Kitabı oku: «Erwin Rosenberger: In indischen Liebesgassen - Prostitution in Bombay - Aus dem Tagebuch eines Schiffsarztes», sayfa 4
In der Falkland-Road – Die Käfige
In der Falkland-Road – Die Käfige
Gestern, während der ersten Nachtstunden, habe ich die Umgebung der Suklajistreet visitiert.
Hunderte und hunderte Freudenmädchen hausen in den Gassen und Gässchen, die der Suklajistreet benachbart sind. – Eine Stadt der Liebe, sofern man das Wirken der Freudenmädchen als zur „Liebe“ gehörig gelten lassen will.
Ich ging wieder vom Dampfer, vom Hafen zum Crawford-Market-Gebäude, bestieg hier einen elektrischen Straßenbahnwagen, der die Aufschrift „Tardeo“ trug, und fuhr gen Kamatipura.
Auf dem Weg zur Grant-Road, von der unsere Suklajistreet abzweigt, fährt die Tramway durch die Falkland-Road, eine sehr belebte, lange und verhältnismäßig breite Straße, welche die Grant-Road kreuzt und über diese hinaus sich in nordwestlicher Richtung fortsetzt. Die Kreuzungsstelle der Grant-Road und Falkland-Road liegt nahe der Suklajistreet.
Wohlwissend, dass die Falkland-Road Freudenmädchen beherbergt, stieg ich an der erwähnten Kreuzungsstelle aus dem Tramway-Waggon und setzte zu Fuß meine Forschungsreise fort.
Die Kenntnis, dass es in der Falkland-Road Freudenmädchen gibt, ist nicht schwer zu erringen; sie drängen sich dem Auge auf als eine auffallende Erscheinung, sie sind so zahlreich und sosehr in deutliche Beleuchtung gerückt, dass man sie gar nicht übersehen kann. Besonders augenfällig sind sie in dem südlich von der Grant-Road gelegenen Teil der Falkland-Road.
Die Mädchen im Erdgeschoß der Häuser sind in ähnlicher Weise untergebracht wie die Käfigmädchen der Suklajistreet: in kleinen kläglichen Räumen, die gegen die Straße durch eine primitive Gittertür abgeschlossen sind und den Eindruck von Käfigen erwecken. Doch sind hier in der Falkland-Road diese Käfige womöglich noch erbärmlicher als in der Suklajistreet.
Ich spaziere durch die Falkland-Road und bleibe hie und da für ein Weilchen vor einem solchen vergitterten Gelass stehen und betrachte die Einrichtung des Raumes und die braunen Mädchen, die innerhalb des Käfigs an der Gittertür stehen, auf Sesseln sitzen oder auf dem Boden kauern und mit den großen dunklen Inder-Augen auf die Straße hinauslugen.
Sie deuten mein Interesse als Regung begehrlicher Stimmungen, mein Verweilen vor dem Käfig als zaghaftes Zaudern und sie winken ermutigend eine Einladung mit Blick und Kopfbewegung und manchmal auch mit der Wink-Gebärde der Hand.
In ihrem Anlocken ist keine Spur von Koketterie, keine Andeutung einer zärtlichen Schalkhaftigkeit. Alles Schauspielerische fehlt. Sie blicken den Mann, der vor ihrem Käfig stehen geblieben, ernsthaft mit ihren großen Augen an und nicken ihm langsam zu, mit einem Ausdruck, als würden sie sagen: „Ja? – Magst du? – Hast du Absichten? – Die Absicht?“
Selten sieht man ein Lächeln in den winkenden braunen Mädchengesichtern. Ich habe keine rechte Bezeichnung für diese Art von Ernsthaftigkeit. „Stumpfheit“ kann man's nicht nennen, – dagegen sprechen die klugen, ausdrucksvollen Augen; ebenso wenig kann man finden, dass die Miene „finster“ sei oder sonst wie von einer Gemütserregung ergriffen. Man kann nur feststellen, dass das Gesicht dieser Käfig-Mädchen eine sonderbare Unbewegtheit hat, während die tief-dunklen Augen das „Ja? – Magst du?“ fragen.
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Mir fällt auf, dass die Pforten, die hier zum Liebesglück führen, dass die Gittertürchen der Käfige recht schmal sind. Ein ordentlich vierschrötiger, massig-gebauter Mensch könnte da nicht eintreten. Und in Europa müssten die Türen, die ähnlichen Zwecken dienen, sicherlich um ein gutes Stück breiter sein.
Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Schmalheit dieser indischen Käfigtürchen und dem Körperbau der Eingeborenen. Ich habe schon erwähnt, dass Bombay keineswegs die Stadt der fetten und breitgeformten Leute ist. Das schmächtige Gitterpförtchen ist im Einklang mit den leiblichen Eigenheiten der Landeskinder, mit ihrer durchschnittlichen räumlichen Ausdehnung. Gerade recht für die schlanken Mädchen, die hier die Liebe ausüben; und für die indischen Männer, die da ein- und ausgehen; unter diesen hab' ich bis heute keinen bemerkt, der es in seiner Körperbeschaffenheit nur einigermaßen mit einem richtig feisten Sohne Europas aufnehmen könnte. Ein abendländischer wohlgeratener Gevatter Schlächter oder Selchermeister wäre in Verlegenheit, wie er sich durch das Türchen eines indischen Buhlkäfigs durchzwängen sollte.
In dieses Paradies können nur die Mageren kommen. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, denn ein Fettreicher durch solch eine Freudenpforte. Ihr Dickbäuche, die ihr hier einzutreten hofft, – lasciate ogni speranza!
Mich selber würde zwar mein Leibesumfang nicht hindern, hineinzugehen, da ich vom Hundert-Kilo-Gewicht genügend weit entfernt bin, doch es gibt ein ernstliches Aber –
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Ich wäre gestern gern einmal in einen Erdgeschoß Käfig, in das vergitterte Gelass einer Inderin eingetreten, um derlei Liebesstätten innen anzuschauen, – aber solchem Plane stellen sich einige Bedenken entgegen: das Unbehagen, das man empfindet, wenn man sich vorstellt, man müsste mit irgendeinem Lappen des Mobiliars in Kontakt kommen, – diese berechtigte Berührungsscheu könnte man füglich um des belehrsamen Zweckes willen überwinden; aber einer anderen Schwierigkeit will man denn doch Rechnung tragen, nämlich dem Umstand, dass es in der Falkland-Road vermutlich einiges Aufsehen erregen würde, wenn ein „Sah'b“, ein „Europäer“, in solch ein Käfigloch einträte.
Die Falkland-Road ist, wie erwähnt, eine sehr belebte Straße, abends sieht man da ein vielfältiges Kunterbunt von Indern: Hindu, indische Muslime, Parsen, Goanesen. Und nicht selten Araber.
„Europäer“ sind hier eine Seltenheit. Ich war gestern in dieser Gegend so ziemlich der einzige „Europäer“ unter Tausenden von „Natives“.
Der europäische Mann, der sich in der Falkland-Road einfindet, erregt allerdings kein Aufsehen, nicht einmal offensichtliche Aufmerksamkeit, die Inder der Falkland-Road gaffen ihn nicht wie ein fremdartiges Wundertier an, denn dem Eingeborenen von Bombay ist der Europäer immerhin eine gewohnte Erscheinung; der Europäer ist, wenn auch nicht in vielen Exemplaren, tagtäglich im Bereiche der Native-Stadtteile zu sehen, und im „Fort“, im Europäer-Viertel von Bombay, ist er in größerer Zahl den Eingeborenen sichtbar.
Wenn ein europäischer Mann in der Falkland-Road, auf der Gasse, vor der Gittertür eines Freudenkäfigs beschaulich stehen bleibt, so erscheint das freilich nicht als etwas Auffälliges; der europäische Sah'b würde jedoch sicherlich die Aufmerksamkeit des eingeborenen Straßenpublikums in nicht geringem Maße erregen, wenn er in der belebten Falkland Road vor aller Augen ins vergitterte Freudenstübchen einträte.
Als betrachtender Spaziergänger erweckt er in den Straßen der Eingeborenen-Stadtteile von Bombay keineswegs die Sensation, die z. B. ein Neger in den Gassen einer europäischen Provinzstadt und vielleicht auch einer europäischen Metropole heutzutage noch hervorruft, aber der in den Native-Gassen von Bombay promenierende Europäer darf überzeugt sein, dass er bemerkt wird und wie ein Fremdkörper empfunden wird. Die Eingeborenen bemerken ihn, ohne es ihn merken zu lassen, sie sehen ihn, ohne ihn anzuglotzen, seine Anwesenheit ist ihnen als die eines heterogenen Elementes bewusst, ohne dass sie ihn danach behandeln.
Falls einmal die Eingeborenen, durch einen gelegentlichen Anlass bewogen, auf der Straße vom Europäer Notiz nehmen, so geschieht dies mit den Formen der Hochachtung oder gar der Verehrung, wobei es im Einzelfall dem Europäer unbenommen bleibt, sich über die Aufrichtigkeit solcher Devotionsäußerungen seine besondere Meinung zu bilden.
Drüben in der nahe-gelegenen Suklajistreet, in jener anderen Gasse, die geradezu bloß den Zwecken einer Hetären-Gasse dienstbar ist und auch einigermaßen abseits der Hauptverkehrsadern liegt, kann man wohl Europäer sehen, die in den Käfigen der Inderinnen so tun, als wären sie zu Hause; doch hier in der Falkland-Road, die vor allem eine Ader für den allgemeinen Verkehr ist und erst secundo loco dem Verkehr der Geschlechter dient, habe ich während zahlreicher Spaziergänge niemals einen Europäer als Gast eines Käfigs bemerkt.
Wenn es einem nur darum zu tun ist, die Einrichtung eines solchen vergitterten Freudenstübchens zu betrachten, so kann man das Bemerkenswerte hinlänglich von der Straße aus sehen. Und wahrlich, es ist keine Freude, in diese Stübchen hineinzuschauen. Man empfindet das Bestimmungswort „Freuden“ als etwas Widerspruchsvolles und Ironisches, wenn man hier vor den vergitterten Räumen steht. Der Ausdruck „Stübchen“ ist eine überaus beschönigende Schmeichel-Titulatur. Ich finde keine zutreffende Bezeichnung für diese Räume. Sie haben etwas von einem Stall, von einer Höhle, von einem Gefängnis, von einem Tierkäfig.
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Manchmal gemahnen sie mich an Affenkäfige. Hinter einem Gitter kauern in dem kleinen Gelass auf dem Boden fünf oder sechs Gestalten nahe bei einander und spähen aus dunkelfarbigen Gesichtern zwischen den Gitterstäben auf die Gasse hinaus. Das sind die indischen Freudenmädchen, die einem Besucher entgegenharren.
Woher, von welchen Einzelheiten, dem kleinen Raum der Charakter des Verwahrlosten und Unerquicklichen kommt, ist schwer zu sagen. Man müsste all seine Eigenheiten der Reihe nach aufzählen, den unebenen Fußboden aus gestampfter Erde, das staubige, rauchige Deckengebälke, die unsauberen Wände, die einmal weiß getüncht waren, das Fetzenwerk, das auf einer Schnur aufgehängt ist, die Lappen im Winkel auf dem Fußboden, das spärliche, armselige Mobiliar. Man müsste dieses „Interieur“ Punkt für Punkt abkonterfeien und würde doch nimmer die Stimmung erzielen, die auf den Betrachter der Wirklichkeit, den Spaziergänger in der Falkland-Road, eindringt.
Und mancher Farbenklecks würde erst eines Kommentars bedürfen. – Da sind auf einem schiefen Balken, der an einer Seitenwand im Innern eines Käfigs hinläuft, einige rote Flecken. Wie Blutflecken. In einem anderen Käfig sind derlei Flecken auf dem Fußboden.
Auch außerhalb manches Käfigs, vor dem Gittertürchen auf dem Gassenboden, oder auf den Brettern, die einen Teil der Außenwand des Käfigs bilden, findet sich das rote Mal. Es schaut aus, als wäre es dadurch entstanden, dass jemand nach einer Zahn-Extraktion ausgespuckt hat. Diese „Blutspuren“ beschränken sich übrigens nicht auf die Falkland-Road, man findet sie allerwegen in Bombay, im Straßenstaub, auf Häusermauern, auf Baumstämmen etc. etc.
Eine naive Seele könnte auf die Vermutung kommen, dass in jedem Hause von Bombay zum mindesten ein Zahnarzt wohnt, der eine sehr gute Praxis hat und seine Patienten mit blutendem Zahnfleisch entlässt. Eine mystisch veranlagte Seele mit prophetisierenden Neigungen könnte in den roten Flecken des indischen Bodens ein unheimliches Mene-Tekel sehen …
In Wahrheit sind die roten Flecken sehr harmloser Herkunft: unter den Eingeborenen von Bombay ist das Betel-Kauen sehr verbreitet; aus Bestandteilen der Arekanuss, aus gebranntem Kalk und aus anderen Ingredienzien wird eine blutrote Masse bereitet, die man mit Behagen kaut und allerorten ausspuckt. Dieser Tätigkeit sind Alt und Jung, Reich und Arm, Mann und Frau ergeben.
Auch manch eines indischen Freudenmädchens Zähne zeigen die rote Färbung, die eine Folge der erwähnten Kaugewohnheit. Zu den Genüssen der Mädchen gehört auch das Zigarettenrauchen. In nicht allzu verschwenderischem Ausmaß bieten sich wahrscheinlich die Freuden des Essens und Trinkens diesen armen Freudenmädchen dar.
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Armut, betrübliche Dürftigkeit tun sich in allem kund, was der Käfig besitzt – und nicht besitzt. Das gesamte „Mobiliar“ besteht für gewöhnlich aus einem Bett, gegebenenfalls noch aus einem Sessel oder wenigen Sesseln.
Das Bett weckt in dem Beschauer den Wunsch: niemals in die schreckliche Lage geraten, auf diesem Bett liegen zu müssen! Die Betten in den Käfigen haben fast durchweg eine Familienähnlichkeit; die gleiche Funktion, das gleiche Milieu wirken uniformierend auf das zugehörige Gerät. Es ist eine Art „Himmelsbett“. Ein Baldachin, eine Umhegung aus Vorhängen überdeckt das Bettgestell.
Vielleicht wollen die Vorhänge dekorativen Zwecken dienen. Sollte dies der Fall sein, so muss gesagt werden, dass sie solchen Zweck ganz und gar nicht erfüllen. Sie sind für gewöhnlich ebenso wenig sauber – milde gesagt – wie das Bett selber.
Zunächst sollen aber die Vorhänge eine Schutzwehr gegen die Blicke der Außenwelt sein. Denn im Allgemeinen hat der Käfig keinen abgeschiedenen Nebenraum, wohin sich der Besucher mit dem Mädchen zurückziehen könnte. Die Bett-Vorhänge müssen dem liebenden Paar schlecht und recht als deckende Umzäunung und Tarnkappe dienen, während in ebendemselben Käfig zu gleicher Zeit noch andere indische Mädchen weilen und, nach ferneren Besuchern fahndend, durch das Gitter auf die Straße hinausschauen, auf die Straße, durch die tausendäugig das abendliche Leben dieses Stadtteiles wallt.
Tausendäugig, wenn auch – in der Regel – nicht mit seh-begierigen Späher-Augen. (Die Ausnahme werde ich noch erwähnen.)
Die Dimensionen des überbreiten und infolge des Baldachins höher-ragenden Bettes sind im Missverhältnis zur Kleinheit des Käfigs. Wie ein Ungetüm, das massig und anmaßlich eine Höhle erfüllt, steht das Bett da. Als Hauptgegenstand, als Attraktions-Ding.
In der Tat mag dieses so wenig verlockende Bett die Aufgabe haben, als Lockmittel zu wirken und dem indischen Publikum der Falkland-Road, das für gewöhnlich nicht derlei Betten europäischer Bauform als Schlafstätte benützt, eine Illusion von Luxus und Komfort zu erwecken.
Ein Berufsgerät, das seinen Platz mit gebührender Gewichtigkeit einnimmt; wie die Hobelbank in der Tischlerei, die Nähmaschine in der Schneiderwerkstatt, der Amboss in der Schmiede.
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In etlichen Käfigen ein einziges Bett und mehrere Mädchen.
Wer immer da hereinkommt, ein jeder Mann, der in der Gitterkammer die Erfüllung seines Begehrens sucht, – er landet auf dem einen Bett. Und welche Käfig-Inderin immer er als Teilhaberin seiner Freuden erwählt, – sie landet auf dem einen Bett.
Ein Bett für alle, für alles.
Ein allgemein-zugänglicher Gebrauchsgegenstand; sämtliche Männer, die vorübergehen, können ihn ohne weiteres benützen, wenn sie wollen, vorausgesetzt dass sie eine kleine Abnützungsgebühr zahlen. Und bekommen noch als Zugabe ein schwarzbraunes Mädchen.
Was hat diese Bettstatt im Laufe der Jahre alles gesehen, gehört! Wie viele lustverzerrte Gesichter, wie viel ersterbendes Stöhnen.
Und sie hat mitgebebt mit den Zuckungen der Leidenschaft.
Auch die Sessel – es sind ganz gewöhnliche Sessel europäischer Mache – sollen wahrscheinlich den indischen Mädchen als verklärendes Piedestal dienen. Die Eingeborenen Indiens pflegen mit einer Art „tiefer Kniebeuge“ auf dem Boden nieder zu hocken, wenn sie sich zur Ruhe „setzen“. Das ist gemäß dem Landesbrauch die vulgäre Muße-Positur des Körpers.
Wenn nun eine Inderin im Käfig an der Gittertür auf einem Sessel sitzend sich zur Schau stellt, so erzielt sie einen vornehmeren Nimbus, sowohl dadurch, dass sie sich von der gewöhnlichen Kauerstellung emanzipiert, als auch dadurch, dass sie ein besonderes, eigenes Sitzgerät benützt statt des Erdbodens, der Sitz-Gemeingut ist. Zudem ist sie, auf dem Sessel thronend, leichter wahrnehmbar, den vorbeigehenden Männern deutlicher vor die Augen gerückt als in der Kauerstellung unten auf dem Boden.
Etliche Käfigmädchen haben also Sessel, die anderen hocken auf dem Boden nach gutem altem Brauch, in einer Körperhaltung, die auch bei den Affen Geltung hat.
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Auf dem Trottoir längs der Käfige promenier ich in der Falkland-Road zwischen den dahinwandelnden Eingeborenen und schaue, betrachte.
Wenn man sich in fremden Landen auf einem Spaziergang befindet und die Sitten und Bräuche ein bisschen Einblick zu gewinnen wünscht, darf man nicht rücksichtsvoll und diskret die Augen schließen. Wer sehen will, muss schauen.
Und ich sehe also, dass es in dieser indischen, von Menschen durchfluteten Straße recht unbefangen zugeht und dass sich hier ein eifriger Liebesbetrieb abwickelt. Man kann oft bemerken, wie irgendein Mann in den Käfig zu den Mädchen eintritt; oder wie einer durchs Gittertürchen wieder herausschlüpft, auf das Trottoir springt und rasch davongeht, mit dem Gesichtsausdruck derer, die von der käuflichen Liebe kommen, aus den Armen der Dirne. Mehr verstimmt als beglückt.
Als der Mann bei dem Freudenmädchen eintrat, da sah er alles durch den rosigen Nebel der geschlechtlichen Begierde und der Käfig erschien ihm als ein Gemach wunderbarer Verheißungen. Mit ernüchtertem Blick und mit einigem Widerwillen gegen diese trübselige Liebeshöhle, gegen die buhlbeflissene Höhlenbewohnerin und gegen sich selber eilt der Mann vondannen.
Im Vorübergehen, Weitergehen sehe ich, wie ein Inder gerade in das Bett des Käfigs hineinsteigt. – Nun, dergleichen ist in Kamatipura kein allzu seltener Anblick.
Allerdings, wenn möglich, trifft die Inderin Vorkehrungen, um solch intime Vorgänge vor den Blicken der Straßenpassanten zu schützen: Gassenseits hat der Käfig eine Holzverschalung, die aus primitiven Bretterflügeln gefügt ist. Wo das Gittertürchen ist mit seinen dünnen, senkrechten Eisenstangen, lässt der Verschlag – es ist da ein Brett zurückgeklappt – eine Lücke frei. Hat ein liebesdurstiger Gast den Käfig betreten, so steckt das Mädchen die Hand durchs Gitter, zieht den zurückgelehnten Bretterflügel heran und jetzt ist die Gitterpforte bedeckt, vermummt.
Oder es gibt innen im Käfig ein Holztürchen, das zur gleichen Aufgabe herangezogen wird.
Die Welt im Innern der Freudenkammer – eine Halbwelt – ist fortan für die vorübergehenden Straßenpassanten mit Brettern verschlagen.
Jeder weiß, die lose angelehnte Holztür bedeutet in der Blumensprache von Kamatipura: „Besetzt!“
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Unter den Käfig-Insassinnen sind einzelne Mädchen, die recht hübsche Gesichtszüge haben. Aber man müsste diese braunen Töchter Indiens vorerst einigermaßen genießbar machen, ehe man eine Annäherung in Erwägung ziehen könnte; man müsste sie aus der abstoßenden Umgebung wegbringen und einer gründlichen Reinigung unterziehen, man müsste auch ansonsten prüfen, ob gegen eine Annäherung keine sanitären Bedenken vorliegen.
Die Männer, die hierher in die vergitterten Freuden-Stallungen der Falkland-Road kommen, um ihrem Liebesbedürfnis Genüge zu leisten, gehören den unteren indischen Volksklassen an; oder den unteren Gruppen der Mittelschicht.
– Ich habe den Ausdruck „Stallung“ gebraucht, aber mir fällt ein, dass mancher Pferdebesitzer sich's wohlweislich überlegen würde, seine Tiere in derart unwohnlichen Räumlichkeiten unterzubringen.
– Es gibt Käfigmädchen, die so arm sind, dass sie nicht einmal ihr Berufsgerät besitzen, – sie haben keine Bettstatt: im Vordergrund des kleinen kahlen Erdgeschoß-Raumes hockt die Inderin auf dem Erdboden bei den Gitterstäben; in geringer Entfernung hinter ihr ist quer durch den Raum ein ärmlicher, unsauberer Vorhang gespannt, so dass ein notdürftig abgesonderter Hintergrund geschaffen ist. Ein Bett ist nicht sichtbar. Wahrscheinlich ist das Liebeslager des Mädchens auf dem Erdboden hinter dem Vorhang.
Bekleidet sind die Käfigmädchen mit dem hosenartig geschlungenen Schurz, den ich in meiner Schilderung der „Fleischmädchen“ erwähnt habe. Die Unterschenkel und ein nicht geringer Teil der Oberschenkel bleiben nackt. Es ist die Tracht der „Kuliweiber“, welche in reichlicher Zahl auf den Arbeitsplätzen des Hafengebietes und auf anderen Arbeitsstätten von Bombay zu sehen sind.
Doch bemerke ich hier in der Falkland-Road auch Käfigmädchen, die aus ihrem Gewand-Laken einen fast bis zum Boden hinabreichenden Rock geformt haben. Diese Tracht gilt als die stattlichere.
Einige Käfige sind sehr düster, nahezu unbeleuchtet. Das Mädchen kann wegen seiner großen Armut die paar Anna's [Ein Anna hat ungefähr den Wert von 8 Pfennigen.] nicht aufbringen, die zur Herstellung eines ausreichenden Lichts nötig wären.
– Paar Anna's. – Wenn man die Vermögenslage der Besucher in Betracht zieht, die als Stammgäste der Käfige anzusehen sind, so darf man mutmaßen, dass der ganze Liebeslohn, den solch ein Inder unterster Volksklasse dem Mädchen spendet, auch nicht mehr betragen wird als paar Anna's, – oder paar Paare Anna's.
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Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.