Kitabı oku: «100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 3», sayfa 2

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Die Fähre hat längst ihren Kurs geändert, und die Inseln in der Fahrrinne, bewaldet oder reiner Fels, sind zahlreicher geworden. Berge, Klippen und Ufer scheinen ebenfalls nach dem Schiff greifen zu wollen und lassen ihm kaum noch Platz. Unten am Bug gibt ein Crewmitglied Zeichen nach oben zum Steuermann, der Schritttempo anschlägt und die Taku immer wieder um etliche Grad hin und her drehen muss, um dem Inselgewirr in den Sergius Narrows auszuweichen. In dieser sehr engen Passage, in der man die Äste der großen Uferfichten fast mit den Händen greifen kann, erreicht der Gezeitenstrom mit 12 Kilometer Geschwindigkeit eine erheblich Strömung, sodass der Fahrplan den Gezeitenwechsel berücksichtigt. Und genau das ist der Grund, weswegen die Taku diesen Abschnitt durchfährt, wenn die Strömung ihre Richtung ändert und dadurch an Kraft verliert. Langsam, leise, aber zügig tastet und drängt sich die Fähre hier vorwärts, und als der Kurs Süd-West verkündet und sie wieder an Fahrt gewinnt, begleiten uns beiderseits bewaldete Berge, kugel- oder keilförmig, oder langgezogen und allmählich ins Meer eintauchend.

In Sitkas zerklüfteter Bucht ist es windstill, herrlich warm wie im besten deutschen Hochsommer, und der Himmel über dem einstigen „Paris des Nordens“ ist blitzblank geputzt. Grüne Kegelberge kennzeichnen den Vordergrund, dahinter erheben sich die weißen Spitzen ihrer großen Brüder. Von der Anlegestelle bis in die Stadt sind es 11 km, und es erscheint praktisch, von den 4 Stunden Liegezeit die gute Hälfte für eine angebotene Rundtour zu verwenden, um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten gezielt ansteuern zu können. Sehr viel davon hat der Ort, der als Indianerdorf Shee Attika begann ehe russische Pelzjäger 1799 in der Nachbarschaft ihr Fort St.Michael erbauten, ohnehin nicht zu bieten. Das Schönste ist eigentlich seine landschaftliche Lage, mit Booten, die in der Bucht schaukeln, den Bergen des Tongass-Waldes, dem Vulkankegel Mount Edgecumbe, 3.271 Meter hoch und vor 8.000 Jahren letztmalig ausgebrochen, und den goldenen Kreuzen der St.Michaels Kathedrale. Der Ort selbst macht einen sehr angenehmen, freundlichen Eindruck, und die meisten Geschäfte im Zentrum dienen dem Tourismus, wobei das angebotene indianische Kunsthandwerk auch hier hohe Qualität besitzt und entsprechend ausgepreist ist. Das absolute Muss in der Stadt ist natürlich die Kathedrale – ein echter Nachbau des 1966 abgebrannten orthodoxen Originals -, das 1844 bis 1848 hier entstanden war. Die erste Kirche ihrer Art in Nordamerika war sie allerdings nicht, denn die wurde bereits 1774 auf Kodiak Island erbaut. Der Stolz des Sitka-Gotteshauses sind seine wertvollen Ikonen, gegen die sich das Äußere des Holzbaues mit seinem Grau-Weiß und den beiden grünen Türmen, auf denen zwei goldene Kreuze glänzen, eher bescheiden darstellt, und die kleine St.Peter’s By the Sea Episcopal Church verträumter und romantischer wirkt. Historisch sind unweit der Cathedrale der alte russische Friedhof – die Frau des letzten russischen Gouverneurs, Prinzessin Maksutov ruht hier – und der Castle Hill. Auf diesem stand einst die Residenz des russischen Gouverneurs Baranof, dessen Einzugsgebiet von den Aleuten-Inseln bis in die Gegend von San Francisco reichte, wo sich die Russen nördlich davon im Fort Ross etabliert hatten. In dessen Mauern wurde 1867 auch der Verkauf Alaskas an die USA zelebriert, nachdem William Seward den amerikanischen Kongress vom Erwerb hatte überzeugen können, und die 7,2 Millionen Dollar für „Sewards-Icebox“ bei den Russen eingegangen waren.

Heute hält der Tourbus auf dem Hügel nur noch wegen der guten Aussicht, und für mehr Vergangenheit muss man sich im Visitor Center des Sitka National Historical Parks den dort gezeigten Displays zuwenden. An gleicher Stelle kann man in den zugehörenden Werkstätten auch den Künstlern – Schnitzer, Silberschmieden, Schneidern – bei ihren traditionellen Arbeiten über die Schulter schauen. Pflicht sind auch die Totempfähle der Tlingit und Haida, die über einen Wiesenweg im Regenwald zu erreichen sind und dort in der Gesellschaft von gewaltigen Zedern und Sitkafichten wie Geister wirken. Ihr Blick geht in Richtung der ankommenden Kreuzfahrtliner und bewirkt vielleicht auch, dass die New Archangel Dancers in der Harigan Centennial Hall von diesen Touristen genug Zuspruch erhalten, wenn jene ihre russischen Volkstänze darbieten. Am Ende der kleinen Halbinsel verdient auch noch der „Battle Ground“ – eine Wiese im Wald – einen Gedanken, denn hier wurde 1804 die letzte Schlacht zwischen Baranof und den Kiksadi-Tlingit Indianern geschlagen, die schon 1802 das Fort zerstört hatten und die Russen zurückschlugen. Nach einer Woche Beschuss durch die Fregatte Neva blieb aber auch diesen Eingeborenen letztlich nur noch der Rückzug. Sehenswert ist auch das 1842 erbaute Russian Bishop’s House, das als Zentrum der russisch orthodoxen Kirche fungierte und 1969 geschlossen wurde. 48 Monate später begann bereits eine 16 Jahre andauernde Rekonstruktion, um das Gebäude wieder so herzustellen, wie es sich 1853 darbot. Heute ist es eins von vier verbliebenen russischen Colonial-Architekturen in Nordamerika und verkörpert die dominierende Herrschaft der Russen im Nordpazifik für mehr als 125 Jahre. Und was hat die 9.000-Einwohnerstadt, deren Hafen als der geschäftigste an der Ostseite des Pazifiks in Alaska gilt, als größte des Alexander Archipels noch anzubieten? Je drei Häfen, Campingplätze, Flugplatz und Alaskas einzige, zur Universität gehörende Bowling Akademie. Im Sheldon Museum wird Völkerkunde geboten und, in dessen Shop, sehr gutes Kunsthandwerk verkauft. Gefeiert wird auch hier: Im Juni musizieren etwa 25 Künstler aus Asien, Europa und Nordamerika beim Musik Festival, und Anfang November werden die etwa 80 Buckelwale bejubelt, die alljährlich von Mitte September bis Mitte Januar im Haven „parken“, um anschließend ihre Reise in die Tropen fortzusetzen, wo sie ihre Jungen gebären und sich paaren. Stars in Südostalaska sind auch Bären, Otter und andere Vierbeiner, denn ein reichhaltiges Nahrungsangebot und niedrige Bevölkerungszahlen machen diesen Landstrich zu einem der besten Plätze für diese Tiere. Auch die Lachse und der Regenwald gehören zu den lokalen Attraktionen wie die Charterboote, die die dortigen Hütten erschließen. Für uns reicht die Zeit aber nur noch für ein paar schnelle Schritte zur O’Connell Brücke, um das Foto von der Waterfront und dem Hafen mit nach Hause nehmen zu können, denn dann heißt es, sicherlich auch für immer, Abschied zu nehmen von dem Städtchen mit dem freundlichen Flair, das heute vom Tourismus, der Holzverarbeitung und der Fischerei lebt. Es ist auch ein Abschied vom Herz der Geschichte Alaskas, denn hier unterhielt die Russian-American-Company schon eine geschäftige Ansiedlung, baute Schiffe und trieb mit den Indianern Pelzhandel, als Chicago nur ein Blockhaus, und San Francisco nicht mehr als eine Missionsstation waren.

Wenn wir morgen früh Petersburg, das auf den Norweger Peter Buschmann zurückgeht, der 1897 mit Sägewerk und Fischkonservenfabrik den Grundstein legte, gegen drei Uhr erreichen, werden wir sicherlich noch schlafen, denn der Ort ist ohnehin nicht aufregend. Es sei denn, man begeistert sich für seine große Kutterflotte, die mit etwa 400 Booten nicht nur Heilbutt anlandet, oder man möchte unbedingt das wunderschöne Panoramafoto vom „Hammer Slough“ haben. Lohnenswert ist Letzteres auf alle Fälle, doch braucht es auch die passende Tages- und Liegezeit. Jetzt werden wir vom Rest des wunderschönen Tages noch etwas an der Reling verbringen und die an uns vorüberziehende Natur genießen, in der das Bergmassiv der Coast Mountains mit seinen schneebedeckten Gipfeln und eisblauen Gletschern den Blick weit in die Ferne lenkt. Aber auch das Schiff selbst, seine Fahrt durch das klare Wasser unter uns und der bezaubernde Abendhimmel, dessen Färbung von Türkis bis zu hellem, klarem Blau ganz oben reicht, fesseln Gedanken und Blick. Dazwischen glänzen, von der tief stehenden Sonne angestrahlte, vereinzelte hohe Wolken in zartem Gelb-Rosa. Die leichte Brise, das eintönige Rauschen des durchpflügten Wassers und die fast greifbare Ruhe und Unendlichkeit fesseln ebenfalls. Derartige Momente beeindrucken, machen zufrieden aber auch nachdenklich und lassen vermuten, was die Suquamish-Indianer mit ihrem Sprichwort „ die Erde haben wir nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen“, gemeint haben könnten.

Gestern Abend habe ich meinen Wecker doch noch auf drei Uhr dreißig gestellt, denn die 37 Kilometer der kritischen Wrangell Narrows, die die Taku in den nächsten eineinhalb Stunden zwischen den Inseln Kupreanof und Mitkof passieren muss, wollte ich doch nochmals erleben. Die Passage wird sehr schnell gewaltig eng, und eine ganze Armada von Seezeichen weist den Weg. Oft bleiben nur eine schiffsbreite Rinne oder ein Slalom übrig, bei dem Bootsführer Kommandos schreien, mit langen Stangen hantieren oder Kuttersirenen aufheulen, um sich unserem Koloss gegenüber bemerkbar zu machen. Ich persönlich finde es grandios, wie sich die Taku „Schritt für Schritt“ durch dieses Gewirr aus Inseln und Stein windet, und danach sehr schön, dass ich mir nach der erheblichen Frische an der Reling die Bettdecke nochmals über die Ohren ziehen kann.

In Wrangell gehen nur wenige Leute von Bord, wir zum Frühstück, die drei oder vier LKW sind schnell verstaut, und nach kurzem Tuten drehen die Motoren der Taku schon wieder hoch. Für uns heißt das Fensterplatz, vor uns ein ordentliches Frühstück und sechs Stunden gemütliche Fahrt, mit Wald, Wasser und Inseln. Die Clarence Strait wirkt hier zwar wie offenes Meer, doch ist es immer noch die Inside Passage, und die hat heute zur Rechten das Prince of Wales Island, ein Paradies für Fischer und Wanderer, und hält kurz vor Ketchikan die Tongass Narrows bereit. Ketchikan, das sich auf schmalem Streifen zwischen Meer und Dear Mountain ausbreitet, hat im Zentrum neben Häusern auch „Straßen“ auf Stelzen, besitzt viele Totempfähle und kann sich über Regenmangel nicht beklagen. Nach wie vor lebt der langgezogene Ort von Fisch und Holz, und der Regenwald beginnt direkt hinter der Haustür. Das dritte Standbein, der Tourismus, hat sich aber schon gewaltig bemerkbar gemacht. Mit dem Flieger lässt sich auch von hier aus alles und schnell erreichen, von Anchorage bis Seattle, mit Haines, Juneau, Skagway oder ganz speziellen Attraktionen dazwischen. Ketchikan zeigt sich auch mit seinen Wasserflugzeugen, die ihre Rundfluggäste auch direkt abholen und längsseits der Kreuzfahrtschiffe landen, sehr geschäftig. Für uns spielen diese Möglichkeiten heute jedoch keine Rolle. Wir waren schon hier, wollen direkt weiter. Die eine Stunde Liegezeit reicht gerade aus, um von dem im Zentrum gelegenen Fährterminel 300 Meter über die Straße zum Supermarkt zu sprinten und für die nächsten beiden Tage Proviant einzukaufen. Was wir dort für fünfzehn Dollar bekommen – Wurst, Käse, Baguette, Croissants, Tomaten, Paprika, knackige Schwarzkirschen, Bananen und einen 6er-Pack Budweiser – war äußerst billig. Eintopf und Gebratenes zum Mitnehmen wurde auch angeboten, doch kostet eine Schüssel Chilibohnen mit viel Fleisch auf der Fähre auch nur 1.75 Dollar.

Im Schritttempo legt unser Schiff rückwärts wieder ab und wird in etwa sechs Stunden Prinz Ruppert erreichen. Momentan scheint Ebbe zu herrschen, denn die nassen Steine am Rand, über denen hohen Fichten wie Frontsoldaten zwischen Meer und Land in Reihe und Glied dem Wind trotzen, signalisieren, dass der Wasserstand in der letzten Stunde erheblich gesunken sein muss. Eine Rolle spielt das hier, wo uns im Revillagigedo Channel rechterhand die Inseln Anette und Duke als größere Gebilde begegnen, aber nicht. Auf der Westseite des Chatham Sounds wird sich uns noch Dundas Island zeigen und linkerhand auch der Südzipfel der im Tongass National Forest liegenden Misty Fjords National Monument Wilderness, deren 2,3 Millionen Acker völlig unerschlossen sind. Ab Ketchikan starten allerdings Wasserflugzeuge und zeigen Touristen, was unter ihnen zu sehen ist: Bis zu 300 Meter tiefe Fjorde, Granitwände, 1.000 Meter hoch und senkrecht abfallend, von Gletschern rund geschliffenen Berge der Boundary Ranges und Regenwald, in dem Sitkafichten und Hemlocks dominieren. In das Herz des Wildnisgebietes zieht auch ein langer und tiefer, von Tourbooten genutzter Wasserweg, während für die Benutzung der von der Forstverwaltung im Schutzgebiet unterhaltenen Hütten Führer und Seekajak unbedingte Voraussetzungen sind, um die mit Grizzlys, Schwarzbären, Maultierhirschen, Bergziegen, Elchen und Wölfen bestückte Wildnis sicher zu erleben.

Unterwegs hat es heute Nachmittag fast immer leicht geregnet, doch könnte der helle Himmel im Süden signalisieren, dass es morgen wieder besser wird. Mit dieser Hoffnung verdrücken wir uns in die Snack-Bar und bestellen zwei große Schüsseln Chilibohnen, die wir mit der Creme Fresh aus dem Supermarkt noch etwas aufwerten. Es ist letztlich ein guter Eintopf mit viel Fleisch und zwei Scheiben Toastbrot für jeweils 1.76 Dollar. Kostenlos ist allerdings das „Amüsement“ am Tisch gegenüber. Dort sitzen „zwei Vierecke“, die uns später erzählen, dass sie Mutter und Tochter sind, aus Manitoba kommen, und die Jüngere Lehrerin in Yellowknive bei den Eskimos ist. Beide haben sehr hübsche Gesichter, aber auch – ist man gnädig – jeweils etwa fünfzig Kilo zu viel. Das drückt die Kürnote und bestätigt den uralten Spruch, dass von Nichts auch Nichts kommt. Was das Essen angeht, so hat „das Kind“ ordentlich aufgeladen: Einen großen Nudelsalat, zwei doppelte Burger und eine große Portion Pommes, auf die noch ordentlich Ketchup kommt. Beim abschließenden roten Wackelpudding scheint das Girl dann recht zufrieden zu sein, denn sie nickt uns lächelnd zu, tippt mit dem Löffel auf die Süßspeise und meint „it’s great, you should try it“. Dass so viel Futter auch durstig macht, war zu vermuten, dass Frau Lehrerin aber neben dem Halben-Liter-Kaffeebecher auch noch ein Stück Kuchen zum Tisch mitbringt, eher nicht. Schnauf, schnauf. Auf den letzten Meilen verliert sich der Eindruck vom offenen Meer. An seine Stelle treten kleine Inseln, und die Fähre steuert direkt auf eine „grüne Wand“ aus bewaldeten Bergen zu. Kurz vorher, dort wo die Grain-Mill steht, dreht sie 90 Grad nach links und tastet sich im ausgesteckten Gewässer zwischen zwei Inseln langsam vorwärts, ehe sie nach rechts zum Dock abbiegt und rückwärts anlegen muss. Eine Meisterleistung, denn der trichterförmige Liegeplatz passt auf Anhieb haargenau.

Wieder festen Boden unter den Füßen streichen wir kurzerhand den Hotelbus und sind fünf Minuten später für sechs „Taxi-Dollar“ im „Howard Johnson“, dass uns für insgesamt 73 Dollar ein ordentliches Doppelzimmer für zwei Nächte reserviert hat. Dieses Hotel hatten wir gezielt gewählt, weil „National Car Rentals“ dort ein Büro hat, und damit unser „MG Impala Full Size“ morgen früh sieben Uhr auf dem Hotelparkplatz abholbereit steht. Damit wollen wir dann erst in die Stadt zu Adventure Tours, denn bei Dough und Debbie Davis haben wir für 240 Dollar eine Bootstour ins Grizzly-Schutzgebiet Khutzeymateen Valley gebucht, und am späten Nachmittag weiter nach Terrace, wo wir „Harry“ treffen, um mit ihm in sein einsames Camp zu fliegen.


Mit Harry‘s Guide im Bärenland


Für Schneeziegen ist das Fernrohr nötig


La Basilique Notre Dame, Montreal

Busch und Großstadt – Kitimat Mountains und Montreal

Das Khutzeymateen, 45.000 Hektar groß, ist Kanadas erstes und einziges „Grizzly-Bear-Sanctuary“, das 1994 zum Schutz dieser Vierbeiner 45 Kilometer nördlich von Prince Ruppert in der gleichnamigen Bucht gegründet worden ist. In der Sprache der Tsimshian Nation, die an der Gebietsverwaltung beteiligt ist, bedeutet der Name „ein Ort der Bären und Lachse“. Die Besucherzahlen sind strikt limitiert und der Zutritt nur mit professionellen Guides per Boot erlaubt. Unser Skipper ist ein von vielen Sommersprossen geprägter Mittdreißiger, äußerst lustig und hier aufgewachsen. Sein Boot steuert er durch ein Gewirr von Inseln und erreicht nach zwei Stunden Fahrt das auch von Elchen, Wölfen, Wasservögeln, Orcas und Buckelwalen bewohnte Khutzeymateen Tal, in dem sich Berge, Wald, Inseln, viele saftig-grüne „Pockets“ und Wiesenränder finden, die den etwa 50 Grizzlys genügend Futter anbieten. Fünf von ihnen können wir auf der sechsstündigen Tour, die für die Rückfahrt eine andere Route benutzt, auch aus der Nähe beobachten, denn der Mann am Steuer stellt dann stets den Motor ab und lässt sich ganz sanft bis auf etwa 20 Meter ans Ufer treiben. Ob diese Tour ihr Geld wert war? Ich denke schon, denn der Tag war sonnig, die Fahrt durch diese Landschaft sehr schön und die Grizzlys eine nette Zugabe. Wer hier mehr möchte, kann auch das haben, allerdings ganz exklusiv und zu ganz anderen Preisen. Zwischen 1.700 und 3.600 Dollar bietet das Familienunternehmen „Ocean Light II Adventures“ mit Skipper Chris Tulloch und seiner Segeljacht Touren zwischen vier und zwölf Tagen an, wobei das Non Plus Ultra die geführte „Great Bear Tour“ sein dürfte, die in 8 bis 11 Tagen die Regenwaldregion der B.C.-Küste vom Skeena River bis zum Rives Inlet erkundet. Dieser größte intakte temporale Küstenregenwald der Erde ist mit seiner Vielfalt und seinem Leben – alte Hemlock- und Zedernwälder, Grasregionen, Wasserfälle, wilde Bäche, achtzig Flüsse voller Lachse, Küstengebirge, Wölfen, Grizzly und Kermode Bären – auf einem Segler ganz gewiss ein großartiges Erlebnis.

Wieder zurück in Prince Ruppert steuern wir unseren Sechszylinder „Full Size“, dessen Kofferraum unsere zwei Hartschalenkoffer und die Reisetaschen bequem schluckt, nach einem kurzen Imbiss auf dem Yellowhead Highway entlang des Skeena Rivers. Unser Ziel ist das 150 Kilometer entfernte Terrace, wo wir gegen 18 Uhr 30 mit Harry McCowan im Hotel verabredet sind. Zusammen mit Straße und Fluss zwängt sich hier auch die Eisenbahn durch den schmalen Spalt, den die Gletscher einst durch das Küstengestein schabten, und der auf beiden Seiten von steilen, bewaldeten Hängen gesäumt wird. Es ist eine schöne Fahrt, auf der sich auch Angler, Brücken und Wasserfälle ins Blickfeld drängen. Terrace, ein überaus nettes, sauberes und größeres Städtchen als erwartet, ist eine der am längsten dauerhaft besiedelten Gegenden der Welt und war, lange bevor die Europäer kamen, eine der am dichtesten besiedelten Region nördlich von Mexiko. Der Skeena River bot den hier lebenden Tsimshian Nahrung, Schutz und diente ihnen als Transport- und Kommunikationsstraße. Ihre Kanus, die 4.000 Pfund tragen konnten und fünf Ruderer verlangten, mussten sie „kaufen“, denn auf den Bau dieser Boote waren die Haidas auf den Queen Charlotte Islands spezialisiert. Terrace hat aber nicht nur das Skeena River Tal als Pluspunkt, sondern mit schneebedeckten Bergzügen, Wäldern, dem grünen Sleeping Beauty und dem felsigen Thornhill Mountain oder dem von sandigen Ufern gesäumten Lakelse Lake auch eine nahezu perfekte Umgebung, die Outdoor Fans begeistert. Mit der Shames Mountain Ski Area und dem Onion Lake Ski Trail für Langläufer und Snowmobile muss sich der Winter vor dem Sommer aber auch nicht verstecken. Hinzu kommt die nördliche Lebensart mit gemäßigtem Tempo, Freundlichkeit und Sicherheit, und der nahe Ozean und die Küstenberge garantieren warme Sommer und schneereiche, milde Winter. Und die Fahrt oder der Flug nach hier stimmen bereits auf Urlaub ein.

Terrace ist auch ein Platz der roten Fische und weißen Bären. Bei den Schwimmern sind es vornehmlich Chinook-Lachse, die jedes Jahr aus dem Ozean in die von Gletschern gespeisten Flüsse, Bäche und Seen zurückkehren, um hier zu laichen und, wenn der Nachwuchs gesichert ist, auch zu sterben. Vierzig bis sechzig Pfund schwere Lachse sind im Skeena- oder Kitimat River keine Seltenheit, doch kam der hiesige Rekordfisch aus den The Remo Flats und wog stolze 92 Pfund. Liliputaner sind dagegen die Eulachons, ein fingergroßer Fisch, der nach der Eisschmelze ebenfalls zum Laichen in die Flüsse Skeena und Naas kommt, und dem, wie den großen Brüdern, auch die Räuber folgen: Seelöwen, Robben, Adler und Möwen, der Mensch sowieso. Jahrtausende lang stellten die Indianer dem Winzling nach, um aus ihm Fischöl für ihren Handel zu gewinnen. Dass er den Beinamen „Candle-Fish“ erhielt lag an seiner Eigenschaft, im getrockneten Zustand wie eine Kerze zu brennen.

Der Skeena Fluss, den die Ureinwohner „K’shian“ – Wasser aus den Wolken – nannten, und an dessen Ufern zur Laichzeit Angler neben Angler seiner Lieblingsbeschäftigung nachgeht, ist jedoch ein Gewässer, das Respekt verlangt. Sein Pegel kann sich an einem einzigen Tag um fünf Meter steigern und insgesamt um mehr als 18 Meter schwanken. Er riss auch schon Löcher in die Planken der Flussdampfer, deren Kapitäne sich schon damals darüber einig waren, dass er wohl der raueste Fluss in Nordamerika ist. Mit 152 Zentimeter Gefälle pro Meile, Stromschnellen, Whirlpools, unbekannten Kanälen, Canyons und sich stetig verändernden Sandbänke sorgten er dafür, dass die Dampfer, die ihn einst befuhren, für unsere heutige gemächliche Neunzig-Minutenfahrt 35 Stunden brauchten, um den gleichen Abschnitt zu bewältigen. Diese „Riverboats“ operierten auf dem 180 Meilen langen Gebirgsstrom aber nur für 22 Jahre, und als Letzter stellte der Sternwheeler „Inländer“ seinen Dampfkessel ab, als im September 1912 die Eisenbahn die Geschäfte übernahm.

Eine der großen Segeltouren mit der Ocean Light II Adventures hätte mich schon gereizt, aber um die Schönheiten eines Landes kennen zu lernen, dazu braucht man keinen Luxus, das geht auch rustikal und ist dann oft viel schöner. Und eine solche Alternative fanden wir mit „Harry“, bei dem die Anzahl der Tage in seinem Buschcamp, als auch die Unternehmungen mit ihm, ausschließlich von unseren Wünschen abhingen. Und Harry, groß, hager, Mitte vierzig und sehr kühl wirkend, erschien, wie verabredet, in der Hotel-Lobby des Terrace-Inn auf die Minute pünktlich. „Kühl“ war der Mann aber keinesfalls, nur absolut korrekt, und auf die kurze Begrüßung folgt wie in einem Satz: „Die Übernachtung hier könnt ihr vergessen, alles schon geregelt. Bei diesem Superwetter fliegen wir sofort zu meinem Camp. Mein Truck steht draußen, fahrt mir einfach nach.“ Dann dreht er sich schon wieder zur Tür, marschiert raus, und wenige Minuten später folgen wir schon seinem roten Pickup, der nach einigen Kilometern den Yellowhead Highway verlässt und auf die „37“ Richtung Kitimat einbiegt. Am Lakelse Lake Provincial Park biegt Harry erneut ab, und über einen von hohen Fichten gesäumten Schotterweg erreichen wir sein Seegrundstück. Dort scheint er sofort zu merken, dass ich beeindruckt bin und meint, dass er das (sehr schöne) Blockhaus erst kürzlich fertiggestellt hätte, ich die Hälfte des Grundstücks kaufen und „mein“ Haus darauf bauen könnte. Zwanzig Jahre jünger hätte ich den Kaufvertrag für die Hälfte dieser traumhaften zweitausend Quadratmeter mit gewaltigen Zedern, Fichten und Tannen wohl sofort unterschrieben, zumal die umgerechneten 180.000 Euro, die Harry für Haus und Grund bezahlen musste, für deutsche Verhältnisse ein geschenkter Preis sind. Dazu den See, das nette Städtchen Terrace und die majestätische Umgebung, zu der auch die Lyton Hot Springs gehören, die volumenmäßig zu den größten heißen Quellen der Welt zählen. Die Natur hat hier aber noch mehr zu bieten. So den 90 Kilometer langen, von Fels und Regenwald gesäumte Douglas Channel mit Seelöwen, Orcas, riesigen Heilbutts, Lachsen, Grabben und Adlern, Gribbell Island mit seinen Kermote Bären oder die, im traditionellen Haisla Territorium liegende Kitlope Heritage Conservancy mit ihren bis zu 800 Jahre alten Bäumen. In unmittelbarer Nähe verläuft auch die Inside Passage und etwas entfernter, aber immer noch vor der erweiterten Haustür, der Yukon und Alaska. Mehr Natur kann man nicht erwarten. Zu schön, um davon zu träumen, für einen Neuanfang ist das aber zu spät.

Vor Ort geht dann alles sehr flott. Ob wir die Koffer ins Haus bringen, oder im Auto lassen möchten, sei völlig egal. „Hier kommt nichts weg, du brauchst auch gar nicht abschließen“. Also Reisepapiere, Pass und Travellers Schecks (um die Fuhre zu bezahlen), Jacken, Pullover, Wanderschuhe … und ein kleines Gastgeschenkt in den Rucksack, Koffer wieder zu, Auto abschließen und ab zum Flieger am Bootssteg, denn der war schon startklar. Sabine nach hinten (sie braucht Rundumsicht für die Kamera), ich neben Harry, Kopfhörer auf, anschnallen, Fenster zu und ab geht’s. Das Ding flitzt wie auf Schienen über das glatte Wasser, ist am Seeende schon weit mehr als 100 Meter in die Lüfte geklettert, und vor uns liegen etwa fünfzig großartige Minuten. Auf Englisch würde man sagen “jaw-dropping scenery awaits you around every turn“. Und genauso ist es auch. Was unter uns liegt, ist eine ganz andere Welt. Berge, grün bewachsen bis zur Spitze, recken sich 2.000 Meter vom Seelevel fast bis zu uns herauf oder grüßen seitlich von höherer Warte mit Gletschern und steilen Felswänden , deren Granitmassen sich unüberwindlich kreuz und quer stellen. An ihrer Basis ungezählte Seen und Täler, die Gletscher über Jahrmillionen geformt und den Fels geschliffen haben, und in denen sich Wälder ausbreiten und an die Hänge klammern, soweit das Auge reicht. Zahllose Bäche stürzen hier zu Tal und springen den, sich wie glänzende Bänder durch die Täler windenden Flüssen oder smaragdgrün schillernden Seen entgegen. Was wir hier sehen ist eine grandiose Wildnis, unwahrscheinlich schön, aber auch absolut menschenleer, ohne Wege, abweisend, unzugänglich und Fehler nicht verzeihend. Und das da unter uns ist die Kitimat Range, eine der drei Küstensubregionen Kanadas, die vom Naas River im Norden bis Bella Coola im Süden reicht und im Osten an die Hazelton Mountains grenzt. Sie ist zwar niedriger als der südliche Nachbar, die Pazifik Region, aber wesentlich rauer und mit zahlreichen Küsteneinschnitten und fjordartigen Seetälern auf der Interiorseite des Gebirgszuges versehen. Bedenkt man, dass allein die 58.000 Hektar große Gitnadoix River Recreation Area, wo sich ähnlich wie im kalifornischen Yosemite Valley die Szenerie vom Talgrund bis hinauf in die Granitspitzen durch alle Vegetationszonen ausdehnt, nur ein kleiner Flecken in den Kitimat Bergzügen darstellt, begreift man ihre Weite.

Die Chesna fliegt hier über ähnliches Gebiet, und meist eng an den Hängen entlang. Wegen der Thermik, nehme ich an. Und wenn Harry Bergziegen entdeckt, dreht er eine Extrarunde um oder über den Berg, um uns die schwer auszumachenden, und von weitem mit Schneeflecken zu verwechselnden Tiere aus der Nähe zu zeigen. Das führt auch unweigerlich zum „Luftanhalten“ weil man glaubt, der Viersitzer könnte die Bergspitze streifen. Der schnelle Blick auf das entsprechende Instrument lässt zwar sofort wieder durchatmen, doch kommt die eigentliche Gänsehaut erst nach dem Gipfel, denn dort stürzen Fels und Blick mindestens 2.000 Meter in die Tiefe. Auch wenn das nur für einen Moment gilt bis sich der nächste Klotz wieder aufrichtet, über den es hinweg oder vorbei geht, es ist gewöhnungsbedürftig. Auf vielen dieser Bergplateaus glitzern kleine, in vielen Nuancen schimmernde Seen oder große Pfützen. Anderswo hängen Schneebretter am Granit oder füllt Eis eine Senke. Für Sabine heißt das „Arbeit“, denn bei so viel Anmut hat sie alle Hände voll zu tun und rutscht vom linken zum rechten Fenster und wieder zurück, um ja nichts zu versäumen.

Als Harry nach 50 Minuten irgendwo zwischen den Bergen zur Landung auf einem See ansetzt, an dem es nur ihn und sein Camp gibt und Nachbarn sowieso nicht, waren wir eigentlich schon restlos zufrieden, denn es war eine wunderbare Welt, die er uns gezeigt hatte. Der See hat keinen Namen und keine Fische, ist eiskalt und kristallklar, und der Pilot nennt ihn „Europe Lake“. Warum er diesen Namen wählte, weiß er auch nicht mehr, einfach so. Ist ja auch egal. Ringsum Natur pur, das reicht. Ehefrau Carol und Guide Wayne winken uns zu, und ziehen die Maschine rückwärts an ihren Liegeplatz damit wir trockenen Fußes über „Schwimmballons“ ans Ufer gelangen können, wo auf einer Holztafel die Hausnummer 44 vermerkt ist. Gebaut hat das unser Gastgeber alles selbst. Mit der Chesna den Platz gefunden, Boot und Säge eingeflogen, Bäume gefällt, Bretter und Rundhölzer geschnitten und zu Blockhütten zusammengefügt. Betten, Tische, Regale und die Kücheneinrichtung entstanden auf die gleiche Art, in Handarbeit der McCowan-Familie. Nur der Gasherd, sein Betriebsstoff und der Benzinvorrat kamen wie wir auch, per Wasserflugzeug. „Schön“ im europäischen Sinne ist das alles sicherlich nicht, aber perfekt praktisch, wie die Weinlagerung in der Hundehütte lustig, funktionell und blitzsauber. Die Küche dient gleichzeitig als Aufenthaltsraum und hat an der hinteren Wand zwei Doppelstockbetten für die Familie. Eins der beiden untersten ist besonders lang, und daran steht „Koch & Pilot“, Harrys Doppelfunktion. In den Gästehütten mit je zwei Doppelstockbetten, Waschbecken, Dusche, Regalen, Schuhbank, Kleiderhaken, Gasofen und elektrischem Licht ist Notwendiges vorhanden, denn das Wichtigste ist hier die Natur, nicht der Wohnkomfort. Bleiben noch zwei Dinge: Strom erzeugt ein Generator, und die Wasseraufbereitungsanlage bedient sich aus dem See. Der überdachte Boardwalk nach dort ist mit Lichtsensoren ausgestattet, wie auch der dreißig Meter lange Weg zum WC. Das „Häuschen“ hat allerdings nur zwei Wände, eine im Rücken, die andere links als Tür, die gleichzeitig auch die Frei- oder Besetztfunktion übernimmt, und eine offene „frei“ signalisiert. Die beiden anderen Seiten sind natürlicher Art, tiefster, dichter Busch. Aber was soll’s, die Hygiene stimmt, und unterwegs ist hier ohnehin niemand, denn hinter der Hauswand beginnt die Wildnis. Mit Jahrhunderte altem Wald, Vogelgezwitscher, Adlern und Bären. Selbst Forststraßen fehlen hier, und in weite Teile dieser Gegend hat bisher noch nie ein Mensch seinen Fuß gesetzt, weder Harry noch Wayne. Und als abends die Steaks auf dem Grill liegen und wir mit einem Glas Rotwein mit unseren Gastgebern auf die neue Freundschaft und ein paar schöne Tage anstoßen, hätte es die Welt mit uns kaum besser meinen können.

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Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
Hacim:
368 s. 48 illüstrasyon
ISBN:
9783957446114
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