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Kitabı oku: «Bissula», sayfa 12

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Einundzwanzigstes Kapitel

»Ein freudiger Werk nun wartet euer,« begann der Herzog aufs neue: »Die Schwertleite verlangt, der Volkswaffen erste Gewährung, ein Knabe von edler Sippe, gar viele von uns kennen ihn, und, wer ihn kennt, will ihm wohl. Zwar ist er noch nicht sehr groß, der zarte Held: aber ich eide: ich sah ihn gestern auf fünfzehn Schritte mit dem Speer einen mittelguten Lindenschild durchwerfen. Und groß war sein Mut und kühn sein Wagen, da er, Leben und Freiheit verwegen einsetzend, freiwillig des Römerlagers Wall erkletterte, wichtigste Kunde daraus holte und in des Herzogs Hand brachte.« »Wer ist‘s? Wer ist es?« fragten da viele.

Da trat Adalo vor, den jungen Bruder an der Hand: »Sippilo, mein tapferes Brüderlein.« Nun sprach der Herzog:

»Ich frage das Heerding: Soll er die Waffen empfangen? Flügge ist er, der junge Edelfalk!« Und ein freundlich Lächeln leuchtete über das Antlitz, das so grimmig dräuen und zürnen konnte.

»Heil ihm! Heil dem Edeling! Heil dem Knaben! Gieb ihm die Waffen.« Sippilo errötete über und über wie ein Mädchen. Es ließ ihm sehr gut, »Willst du selbst, o Herzog,« bat Adalo, »die Gunst ihm gönnen, ihm die Waffen zu geben? Stets soll er dann, ergreift er Schwert oder Speer, des Helden gedenken, dem zuerst er sie dankte, und des Gebers würdig sich weisen.« »Ich will,« sprach der Richter, erhob sich und winkte dem Knaben. Dieser stieg die eine Stufe vor dem Richterstuhl hinan: Hariowald ergriff den kleinen, runden Schild, der vor ihm lag, und reichte ihn dem Knaben dar, der eifrig danach griff und mit dem linken Arm in den obern Schildbogen fuhr, mit der Hand den unteren ergreifend.

»Ich, Hariowald, Hariomars Sohn, des Linzgaues Graf, für dieses Sommers Römerkrieg aller Alamannen gekorener Herzog, ich sage dich, Sippilo, Adalgers Sohn, den Waffen gewachsen und der Waffen würdig und wert.

»Mit dem Schild hier beschirme,

 
Besser als die eigne Brust,
Lieber als den eignen Leib und das Leben,
Der edeln Alamannen
Land und Leute.
Schildrunen, Schirmrunen
Brannte dein Bruder
In das feste Gefüge:
Sie halten und heften
Dir schützend den Schild,
So lange du selber
Haftest und hältst
Fest an deinem Volk.«
 

Darauf übergab ihm der Alte den Speer und sprach:

 
»Siegrunen ich selber, siegessichre,
Ritzt‘ ich dir, rote,
Auf des spitzen Speeres,
Des scharfen Schaft:
Ein Sterblicher strecke
Dir nimmer ihn nieder
Noch zerschlage den Schlanken:
Einst lös‘ ihn dir leicht
Ans treu haltender Hand,
Wann du, weißbärtig, gewannst
Auf dem Schilde den Schlachttod
In seligem Siege —,
Dann lös‘ ihn dir leicht
Aus treu haltender Hand,
Auf Schwanenschwingen zu dir geschwebt,
Der Walküren aus Walhall
Schimmernd-Schönste,
Und trage dich Treuen
Hinauf zu dem Hohen!«
 

Zuletzt umgürtete er ihn mit dem Wehrgehäng, in welchem das Schwert in der Scheide stak, und sprach:

 
»Wie der Gurt dich umgürtet,
So nun hält dich das Heer
Der Alamannen zu eigen:
Wie der Gurt dir gehört,
Dir zum Schmuck und zum Schutz, —
So gehörst du, ein Glied,
Uns zu Schmuck und zu Schutz, —
Uns Alamannen zu eigen,«
 

Sippilo aber zog das kurze Schwert aus der Scheide, hielt den Griff gegen die leuchtende Sonnenscheibe und sprach:

 
»Dies Schwert will ich schwingen
Für mein freies Volk,
Für sein Recht, seinen Ruhm
Und für Sippilos Sippe!
Üb‘ ich anderes jemals, —
Soll die scharfe Schneide,
Die klare Klinge, die kluge, —
— Denn sie achtet dieses Eides! —
Mich Treulosen treffen zum Tode! —
Sonne, du sahst es: —
Es hörte‘s der Hohe,
Und Ziu als Zeugen
Und der Alamannen
Hochhelmiges Heer.«
 

Freudig sprang der Knabe nun die Stufen hinab und stellte sich, froh der jungen Waffen, neben seinen Bruder unter lautem Beifallruf der Menge, zumal seiner Versippten und der Gefolgen mit dem Hirschhornzeichen auf den Schilden.

»Nun das nächste Werk des Rechts. Ein Abwesender will seinen Knecht im Heerding freilassen. Suomar, Suoberts Sohn, der in den Ostsümpfen Wache hält, giebt seinen Knecht Zercho frei. Ich hab‘ ihn losgekauft um guter Dienste willen für das Heer: sein Herr, den ein Bote befragte, willigt ein, ihn freizugeben: und Adalo, der Edeling, — so will er — soll für ihn sprechen und thun. Bringet den Knecht.«

Da ward Zercho, der bisher außerhalb des Ringes der Freien geharrt hatte, von zwei Fronboten vor den Steinstuhl geführt: seine Augen leuchteten vor Freude. Darauf trat Adalo vor, Bogen und Pfeil in der Hand und sprach: »Als Fürsprech Suomars, deines Herrn, künd‘ ich vor offenem Ding, daß er einen vierjährigen, tadellosen Hengst, zwei Rinder römischer Zucht, zwanzig wolltragende Schafe, einen ehernen, siebenfach geschlängelten Armring und einen Silbersolidus von Hariowald, dem Grafen des Linzgaues, dafür empfangen hat, daß er dich, Zercho, den Jazygen, den er dereinst als Speergefangenen vom Händler in Vindonissa gekauft, freigebe. Und er giebt dich frei durch meine Hand und Rede: nimm hin den letzten Schlag,« — er gab ihm einen leichten Streich auf die Wange — »den du als Knecht zu dulden hast, und siehe du, sehet alle ihr freien Männer: wie ich den Pfeil hier entsende, — so frei und frank, los und ledig, läßt dich Suomar, der bisher dein Herr war: frei magst du gehen, wie dieser Pfeil fliegt: — frei und von keinem gehalten!«

Damit schoß er den Pfeil, der mit den Federn des Reihers beschwingt war, hoch in die Luft: — sausend entfuhr das Geschoß dem Langbogen, dessen Sehne tönend an den schön geschweiften Schaft von hartem Eibenholze schlug. Zeicho blickte dem Pfeil nach: — hoch — hoch, bis er im Blau verschwand: — er sah aber nicht klar, — denn seine Augen schwammen: mit Mühe verbiß er das laute Schluchzen. Er wollte, nach langjähriger Gewöhnung, niederfallen und, dankend, des Edelings Füße umfassen, seine Hände küssen, — rasch hielt ihn dieser ab, und der Herzog fiel ein:

»Frei bist du nun, Zercho: des freue dich, Freier! Denn ob dein Herr gar gelinde Hand hatte: — Knechtschaft ist kläglich und verkümmert Kraft und Mut: nur das Leben des Freien ist Leben: — der Unfreie atmet, aber er lebt nicht.«

Adalo aber reichte ihm den Bogen und sprach: »Hier diese Waffe, welche deine Freiheit vor allem Volk erwies, — sei die erste, die du führst im Heer und für das Volk der Alamannen: das nun auch dein Volk geworden ist.« Mit strahlenden Blicken und hoch erhobenem Haupte trat der Freigelassene in den Ring der Freien.

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Der Richter aber furchte die Stirn: »Nun an das letzte Urteil des Heerdings! — Andere Götter schweben nun heran, als jene, die soeben des Knaben Stirnlocken unsichtbar gestreift: — furchtbare Götter! — Klage ist gekündet gegen einen Gaukönig der Alamannen.« —

»Ebarbold! Der Verräter! Der Ungehorsame! Der Heerverderber! Der Eidbrecher!« So scholl es drohend aus der Menge. »Friede! Schweigen im Ring!« gebot der Richter. »Wo ist der Kläger?« Da trat des Königs Waffenträger vor, zog das Schwert und sprach:

»Ich, Ebarvin, Erlafrids Sohn! Denn ich habe, wie alle Männer unseres Völkerbundes, schwere Eide geeidet bei allen Göttern und bei den Schrecken Hels, Trotz und Verrat gegen Bund und Herzog der Alamannen zu wehren, zu rügen und zu rächen, wo, wie, wann immer ich kann. Wohlan! Zwanzig Winter habe ich dem Vater König Ebarbolds und ebensoviele Winter diesem Ebarbold selbst den Schild getragen: — schwer fällt mir jedes Wort aufs Herz, das ich gegen ihn rede: aber schwerer wiegt der Eid, der furchtbare, den mir der Herzog abnahm für den Bund der Alamannen. — Wohlan: ich klage gegen König Ebarbold um Bannbruch, Banntrotz und Heerverrat. Dreimal hab‘ ich ihn gewarnt, dreimal hab‘ ich ihm offen gedroht, sein Trachten dem Herzog aufzudecken und dem ganzen Volk. Er hat dazu gelacht. Er hat es nicht glauben wollen. Er hat gemeint: ›Näher liegt dir am Herzen die Haut als der Mantel, näher steht dir der Ebergau als das Volk, näher dein Gefolgsherr als der Herzog.‹ Er irrt. So war es ehedem, so war es lange, lange Zeit. Und das war unser aller Unheil.

Wir haben‘s endlich gelernt: — die Römer haben‘s uns mit ehernen Ruten beigebracht: — wir haben‘s gelernt in blutigen Nöten: das Volk, der Volkerbund ist das Höchste: denn er allein schützt alle: mehr als der Finger gilt die Hand. Er aber hat mich und alle seine Gefolgen, ja alle Heermänner unseres Gaues bereden wollen und, da wir‘s weigerten, hat er uns befehlen wollen kraft seines Königsbannes, wenn das Volksding den Kampf beschließe und der Herzog aufbreche mit dem Heer, nicht zu gehorchen, sondern abzuziehen vom Weihberg, im Notfall mit Gewalt uns durchzuschlagen und von den Römern Schonung für unseren Gau zu erbitten unter Geiselstellung und Unterwerfung.«

Da durchdrang ein furchtbares Brausen die Reihen: die Waffen klirrten: der Zorn des Volks brach grimmig los: einige Jüngere sprangen, dräuend die Schwerter zückend, gegen den Angeklagten, welcher schweigend, aber trotzig, dicht vor dem Richtersteine stand.

»Halt,« rief der Herzog, »nieder die Waffen! Wer sie nochmal zückt im Dingfrieden, im Heerfrieden, — dem geht‘s an die Hand.« Er war rasch aufgesprungen und hielt nun von der oberen Stufe über des Bedrohten Haupt schützend seinen langwallenden, dunkeln Mantel. — Sofort legte sich der Lärm: beschämt traten die Hitzigsten zurück in den Ring. »Ich frage dich,« begann nun der Richter, »König Ebarbold‘, Sohn —«

»Spare die Worte, Graf des Linzgaus,« fiel dieser finster blickend, aber furchtlos, ein. »Es ist alles wahr. Bringt mich um: ihr habt die Macht dazu; so habt ihr denn das Recht. Ich will nicht leben! — Hätte ich leben wollen, — glaube mir, ich hätte fliehen können in meinen Gau oder ins Römerlager, lang bevor du mir durch deine Zwangboten die Königswaffen meiner Sippe abnehmen und mich auf Schritt und Tritt bewachen ließest, während du den elenden Fischer nur entwaffnet hast. Freilich: du hättest mich ja sogar binden lasten dürfen, nach dem neuen Bundesrecht! — Mich, vieler Könige Sohn und eines Gottes Enkel! — Seit ich meines treuesten Gefolgen, meines alten eigenen Schildträgers Abfall erfahren — ekelt mich‘s der Zeit! — Ich will nicht mehr leben in einem Volk, nach einem Recht, da das Scheußliche geschieht, daß der Gaumann den Gaukönig, der Gefolge den Gefolgsherrn geringer wertet als den leeren Schall dieses ›Bundes‹, als den kurz herrschenden ›Herzog‹ aus einem fremden Gau. Ich bin zu alt und zu stolz, dies neue Recht zu lernen! Du, machtgieriger Alter, hast mich doch schon lang in deinen blutigen Gedanken deinem wilden Wodan geweiht.« »Nicht ich, du dich selbst, Ebors Sohn.«

»Also gut, — bring‘ mich um,«

»Nicht ich, — du selbst hast dich ausgethan aus deinem Volk durch solche Gesinnung! Ja, es ist besser, daß solche Männer, wie du bist, sterben, als daß sie leben: die Gaukönige, wenn sie trotzen, müssen Wodan bluten, der da Volkskönig ist über alle unsere Götter und alle unsere Völker.« »Mein Geschlecht,« sprach der König stolz, »steigt durch hundert Ahnen auf zu den Göttern: aber nicht zu jenem listigen, dessen geheime Ränke du nachahmst, der zwischen Völkern und Fürsten Zankrunen ausstreut: von dem Friedensgott, Fro, der Fruchtbarkeit spendet, stammen wir; seinen goldborstigen Eber hat er uns, seinen Söhnen, als Wahrzeichen, gesetzt auf Helm und Schild. Ihn ehrt‘ ich von je und den Frieden zumeist!« »Ha, Gott Fro,« erwiderte der Alte, nun grimmig, — denn er vertrug es schlecht, seinen Wodan schelten zu hören — »Gott Fro wird wenig sich freuen, schaut er nun bald seinen Enkel an übler Eibe zappeln, wie die langschnäblige Schnepfe, die in der Schlinge sich fing. Denn: — ich frage das Heerding: — sein Mund ist geständig der schwersten Schuld: — was droht ihm das Recht?« »Den Strang! Den Weidenstrang!« scholl es nun tausendstimmig. »Den Schmachbaum! Hängt ihn sogleich!« — »Aber zwischen zwei Hunde: — er ist der Wölfe nicht wert!« Da zuckte Schmerz über des Königs stolzes, kühnes Antlitz: er scheute nicht den Tod: — aber die Schmach. Er fuhr leise zusammen. Scharf hatte es der Herzog bemerkt. »Ich, der Richter,« hob er nun langsam an, »ich darf dies Urteil nicht schelten, — und der Schuldige kann es nicht. — Aber bedenkt, ihr Speermänner! Wenig Ruhm wird es unserem Namen bringen bei den anderen Völkern, wenn das Gerücht unter sie fährt: ›ein König der Alamannen schwebt wegen Heerverrats zwischen Wolken und Wasser.‹ — Ihr habt dem geringen Mann, dem Fischer, den Halm der Hoffnung dargereicht, ob ihn etwa der Hohe vor dem Schmachtod errette, ihn zu sich hinaufreiße nach Walhall oder gar — wider die Möglichkeit fast! — bei Vollendung der That, die ihr ihm aufgegeben, das Leben ihm wahre. Wohlan: — viel schwerer zwar ist dieses Königs Schuld als des allzu kindliebenden Vaters: — aber ehrt in ihm den Sproß des Erntegottes! Reizt zur Rache nicht Fro, daß er nicht viele Jahre unsere Saaten schlage mit Mißwachs! Leicht ist er erzürnt, der Gott des goldborstigen Ebers! Und gedenket auch dankbar dessen, der dieses Mannes Vater war.«

»Ein wackerer Held!« scholl es in der Runde.

»Bei Strataburg fiel er, in der blutigen Mordschlacht, an der Spitze des Keiles seines Gaus: — tapfer vorkämpfend seinem Volke fiel er endlich zusammen, — rücklings fiel er, auf seinen Schild: mit vielen Wunden auf der Brust, denn er wollte, der eberkühne Mann, den Rücken dem Feinde nicht zeigen. Dieser Held schaut jetzt aus Walhall auf uns nieder, — bang‘ klopft ihm das Herz um dies drohende Schmachgeschick: — Alamannen, laßt ihn nicht den Sohn zwischen Hunden hangen sehen: — gönnt auch dem König — wie dem Fischer — eine lösende That!«

Da warf der Verurteilte einen Blick des Dankes zu dem Manne empor, — den er so bitter haßte. Das Volk schwieg noch: sein Groll war allzu heiß. »Wenn er aber entspringt?« — »Wenn er mitten im Kampf zu den Walen überlauft?« So riefen zwei Männer zugleich.

Da entrang sich ein tiefes Stöhnen der Brust des trotzigen Königs: »Von dem Fischer hat das keiner gefürchtet! So niederträchtig darf man mich erachten.« Und er schlug die geballte Faust vor die Stirn.

Da trat Ebarvin vor, sein Ankläger, und sprach: »Hart waren diese Fragen und unverdient. Wenige im Volk werden das argwöhnen vom König des Ebergaus. Er sprach wahr: lang vor heute hätte er fliehen mögen: er wollte nicht fliehen. Ich glaub‘ ihm: ich kenne ihn, seit er zu sprechen lernte: nie hat er gelogen, so lang‘ er sprechen kann‘ er will sterben aus Groll gegen den Völkerbund, der da die Könige beugt und zwingt — und vielleicht auch: — aus Reue und Scham!« —

Der König machte, tief getroffen, eine rasche Wendung von dem Sprecher hinweg und schloß die Augen fest: aber gleich schlug er sie wieder auf mit trotzigem Blick.

»Wohlan, ich, ein freier, unbescholtener Mann mit breitem Ackergut im Ebergau, — ich bürge für ihn mit Leib und Leben, mit Eigen und Ehre! Ich gelobe für ihn: jede Waffenthat, die das Volk ihm auferlegt, dadurch vom Strang sich zu lösen, vollführt König Ebarbold: oder er fällt dabei auf seinen Schild.« »Ich danke dir, Ebarvin,« sprach der Gequälte, hoch sich aufrichtend: dies Vertrauen that ihm wohl, tief in der Seele. »So sei‘s! So sei‘s!« rief die Menge, bevor der Richter die Frage stellen konnte. »Der Herzog soll die That ihm küren!« »Wohlan,« sprach dieser, ohne Besinnen: »sie ist gekürt! Im Lager der Römer lebt ein Held, der ist ihr Haupt und ihre ganze Stärke: fällt der, fällt alle ihre Kriegskraft auseinander. Nennt mir den Mann!«

»Saturninus!« scholl‘s von vielen Seiten. Denn wiederholt schon hatte der Tribun in Germanien befehligt, und gar mancher der nun auf dem Weihberg Versammelten hatte früher um römischen Sold gedient.

»Ebarbold, bring‘ uns aus der Schlacht des Saturninus Haupt — und sei gesühnt! Willst du das, Eberheld?« — »Ich will‘s,« sprach dieser, hochaufatmend. »Reicht mir mein Schwert — gebt mir die Waffen wieder,« — der Schildträger hielt ihm die Scheide hin: er riß die Klinge heraus, streckte die Spitze gegen die Sonne und sprach: »Ich schwöre bei dieser Klinge — des einarmigen Kriegsgotts heil‘gem Ebenbild: im nächsten Kampfe töt‘ ich den Tribun oder falle durch sein Schwert.« Lauter Jubel, lärmender Beifall erscholl nun: alle, auch die zuvor am bittersten gegrollt, waren jetzt doch im Innersten froh, daß statt der schmählichen Bestrafung des Stolzen eine ehrende Lösung gefunden war. Zufrieden blickte der Herzog auf das brausende Gewoge herab.

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Nachdem er der Erregung der Menge Zeit gegönnt, sich auszutoben, gab der Alte den zwölf Fronboten einen Wink: — diese eilten in den dichten hinter der Esche rauschenden Eichenhain — dann schlug er auf den Schild und sprach: »Gerichtet nun ist nach gerechtem Recht und nach des Volkes edlem Willen. Der Richter hat sein Werk gethan: nun höre auf deinen Herzog, du Heer der Alamannen!«

Tiefe Stille ward sogleich: gespannt ruhten aller Augen auf ihm, der nun aufsprang, den Schild vom Baume hob und an den linken Arm hing, während er, den Speer in der Rechten, von der hohen Steinplatte herab, also sprach: — mächtig erhob er nun, erztönig, mit ganz anderem Klange, die Stimme, die gewaltig über das Heervolk scholl: »Viele von euch, ich weiß es, — und nicht die schlechtesten Speerleute! — haben schweigend gegrollt oder auch laut murrend gescholten, daß ich so lange gezögert, euch zum Kampf zu führen. Der Feind stand im Land und wir wichen in die Wälder: — er verbrannte die Hallen und Gehöfte: — wir sahen, thatenlos, aus sicherer Ferne Feuer und Rauch aufsteigen: — allmählich kamen auch aus den entlegenen Gauen, bundgetreu und eidgehorsam, die Heerleute: — und immer noch zögerte der Herzog! — Und indes festigte der Feind von Tag zu Tag sein Lager! — Ja, wir wußten es wohl: — jeder Morgen konnte von der Seeburg da drüben auf hochschnäbeligen Schiffen ihm fast nochmal so viel Krieger zuführen, als er schon im Lager zählte. Warum säumte der Alte immer noch? Wann schlägt er los?«

»Jawohl, warum zögern? Wann geht‘s zum Kampf?« wiederholten ungeduldig viele Stimmen.

»Er zögerte,« fuhr der Herzog fort und seine Stimme dröhnte — »weil er nicht einen Teil, nicht die Hälfte, weil er sie alle, alle treffen wollte, so viele als nur erreichbar! Alle die Mordbuben, die Brandbrenner, die der Knabe im Kaiserpurpur da drüben überm See wieder einmal losgelassen hat auf unser freies Volk! Morgen — getreue Männer haben‘s mir rascher gemeldet, als es das Römerlager selbst erfährt, — morgen in der Frühe kommen sie herübergeschwommen, die stolzen Schiffe: morgen Mittag ankern sie am Ufer zunächst dem Lager: — und morgen nach Mitternacht führt euch der alte Hariowald zum Sturm auf Lager — und Schiffe zugleich!«

Da brach die so lang zurückgehaltene Kampfeswut furchtbar los: brausende Rufe und wilder Waffenlärm drangen durch die Luft. »Schauet,« fuhr er fort, »schon tragen die Fronboten aus der Landesgötter heiligem Hain, aus geheimnisvollem Schauer der nie vom Tag durchleuchteten Waldnacht, sie herabholend von den uralten Eichen, die Feldzeichen, die sieghaften, unsrer Geschlechter und Gaue herbei.«

Ein von Ehrfurcht leise gedämpfter Ruf der Freude grüßte den Zug der zwölf Fronboten, welche nun paarweise, in feierlich gemessenen Schritten, von den Seiten der Esche hervortraten und die Feldzeichen verteilten an die aus dem Ring vorschreitenden Vertreter der einzelnen Landschaften und Sippen.

Ebarvin ergriff das Zeichen des Ebergaues: auf hohem Speer ragte über einer Querstange das dräuend hauende Eberhaupt. Adalo ergriff einen gleichen Schaft, der ein mächtiges Hirschgeweih trug. Und fast alle Ungetüme des Urwalds und heiligen Tiere der Götter waren in ähnlicher Weise verwertet: neben den riesigen Hörnern des Auerstiers und des Wisent prangten die breiten Schaufeln des Elchs: Wodans Wolf und Donars Bär und Loges Fuchs sperrten dräuend die Rachen, Zius Schwert, gerade aufwärts starrend, trug ein blutrot bemalter Schaft: ein andrer zeigte Donars Hammer zwischen zwei ehern geschmiedeten, rotzackigen Blitzen: drei Lanzen trugen je ein weißknochiges Pferdehaupt, den gekrümmten Bug noch wild umflattert von schwarzer, roter, brauner Mähne. Auf anderen Stangen sträubten der Seeadler, der Königsadler, der Lämmergeier die Flügel und drohten mit den erhobenen Fängen. Einem von Holz gezimmerten Flügeldrachen hatte man die Häute wirklicher Schlangen, der Ringel- und der Kupfernatter, übergezogen, die knisternd im Winde raschelten. Und da man, wie die Mähnen den Rossen, auch den wilden Tieren die Schur samt dem Schweif von dem Haupte herab hatte hängen lassen und da fußlange rote, gelbe, blaue Bänder um die Querstange flatterten, fehlte es nicht an der rauschenden, wehenden Bewegung, an welche wir bei »Fahnen« zu denken gewöhnt sind. Unter diesen Randstreifen war gar manches Stück eine Trophäe: ein zerhauener Fetzen aus einer eroberten Drachenstandarte, oder ein Purpurwimpel, wie sie die römischen Geschwader und Kohorten schon seit lange unter dem Kreuz, dem »Labarum«, statt der abgeschworenen, heidnischen Adler führten. — Als die Vertreter der Gaue und Geschlechter die geliebten und geehrten Bildstangen empfangen hatten und in ihre Reihen zurückgetreten waren, fuhr der Herzog fort: »Heil euch, ihr alten Zeichen des Kampfes und Zeugen der Siege! Heil euch und Gruß, ihr Göttergeweihten! Vor euch, ihr Streitvertrauten, vor euch wag‘ ich, zukunftschauend, ergriffen von der unsichtbar euch umschwebenden Götter Gewalt, vor euch wag‘ ich ein weissagendes Wort. Ihr, meine Waffengenossen, alamannische Männer, — zweifelt mir diesmal nicht am Siege. Ihr wißt: prahlen vor der That ist nicht des Alten Art: aber diesmal weissag‘ ich euch sichern, völligen, herrlichen, seligen Sieg! Alle unsere Götter helfen morgen zusammen! Nicht am wenigsten Loge, der Flammende! In Feuer und Glut werden Zelte versinken und Schiffe! Die Seefrau wird viele Hunderte in ihrem Netz niederziehen zum feuchten Grund. Aufthun wird die Erdgöttin, die furchtbare, ihren geheimnisvollen Schos, auf welchen die frechen Fremdlinge mit ehernen Füßen gestampft: die Rächer wird sie, ihres Landes Söhne, ausstreuen mitten in des Feindes festester Schanzburg! Denn er, der Hohe, hat die Verhaßten verblendet, daß sie sich in unserem ganzen Gau den für sie verderblichsten Lagerort gewählt! Und wenn sie nun flüchten aus den Zelten nach den Schiffen, im Schrecken der Nacht und im flackernden Schein ihrer brennenden Schanzen: — dann sollen sie am See rennen in das gleiche Verderben: in Feuer und Blut.

Und wenn die letzten der flüchtigen Schiffe mit halbverbranntem Mast und Bug, verfolgt, gehetzt von unseren raschen Kähnen, wirklich glücklich das Südufer und die Hafenburg erreichen, aus der sie so siegessicher ausgezogen: — wer weiß — ich sage nicht mehr — wer weiß, ob sie nicht dort erst ganz das ungeahnte Verhängnis umgarnt. Nein! — Schweiget noch — hört mich zu Ende —! Bevor ich nun das Heerding löse und euch entsende, alle Waffen aufs beste zu rüsten, die Spitzen und Schneiden frisch zu schleifen, und reichlich — aber nicht allzureichlich! — zu schmausen und zu trinken, dann aber bald, — hört ihr? — bald den Schlaf zu suchen — denn morgen Nacht werdet ihr nicht schlafen! — vernehmt noch eins! Noch einen Beschluß müßt ihr fassen vor dieser Schlacht! — Gedenket, ihr Männer, wie von Geschlecht zu Geschlecht diese Römer an unserem Volke gefrevelt!

Wie sie wieder und wieder Treu‘ und Verträge gebrochen! Wie sie uns nicht gönnen das arme Land, das wir dem Sumpf, dem Urwald abgerungen! Wie sie, gegen die Verträge, ihre Zwingburgen immer wieder in unsere Marken vorgeschoben! Wie sie Tausende von unsern Ahnen nackt, waffenlos, kämpfen ließen mit wilden Tieren im blutgeröteten Sand ihrer Festspiele dort in der Tiberstadt, sich weidend, hoch auf sicheren Gerüsten, an den Todesqualen der Unsrigen unter den Tatzen, in den Zähnen brüllender Untiere! Wie sie zu Tausenden mit Gewalt unsere Jünglinge in ihre Kohorten steckten und verbluten ließen, oft jenseit des salzigen Meersees! Ha, wißt ihr‘s noch, ihr Alamannen des Schwarzwaldes, wie sie euren König Widigab zum Gastmahl luden des Kaisers und ihn beim Becher meuchlings erstachen? Habt ihr‘s vergessen, ihr Alamannen des Ebergaues, die ihr euch untergeben hattet unter dem Beding, nach eurem eignen Recht zu leben, wie sie um geringster Ursach‘ willen eure freien Männer geißeln ließen durch ihre Liktoren? Gedenkt ihr‘s noch, ihr Alamannen vom Brisagau, wie sie friedlichen Durchzug von euch verlangt hatten und wie sie dann, nahe dem heiligen Hain der Göttin Ostara gelagert, Erlaubnis erbaten, den achtzigjährigen Priester und seine Urenkelin, die sechzehnjährige Maid, im Haine aufzusuchen: — ein Feldherr und einer ihrer verschorenen Priester war‘s und hundert Krieger, — wie sie erkundeten, was wohl euer größtes Heiligtum sei? Und wie die Jungfrau arglos die heilige Erzschale darwies, welche die holde Göttin dereinst euch auf dem Regenbogen niedergelassen, — wie sie plötzlich beide ergriffen, wie vor den Augen des waffenlosen Volkes der Christenpriester die heilige Schale ekel besudelte, — wie der Feldherr den greisen Priester erschlug und die junge Priesterin fortschleppte, zu Gewalt und Schmach, — und wie die Krieger Feuer warfen in den heiligen Hain? Wißt ihr‘s noch, ihr Leute vom Alpgau, wie mitten im Frieden ein Centurio eures Gaugrafen junges Weib verunehrt hat an ihrem eigenen Herde, daß sie selbst sich erhing an ihrem Gürtel, über ihrem Ehebett? Habt ihr vergessen, wie oft sie unsere Mädchen, ja und auch die Knaben! — wie Herdentiere aneinandergekoppelt an ihrem langen Wirbelhaar, fortgetrieben zum Dienst ihrer scheußlichen Laster, vor denen die reinen Götter von Asgardh schamrot und zornrot wenden die Stirnen? Ihr habt es nicht vergessen! Ich hör‘ es! Ich seh‘ es! Wohlan: so thut wie ich rate: keine Gefangenen! Tötet sie alle! — Nicht Einen verschont: — verschmäht jedes Lösegeld. — Das ganze Heer: Führer, Krieger und Troß, sei Wodan und Ziu geweiht. — Ihr wollt — ich sehe es! So sprecht mir nach und schwört:

 
»Dir, Wodan, geweiht
Und dem zornigen Ziu
Sei was da lebt in dem Lager
Und auf schaukelnden Schiffen:
Bald badet in Blut ihr,
Gewaltige Götter,
Vom Knöchel zum Knie!«
 

Und in wilder Bewegung die Waffen schwingend, wiederholten die Tausende den furchtbaren Eidspruch:

 
»Dir, Wodan, geweiht
Und dem zorngen Ziu
Sei was da lebt im Lager
Und auf schaukelnden Schiffen:
Bald badet in Blut ihr,
Gewaltige Götter,
Vom Knöchel zum Knie!«
 

»Gleich entschar‘ ich das Heer — nur noch Eines vernehmt: — eures Herzogs Gelöbnis. Gefangen haben die vielen tausend Gepanzerten, die in die friedlichen Gaue brachen, ein einzig Geschöpf: ein wehrloses Weib, ein munteres Mägdlein. Viele, so mein‘ ich, kennen sie ...« — »Bissula! Die Kleine! Die Holde! Die Rotelbin, Suoberts Kind!« So riefen viele Stimmen. »Ja Bissula, Suoberts Tochter. Wohlan: — wer sie befreit, — wer sie nach der Schlacht aus dem Römerlager mir zuführt, — dem geb‘ ich den ganzen Herzogsteil an der Lagerbeute.« Da traf ihn ein dankbarer, aber trauriger Blick Adalos: der wagte nicht mehr zu hoffen. —

»Gelöst ist der Ring, zu Ende das Heerding,« fuhr der Alte fort, stürzte die aufrecht gegen den Stamm gelehnte Steinplatte um und stieg von den Stufen herab. Sofort strömten, unter Heilrufen für den Herzog, die Scharen nach allen Seiten auseinander, den Berghang hinab, jetzt gegliedert und verteilt nach den Heerzeichen, die den Geschlechtern und Gauen vorangetragen wurden.

Auch Adalo wollte gehen: aber der Herzog winkte ihm, zu bleiben, nahm ihm das Feldzeichen mit dem Hirsch aus der Hand, und übergab es Sippilo, der es mit großem Stolz den Berg hinabtrug.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
290 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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