Kitabı oku: «Bissula», sayfa 10
Fünfzehntes Kapitel
Einstweilen hatten die Bataver, die beiden Begleiter Adalos und der Bärenführer sich friedlich plaudernd um das Feuer gelagert.
Es fehlte — im allgemeinen — so völlig an dem Gefühl der Zusammengehörigkeit der verschiedenen germanischen Stämme, daß es den Alamannen gar nicht einfiel, den Batavern darüber laute Vorwürfe zu machen oder auch nur im Stillen zu grollen deshalb, weil diese unter römischen Fahnen andere Germanen bekämpften: fochten doch gelegentlich auch alamannische Söldner wie gegen andere so gegen germanische Feinde Roms. So kreiste die römische Bronzeschale, gefüllt mit dunkelrotem Räterwein, auch unter den beiden Alamannen; und recht gern tranken die Bataver von dem Meth, den die Gefolgen Adalos in länglichen Holzgefäßen, über den Rücken geschnürt, mitgeführt hatten.
Denn groß und häufig wiederkehrend war schon damals der alamannische Durst: ungern hätten die Wackern — Bewirtung im Feindeslager war doch nicht vorauszusetzen — für die vielen Stunden des Hinwegs, des Wartens und des Rückwegs jeglichen Trunkes gedarbt. Der Sarmate trank, in schöner Unparteilichkeit, abwechselnd bald Wein, bald Meth. Auch er hatte sich, auf einen Wink Rignomers, an das Feuer gesetzt.
Die Bärin lag, lang ausgestreckt, neben ihm, während er anhob, scharf geschliffene Messer abwechselnd in die Luft zu werfen und behend aufzufangen, zum Staunen der Bataver, die ihm dafür kleine Kupfermünzen zuschoben. — Sein lahmer Begleiter lag im Busch und schlief bald so fest, daß er schnarchte.
»Ah,« rief Rignomer, sich den Flachsbart mit dem nackten Arm wischend und dem Alamannen das »Lägel« zurückgebend, »Fro lohne dir den Trank! So hat mir kein Naß mehr gemundet, seit ich der Yssala und meiner Mutter Erdkeller den Rücken gewendet. Die braut ihn noch stärker.« »Wein schmeckt doch besser,« meinte sein Landsmann. »Besser im Munde, Brinno: aber Meth und Ael schmecken besser im Herzen: ‚s ist Heimat-Trank! Und das beste am Trunk ist doch nicht der nasse Schwall, der durch die Gurgel rinnt, sondern das Andenken an manche frohe Stunde früheren Trunkes, das darüber schwebt wie ein Reiher mit rauschendem Flügelschlag. — Nun, Alamanne, wann geht es an das Hauen? Und werdet ihr zu uns kommen oder müssen wir euch aufsuchen?« »Wie der Herzog will,« antwortete der Gefragte, die Schale leerend, »und der waltende Wodan.« Da zuckte es über des Batavers Gesicht. »Nenne mir den nicht! Ihn scheue ich! Euch Haarschopftrager fürchte ich nicht! Schon manchen von den Euern habe ich mit der Linken an seinem Suebenschweif gepackt von hinten und ihm von vorn mit der Rechten das kurze Römerschwert in die Kehle gestoßen. Aber den Manteltragenden scheu‘ ich! Gram ist er uns Soldkämpfern! Mir ist, er schwebt in den Lüften gegen uns, wo immer wir fechten. — Da, Gaukler, trinke noch einmal. Und dann zeige — deine Künste haben wir nun gesehn —, was dein Bär gelernt hat. Soll dein Knecht da im Gebüsch, der Lahme, nicht auch was haben? Aber wo ist er denn geblieben?«
»He, Zizais, Hund von einem Krüppel, bist du so taub wie stumm, wo steckst du? Seht, da liegt er an der Quelle dort, — näher an dem Graben: er hat das Fieber, er suchte das Wasser. — Nun rühre dich, braune Tanzmaid!« Und er raunte dem Tier in das Ohr, worauf es sich brummend auf die Hinterbeine hob: der Gaukler steckte ihm durch die Vorderpranken seinen langen Stock und nun drehte sich die ungefüge Gestalt langsam im Kreise, nach dem Takt einer eintönigen, traurigen Weise, die er ihr zuerst auf der Schwegelpfeife vorspielte, dann aber vorsang, den Takt dazu auf einem bronzenen Becher mit der Messerklinge schlagend. Laut lachten die Männer über die ungeschlachte Tänzerin. »Ha,« fragte Rignomer, »wie heißt die zierliche Jungfrau?« — »Bruna. Sie kann auch weissagen. Gieb acht! Frage sie, was du willst.« Dabei legte er, während er ihr den Stock aus den Pranken nahm, die Hand auf der Bärin Haupt. Das Tier sank nun auf die Vorderfüße nieder und blinzelte verständig zu seinem Herrn auf, der ihm Brot in den Rachen schob.
»Nun, du weise Wala,« lachte Rignomer, »werden die Römer siegen in der nächsten Schlacht?«
Der Sarmate fuhr leise dem Tier, gegen den Strich der Haare, wider die Stirn: unwillig brummend schüttelte die Bärin den Kopf. —
Der Bataver erschrak: sein Lachen verstummte. »Sie ist Donars Freundin,« sprach er betroffen. »Der redet aus ihr. — Ich hab‘s wohl gedacht.« Er sprach, als sei die Schlacht schon geschlagen und verloren.
»Nun,« tröstete der Gaukler, »ich will einmal für dich fragen. Bruna, kluger Waldgeist, schau‘ dir einmal diesen Helden genau an: — kommt er aus diesem Kriege heil zurück zu seiner Mutter, die den guten Meth braut?« Dabei strich er leise dem Tier von der Stirn ab nach der Schnauze: Bruna nickte bejahend.
»Danke dir, Donar,« rief Rignomer heiter. »Was schert mich der Römer Sieg! Ich ziehe bald nach Hause! — Höre, Mann, die kluge Wahrsagerin gefällt mir. Ist sie dir feil?« Der Sarmate machte ein bedenklich Gesicht. Die Frage kam ihm offenbar sehr unerwartet.
»Nicht gern — nicht billig,« — sprach er zögernd: er wollte Zeit gewinnen, nachzudenken. — »Leb‘ ich doch von ihren Künsten, — mehr als von den meinen.« »Du hast recht, Rignomer,« fiel Brinno ein. »Es ist oft so langweilig im Lager, wenn wir nicht Dienst haben. Das brächte Kurzweil.« — »Und ich möchte sie wohl erschrecken, die Walen, die stolzen Legionäre, die auf uns Hilfstruppen spöttisch herabsehen, aber im Kampf uns stets auf den blutigsten Posten schicken.« »Das Tier ist wohl aus diesen Wäldern?« fragte Brinno. Der Gaukler nickte. »Ei,« lachte Rignomer, »dann müssen wir sie haben. Wir bringen sie Bissula, der Kleinen: die braune Alamannin zu der roten.« »Wer ist Bissula?« fragte der Gaukler gedehnt. »Das liebreizendste Mädchen, das ich je gesehen,« rief Brinno rasch. »Ja! Alle sind ihr gut, die sie schauen,« fuhr Rignomer fort. »Absonderlich wir Germanen!« — »Ei, auch die Römer, mein‘ ich! Wenigstens die meisten! Aber sie sitzt oft so traurig und schaut, wie sehnend, in die Wälder. Die Landsgenossin soll ihr Kurzweil schaffen. Ich kaufe dir das Tier ab.«
»Nein, nein! Nicht gern! Trenne mich nicht gern von ihr. Aber« — und hier leuchtete des Mannes Auge — »weißt du was? Nimm mich mit, samt dem Tier« und mit meinem Knecht, wollte er sagen —: da er aber denselben nicht mehr an der Quelle liegen sah und auch nicht an dem früheren Platz, unterdrückte er den Zusatz) »in das Lager auf ein paar Tage — bis ihr des Spielzeugs müde seid.« — Aber beide Söldner schüttelten die Köpfe. »Geht nicht! Euch Gaukler und Tierbändiger halten sie für Kundschafter von Gewerbe!« — »Den Rebstock ließe der Tribun uns fühlen, ließen wir dich nur das Lagerthor überschreiten.«
»Nun,« schlug der Bärenführer vor, — »ich verkaufe nicht — aber ich überlasse dir das Tier auf wenige Tage, — bald komme ich wieder, es abzuholen.« »Umsonst? Das ist verdächtig!« meinte Brinno. »Nicht umsonst!« fiel jener hastig ein. »Bei Leibe nicht! Ich muß ja davon leben! Du wirst mir dann schon etwas zahlen müssen!« — »Gut! Aber höre; die Bestie ist doch ganz zahm?« — »Völlig! Wird sie etwas ungebärdig, hast du nur das breite Halsband hier — siehst du? — fester zu schnallen.« — »Ich sehe!« »Versäume nicht,« mahnte der Sarmate, »dies von dem Halsband allen zu sagen, die mit dem Tier zu thun haben.« »Zumal der Kleinen,« warnte Brinno. »Wie schade, würde der ein Haar gekrümmt »Wenn ihr nur die Menschen nichts zuleide thun!« meinte Rignomer — »hier diese kluge Landsmännin wird sie nicht beißen.«
Da tönten Schritte vom Lager her. Adalo ward zurückgeleitet. »Zizais, wo steckst du? Wir müssen fort!« rief der Sarmate und wandte sich eilfertig in die Büsche, den jungen Knecht zu suchen, der langsam aus dem Dickicht heranhinkte. Dem Gesandten ward nun die Wolldecke vom Haupte genommen: finstern Blickes schwang er sich aufs Pferd, seine beiden Begleiter desgleichen und bald waren sie in der Waldnacht verschwunden.
Da dröhnte von dem Thore her Waffenklirren: die thrakischen Speerträger kamen, die Bataver abzulösen. Gleichzeitig traten der Bärenführer und der Krüppel aus dem Dickicht zur Linken; jener übergab das Tier Rignomer, der es an dem Halsriemen mit fortzerren wollte gegen das Lager. Aber die Bärin sträubte sich: leise brummend stemmte sie sich auf die Hinterfüße und sah mit den klugen, verständigen Augen flehend zu ihrem Herrn auf.
»Komm, komm, Bruna,« mahnte dieser, — »es geht zu guten Leuten,« — (und er bückte sich und flüsterte in ihr Ohr —) »willst noch nicht? Hast nicht verstanden?« Verlegen kratzte er sich hinter dem Ohr.
Da hinkte der Krüppel heran, zog aus seinem Ranzen von Maulwurfsfellen ein schmales, langes, blaues Tuch — wie ein Gürtel sah es aus — und reichte es seinem Herrn.
Dieser lachte hellauf und gab es dem Bataver.
»Ja, ja. Das wird helfen! Halt es dem Tiere vor! — Nein! — Nicht vor die Augen: — vor die Nase —: so! — Siehst du, wie es schnüffelt? — Es wittert! — Du staunst? Ja, das Tuch gehörte ... es hat einen Zauber! — Gehe nur langsam vorwärts. Siehst du, es folgt wie ein Lämmlein. — Nun, grüße mir das Römerlager, Bruna: — bald hol‘ ich dich daraus ab!«
Sechzehntes Kapitel
In der nun folgenden Nacht hatte Saturninus wieder einen kleinen Streifzug nach Norden, und, so weit man sich ohne verlässige Führer in die Sümpfe wagen durfte, nach Osten, unternommen. Aber ohne Erfolg mußte er gegen Mittag in das Lager zurückkehren.
»Im Nordwesten stecken sie offenbar,« hatte er unmutig im Nachhausereiten zu Decius, seinem besten Unterfeldherrn, gesagt. »Aber gerade dorthin will sich gar keiner der Wegweiser wagen. Und mit Gewalt in jene Waldberge dringen, das können wir erst, wann Nannienus eingetroffen. Hätten wir doch seine Scharen auf dem Landweg mitgenommen! Es hat, so scheint es mir fast, gar keinen Wert, Schiffe zu bauen und den See zu sperren!« »Ja,« bestätigte Decius. »Die Barbaren müssen all‘ ihre Kähne verbrannt oder mit sich ins Land getragen haben: man sieht nicht einen!«
Gleich nach des Feldherrn Rückkehr meldete sich in dessen Zelt ein Bataver zu einem Gespräch ohne Zeugen. »Was willst du, tapferer Rignomer?« — »Mich zur Strafe melden. Ich habe zu viel Wein getrunken.« — »Wann?« — »Gestern Nacht.« — »Wie? Auf der Lagerwache!« — »Nein, nach der Ablösung.« — »Der Händler wird gegeißelt! Wer hat ihn dir verkauft?« — »Niemand, Das war‘s ja eben! Gekauften hätt‘ ich nicht so viel getrunken. Aber geschenkten! Geschenkten Massiker! Wer kann dem widerstehen!«
»Kein Germane, scheint es. Und du meldest dich zur Strafe? Freiwillig? Sehr unwahrscheinlich! Du bist wohl schon entdeckt und willst zuvorkommen?« — »Nein: niemand hat mich entdeckt. Als ich abgelöst ward, war ich schon wieder hechtnüchtern: — vor Schreck!« — »Warum also?« — »Herr,« — er sprach es zögernd, — »es ist wegen der Idise,« — »Wer ist das?« — »Nun, die rotgelockte Wald-Nympha!« »Was ist mit ihr?« forschte, jetzt aufmerksam, eifrig der Illyrier. »Herr, ich will ihr sehr wohl! — Wie — wie wir alle.« — »Wie wir alle? »Ja, ja,« lächelte der Germane, auch du — Feldherr! — Ich hab‘ es schon gemerkt! — Nun, ich melde mich zur Strafe und berichte den ganzen Vorfall, weil — weil es sich, fürcht‘ ich, um der Kleinen Leben handelte.«
Erschrocken befahl Saturninus: »Erzähle! Der Reihe nach! Wer schenkte dir den Wein?« — »Davus, des Präfekten Sklave.« — »Ah! — und was geschah dann?« — »Dann geschah, daß ich zuviel trank. Und daß ich, als ich die Wache vor der Kleinen Zelt bezog, bald auf dem weichen Rasen einschlief. Mich weckte furchtbar Gebrüll. Die Bärin eines Gauklers, eines Sarmaten, die ich gestern Abend mit ins Lager und zu der Kleinen gebracht habe, die thut nämlich ganz, als ob sie ein Mensch, nämlich ein männlicher Mensch, kurz, als ob sie ein Mannsbild wäre: sie läuft der roten Elbin überall nach.«
»Verdächtig! — Erkannte die Kleine das Tier? Rief sie‘s etwa bei Namen.« — »Nein. Aber sie freute sich stark, wie sie die Bärin sah: — sie wurde rot und bleich: — so stark, daß ich fragte, wie du so eben: — ›Bissula, kennt ihr euch untereinander? Wie kommt‘s, daß die Bestie sich nur mit dir unterhalten will? — Horch, — Wie sie dich freundlich anbrummt: warum nicht uns?‹ ›Ha wohl,‹ lachte die Kleine: ›sie wird aus unserem Lande sein und sie weiß, daß nur ich ihr Alamannisch verstehe! — Du glaubst das nicht? Ei, so frag‘ doch die!‹ lachte sie und schüttelte die krausen Locken, ›vielleicht verrät die dir‘s.‹ Kurz, das Untier wich nicht mehr von ihrer Seite und war ihr auch beim Schlafengehen in das Zelt gefolgt. — Also, ich erwachte von der Bärin Gebrüll, fuhr auf, und sah im Schein des Lagerfeuers gerade noch einen Mann in voller Flucht um die nächste Zeltgassenecke verschwinden. Ich sprang in das Zelt: das Mädchen hatte nichts gesehen: — es hatte bereits geschlafen und beruhigte mit Mühe das wütige Tier, das, in der rechten Vorderpranke aus einem Dolchstich blutend, im Rachen zornig ein Stück braunes Tuch zerbiß: endlich schmeichelte es ihr die Kleine, ihre Wunde waschend, ab. Hier ist es!« Er reichte es dem Feldherrn. Aufmerksam musterte es dieser. »Das ist ja — aber halt! Sprich du erst, Rignomer: für was hältst du das?« — »Es ist ein Fetzen von einem Mantelsaum.«
»Was für ein Mantel?« — »Ein römischer: ein Sagum,« — »Wer trägt braune Mäntel, — wer allein?« — »Die thrakischen Speerträger und die Panzerreiter.« — »Richtig. — Schweige von allem, — zu jedermann —und geh,« — »Und meine Strafe?«
»Erlassen. Trink aber von geschenktem Wein fortab erst recht vorsichtig.« — »Das werd‘ ich, mein Feldherr.«
— »Bei der Musterung, die ich jetzt ansage, thust du — vorsichtig und klug — wie ich dir befehlen werde. — Und höre: noch eins! Du hast was gut zu machen an der Kleinen: siehst du‘s ein?« — »Leider.« — »Willst du?« — »Mit Freuden,« — »So gieb acht! Sie hat sich bei mir beklagt, daß ich sie auch bei Tag auf Schritt und Tritt bewachen lasse. Thrax, mein dicker Schreibsklave, dem ich‘s zuletzt geheim übertrug, hat sich wohl recht ungeschickt benommen: — sie hat‘s längst gemerkt! Ich versprach ihr, sie von ihm zu befreien. Aber unbewacht darf sie nicht bleiben.« — »Gewiß nicht.« — »Nach diesem Überfall weniger, denn je. Du, Rignomer, — ich enthebe dich einstweilen von jedem andern Dienst — du folgst fortab der Kleinen: — aber unbemerkt.« — »Dank, Feldherr. Ich will sühnen, was ich gefehlt. Sie soll weder entweichen, noch zu Schaden kommen. Und merken soll sie‘s garnicht, daß sie bewacht und gehütet wird.« — —
Gleich darauf schmetterten die Tubaträger durch die Gassen des Lagers die Zeichen zu einer allgemeinen Musterung der Truppen, in Marschausrüstung, mit den Mänteln. Das Fußvolk sollte auf dem geräumigen Platz zu beiden Seiten des »Prätoriums« auf dem »Forum« und dem »Quästorium«, dann in den beiden das Lager quer von Ost nach West durchziehenden Querstraßen: der Via principalis und der Via quintana, Aufstellung nehmen, die Reiter aber unmittelbar vor ihren Zeltreihen, nahe dem Seethor, der Porta decumana, im Süden.
Der Tribun stieg zu Pferd und ritt die Fronten ab. Als er mit den Batavern zu Ende war, gebot er einem Zug derselben, ihm zu folgen und sich hinter den Reitern aufzustellen. Rignomer gab er dabei einen Wink.
Der Tribun ritt zuerst die Front der Schuppenreiter im Schritt ab: dann ließ er sie schwenken und vor sich paradieren.
»Du siehst bleich,« rief er dem Führer zu, »o Herculanus. Übernächtig! Hast du dem Bacchus geopfert nach dem Abendschmaus?« — »Ein wenig.« Saturninus schloß nun die Musterung. Er bog um die Ecke der Via media, die von Nord nach Süd das Lager durchschnitt, winkte Rignomer, stieg ab und übergab ihm das Pferd. »Wem fehlte das Mantelstück?« — »Keinem. Aber einer hatte am Saum ein ganz neues Stück angenäht: — nicht passend in der Farbe: — noch nicht von der Sonne gebleicht: — und gerade so groß — wie jenes Stück.« — »Ein Anführer?« — »Ja.« — »Er war‘s! — Es war — Herculanus.« — »Aber, Herr, du sahst die Reiter doch nur von vorn ... —« — »Ich weiß es doch. — Sei wachsam! — Hüte die Kleine.«
Siebzehntes Kapitel
Traurigen Herzens hatte Adalo den Weg nach dem Weihberg zurückgelegt: mit Schmerz erstattete er bei Tagesanbruch Bericht in dem Zelte des Herzogs.
»Nichts hab‘ ich erreicht,« schloß er, »nichts vom Lager gesehen und nicht eine Spur von — von ihr! Was thun?« »Warten,« erwiderte der Alte und strich den langen Bart, das Auge halb schließend. »Warten! Das kannst du leicht sagen!« — »Schwerer als du, der du doch noch dreimal so viele Jahre vor dir hast, als ich!« — »Aber die Kleine! — Ich sagte dir ja: nicht ihrem Freunde, dem Alten, gehört sie. Wann führst du uns zum Sturm?«
»Wann es Zeit ist.« — »Wann endlich wird es Zeit?« — »Nicht bevor der Mond vom Himmel verschwunden.« »Haben dir das,« zürnte Adalo, »die weisen Frauen in den Losrunen gelesen?«
»Nicht alte Weiber frag‘ ich, wann ich schlagen soll. Aber auch nicht um junge Weiber verderb‘ ich den Sieg. — Der Mond darf nicht scheinen, hübsch finster muß es sein. Und noch eins: die Regengüsse waren recht löblich: sie haben die Walen in ihrem Lager festgehalten, ihnen Sumpf und Wald gesperrt. Aber nun muß es wieder trockner werden, — damit es lustig brennt. Schon sandte uns der Wunschgott den Wunschwind! Geduld nur noch kurze Zeit. — Und noch was anderes muß eingetroffen sein!« — — »So laß mich wenigstens versuchen, ihr durch geheimen Boten mitzuteilen, wie sie sicher — ganz sicher! — entrinnen kann.« — »Nein, bei meinem Zorn! Bevor wir stürmen, werd‘ ich dir zeigen, weshalb es unmöglich ist, daß sie auf jenem Weg, an den du denkst, entkomme. Er würde sie unfehlbar mitten in die Wachen vor dem Lager führen und diesen alles aufdecken. — Aber, hast du nicht auf dem Rückweg Zercho getroffen?« — »Nein! Doch meine Gefolgen sagten mir ... — — also hast du ihn entsendet?« — »Entsendet? — Nein! Er ging ohne meinen Befehl. Aber horch — diese Stimmen — da ist er: — — und noch ein anderer.« Zercho und Sippilo eilten in das Zelt: erstaunt sah der Edeling seinen lichtblonden Bruder in so schwarzer Verunstaltung. »Knabe, was hast du gewagt? Du warst mit? Als Späher!« zürnte er. »Wie siehst du aus?« — »Wie ein Dunkelelbe! Aber er geht leicht ab, der Kohlenruß! Sieh!« Lachend sprang er ihm an den Hals und drückte den schwarzen Krauskopf an des Bruders Wangen.
»Schilt ihn erst,« bat Zercho, »wann du alles weißt: — und wenn du dann noch schelten kannst.« »Berichtet,« befahl der Herzog. »Herr, vieles ist gut — fast alles — aber doch nicht alles! — Also: ich gelangte zwar leider gar nicht in das Lager: — aber Bruna,« grinste er dem Edeling zu, »und die wird die Kleine schon finden.« »Kann sie, die Bärin, wieder herausfliegen und uns vom Lagerbau berichten?« grollte der Herzog. »Sie nicht: aber dies Blatt vielleicht!« lachte Sippilo und zog eine Papyrosrolle aus dem Brustlatz. »Ich gelangte glücklich, ungesehen, während Zercho und Bruna die Wächter lachen und staunen machten, an den Graben, glitt hinunter und kletterte auf der andern Seite den Wall ein wenig in die Höhe. Auf die Krone wagte ich mich nicht: — dort hätte man mich erblickt. — Hei, dachte ich, bin schmal und geschmeidig wie ein Aal: — zwischen den Pfählen war durch die Regengüsse das Erdreich des Walles manchmal weggespült: da zwängt‘ ich mich durch. Den Kopf und den einen Arm brachte ich auch durch: aber weiter ging es nicht: meine Schultern waren doch zu breit! Und nun ward mir eine Weile recht übel zu Mut: denn vorwärts konnte ich gar nicht und rückwärts wollte ich nicht, ohne irgendwas gesehen zu haben: — auch that die Einklemmung nicht gerade wohl! — Na hört‘ ich plötzlich Stimmen, Schritte, und auf dem inneren Lagerweg, hart am Wall vorbei, sah ich gerade auf mich los eilen — Bissula.«
Adalo schrie auf vor Freude: selbst der Herzog blickte froh überrascht auf den kühnen Knaben.
»Mehrere Schritte hinter ihr drein keuchte ein dicker, gar arg dicker Mann watschelnden Ganges. Sie sah mich nicht — denn sie schaute gerade vor sich hin — und gar nicht lustig, wie sonst, — recht tief trübselig sah sie aus! — Ich wagte es darauf, der laut Schnaufende werde mich nicht hören. Doch nicht mit Menschenstimme traute ich mich zu rufen: den schmetternden Doppelschlag des Buchfinken schlug ich: — oft und oft hatten die Kleine und ich uns geübt, wer ihn täuschender nachahmen könne: aber ich konnte es besser und lockte die Männchen in blinder Eifersucht in mein Laubversteck! — Sie stutzte, sah auf die Lücke im Mahlwerk, wo der Vogel — noch so spät im Jahre! — sang, sah mich und erkannte mich gleich: denn sie erblickte wohl nur mein Auge, nicht mein entstellendes, rußiges Haar. Sie bückte sich, wie nach dem Finken zu spähen und flüsterte: ›Rettet rasch!‹«
Da schoß ein Strahl heller Freude über Adalos schönes Antlitz: »Sie liebt ihn nicht! Sie will zurück!« jubelte es in ihm.
Sippilo bemerkte es wohl und erriet den Grund solcher Freude. Sehr ernst blickend fuhr er fort: »Aber ach, sie fügte bei: ›Schreckliche, höchste Gefahr droht mir!‹« — Adalo stöhnte und griff nach der nächsten Zeltstange, sich zu halten: denn er wankte.
»Weiter,« gebot der Herzog. »Ja, weiter konnte sie nicht sprechen. Denn der Dicke war nun dicht hinter ihr: ich sah, daß ihm aus dem Mantelbausch vorn etwas langes, gelbweißes hervorragte. ›Unleidlich!‹ fuhr sie, hastig sich wendend, heftig ihn an. ›Bist du mein Schatte, Sklave? Was folgst du mir auf der Ferse? Laß mich!‹ — ›Befehl des Tribuns, meines Herrn.‹ ›So?‹ rief sie, halb mutwillig, halb zornig. ›Dann sollst du — auf Befehl des Tribuns, deines Herrn, — tüchtig laufen und schwitzen! Holst du das Reh des Seewalds ein?‹ Und sofort begann sie, rasch, wie die Schmerle den Waldbach hinabschießt, vorwärts zu laufen.
Keuchend, fluchend folgte ihr der Dicke. Am Ende des Wallweges wandte sie sich, huschte behende an dem Atemlosen vorbei und lief nun wieder auf mich zu: sie wollte mir wohl noch was sagen: aber ich verstand nur das eine Wort: ›Eilt!‹
Da war sie fort. Denn ihr Begleiter kam nun, ihr nachlaufend, in meine Nähe.
Als er, gerade vor mir, den Mantel höher hob, der ihm die Beine behinderte, fiel ihm das gelbweiße Ding aus den Brustfalten — er schnaufte weiter: — er rollte gerade an die beiden Pfähle meiner Lücke. Rasch riß ich es an mich. Ich wollte warten, ob die Kleine nicht noch einmal vorbei käme: aber ich sah, wie mehrere prachtvoll gerüstete Walen sie anhielten und im Gespräch mit sich fort ins innere Lager führten. — Da riß ich mich nach rückwärts aus der Pfahlzwänge: — es that nicht sanft! — ein bischen Haut und Haar blieb wohl dort hängen zum Andenken an Sippilo! — glitt den Wall wieder hinab, kletterte den nördlichen Grabenrand wieder hinauf, duckte mich in die Büsche, kroch auf meine frühere Lagerstätte und kam gerade recht, da Zercho den Wachen die Bärin aufgehängt hatte und aufbrach.«