Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Bissula», sayfa 13

Yazı tipi:

Vierundzwanzigstes Kapitel.

»Bleibe,« sprach der Alte, als auch die Fronboten als die letzten die Dingstätte verlassen hatten, »du mußt wissen, wie, nach meinen Gedanken, nach meinem Willen diese Schlacht verlaufen soll. Denn, ruft der Hohe mich hinauf, bevor der Sieg errungen, mußt du ihn vollenden. Und deshalb mußt du nun alles erfahren, — viel mehr als die Heerleute! — was ich seit Wochen vorbereitet, wann ich in schlummerlosen Nachten sann, und was ich geheim ins Werk gesetzt in diesen Tagen. Komm — setze dich zu mir —: auf dem Stein hier breiten wir aus das Bild des Römerlagers, das wir deinem mutigen Brüderlein verdanken. — Viel, viel hat mir‘s genützt. — Schon gestern sagte ich dir, wie verteilt die Gaue und Geschlechter die vier Seiten und Thore des Lagers zugleich angreifen.« — »Ja: aber wo du mit deinem Haufen angreifst, verschwiegst du: — und — wo ich kämpfen soll.« — »Ich? Ich nehme den kürzesten Weg: den von unten.« — »Nein! Nein! Laß den mir! Er ist der — gefährlichste.« »Ja, ja,« lachte der Alte vor sich hin. »Und du ahnst noch gar nicht, wie gefährlich er ist. Wisse denn: der Aufstieg kann nicht, wie wir gehofft, zu allererst und unvermerkt, überraschend geschehen, sondern erst, nachdem der Feind, durch den Angriff auf den Nordwall aufgeschreckt, in vollen Waffen bereit steht.« — »Dann ist‘s unmöglich! Aber warum?« — »Weil, wie ich erst vorgestern Nacht erkundet, die Walen bei dem Ausschaufeln des Nordgrabens den äußersten, nördlichsten Teil des Erdgangs zugeschüttet haben. Oder er ist, wohl vermöge der Erschütterung, eingestürzt. Als ich in den Gang aus dem Walde vor dem Lager eindrang —« — »Wie? Du selbst?« — »Ja, ich selbst: — vorgestern Nacht — kam ich nur wenige Schritte weit: ich stieß auf lauter von oben hereingefallene Erde. Ich mußte zurück. Aber ich schlich mich nun, ober der Erde, so nah an den Graben, daß ich von einem Baum aus hineinschauen konnte: der ganze Graben — er ist jetzt wieder trocken — war von ihren Wachtfeuern hell erleuchtet. Da sah ich: die Erdgöttin unseres Landes hat die Augen der Fremdlinge getäuscht! Sie haben den großen Felsstein, der die Fortsetzung des Ganges aus dem Graben in ihr Lager hinein sperrt, nicht verdächtig gefunden und nicht hinweggewälzt. Er wird freilich in Jahrzehnten nicht von der Stelle gerückt: — denn immer nur zwei Männer aus der Hirschhornsippe kennen ja das von Geschlecht zu Geschlecht vererbte Geheimnis: und nur selten einmal erheischt das Bedürfnis, es zu verwerten. — So haben sie den Fels nicht als von Menschenhand dahin gewälzt erkannt und gerade auf der Rasendecke desselben eines ihrer Banner aufgepflanzt. Gar nichts ahnen sie von dem Gang! Denn sieh: — das Lagerbild zeigt es: — hart neben der Nerthustanne, über den Altarsteinen der Idisin, haben sie ein Zelt, leer, nur mit Vorräten und Waffen gefüllt, errichtet: — du siehst, hier!« — »Ja, wahrlich! Gerade über der Mündung ist das Zelt gespannt. Aber da draußen — im Nordgraben — sind zahlreiche Wachen angegeben: — thrakische Speerträger wechselnd mit Batavern! »Ja, das eben ist‘s. — Die müssen erst vertrieben sein mit Gewalt, bevor ich den Fels hinwegwälzen und empordringen kann.« — »Das wird Blut kosten! Und lange währen! Die Thraker und noch mehr die Bataver sind ihre allerbesten Scharen. Schlimm, wenn gerade die Bataver die Reihe trifft! — Sie stehen uns nicht nach an Heldenschaft!« — »Gleichviel. Sie müssen fallen, bevor der alte Dachs in den alten Bau fahren kann.« — »Und dann erst, — nachdem der Kampf alle Feinde in die Waffen gerufen — dann willst du ... — ? Laß mich an deiner Statt!« — »Gehorche! — Du wirst genug Arbeit finden am Südthor, am Seethor! — Haben wir das Lager erstürmt, wird sich die ganze Flut der noch Lebenden nach den Schiffen durchs Südthor ergießen. Sie dürfen nicht in geschlossener Ordnung an den See gelangen, den dort tobenden Kampf am Ende gegen uns wenden. Du wirfst dich am Südthor den Ausbrechenden entgegen und treibst sie ins brennende Lager zurück oder sprengst sie doch ganz auseinander: — hörst du? Nicht als Verstärker des Widerstands der Schiffe, — als Vermehrer des Entsetzens nur dürfen sie aus dem Lager ankommen am See. Das ist deine Aufgabe: — Saturninus, bleibt er am Leben, wird sie dir schwer genug machen.« — »Also am Südthor!« — »Ja: — und dorthin hab‘ ich bestellt, falls sie irgend es zu erreichen vermag: — Bissula!« — »Dank!« »Danke mir nicht! Denn dir verbiet‘ ich, für das Mädchen zu kämpfen: — du kämpfest mir nur für den Sieg. Aber sorge nicht: Wenn sie noch lebt, wird sie gerettet. Zercho und Sippilo hab‘ ich von jeder andern Kampfespflicht gelöst und ihnen nur das eine aufgegeben: die Kleine zu finden und zu bergen. Dich aber — brauch‘ ich zu höherem Werk. Nur einen scheu‘ ich,« sprach er leiser, »in dem ganzen Heer: — Saturninus! Das ist so einer, wie ihre alten Führer waren, aus der Zeit ihrer besseren Kraft: — aus jenen Tagen, von denen Großvater und Vater mir mit Grauen erzählt, da es fast nicht möglich war für allerhöchstes Heldentum, ein Römerheer zu schlagen! Wer weiß, ob Ebarbold ihn fällt! Den König müssen wir zuerst an ihn lassen — er hat die Vorhand: — aber, falls von den beiden der Römer übrig bleibt und ich ihn nicht vor dir erreiche und töte nach des Königs Fall — ich werde mir alle Mühe geben! — sorgst du mir, Adalgers Sohn, daß Saturninus nicht sein Heer geschlossen hinunterführt an den See: halt‘ ihn auf, solang du stehen kannst in deinen Schuhen.« — »Solang ich kann! — Aber ich staunte, wie du dem Fischer die Aufgabe stelltest. — Kommen auch die Römerschiffe herüber: — wie kannst du wissen, ob er sie vom Land her — sie ankern ja, sie ziehen sie nicht ans Ufer — erreichen mag? Wie soll Fiskulf vom gestürmten Römerlager her —?« »Der stürmt nicht mit,« lachte der Alte fröhlich in seinen Bart, den er vergnüglich strich. »Kommt auch nicht vom Lande her an das Feldherrnschiff: — er kommt seewärts!« — »Schwimmend?« — »Nein, fahrend! Wisse, was noch keiner weiß: denn geschwätzig ist die Menge. — Außer den fernsten Alamannengauen hab‘ ich geheim die Hermunduren gewonnen, die das Wasser des Mains trinken, uns Zuzug zu leisten für diesen Krieg. — Du wähntest, die Kähne in den beiden Schilfwäldern im Osten und im Westen vom Idisenhang seien jetzt nur von Wehrunfähigen gefüllt, nachdem ich die Männer meist hierher gezogen? Nein, Freund! Die Kähne, — fast dreihundert, — in den beiden Schilfwäldern, sie sind nicht leer an Männern! Die Weiber und Kinder wurden heut‘ Nacht ans Ufer gebracht: über zweitausend Alamannen und Hermunduren springen hinein! — Von links und von rechts, von Aufgang und von Niedergang zugleich schweben sie in der Stille, in dem Dunkel der Nacht gegen die hochgeschnäbelten Schiffe: und sobald die erste Fackel auf dem Idisenhang hochgeschwungen ins Römerlager fliegt, — fallen unsere Kähne vom offenen See und von links und rechts die Römerschiffe an. Ha, du meinst, wie Nußschalen sind unsere Einbäume gegen jene Riesen? Wohl: aber hast du nie gesehen, daß viele kleine mutige Schwalben den Sperber in die Flucht schlagen? Wohl sind sie winzig, unsere Schelche: — aber zweihundert und mehr gegen sechzig! Und lustig sollen Harz und Pech der Seewaldstannen brennen, entflammt in tausend dürren Reisigbündeln, in Segellinnen und Takelwerk der Trieren.«

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

»Das hast du — alles — allein — ersonnen?« fragte der Jüngling. »Ha, mehr, Weitergreifendes als das! — Gleich dem Höllenwolf sperrt dieses Rom den Rachen auf, ganz Mittelgardh zu verschlingen! Wie? Sie wollen uns nicht einmal am Nordufer des Sees so viel Land gönnen, als unser wachsend Volk braucht, darauf zu leben? Wohl: laß doch sehen, ob den Unersättlichen zur Strafe für neue und alte Frevel die Götter nicht auch das Gebiet nehmen, das die Gewaltthätigen bisher noch behauptet hatten: — das Südufer!« Adalos Staunen wuchs. »Von jenem Arbor schwimmen morgen ihre stolzen Riesenschiffe gegen uns: die von ihnen, die dem Nachtbrand entrinnen, nicht soll sie, hoff‘ ich, flüchten sie heimwärts, der Horst wieder aufnehmen, von dem dies Raubgevögel ausflog.« — »Wie! Arbor?« »Lange beredet habe ich gemeinsame That auch mit unsern äußersten Ostgauen: sie weigerten nicht die Bundeshilfe, wie die Menge hier wähnt, weil sie die Scharen der Ostgauen nicht hier gesehen hat. Ohnehin,« lachte er listig, »haben die Ostleute meist Könige. — Es war nicht notwendig, alle diese Gaukönige hier zu haben, wo Ebarbolds Schicksal sich entscheiden mußte. Hei, die anderen Könige helfen einstweilen, da, wo ich sie hinschickte: auf dem Südufer! — Aber nicht sie allein! Es galt, auch die noch von Rom geknechteten Brüder unseres Stammes zu befreien. Seit lange tragen mit Knirschen die Alamannen und die anderen Siedler, — mehr Unfreie als Halbfreie! — die da drüben von den Zwingburgen niedergehalten werden, von der Linden-Insel, hinter Brigantium herum, bis über Arbor und Constantia hinaus, das jährlich schwerer lastende Joch! Längst waren sie bereit, loszuschlagen, wenn nur nicht die Seeburgen allzustark besetzt schienen: — diese Festen fürchten sie aus alter Erfahrung — und wenn ihnen von uns Hilfe kam. Wohl: am wenigsten jetzt, da der Kaiser so nahe, da ein römisch Heer drohend auf dem Nordufer steht, am wenigsten jetzt fürchten die Zwingherren einen Angriff auf ihre Festen am Südufer. Morgen werden auf den Schiffen fast alle Krieger, die sonst Arbor schützen, mit herüberfahren, an dem lustigen Beutezug teilzunehmen: nur spärliche Wachen lassen sie zurück. Aber sobald das Lager auf dem Idisenhang in Flammen steht, — ein prachtvoll Feuerzeichen, das Ziu selbst entzündet! — fallen die empörten Colonen über Arbor von der Landseite her. Tausend freie Alamannen der Ostgaue helfen dazu: — sie sind weit, weit hinter Brigantium, durch die Bergpässe geschlüpft, in kleinen Haufen, und in den Wäldern und Gehöften der Colonen versteckt seit zwei Tagen. — Zugleich sprengen unsere Leute aus den Ostsümpfen — Suomar führt sie — auf dreißig Kähnen im Dunkel der Nacht, — sieh: deshalb konnte ich die Mondgöttin nicht am Himmel brauchen! — bis vor Arbor geschwommen, die Ketten des Hafens: und wenn nicht der Christengott aus den Wolken greift, die Zwingburg zu retten, findet die Morgensonne die freien und die befreiten Alamannen auf den Wällen von Arbor! — Schon mehrmals haben wir‘s gewonnen, geplündert, halb verbrannt und — geräumt, so daß gar bald die Römer sich wieder hineinsetzen mochten: so thöricht sind wir nicht mehr! Gewinnen wir‘s diesmal, — so bleiben wir drin für immerdar! Dann ist ein Glied aus der ehernen Kette gesprengt, — und von da aus werden wir dann allmählich leichter auch die anderen Festen zur Linken und zur Rechten, von Brigantium bis Constantia, zwingen. Ich werde den Tag nicht mehr sehen, aber du, Jüngling, da das Südufer des Sees und das Land bis tief, tief hinein in die hohen Berge mit dem ewigen Schnee auf den Häuptern frei alamannisch Eigen ist: dann denk‘ an diese Stunde und an Hariowald, den Alten.«

Mächtig erregt sprang der Greis auf: — sein weißes Haar, sein wallender Silberbart flogen prächtig im Winde. »Mein Herzog,« — rief der Jüngling begeistert, — »das ist gewaltig! — Sprich, wenn wir morgen diesen großen Sieg nach deinen Gedanken gewonnen, — willst du dann nicht statt Graf König heißen unseres Linzgaus und des Ebergaus, wenn dessen König fällt?« »Nein,« antwortete der Alte ruhig, »es wäre nicht weise! Ich hab‘ es längst erwogen. Ein anderes, wähn‘ ich, ist Wodans Wille mit unserem Volk! — Ebarbold hat keine Gesippen: nach seinem Tod werden sie, schlage ich aus, — gar keinen König mehr küren. Und das ist gut. Denn nahe ist die Zeit herangerückt, — obzwar noch nicht ganz gekommen, — da ein Volkskönig, ein Einziger, alle Gaue der Alamannen unter sich versammelt: der Weg wird freier, leichter für diesen Allkönig zurückzulegen, je weniger Gau könige, je mehr bloße Grafen über den Gauen stehen. Wir beide, wir wollen dem künftigen Volkskönig die Bahn ebnen, nicht sperren. Nein, nein! Und die Leute im Ebergau sollen auch nicht sprechen: ›Ebarbold mußte fallen, weil Hariowald König heißen wollte.‹ Jener Volkskönig kommt! Dann wird freilich das Volk kaum mehr wissen von mir und von dir! Nur ein Sänger etwa wird zuweilen Harfen in des Ein-Königs Halle von Hariowald dem Alten, und von Adalo dem Jungen, wie sie in einer Nacht dreimal zugleich die Walen schlugen! — Wir aber, Adalo, wir beide, schauen dann aufs freie Land der Alamannen nieder, das von den Alpen reicht bis übern Wasgenwald! Von Wodans Tischbank schauen wir herab.

Und wohl erwart‘ ich‘s, trete ich dereinst über Walhalls Schwelle, daß der Hohe aufsteht von seinem Hochsitz und mir entgegenschreitet, das Trinkhorn in der Hand. Denn viele Männer wahrlich, — weit mehrere durch meinen stets Krieg schürenden Rat als durch meinen Speer, — hab‘ ich ihm in fünfzig Jahren hinaufgesandt durch den Bluttod, zu füllen seinen Saal, zu mehren sein Heer. Ja, mein Adalo, wir schauen dann hinunter auf unseres Volkes Herrlichkeit und lachen einander zu: ›wir zwei haben auch daran mit gebaut in jener Nacht auf dem Idisenhang.‹

So — Adalo — so lob‘ ich dich: deine Wange glüht: — dein Auge blitzt! Das ist der rechte, das ist Wodans Geist, der nun über dich kommt. Und der allein, dieser Kampfmut, schafft dir auch deines Herzens heißesten Wunsch: — nicht die dumpfe Verzweiflung der letzten Tage, in der du, Unseliger! — jenen geheimen Antrag an die beiden Feldherrn geschickt! — Still! — Freilich wußte ich‘s! — Es war nicht schwer, zu raten, was in dem Briefe stand, was du botest, nachdem sie bereits alles, was du sonst zu geben hast, verschmäht hatten. Ich wußte aber auch ganz gewiß, daß sie dich abweisen! — Darum allein ließ ich deinen Boten, — du wähntest unentdeckt! — durch die Verhacke. Gern säh‘ auch ich sie frei, das wilde, rote Waldröslein vom Seebühl, in unseres Volkes Eichkranz die rote Blume: — aber deine Bissula steckt — mit dem Sieg! — im Römerlager dort: — Willst du sie haben, haue sie dir heraus, zugleich mit dem Sieg und deines Volkes Heil! Nein, danke mir nicht! — Rede nicht! — Gehe nun! — Ich muß jetzt einsam sein!«

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Im Römerlager waren unterdessen sehr ernste Dinge geschehen. Die freundschaftliche Stimmung zwischen den beiden römischen Führern war in Spannung, die Unbefangenheit Bissulas gegenüber dem einen und dem andern war in Furcht und Mißtrauen umgeschlagen. Die beiden Freunde, einst so nah verbunden, mieden einander und beschränkten Verkehr und Gespräch auf das vom Dienst unerläßlich Geforderte. Dabei bemerkte die nun argwöhnisch beobachtende Gefangene an Ausonius grollende Bitterkeit, sonst seiner Gutmütigkeit sehr fremd, gegenüber dem Tribun.

Dieser dagegen zürnte offenbar nicht: auch bei kühler Zurückhaltung schien er den älteren Freund zu schonen, ja mit einer Art von Mitleid zu behandeln.

Die Kleine selbst aber war recht übel daran. Ihre Harmlosigkeit war zerstört. — Sie wußte nicht, wen sie ängstlicher scheuen sollte von den beiden Männern, deren Freundschaft, wenn nicht durch sie, doch um ihretwillen zerrissen schien.

Schon diese Empfindung schmerzte die Gutherzige. Dazu trat aber beängstigend die schwere Sorge um die Zukunft, die Furcht vor dem Ungewissen, der Trotz — der recht ohnmächtige und seiner Ohnmacht bewußte — gegen den Zwang, den fremde Beschlüsse der so stolz Eigenwilligen jetzt schon aufnötigten, noch empfindlicher drohten für die allernächste Zeit.

Denn mochten die beiden Römer in allem andern, was die Gefangene anging, verschieden denken: — darin schienen sie einig: Bissula sollte nicht wieder frei werden, nie wieder in die Waldhütte am See zurückkehren, in die traute Nachbarschaft. — Bei diesem Gedanken traten Thränen in die einst so mutwilligen oder stolzen Augen. Wie schmerzlich gestand sie sich‘s, daß ihre Thorheit, ihr Trotz ganz allein all‘ dies Unheil über sie heraufgeführt hatten! — Wie gut, wie klug, wie treu hatte es Adalo gemeint! Und diese Thränen, heiße, bittere Thränen der Reue, ja der Sehnsucht, — sie thaten ihr doch so wohl! Und auch jetzt, in ihrer selbstverschuldeten Not, hatte er sie nicht aufgegeben! Der erste Gruß, der von ihrem Volke zu ihr gedrungen, er war von ihm gekommen: den jungen Bruder, den er so warm liebte — und deshalb hatte ja auch sie den Knaben so gern! —, hatte er zu ihr gesendet und ihr seine Bruna geschickt, ihr altes Gespiel! —

Wohl hatte sie sich vor den Soldaten schlau verstellt und sich laut gewundert über des Tieres »Zuthunlichkeit«. Aber sobald sie im Zelt mit der Treuen allein war, hatte sie den mächtigen Kopf zärtlich in die beiden weißen Arme geschlossen, der freudig Brummenden die breite Stirn geküßt und den Nacken geklopft. Da griff sie das Halsband, — strich drüber hin, fühlte eine Vertiefung, zog sie aus dem krausen Fell ans Licht der römischen Ampel, erkannte Runen und las: »durchs Seethor«.

Hoch und heiß klopfte ihr Herz! Also hatten die Freunde ihre Flucht bereits beraten! Sie gaben ihr die sicherste Richtung an, die Seite des Lagers, wo die Genossen sie erwarteten! Aber unmöglich konnte die Meinung sein, sie solle jetzt, ohne weiteres, durch das »Seethor«, das heißt: durch die Tag und Nacht scharf bewachte »Porta decumana«, zu dringen versuchen. Nicht jetzt! — Aber wann? Offenbar, sobald irgend etwas geschähe, das die Flucht überhaupt ermögliche: — alsdann sollte sie jene Richtung vorziehen. Aber was sollte geschehen? Ein Angriff der Alamannen? Ausonius lachte darüber. Und Saturninus sogar, der Vorsichtige, hatte gemeint: »Wenn sie nicht herein fliegen, wie die Schwalben, die sich jetzt zur Reise rüsten, kommen sie nicht in dies feste Lager.«

So zerarbeitete sie ihr Köpfchen, über alle Möglichkeiten grübelnd, die ihr die Freiheit verschaffen könnten — gegen oder mit Willen der Römer. Sollte sie nochmal Ausonius bitten? Nein! Eine seltsame Scheu hielt sie seit der letzten Unterredung von ihm zurück.

Nie hatte sie den wohlredenden, klugen Mann anders als wie die Tochter den Vater verehrt: — aber neulich, bei dem Vorschlag, sie mitzunehmen, hatten seine Augen so seltsam auf ihr geruht: — so — wie noch nie zuvor. So, — ähnlich wenigstens! — wie Saturninus sie damals angeblickt hatte, als er sie vor der Waldhütte griff, — seither aber nie wieder, auch nicht, als er ihr verkündete, sie gehöre ihm und er gebe sie nicht frei. Und so kam es, daß die feinfühlige Kleine, verschüchtert durch die plötzlich entdeckte Wärme des älteren Mannes, sich sicherer, unbefangener bewegte in der Nähe des jüngeren, aber streng zurückhaltenden.

Sie mied Ausonius: sie suchte fast Saturninus, dem sie schon gleich seit Anfang und dann im ganzen Verlauf ihrer Gefangenschaft als wachsamen Beschützer zu danken gelernt hatte. Oft und oft wandelte sie nun, seit sie Brunas Runenbotschaft gelesen, gegen das »Seethor« hin — ohne Hoffnung, es je unbesetzt oder nachlässig behütet zu finden — dazu hielt der Tribun zu scharfe Zucht, zu scharfe Aufsicht! — nur um sich die Örtlichkeit, die Gassen, die Zelte genau einzuprägen, die in der Nachbarschaft des Thores einen Versteck gewähren möchten, in nächster Nähe einen günstigeren Augenblick abzuwarten. Sie hatte für diesen Zweck bald ins Auge gefaßt einen hochragenden Haufen von aufeinander getürmten Balken, Schanzkörben und Brettern, die bei der Errichtung des Lagers nicht verwendet und hier, links vom Thor, aufgeschichtet worden waren: er überragte hoch ihre Gestalt, hinter ihm war sie vom Thore und von der auf das Thor führenden Zeltgasse her nicht wahrnehmbar. Aber verweilen wollte sie nie länger hier, um nicht Verdacht zu wecken. Auch suchte sie viel lieber die entgegengesetzte, die Nordseite des Lagers auf, dort, wo die hohe Tanne der Erdgöttin neben den breiten Opfersteinen des Altars hochwipfelig und breitästig emporstieg, und wo von der Wallhöhe der Blick frei über die Wälder hin schweifte nach den fernen Höhenzügen, wo sie, hinter Nebelgewölk verschleiert, den Weihberg ragen wußte. Immer dorthin, nicht in die Ostsümpfe, nicht zu Suomar flogen ihr die Gedanken. — Um die Großmutter bangte sie manchmal: — aber Zercho hatte sie gewiß geborgen, — und zwar, nach deren Wunsch, nun, nachdem »der rote Trotzkopf« nicht mehr »nein« sagen konnte, wohl auf dem Weihberg. »Deshalb,« das schützte sie gern sich selber vor, »deshalb muß ich immer an den Weihberg denken! Ach nein! Es ist ja doch nicht wahr! Es ist nicht um der Großmutter willen! Adalo, Adalo hilf!« So hatte sie gerufen am Abend nach der Verweigerung ihrer Freilassung, hoch aus dem Geäst der Tanne, welche sie gern heimlich erkletterte, ganz einsam und ungestört zu träumen: und dabei hatte sie die beiden schönen Arme recht sehnsüchtig geöffnet und sie stehend ausgestreckt über den Lagerwall hinweg nach Nordwesten, nach den Bergen hin, von wo ein spätes Gewitter wetterleuchtete.

Auch an dem Abend, der auf die Musterung gefolgt war, — es war der Tag des Heerdings auf dem Weihberg — wandelte sie durch die Gassen des Lagers, sinnend, träumend von ihrer Befreiung: — ach, von ihrem Befreier! — Bruna, die Getreue, hatte sie an den Pfosten ihres Zeltes festgebunden. Denn wiederholt hatte es schlimme Händel gegeben, wenn sie das gute Tier mitnahm durch die Lagergassen: die bösen Troßbuben warfen es — aus sichern Verstecken — mit Steinen, daß es schwer gereizt ward. Und zumal auf des Ausonius Neffen hatte es so wütenden Haß geworfen, daß es sich drohend, brüllend, auf den Hinterbeinen erhob, wann es seiner ansichtig ward, obwohl er es ängstlich mied und niemals neckte. Nur mit äußerster Mühe, indem sie selbst das aufgerichtete Tier umklafterte, hatte sie einmal verhütet, daß es ihn zerriß. »Deine Bärin versteht Latein,« hatte da Saturninus gelächelt, der ihr zu Hilfe sprang. »Sie hat es verstanden, als Herculanus neulich schwor, sie solle ihm dereinst zu Rom im Amphitheater unter den Bissen seiner thessalischen Hunde büßen, was sie hier Übles gegen ihn im Schilde führe.« »Bruna in Rom?« hatte sie trotzig gerufen. »So wenig — wie Bissula in Burdigala!« Aber sie hatte fast geweint dabei vor Zorn und Haß — und Furcht.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
290 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre