute immer dahin rennen, wo sie glauben, ihre Gesinnungsanknüpfung und ihre Gerechtigkeit zu finden. Ich kenne die Besetzung der AfD nicht gut genug, aber viele haben auf die anderen Parteien keine Lust. Und die angeln natürlich diese Enttäuschten und Frustrierten. Man muss den Menschen nur ein Bild malen, das sie sehen wollen, und dann kommen sie. Das ist ein uraltes Spiel.

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Litres'teki yayın tarihi:
25 mayıs 2021
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9783838275406
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