Kitabı oku: «Zwischen Gartenbau und Gartenkunst: Gärtner und Gartengestalter in Wien und Umgebung 1918–1945», sayfa 7
2.4.1 Nationalsozialismus in Wien
Das Verhältnis der neuen Machthaber zu Wien war ambivalent. So verkündete zunächst Bürgermeister Hermann Neubacher:
„Wir werden diese deutsche Stadt Wien nationalsozialistisch verwalten und wir werden diese deutsche Stadt Wien einem ungeahnten Aufbau zuführen, einem Aufbau, der der Kritik der Welt standhalten wird, und einer Ausgestaltung, über die als oberster, unvergleichlicher Bauführer unser Führer des deutschen Volkes und des Großdeutschen Reiches Adolf Hitler mit seiner ganzen wahrhaft königlichen Baugesinnung stehen wird.“189
Hitler meinte jedoch im Rahmen vertraulicher Tischgespräche, dass er zwar Wien bewundere, aber vorhatte, „Wiens Vormachtsstellung auf kulturellem Gebiet in den Alpen- und Donaugauen zu brechen und ihm einmal in Linz eine Konkurrenz erstehen zu lassen und zum anderen Graz so auszubauen, daß seiner von jeher nicht so sehr für Wien begeisterten Bevölkerung in kultureller Hinsicht der Rücken gestärkt werde“.190
Bereits im Herbst 1938 kam es zur flächenmäßigen Ausweitung Wiens, es wurden zahlreiche Umlandgemeinden, wie z. B. Hadersdorf-Weidlingau, Liesing, Purkersorf, Rodaun, Mödling, Münchendorf und Schwechat eingemeindet. Insgesamt wurden 97 Gemeinden angegliedert, die Fläche der Stadt wuchs von 27.800 ha auf 121.800 ha und die Einwohnerzahl erhöhte sich um rund 213.000 auf 2.087.000 Personen.191 Die neu geschaffenen Bezirke trugen die Nummern 22 bis 26.192
Die vor dem „Anschluss“ existierenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Stadt, hauptsächlich die hohe Arbeitslosigkeit und die Wohnungsnot mit den daraus resultierenden Schwierigkeiten, sollten durch ein eigenes Wirtschaftsprogramm gelöst werden.193 Dabei hatte der „Anschluss“ zu einer Erhöhung der Arbeitslosenzahl beigetragen: So war im April 1938 die Zahl der Stellensuchenden in Wien von 204.000 auf 235.000 gestiegen. Aufgrund der Vertreibungen, der anlaufenden Rüstungsindustrie und schließlich durch den Kriegsausbruch konnte die Arbeitslosigkeit bis Ende September 1941 in Groß-Wien auf 871 registrierte Arbeitslose gesenkt werden.194
Das Wohnungsproblem konnte, trotz anders lautender Ankündigungen, nicht durch Neubauten gelöst werden, sondern es wurde durch die Deportation und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung gemildert.195
1939 avancierte Bürckel zum Gauleiter Wiens. Ihm waren auf politischer Ebene bis 1940 zwei große „Erfolge“ beschieden: „die völlige Zerschlagung Österreichs und der Aufbau der Reichsgauverwaltung sowie die Übernahme der Führung auch in der Wiener Gemeindeverwaltung“.196
2.4.2 Parteimitgliedschaft in der NSDAP
Da es unter den österreichischen Gartenarchitekten einige NSDAP-Mitglieder gab, ist es erforderlich, die Bedeutung der Mitgliedschaft und die Möglichkeiten der Erlangung einer Mitgliedschaft darzustellen.
In die NSDAP sollten, gemäß einem Ausspruch Hitlers, nur die besten Nationalsozialisten aufgenommen werden.197
Nach der Machtübernahme in Deutschland stieg die Mitgliederzahl rasant von 850.000 im Jänner 1933 auf 2,5 Millionen im Frühjahr 1933 an.198 Diese Flut von Neumitgliedern veranlasste die NSDAP-Führung im April 1933 eine Aufnahmesperre zu erlassen, die allerdings nicht für die Angehörigen der NSDAP-Jugendverbände galt.199
Mit der von Reichsschatzminister Franz Xaver Schwarz erlassenen Anordnung 18/37 vom 20. April 1937 wurde eine Lockerung der Mitgliedersperre verfügt und gleichzeitig der Status des „Parteianwärters“ geschaffen: Er hatte alle Pflichten, insbesondere Melde- und Beitragspflicht, allerdings konnte er nicht alle Rechte eines ordentlichen NSDAP-Mitgliedes beanspruchen. Die „Parteianwärterschaft“ gab es nur im Zeitraum vom 1. Mai 1937 bis 1. Mai 1939.200
Trotz der nach wie vor bestehenden Reglementierungen erlebte die NSDAP nach der Lockerung der Mitgliedersperre 1937 und der Einführung der „Parteianwärterschaft“ die größte Eintrittswelle ihrer Geschichte. Von Juni bis Dezember 1937 traten 783.466 Personen der NSDAP bei, von Dezember 1937 bis Juni 1938 stieg die Zahl der Aufnahmen mit 1.336.702 Neumitgliedern noch einmal erheblich an. Im Jahr 1939 wurden allein 171.484 Parteimitglieder aus der „Ostmark“ neu erfasst.201
Die Freiwilligkeit des Beitritts zur Partei war oberstes Gebot, obwohl sich die örtlichen Stellen ab 1939 zunehmend unter Druck gesetzt fühlten, die Vorgaben Hitlers zu erfüllen, nach denen 10 % der Bevölkerung Mitglieder der NSDAP sein sollten.202 Alle „Volksgenossen“, die deutsche Staatsbürger waren, einen guten Leumund und das 21. Lebensjahr vollendet hatten, konnten der Partei uneingeschränkt nur vom 1. Mai 1939 bis 2. Februar 1942 beitreten, da mit 2. Februar 1942 für die Dauer des Krieges eine totale Mitgliedersperre verhängt wurde. Ausgenommen davon waren nur Überweisungen aus den Reihen der Hitlerjugend.203 Mit der Verordnung 24/44 verfügte Reichsschatzminister Schwarz, dass ab dem 31. Oktober 1944 keine Aufnahmeanträge, mit Ausnahme von Kriegsversehrten, mehr vorgelegt werden durften.204
In Österreich wurde durch eine Verordnung der Bundesregierung vom 19. Juni 1933 jegliche Betätigung für die NSDAP verboten, was einem Verbot der Partei gleichkam.205 Das Betätigungsverbot blieb formal bis zum Anschluss an das Deutsche Reich, genauer gesagt bis zur Bildung der nationalsozialistischen Bundesregierung am 11. März 1938, in Kraft, obwohl bereits vorher Vertrauensleute der illegalen NSDAP in führende Positionen des austrofaschistischen Ständestaates berufen worden waren.206 Diese Periode wird in der NS-Terminologie auch als „Verbotszeit“ bezeichnet.207
Im Dezember 1939, nach der Aufhebung der im März 1938 für den Gau Wien eingeführten totalen Mitgliedersperre, wurden die Wiener „Parteianwärter“ schrittweise, je nach Verdiensten und Wichtigkeit für die Partei, bis 1942 als Parteimitglieder aufgenommen. Zu einer früher angekündigten „allgemeinen Aufnahmeaktion“ kam es nicht, es wurden nur die bereits gestellten Ansuchen abgearbeitet. Danach galt auch hier die im Februar 1942 verhängte totale Mitgliedersperre.208
1942 gab es auf dem Reichsgebiet des ehemaligen Österreich 688.478 NSDAPMitglieder, bei der Registrierung von NSDAP-Mitgliedern im Jahr 1946 ergab sich ein Mitgliederstand von 536.662.209
In Wien gab es Ende 1938 rund 100.000 Parteimitglieder, von denen rund 23.000 „Alte Kämpfer“ und weitere 42.000 „Illegale“ waren. Bis 1942 stieg die Zahl der NSDAP-Mitglieder im nunmehrigen Groß-Wien auf rund 160.000 an und nach 1945 gab es laut Registrierung nur noch 115.000 Wiener Nationalsozialisten. Der Historiker Gerhard Botz führt diesen Mitgliederschwund auf Kriegs- und Wanderungsverluste zurück.210
Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Definition der Begriffe „Alte Kämpfer“ und „Illegale“, die häufig verwendet werden und sich in Akten finden.
„Alte Kämpfer“, also Mitglieder der ersten Stunde, waren Personen, die bis zum Jahr 1928 der NSDAP beitraten und eine Mitgliedsnummer unter 100.000 hatten. Sie genossen Privilegien bei parteiinternen Sozialleistungen und durften das Goldene Parteiabzeichen tragen.211
Unter den „Illegalen“ verstand man jene Personengruppe „die erst nach dem Parteiverbot in Österreich zum Nationalsozialismus gestoßen waren“. Sie erhielten aufgrund der fehlenden bürokratischen Strukturen in diesem Zeitraum das einheitliche Aufnahmedatum 1. Mai 1938 zugeteilt und Mitgliedsnummern zwischen 6.100.000 und 6.600.000 sofern sie nachweisen konnten, dass sie in der Verbotszeit beigetreten oder „sich aktiv im nationalsozialistischen Sinne betätigt hatten“.212
Tabelle 4: NSDAP-Mitglieder unter den in Kapitel 7 beschriebenen Personen.213
Mitglieder | Eintrittsdatum | Mitgliedsnummer |
Gälzer, Otto214 | 1. Mai 19381 | 6.123.924 |
Hartwich, Wilhelm | 1. August 19352 | 3.672.583 |
Ihm, Eduard | 1. Jänner 19411, 2 | 9.235.288 |
Mödlhammer, Viktor | 1. Mai 19332 | 1.622.725 |
Stowasser, Josef | Juli 19363 | 6.197.783 |
Trenkler, Otto215 | 1. Mai 19381 | 6.121.102 |
Wladar, Josef Oskar | 1. März 19321 | 896.205 |
Die Frage, wie viele Gärtner tatsächlich NSDAP-Mitglieder waren, kann hier nicht beantwortet werden, da nicht alle bekannten Gärtner systematisch kontrolliert wurden. Von den rund 100 überprüften Personen konnte bei 24 eine NSDAP-Mitgliedschaft nachgewiesen werden.
2.4.3 Widerstand, Vertreibung, Ermordung
Auch unter Widerstandskämpfern, Vertriebenen und in Konzentrationslagern Internierten und Ermordeten finden sich auch einige Personen mit gärtnerischen Wurzeln – hier einige Beispiele:
Ein prominentes Beispiel für die Verschleppung in ein Konzentrationslager ist Emmerich Zederbauer. Der am 29. September 1877 in Nussdorf an der Traisen, NÖ, geborene Zederbauer studierte nach seiner Matura im Juli 1898 an der Universität Wien und promovierte an der Philosophischen Fakultät am 10. Februar 1903 mit der Arbeit: „Untersuchungen über ‚Anlage und Entwicklung der Knospen einiger Laubmoose“ im Fach Botanik.216 Er verstarb am 4. September 1950 und wurde bereits drei Tage später am Grinzinger Friedhof in Wien begraben.217 Zederbauer war von 1937 bis 1938 Rektor an der Hochschule für Bodenkultur und bereits ab 1924 Professor für Obst- und Gartenbau.218 Kurz nach dem Anschluss wurde er am 18. März 1938 festgenommen und einige Wochen später mit dem ersten Transport am 2. April 1938 von Wien aus in das KZ Dach überstellt. Er bekam die Häftlingsnummer 13788 und war der Kategorie „Schutzhäftling“ zugeteilt. Er wurde, vermutlich aufgrund seines Alters, am 20. September 1938 aus dem KZ Dachau entlassen.219 Während seiner Inhaftierung in Dachau wurde er mit dem Entwurf des Kräutergartens im KZ beauftragt, die Anlage „Freiland I“ wurde zwischen 1938 und 1940 realisiert.220
Ein Wiener Widerstandskämpfer mit Verbindungen zum Gartenbau war Franz Danimann, ein Kämpfer sowohl gegen den Austrofaschismus als auch gegen das Naziregime.221 Der am 30. August 1919 in Lugos, Rumänien, geborene Danimann absolvierte seine Gärtnerlehre vom 11. März 1935 bis 11. März 1938 bei Adalbert Worac, der eine Friedhofsgärtnerei beim Wiener Zentralfriedhof betrieb, und besuchte die fachliche Fortbildungsschule in Wien-Kagran vom Schuljahr 34/35 bis 37/38. Sein Abgangszeugnis erhielt er am 7. März 1938.222
Danimann kam über seinen Onkel und Ziehvater Eduard Kroneis in Kontakt mit der sozialdemokratischen Partei, er war während der Zeit des Austrofaschismus im illegalen Widerstand und in der nunmehr ebenfalls illegalen „Freien Gewerkschaft“ tätig. Nach dem „Anschluss“ wurde Franz Danimann 1939 von der Gestapo verhaftet und war von 1939 bis 1942 in unterschiedlichen österreichischen Gefängnissen, meist in Einzelhaft. 1942 wurde er schließlich in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er am 27. Jänner 1945 seine Befreiung durch die Rote Armee erlebte.223 Nach 1945 absolvierte er ein Jusstudium, war lange Zeit als Leiter des Landesarbeitsamtes NÖ tätig und einer der wichtigsten Zeitzeugen des Widerstandes.224 Er starb im Juni 2013 in Wien.225
Der Tiroler Hubert Mayr, ebenfalls gelernter Gärtner, lebte und arbeitete zwar nicht im Untersuchungsgebiet, soll hier aber trotzdem als Beispiel für Widerstandskämpfer mit gärtnerischen Wurzeln angeführt werden.226
Peter Wallgram schilderte in seiner Biografie, wie sich der junge, am 28. November 1913 in Innsbruck geborene, Tiroler während seiner gärtnerischen Ausbildung in Deutschland der Sozialdemokratie zuwandte und dem republikanischen Schutzbund beitrat. Nach dem Verbot der Sozialdemokraten 1934 ging Mayr in den Untergrund, verließ schließlich Österreich und ging nach Spanien, um sich 1937 den Internationalen Brigaden im Kampf gegen General Franco anzuschließen. Er wurde interniert und konnte nach Algerien fliehen, wo er wiederum als Gärtner arbeitete. Nach der Landung der Alliierten in Nordafrika schloss er sich den Briten an, er wurde der Einheit „Special Operation Executive (SOE)“ zugeteilt und kehrte schließlich 1943 nach Österreich – genauer Außervillgraten in Osttirol – zurück, um dort eine Widerstandsgruppe aufzubauen. Diese Gruppe wurde jedoch verraten, mehrere Mitglieder wurden erschossen und von Hubert Mayr verlor sich jede Spur. Er galt ab der Jahreswende 1944/45 als verschollen und wurde 1945 von der SOE für tot erklärt.227
Von vielen jüdischen Gärtnern sind sowohl die Lebensumstände bis zum „Anschluss“ wie auch ihr weiteres Schicksal unbekannt. Exemplarisch für zur Auswanderung gezwungene Personen seien Grete Salzer, Hanny Strauss, Paula von Mirtow und Yella Hertzka genannt – ihre Lebensgeschichten sind in Kapitel 7 genauer beschrieben.
Zwei Beispiele für die Vernichtung jüdischen Lebens sind die Gärtner Andreas Paul Glasel und Kurt Knapp.
Andreas Paul Glasel wurde am 5. Oktober 1918 in Budapest geboren und besuchte zumindest im Schuljahr 1934/35 die fachliche Fortbildungsschule für Gärtner in Wien-Kagran. Er arbeitete in der in Wien sehr bekannten Rothschild-Gärtnerei auf der Hohen Warte im 19. Bezirk und wohnte in der Amerlingstraße 1 im 6. Bezirk.228 Über seinen weiteren beruflichen Lebensweg ist nichts bekannt – seine letzte Wohnadresse in Wien war Damböckgasse 2/18, 6. Bezirk. Am 31. August 1943 wurde Andreas Glasel nach Westerbork/Auschwitz deportiert, wo er am 3. September 1943 ermordet wurde.229
Kurt Knapp wurde am 11. April 1920 in Wien geboren und lebte mit seiner Familie230 im 11. Bezirk im Barackenlager Hasenleitengasse 6–8 in Baracke 2.231 Mit 1. Mai 1936 begann er eine Lehre bei dem Simmeringer Blumen- und Gemüsegärtner Ernst Sanda, der an der Adresse Hasenleitengasse 6–8 einen Betrieb führte. Die Lehrzeit sollte vom 1. Mai 1936 bis 1. Mai 1939 dauern.232 Wahrscheinlich hat Knapp seine Lehrzeit nicht beendet, da er in den Klassenbüchern der fachlichen Fortbildungsschule nach dem Schuljahr 1936/37 nicht mehr aufscheint. Nach dem „Anschluss“ wurde Kurt Knapp im August 1940 von der Gestapo erkennungsdienstlich behandelt.
Abb. 1: Kurt Knapp. Foto aus der erkennungsdienstlichen Kartei der Gestapo Wien.233
Der Eintrag in der Opferdatenbank des DÖW fasst die darauffolgende Entwicklung zusammen:
„Er [Anm. Kurt Knapp] und sein Bruder David waren landwirtschaftliche Hilfsarbeiter und wurden am 26.08.1940 wegen ‚Arbeitsverweigerung‘ festgenommen. Beide wurden am 16.10.1940 nach Dachau deportiert, und am 12.07.1941 nach Buchenwald verlegt. David wurde am 23.03.1942 ermordet, sein Bruder Kurt acht Tage später am 31.03.1942.“234
Die restlichen Familienmitglieder – Vater Leopold, Mutter Berta und die Geschwister Hermine, Ernst und Josef – wurden am 19. Februar 1941 gemeinsam mit 999 anderen Personen vom Wiener Aspangbahnhof nach Polen, in die nördlich von Krakau gelegene Stadt Kielce deportiert. Dort wurde Ende März 1941 ein Ghetto errichtet, in dem Ende 1941 rund 27.000 Juden lebten. Nur 18 von den 1.004 im Februar 1941 deportierten Juden überlebten,235 Mitglieder der Familie Knapp waren nicht darunter.236
2.2.4 Auswirkungen des „Anschlusses“ auf die jüdische Bevölkerung
Zeitgleich mit dem Einmarsch Hitlers in Österreich kam es zu ersten Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung. Von den in diesem Kapitel beschriebenen Auswirkungen waren selbstverständlich auch jüdische Gärtner, Gärtnereiarbeiter und Gartenbesitzer betroffen.
Der erzwungenen Auswanderung voran gingen „Arisierungen“ und Vermögensentzug. Die „Ausreisewilligen“ hatten Steuern, Umlagen und Abgaben zu entrichten. Die sogenannte „Judenvermögensabgabe“, nach den November-Pogromen 1938, wurde eingeführt. Alle staatsangehörigen Juden, die bereits aufgrund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938 ihr Vermögen hatten anmelden müssen, wurden für abgabepflichtig erklärt.237 Mit 14. April 1938 war die im „Altreich“ geltende „Reichsfluchtsteuer“-Pflicht,238 rückwirkend für alle seit dem 1. Jänner ausgewanderten Personen, auf die angeschlossene „Ostmark“ ausgedehnt worden. Sie belief sich auf 25 % des gesamten steuerpflichtigen Vermögens, wobei der letzte Steuerbescheid maßgeblich war. Schulden und Belastungen konnten vor der Berechnung der „Reichsfluchtsteuer“ vom Gesamtvermögen abgesetzt werden.239 Die „Reichsfluchtsteuer“ sollte die vom Regime forcierte Ausreise nicht verhindern, in der Realität sah dies jedoch oftmals anders aus, da die zu zahlenden Beträge nicht aufgebracht werden konnten.240 Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs änderte sich die Zielsetzung der antijüdischen Politik weg von der forcierten Ausreise hin in Richtung Planung und organisatorischer Vorbereitung der Ermordung der europäischen Juden.241
Wien hatte 1938 rund 180.000 jüdische Einwohner,242 diese Zahl verringerte sich bis Ende 1941 auf 43.266 Jüdinnen und Juden im Sinne der Nürnberger Gesetze; Ende 1942 lebten nur mehr 8.053 hier, alle anderen waren in den Selbstmord getrieben, vertrieben oder deportiert.243 In Wien überlebten weniger als 5.700 Jüdinnen und Juden das „Dritte Reich“.244
2.4.4.1 Arisierung, Vermögensentzug
Der Begriff „Arisierung“ war eine nationalsozialistische Wortneuschöpfung und bezeichnet im weitesten Sinn die Enteignung und Beraubung von Juden sowie deren Verdrängung und Vertreibung aus bestimmten Berufen und gesellschaftlichen und kulturellen Positionen.245
„Arisiert“ wurden Unternehmungen, Geschäfte, Kapitalbesitz, Wohnungen, Haus- und Grundbesitz, Arbeitsplätze, Berufstätigkeiten und Ausbildungspositionen, Kunstgegenstände, Mobiliar, Musikinstrumente, geistiges Eigentum sowie Schmuck und andere Wertgegenstände.246
Unmittelbar nach dem „Anschluss“ begannen in Wien der Terror und die Beraubungsaktionen gegen jüdische Geschäfts- und Privatleute durch SA-Männer.247
Die Gier mancher Wiener und Wienerinnen beschränkte sich dabei nicht auf Plünderungen und „Hausdurchsuchungen“: Vielfach ernannten sich „wilde Kommissare“ zu Leitern in Firmen mit jüdischen Besitzern und „wilde Arisierungen“ griffen um sich.248
Diese Ausbrüche „spontaner Volkswut“ wurden von der nationalsozialistischen Führung insofern toleriert, als sie für größere strategische Ziele instrumentalisierbar waren.249 Sobald die Gefahr des Kontrollverlustes über den „Volkszorn“ drohte, wurde der Pöbel zur Ordnung gerufen.250 Ein erster Versuch, Ordnung in die „spontanen“ Arisierungen zu bringen, war das Gesetz über die Bestellung von kommissarischen Verwaltern und kommissarischen Überwachungspersonen vom 13. April 1938.251 Aber erst im Juli 1938 gelang es Gauleiter Bürckel mit Hilfe der von Reichsstatthalter Arthur Seyß-Inquart erlassenen Anordnung über kommissarische Verwalter, das Kommissarsunwesen endgültig unter Kontrolle zu bringen.252
Der Historiker Hans Witek identifizierte mehrere Gruppen an „Arisierung“ interessierter Personen. Die erste Gruppe nannte er die „‚kleinen Ariseure‘, die sofort persönliche Vorteile realisieren wollten“ als zweite Gruppe „mittelständische Interessen, die auf die Ausschaltung von Konkurrenten und Übernahme der besten Geschäfte und Betriebe zielten“, als dritte Gruppe schließlich Industrie und Banken, die ebenfalls besitzstandweiternde Strategien verfolgten.253
Eng mit der „Arisierung“ verknüpft waren verschiedene antijüdische Maßnahmen wie z. B. Einschüchterungen, sukzessive Entrechtung und Freiheitsberaubung, erzwungene Auswanderung bis hin zur Deportation und Vernichtung in Konzentrationslagern.254 Auch die „Vermögensanmeldung“ zählte dazu.
Im Zusammenhang mit den Gärtnern sind die erfassten land- und forstwirtschaftlichen Vermögen von Bedeutung.
Der Schwerpunkt des in der Kategorie Land- und Forstwirtschaft mit der Vermögensanmeldung erfassten Vermögens lag auf landwirtschaftlichen Betrieben; Forst-, Weinbau-, Gärtnerei- und Fischereibetriebe waren bescheidene Größen innerhalb des erfassten Gesamtvermögens. Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehörten neben Grund und Boden auch die zur Bewirtschaftung erforderlichen Gerätschaften.255
Nach den offiziellen Zahlen lag der Anteil des Grundvermögens am gesamten angemeldeten jüdischen Bruttovermögen bei 22,7 %, der Anteil des land- und forstwirtschaftlichen Eigentums daran betrug hingegen nur 1,72 %.256 Da ein Großteil der jüdischen Bevölkerung in Wien lebte, konzentrierte sich das wertmäßig bedeutendste Grundeigentum zu etwa 90 % auf Wien, während land- und forstwirtschaftliches Eigentum zum überwiegenden Teil außerhalb Wiens bzw. in Stadtrandlagen lag.257 Selbst hier kann festgestellt werden, dass wertmäßig landund forstwirtschaftliches Vermögen mehrheitlich (47,49 %) im Wiener Stadtgebiet situiert war; der Rest verteilte sich auf die übrigen Bundesländer (41,04 %) und das Ausland (11,46 %).258 1938 befanden sich 15 % aller Liegenschaften in Wien in jüdischem Besitz, wobei sich dieser Anteil ziffernmäßig versteht. Den höchsten Anteil an jüdischem Grundeigentum in Wien wiesen die Bezirke 1–3, 7–9 und 19–20 auf; in diesen Bezirken überschritt der ziffernmäßige Anteil 20 %. Der geschätzte Wertanteil jüdischen Grundeigentums in Wien lag bei 30 %.259
Die am 18. Mai 1938 gegründete und im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit angesiedelte Vermögensverkehrsstelle (VVSt) wurde die staatliche Zentralinstanz der Enteignungspolitik.260 Aufgrund einer unmittelbar nach dem „Anschluss“ erzielten Vereinbarung zwischen VVSt und Grundbuchgerichten konnte die VVSt erreichen, dass sämtliche Liegenschaftstransaktionen, an denen jüdische Vertragspartner beteiligt waren, nur mit ihrer Zustimmung grundbuchfähig wurden.261
In Österreich wurde Ende August 1938 mit der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ eine eigene zentrale Dienststelle im Zusammenhang mit der erzwungenen Auswanderung geschaffen, die von Adolf Eichmann gegründet und bis zum Frühjahr 1939 von ihm geleitet wurde. Im Februar 1939 wurde der Aufgabenkreis der „Zentralstelle“ neuerlich erweitert und mit dem „Auswanderungsfonds Wien“ ein Instrument zur Übernahme und Verwaltung des Vermögens jüdischer „Auswanderer“ geschaffen. In den darauffolgenden Jahren wurde dem „Auswanderungsfonds Wien“ eine größere Anzahl von Liegenschaften in ganz Österreich „eingewiesen“.262