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Kitabı oku: «Bissula», sayfa 9

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Zwölftes Kapitel

Seit gestern schien das Regengewölk, das so lange dicht und schwer die Häupter der Berge verhüllt und sich in grauen Gehängen bis auf die Seefläche gesenkt hatte, lichter und lichter zu werden. Über die Wipfel der Wälder hin zogen sich noch einzelne Schleier: aber vom Säntis herab und vom Tödi fielen die Nebel. Und bevor die Sonne dieses Tages versank hinter den Waldhöhen des Westsee‘s, brach sie einmal — zum erstenmal seit geraumer Zeit — hindurch, See und Land auf wenige Augenblicke blutrot beleuchtend: die Fische sprangen sofort gierig nach den Mücken, die sich da in dem lang entbehrten Lichte sonnten und matt, mit feuchten Flügeln, ganz nahe dem Wasserspiegel flogen: — dann tauchte die glühende Scheibe wieder in die langgezogene Wolkenwand. Kreischend zog der Reiher aus dem Schilf, landeinwärts. —

Der Wind schien umzuspringen. Bald hierhin, bald dorthin jagten die Wolken über den Himmel. Anders gingen die Wellen des Sees, noch der alten Windrichtung folgend, anders oben die Wolkenzüge.

Vor dem Nordthor des Lagers, der Porta prätoria, aber mehr gegen Westen hin, lagerten an diesem Abend die batavischen Söldner vom Niederrhein. Mißmutig schürte der Centurio, im römischen Dienst lange bewährt, mit Halsketten und auf dem Brustpanzer mit Ehrenzeichen für tapfre Thaten geschmückt, ein Mann von etwa vierzig Jahren, das qualmende Feuer, das man in den naßkalten Wäldern nicht gern ausgehen ließ. »Da!« brummte er, »Fiff! Da erlischt es. Alle beide, Vulkan und Loge, habe ich umsonst angerufen. Vulkan hilft mir nicht, weil ich Barbar, — Loge nicht, weil ich den Römern diene. Wir Söldner haben keine helfenden Götter mehr: — weil wir keines Volkes sind.« »Ha, Rignomer,« lachte der andere, ein junger Mann mit rotsprossendem Flaumbart, »ich halt‘ es unter allen Göttern nur mit einem: — dem Gott des Sieges!« — »Und gerade der, gerade Wodan hat uns verlassen, Brinno. Überall siegen die Germanen — das heißt: die Völker, die gegen Rom, nicht wir germanischen Söldner, die wir für den Kaiser fechten. Und furchtbar bluten in jeder Schlacht — gerade wir Söldner.«

»Weil sie uns stets auf den bedrohtesten Fleck stellen, diese schlauen Walen,« zürnte nun auch Brinno. »Weil Wodan uns gram ist,« raunte der Centurio. »Wir sollen nicht mehr fechten für Rom gegen die anderen Germanen. Er will es nicht mehr!«

»Was ›Germanen‹! Das ist ein Wort, wie ›Barbaren‹: die Walen haben‘s aufgebracht, nicht wir. — Was gehn mich diese ›Alamannen‹ an? Ich bin Bataver: — Franke, wenn du‘s lieber hörst.« — »Ja, das hör‘ ich lieber.« — »‘s ist aber jünger!« — »Jedoch stärker, — weil größer!« — »Was gehen mich, frag‘ ich noch einmal, diese dickköpfigen Sueben an? Mit ihrem Schweif auf dem Wirbel! — Ich verstehe kaum, was sie lallen!« — »Aber wir sind alle, wir Blauäugigen, Gelbhaarigen, Söhne derer von Asgardh! Wir alle sind von Aufgang her den großen Wassern entgegengerückt! So lehrten‘s die Väter, so singen‘s die Harfenleute. Und überall, an Rhenus und Danubius, scharen sich die Gaue, die Völkerschaften zusammen, die sonst sich so grimmig befehdet. Das ist Wodans Werk! Er ruft die Enkel Asgardhs gegen Rom! — Dies ist mein letzter Feldzug unter den Drachenzeichen: — in ein paar Tagen ist meine Dienstzeit um —: dann geh‘ ich heim und baue meine Scholle an der Yssala, wo die Mutter und die Geschwister mein warten, — baue sie mit dem bessern, dem römischen Pflug. — Und muß ich nochmal kämpfen, — dann kämpf‘ ich für meine Scholle gegen Rom! Wir haben allzuwenig Raum, wir Franken, da unten im Rheinsumpf! — Wir müssen hinein ins schöne Gallien.« — »Nun, dieser Krieg der Römer wird bald zu Ende sein. Ein unblutiger Sieg.« »Wer weiß!« Hier warf sich der Centurio neben Brinno auf die Erde und raunte in sein Ohr: »Ein Gaugenosse von mir, der schon früher unter Kaiser Valentinian hier an diesem See gegen die Alamannen kämpfte, hat mir erzählt, weshalb er, voll Angst und Grauen, plötzlich den Soldvertrag gekündet hat: in einer Schlacht — die Römer verloren sie — brauste dem Keil der Alamannen auf weißgrauem Roß Einer voran, wider den kein Mann die Hand erhebt, ohne es für immerdar mit Wunsch und Wonne zu verderben.« »Wie?« fragte Brinno, halb ungläubig, halb furchtsam: »Er — er — selber?« Rignomer nickte bedeutungsvoll: »In eines greisen Herzogs Gestalt! So flüstert die Sage. Von der Himmelsburg steigt er hernieder, wann heiße Gefahr die Waldleute am See hier bedroht, warnt sie, verhüllt sie mit seinem dunkeln Wolkenmantel vor den Augen der Feinde, lehrt sie Siegrunen auf unersteigbarem Berge und trägt sie plötzlich heran auf den Adlerflügeln des Sturmwinds. Gegen den kämpfe ich nicht! Nur gegen Menschen hab‘ ich dem Imperator zu dienen geschworen. — Aber horch: — ein Tubaruf von unseren Vorposten! Wen bringen da unsere Reiter?« — »Eine Botschaft der Alamannen, scheint es!« — »Ja, einen Führer — und zwei Gefolgen. Welch‘ ein Jüngling! — Halt, junger Held: wenn du ins Lager willst zu dem Feldherrn, — nur je einer darf hineinreiten — muß ich dir vorher die Augen verhüllen. Steig‘ ab! Du willst nicht? Ja, dann kehr‘ nur wieder um.«

Das war ein harter Schlag gegen Adalos Hoffnungen! Er hätte so gern gesehen, scharf gesehen im Römerlager: — Gräben, Wälle, Thore und — zwei Menschen innerhalb jenes trotzig-dräuenden Pfahlwerks. Mißmutig stieg er ab. Eine dicke Wolldecke ward ihm, wie ein weiter Sack, in lockeren Falten über das Haupt geschlagen und unter dem Kinn zusammengebunden: Rignomer faßte seine Hand und führte ihn bis an das Thor, wo ein Centurio der Thraker den Sendboten der Barbaren in Empfang nahm.

Auch Adalos beide Begleiter stiegen ab, banden die drei Rosse an die nächsten Tannen und lagen bald plaudernd mit den Batavern — das schlechte Latein der Grenzgebiete mußte freilich gar oft den ganz verschiedenen Mundarten das Verständnis vermitteln — um das Wachtfeuer, das nun, mit Anstrengung, frisch entzündet worden: denn es dunkelte stark.

Alsbald erscholl von dem Waldweg her, auf welchem die Gesandtschaft gekommen, ein seltsam Gebrumm, das naher und näher kam. Alle, auch die beiden Alamannen, sprangen überrascht auf. »Ein Bär?« — »So nah dem Feuer?« — »Durch unsere Vorposten geschlichen?« Und sie griffen nach den gekreuzt zusammengelegten Speeren.

Doch da bog um die Wendung des schmalen Waldsteiges ein Bataver mit hellem Lachen: er deutete hinter sich. »Seht, Waffenbrüder! Ein sarmatischer Gaukler! Mit einer zahmen Bärin! Sie tanzt nach seiner Schwegelpfeife! Das ist drollig,« Da entfuhr dem einen Alamannen ein Ruf des Staunens: er sperrte Augen und Mund auf: »Das ist ja —« Doch der andre stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen: »Eine Bärin! Ja! Hast du noch nie eine gesehn?«

Und nun kam in den Schein des Feuers ein Mann in sarmatischer Tracht, — zusammengenähte, schwarze Schafsfelle, die Wolle nach innen gewendet: — er führte an ledernem Halsband eine große Bärin.

Hinter ihm schleppte sich, gleichfalls in ein Ziegenfell gehüllt, sein Knecht, der in einem Ranzen wohl den Reisevorrat trug: es war ein armer Krüppel, ein Knabe; halb lahm, kam er mit Hilfe einer Krücke nur langsam vorwärts: er konnte wohl nur schwer gehen und stehen: denn da der dritte Bataver ihm einen Stoß mit dem Schaft des Speeres gab, ihn mahnend, näher an das Feuer zu treten, fiel der Arme mit einem dumpfen Schrei ins Gras.

Der Söldner rief ihm, unter römischen und germanischen Scheltwörtern, die Frage zu, was seine Kunst sei? Er rührte sich nicht. —

»Da kannst du lange fragen,« lachte sein Herr, »der Junge ist stumm. Und fieberkrank. Er fürchtet die Menschen. Laßt ihn liegen!« Der Knabe kroch unter das dichteste Gebüsch, weit ab vom Feuer: man konnte von der Wachtstätte aus ihn kaum wahrnehmen; man sah nur, daß sein krauses Lockenhaar ganz kohlschwarz war; er zog ein kleines irdenes Töpfchen hervor, träufte daraus Tropfen auf seinen kranken Fuß und rieb ihn emsig mit der Hand.

Dreizehntes Kapitel

Lange, sehr lange schien es der Ungeduld Adalos zu währen, wie er — sein Unmut glaubte, mit absichtlicher Verzögerung — in dem weitläufig angelegten Lager Hügel auf Hügel ab umhergeführt wurde, bis endlich sein Führer ihn anhielt und man ihm die Hülle vom Haupte nahm. Er befand sich in dem Zelt des Präfekten. Dieser selbst — zornig erkannte er sogleich den Freund Bissulas — und eine Anzahl anderer Heerführer saßen und standen vor ihm. Man hatte Zeit genug gehabt, sie zu versammeln, während der Barbar kreuz und quer durch die Zeltgassen in verwirrendem Zickzack geleitet worden war.

Stumm begrüßte er Ausonius — es entging ihm nicht, daß die Augen der Feinde bewundernd auf ihm ruhten, — der ihm winkte, sich auf einem Feldsessel niederzulassen. Aber trotzig blieb der Jüngling stehn.

Umsonst bemühte er sich, in dem reich geschmückten Raum umherblickend, eine Spur — nicht von der Kleinen selbst — das wagte er nicht zu hoffen! — aber von irgend einem ihr gehörigen Gewand oder Gerät zu entdecken: hier waren nur Waffen und Papyrosrollen zu sehen.

Ausonius hob an: »Du verstehst, Alamanne, die Sprache Roms, da du allein, ohne Dolmetsch, gekommen?« Adalo nickte. »Sei willkommen! Wir erwarteten solche Sendung. Du erbittest den Frieden?« Zornig warf der junge Held das schöne Haupt zurück, daß ihm die langen Locken auf die Schultern rieselten: er erwiderte funkelnden Auges: »Freien Abzug biet‘ ich euch an.« »Ha, frecher Barbar!« schrie Herculanus. Aber Saturninus winkte ihm unwillig, zu schweigen, und fragte dann sehr ruhig: »Sind wir eingeschlossen?« — »Noch nicht! Aber nur deshalb nicht, weil wir noch nicht wollten.«

Saturninus warf dem Präfekten einen vielsagenden Blick zu. »Prahlerei!« meinte dieser in griechischer Sprache. »Und warum,« höhnte Herculanus, »habt ihr uns noch nicht vernichtet?«

»Der Ausgang, Römer, liegt in der Götter Hand. — Angegriffen haben wir deshalb nicht, weil wir, die wir den Kampf nicht scheuen, vielmehr — ihr wißt es genau! — ihn lieben, weil wir diesmal den Frieden wollen, — oder doch unsere weisen Führer wollen ihn, die weiter denken, als meine Jugendgenossen. Der große Völkerbund der Alamannen will nicht nur diesem Streifzug, er will dem ganzen, viele Menschenalter hindurch brennenden oder doch glimmenden Krieg mit euch durch Vertrag ein Ende schaffen für immerdar: nicht Waffenruhe, Frieden wollen wir mit Rom.«

Aufmerksam forschte Saturninus: »Ist das dein Gedanke, Jüngling?«

»Ich sagte schon: es ist die Wahl unserer Weisen, zu denen ich wahrlich nicht zähle. Aber auch ich erkenne, daß der Verkehr mit euch über den Grenzwall hin, wann die Speere in der Halle lehnen, unserem Volk allerlei Vorteile bringt: wir haben euch schon manches abgesehen, — noch mehr müssen wir von euch lernen.« »Weshalb aber,« fiel Ausonius ein, »wenn ihr dies einseht, brecht ihr seit Jahrhunderten immer wieder jeden Vertrag, jeden Waffenstillstand? Ihr rühmt euch gern der Treue als einer Tugend eures Volkes, ihr Germanen, und wir müssen auch den treuen Dienst eurer Söldner unter unseren Fahnen loben. Weshalb aber brecht ihr hier, an den Grenzen — und zwar all‘ ihr vielnamigen Völker, Alamannen wie Franken, Goten wie Quaden und Markomannen, ganz gleich in solcher Untreue, — weshalb zerreißt ihr Jahr um Jahr immer wieder Frieden und Vertrag? Unsere Kohorten, genötigt unaufhörlich in euren Waldsümpfen hin und her zu waten, schelten euch mit grimmem Haß das falscheste der Völker! Warum brecht ihr immer wieder über unsre Grenzen, einem Waldstrom gleich?«

»Einem Waldstrom gleich! — Du hast, wohl ohne es zu wissen, das rechte Wort gesagt. Ich schweige davon, daß gar oft nicht wir die Verträge brechen, sondern, vielleicht gegen des Kaisers Willen, eure Heerführer, eure Grenzbeamten: Zwingburgen bauen sie, wider die Verträge, auf unserer freien Erde, und die Lieferungen, die ihr uns nach den Verträgen schuldet, unterschlagen sie: an Getreide zumal.«

»Warum,« fragte Saturninus, sich vom Sitze erhebend, ernst, aufmerksam, »baut ihr nicht selbst das Getreide, das ihr braucht?«

»Wir können nicht! Das Land genügt nicht unserer schwellenden Volkszahl. Die Götter mehren uns wunderbar: sie müssen wollen, daß wir wachsen, daß wir überquellen. Wohl ziehen Hunderte, ja Tausende aus der heranwachsenden Jugend jedes Jahr davon, euch zu dienen als Söldner, als Grenzer. Wohl senden wir oft ein ganzes Drittel der Jünglinge, durch das Los gekoren, sich neue Heimat zu suchen, wohin der Vogelflug ihnen winkt nach dem Willen der Götter: — all‘ das, — es reicht nicht!«

»So wäre es,« forschte Saturninus, mehr mit sich selbst, als mit dem Abgesandten sprechend, »nicht Mutwille?« —

»Mutwille, wähnt ihr, hätte seit unsrer ältesten Ahnen Gedenken — treu und traurig und stolz haben‘s die Sagen bewahrt — immer wieder und wieder unsere fast nackten Helden in die Speere getrieben eurer erstarrenden Legionen? Ja, wären‘s nur wir Jünglinge! Wir lieben‘s allezeit mehr, mit Blut — der Feinde oder dem eignen — was wir brauchen, zu gewinnen, als mit der Pflugarbeit. Aber glaubt ihr, daß aus Mutwillen unsere Graubärte, daß ganze Völker mit ihren Weibern und Kindern, mit Knechten und Mägden, mit ihren Herden und Wagen immer wieder über eure Grenzen nach Mittag und nach Niedergang dringen, nicht eine Kriegerschar auf frohem Beutezug, nein, ganze Völker auf müheschwerer Wanderung, vorwärts drängend, weil von andern gedrängt, schiebend, weil geschoben, aus Mitternacht und Aufgang von andern Germanen und von Sarmaten, aber die alte Heimat nicht räumend, sondern durch die Zurückgebliebenen behauptend, bis auch diese weichen müssen? Mutwille, glaubt ihr, hat diese Hunderttausende so oft an und über eure Grenzen gelockt — meist ins sichere Verderben? O nein! Uns treibt nicht Übermut — uns treibt die mächtigste der Göttinnen —: die Not! Ungern nennt ein Mann ihren Namen: denn die Frau mit dem ehernen Gürtel, die einzige Unerbittliche der Gottheiten, — sie ist die Mutter der drei Schicksalsschwestern, die auch ihr verehrt, und oft würgt sie mit ihrem Gürtelband den Menschen, der leichtsinnig sie herbeibeschwört. Hütet euch, Römer! — Vor unserem Antlitz stehet nur ihr, freilich ein waffengewaltiges Reich: — aber hinter uns dräuet und treibt die furchtbare Mutter der Nornen! Wir haben keine Wahl. Zu eng ward das Land: — wir müssen überquellen, was immer werden mag aus den das alte Bett mit Brausen verlassenden Fluten. — Und deshalb wahrlich mit Fug, klugredender Römer, sprachst du vom Waldstrom. Glaubt es mir: unablässig werden wir brechen über eure Grenzen, seien sie noch so furchtbar mit Männern und Mauern geschirmt, bis entweder wir alle, wir ungezählten Völker der Germanen, untergegangen sind, oder bis wir Land genug gewonnen, darauf zu leben. Erst dann wird Friede sein.«

Vierzehntes Kapitel

Großen Eindruck machten die offenbar aus tiefer Überzeugung geschöpften und mit warmer Empfindung vorgetragenen Worte. Herculanus zuckte verächtlich die Achseln. Saturninus schaute, ernst, schweigend in das Leere: — in die Zukunft. — Erst nach geraumer Zeit fand Ausonius ein Wort: »So hab‘ ich‘s nie gesehn — Ist das deine Weisheit?« — »Nochmal sag‘ ich‘s: die unserer Weisen: Herzog Hariowald hat mich‘s gelehrt. Aber die Not unseres Volkes schreit so laut, — auch ein Unerfahrner muß vernehmen ihren Ruf: ›Land oder Untergang‹! Deshalb frag‘ ich euch im Namen unseres ganzen Völkerbundes — wir Alamannen weichen an Heldentum keinem Volk auf Erden! — wollt ihr uns, unsere Speere für euch gewinnen, auf immerdar, gegen all‘ eure Feinde, — zumal gegen die falschen Franken, unsre wie eure bösen Nachbarn — wollt ihr das?«

Aufmerksam lauschten die Römer: — keiner unterbrach ihn. »Wohlan, es giebt ein Mittel: — aber nur eines!« Er hielt inne. »Sprich,« mahnte Saturninus eifrig. »Räumt alles Land, das ihr noch innehabt, aber nur schwer ringend noch behauptet, räumt alles Land im Norden zwischen diesem See und dem rechten Ufer des Rhenus, bis dahin, wo der Moenus mündet unter eurer Zwingburg Mogontiacum, und alles Land im Süden dieses Sees bis an den Kamm der Eisalpen!« »Unverschämter!« rief Herculanus.

Auch die übrigen Heerführer sparten nicht Worte des Zorns. »Nicht übel!« lächelte Ausonius.

Nur Saturninus schwieg: er dachte, wie der große Kriegsheld Aurelianus in ganz ähnlicher Weise, wie hier verlangt ward, die stolze Eroberung Trajans, Dakien, geräumt und dadurch auf lange Zeit die Goten an der Donau zu Ruhe gebracht hatte.

Aber Adalo fuhr fort. »Thut es, thut es halb freiwillig, thut es gegen wertvollsten Entgelt, — denn ich sag‘ euch, ihr müßt in Bälde doch. Dann aber gezwungen und ohne Gegendienst. Thut es in Güte! Denn durch unser Volk geht eine stolze Weissagung: der Alamanne tummelt einst seine Rosse vom Alpenschnee bis an den Wasgenwald.«

Da stand Ausonius unwillig auf. »Kein Wort mehr! Als einzige Antwort bringe den Deinen den alten Römerruf: ›Weh den Barbaren!‹«

»Weh den Barbaren!« wiederholten laut rufend die Heerführer. Aber Saturninus schwieg. —

»Bevor ich scheide,« sprach der Jüngling — mühsam suchte er die heiße Erregung, die bange Sorge zu verbergen, die ihn jetzt durchzitterte: — »hört noch einen Auftrag. — Ihr — habt gefangen — eine Tochter unseres Volks.«

Höchst aufmerksam richteten sich auf ihn sechs Augen. »Ich bin beauftragt, — sie — loszukaufen.« Trotz aller Anstrengung, ruhig, kalt zu scheinen, bebte ihm die Stimme. »Bist du Bissulas Verwandter? — Sie hat keinen Bruder!« — meinte Ausonius argwöhnisch. »Oder ihr Geliebter?« forschte Herculanus. Gluten flammten auf in des Jünglings Antlitz, zornig furchte er die Brauen: »Nicht ihr versippt, nicht verlobt. Beauftragt — ich sagte es schon — bin ich, sie loszukaufen. Nennt den Preis,«

Ausonius wollte abweisend erwidern. Aber Saturninus kam ihm rasch zuvor: »Du zahlst jeden?« — »Jeden.« — »Ist sie eine Königstochter oder eine Edle, daß die Ihrigen so hohen Wert auf ihre Freiheit legen?«

»Sie ist eine freie Jungfrau unseres Volks und hat so viel Recht wie eine Königin auf unseren Schutz.« »Nun, euer Schutz,« lachte Herculanus, »hat ihr nicht eben viel geholfen.«

»Ich will sie aufwiegen — in Silber, muß es sein in Gold: — ihr ganz Gewicht —« »Pah,« schmunzelte Ausonius, »will nicht viel sagen! Sie wiegt nicht schwer, die Kleine. Gieb dir keine Mühe: — ich gebe sie nicht frei!« »Vergieb, Präfekt,« sprach da Saturninus ruhig, — er verwandte aber kein Auge von Adalo: — »ich erinnere dich noch einmal, — die Barbarin ist nicht deine, — sie ist meine Sklavin.« »Was? O Götter!« schrie Adalo, außer sich vor Schrecken und Schmerz. Lebhaft machte er zwei Schritte gegen den Römer.

»Ist es möglich — ist es wahr? Sage nein, Ausonius?« Fast flehend klang nun die Stimme des sonst so Trotzigen. »Leider ist es so,« antwortete verdrießlich der Gefragte.

Saturninus aber — er wußte nun, was er wissen wollte — bemerkte ruhig: »Die Gefangene ist mein Eigentum. Und um Gold ist sie mir nicht feil. Aber ich gebe sie frei, wenn du ... —« hier erhob er sich, trat auf Adalo zu und flüsterte in sein Ohr. Zornig fuhr der Alamanne auf: »Wo wir verschanzt stehen und wie stark wir sind? Komm in die Wälder, Römer: dort wirst du‘s erfahren!«

Kalt trat Saturninus zurück. »Wie du willst. Nie mehr sieht die Rotlockige die Ihrigen.« »Und bedenke, Barbar,« zischte Herculanus, nun auch aufstehend, »man bedarf nicht der Folterschrauben, um eine — Jungfrau sehr, recht sehr zu peinigen.«

Mit einem Aufschrei fuhr der Jüngling an den Griff des Kurzschwerts an seiner Seite. Aber er faßte sich. Nur einen Blick warf er auf Herculanus, den dieser nicht ertrug: blinzelnd sah er zur Seite.

Adalo jedoch, von tiefem, bitterem Weh gequält, sah fragend, forschend nach Sinnesweise und Eigenart, erst in des Saturninus männlich schönes, strenges Antlitz: — dann musterte sein Blick des Ausonius gutmütige, aber des Ausdrucks der Willenskraft völlig entbehrende Züge. Er seufzte tief. Allein er fühlte, wie aller Augen scharf auf ihn gerichtet waren: er nahm nun die ganze Kraft zusammen und sagte ruhig: »Geschieht ihr Leid, wird ihr Volk sie furchtbar rächen.« Der stark verhaltene, aber abgrundtiefe Grimm in diesen kargen Worten verfehlte nicht des Eindrucks. Er wandte sich, ohne Scheidegruß, zu gehen.

Schon stand er unter den Vorhängen des Eingangs: da rief Saturninus: »Und wie heißt der Gesandte des Alamannenvolks?«

Der Jüngling wandte sich rasch und, alle Anwesenden in einem Blick zusammenfassend, rief er: »Adalo, Adalgers Sohn. Ihr sollt den Namen merken.« Damit schritt er vor das Zelt.

»Oheim,« rief da Herculanus, »war das nicht jener Name? Ja, ja, er ist es: der ›Mars der Alamannen‹! Laß ihn ergreifen — und der Krieg ist aus!«

Bevor Ausonius antworten konnte, sprach Saturninus, aus dem Zelte eilend: »Hüte dich, Ausonius! Diesem Neffen scheint nichts heilig zu sein im Himmel und auf Erden. — Aber die Augen muß man ihm rasch wieder verbinden, jenem Barbaren: er blickt wie ein Adler.« Und er eilte aus dem Zelt, dem Gesandten nach.

Ausonius aber sagte, verstimmt durch gar manches, äußerst verdrießlich, in einem Ton, wie er bei dem Gutmütigen fast unerhört war: »Du mißfällst mir schon lange, Neffe Herculanus. Bin sehr unzufrieden mit dir. — Sehr! — Recht sehr!« —

Und mit hastigem Schritt ging er an dem Betroffenen vorbei, dessen beschwichtigend vorgestreckte beide Arme unwirsch zur Seite schiebend. — Einen Unheil verkündenden Blick warf ihm der Neffe nach.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
290 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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