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Kitabı oku: «Bissula», sayfa 16

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Drittes Kapitel

So waren die Stunden des Tages verstrichen.

Die Sonne war prachtvoll in den See gesunken: rasch stieg die Dunkelheit: der Mond stand nicht am Himmel. Frühzeitig hatte der Comes von Britannien die Abendtafel des Ausonius verlassen. Fruchtlos wollte dieser wirtliche Wirt ihm noch einen Rundtrunk aufnötigen. »Nach dem Sieg, Ausonius, so viele Becher du willst. Aber ein Seemann muß nüchtern sein. Auch gehört er aufs Wasser, nicht auf Waldhügel. Ich fühle mich hier, fern von meinen Segeln, wie ein Wal, der nicht mehr mit der Ebbe zurück kam und nun schnappend auf dem Lande liegt. Das einzig richtige Wasser ist freilich Salzwasser —« »Weil man‘s nicht trinken kann,« meinte Ausonius und füllte ihm die Schale nochmal. »Aber in Ermangelung des Meeres ist doch auch dieser langgestreckte See nicht übel. — Grüße mir Herculanus, deinen Neffen: vielleicht ist bis morgen seine Krankheit gebessert, so daß ich ihn in seinem Zelt aufsuchen kann. Und morgen, Saturninus, mit dem frühsten, durchsuch‘ ich dir die beiden Schilfseen. Wenn nicht Alamannen, wird‘s dort allerlei seltenes Wassergevögel zu jagen geben.« — Er ging mit seinen Anführern, sie stiegen zu Pferd und ritten, von Fackelträgern zu Fuß geführt, den Berg hinab in ihr Schiffslager. Denn etwa die Hälfte der Angekommenen schlief auf dem Ufer unter mitgeführten Zelten, die andere Hälfte auf den Schiffen.

Nannienus fragte, sowie er an Bord stieg, die Wache am Steuer, einen verlässigen bretonischen Landsmann, ob nichts zu melden sei. »Von hier nichts, Herr! Nur hinter Arbor brennt es, so scheint‘s, auf dem Mercuriusberg: oder sie feiern eines ihrer Opferfeste. Sieh hin!« — »Ja, das ist in einem der Gehöfte der alamannischen Colonen. Horch! — was war das?« — »Wilde Schwäne, Herr! Sie müssen zu Hunderten in den beiden Schilfwäldern nisten. Sie rufen und antworten sich sehr oft.« — »Dann sind gewiß keine Menschen drin versteckt, — dies edle Tier ist überaus scheu und klug. — Wer kommt da, dich abzulösen?« — »Ich bin‘s, Albinus, der Veteran aus Arbor.« — »Gut: du wachst die erste und die zweite Stunde nach Mitternacht. Wecke mich vor Tagesgrauen.«

Mitternacht hatten die Lagerrufer ausgerufen oben auf dem Idisenhang und unten bei den Schiffszelten, ohne daß die in tiefster Ruhe liegenden Schläfer irgend gestört worden wären.

Nur an dem Nordthor bellten seit lange heftig die in einem leeren Zelt hier angebundenen edeln Hunde des Tribuns, die dieser, ein eifriger Weidmann, von Vindonissa mitgefühlt hatte: eine kostbare Koppel edelster britannischer Zucht, die geschult in der Arena zu Rom den wilden Auerstier zu stellen, nun in den Urwäldern gleiche Kunst und mutvolle Kraft bewähren sollten. Sie waren nicht zu beruhigen, ob der Wärter sie schlug oder streichelte. Laut drang ihr scharfes, zorniges Gebell aus dem nahe gelegenen Nordthor in den Graben vor diesem, in welchem die ganze Kohorte der Bataver die Wache bezogen hatte. Hell stiegen die Flammen und dicht die Rauchsäulen ihrer Wachtfeuer aus dem nun wieder trocknen Graben empor.

Jenseit des Grabens, nördlich gegen den Wald zu, etwa hundert Schritt vom Graben und Wall entfernt, stand Rignomer mit Brinno und noch zwei Stammgenossen auf Vorposten. »Hört ihr die Hunde?« fragte Rignomer. »Bin nicht taub!« brummte Brinno. »In einem fort, das bedeutet was!« fuhr jener geheimnisvoll fort. »Freilich. Hunger werden sie haben. Oder sie haben die Bärin der Kleinen gestellt.« — »Was Bärin! Die schläft da, wo — andre gern schlafen möchten! Nein, nein! Hunde — weißt du‘s nicht? — sind geistersichtig und götterhörig. — Es ist etwas nicht geheuer. Zwischen Mitternacht und Tagesgrauen reitet der Nachtjäger über die Waldwipfel. Vorhin war mir, ich hörte da ober mir, über dem seinen Hügel, ein Roß wiehern — durch die Lüfte hin!« — »Ach was! Ich habe noch kein Pferd fliegen sehen.« — »Aber Er stiegt mit dem achtfüßigen Grauschimmel durch die Wolken und über die windwogenden Wälder, wann er die Holzweiblein jagt. Horch, was war das? — Zur Rechten!« — »Ein Eulenschrei! Ganz nah!« — »Und da, — einer zur Linken.« »Hört,« rief da der Dritte, »klang da, gerade vor uns, nicht Erz auf Erz — wie Waffenklirren?« »Nein,« meinte der Vierte, »aber leisen Hufschlag hör‘ ich! Horcht: — mehrere Hufe! — Jetzt wieder! — Schon näher! — Feinde!« »Ja — das sind Feinde!« — sprach nun auch Rignomer, ergriff das Horn und wollte es an den Mund führen: — aber er vermochte es nicht! — Entsetzen, lähmender Schreck, schüttelndes Grauen ergriff den tapfern Mann, sein Haar sträubte sich, Hand und Stimme versagten: — starr vor markdurchrieselnder Furcht blickte er vor sich in den Waldhügel vor und über ihm, der urplötzlich lebendig zu werden schien.

Hinter jedem Baum, aus jedem Busche sprang ein Krieger hervor: — aber nicht diese hundert Alamannen schreckten den kampferprobten Bataver: sondern ein anderer Anblick.

Von zwei glutroten Pechfackeln, die zwei Reiter zur Rechten und zur Linken in den Händen kreiselnd schwangen, bald in grellem Aufflackern, bald nur wieder halb beleuchtet, — sprengte auf grauweißem Roß eine gewaltige, übermenschlich hohe Gestalt von oben her auf ihn ein. —Weißes Haar und ein wogender Bart umflatterten ein grimmiges, aber majestätisches Antlitz, über dem ein nie gesehenes Vogeluntier, belebt, die weißen Schwingen drohend gegen den Söldner zu schlagen schien: — so sauste er heran — schweigend — weit vorgestreckt einen furchtbaren Speer, die Schultern wie von einer Wolke umflogen von dunklem, lang nachflutendem Mantel: jetzt, ganz nahe schon, stieß der Reiter den Schrei aus: »Wodan! Wodan hat euch alle!«

Da warf der Germane Schild und Speer von sich und mit dem Schreckensruf: »Wodan über uns! Wodan führt sie! Alles ist verloren!« rannte er, was er konnte, zurück gegen den Graben. Zwei seiner Wachgenossen folgten, besinnungslos, seinem Beispiel, und alle drei sprangen in den Graben mit dem lauten Geschrei! »Alles verloren! Wodan über uns! Flieht!« Rignomer galt als der Tapferste unter seinen Stammgenossen. — Daher riß auch jene Bataver, welche zu weit entfernt waren, seine Worte zu verstehen, schon sein Beispiel mit fort: sahen sie doch ihren Anführer waffenlos, haltlos, unter allen Zeichen höchsten Entsetzens, aus dem Graben gegen das Nordthor laufen, dies aufreißen und im Lager verschwinden. »Flieht! flieht! Alles verloren!« Das hatten die meisten verstanden: und mit den gleichen Rufen kletterten sie nun den Wall hinauf oder ergossen sich in das aufgerissene Thor.

Nur Brinno war nicht geflohen aus der Vorwache: er war bei Rignomers Geschrei, ebenfalls sehr erschreckt, hinter den nächsten Baum gesprungen; hier aber, scharf nach dem furchtbaren Reiter spähend, faßte er sich gleich wieder: »Unsinnige!« rief er seinen fliehenden Stammgenossen nach. »Sein Gaul hat ja nur vier, nicht acht Füße! Das ist er nicht!« Und beherzt trat er vor, mit gefälltem Speer. Aber im Augenblick war er niedergeworfen von des Herzogs Roß, und bald darauf setzten etwa dreißig Reiter in sausendem Sprung in den Graben, der nicht mehr verteidigt ward. Nach rechts und nach links jagten die Reiter den längs der Grabensohle Fliehenden nach: der Platz um das Thor herum war fast leer, sauber gefegt im Nu.

Der Herzog war gegen das Thor selbst angesprengt: aber wie er davor anlangte, flog es von innen zu, einzelne Flüchtige zurückschleudernd und aussperrend, die noch hatten eindringen wollen. Da sprang der Herzog ab: augenblicklich stand sein kluges Tier unbeweglich. Er winkte seinen Reitern und einer kleinen Schar, die inzwischen zu Fuß den Graben erreicht hatte, ihm rasch nach links vom Thor gegen eine mächtige Steinplatte hin zu folgen, während eine große Menge anderer Fußkämpfer nun den Graben ebenfalls erreichte und, auf mitgetragenen Leitern, die — merkwürdigerweise! — ganz genau gemessen so hoch waren, als der Wall von der Grabensohle aus, oder auch einer auf des andern Rücken steigend, den Wall zu erklettern trachteten oder das Thor mit Axtschlägen bearbeiteten.

Aber jetzt stießen sie hier auf mannhaften Widerstand. Von den Wällen herunter flogen Pfeile, Speere, Balken, Steine auf sie nieder: das Gefecht stand: es war nicht gelungen, in das von den Flüchtigen aufgerissene Thor mit einzudringen. Saturninus war es gewesen, der es mit eigener starker Hand zugeworfen und den mächtigen Eisenriegel vorgeschoben hatte: geweckt durch das wütende Gebell seiner Hunde, hatte er, die Wachsamkeit der Posten prüfend, einen nächtlichen Rundgang durch das Lager gemacht, und er leitete nun vom Wall herab hier die Verteidigung: mit eigener Hand stieß er die erste angesetzte Sturmleiter um. Jedoch gleichzeitig tobte nun bereits der Kampf auf den drei anderen Seiten des festen Lagers.

Viertes Kapitel

Auch Bissula, auf deren brennende Augen der Schlaf sich nicht gesenkt, hatte sehr bald erkannt, was vorging: sie hörte — mit seligem Grausen — den Schlachtruf der Alamannen, die freudigen Kriegshörner ihres Volkes. »Sie sind‘s! Sie kommen!« hatte sie laut gejauchzt. »Ihnen entgegen!« Damit war sie aus dem Zelt gesprungen, die treue Genossin am Halsband mitführend. Jede nächste, noch so gefährliche Gelegenheit wollte sie erhaschen, aus dem Gürtel des festgeschlossenen Lagers zu entweichen.

Aber das war viel schwerer als sie vermutete. Sie hatte schon die allergrößte Mühe, nur in die Nähe des ihr angewiesenen »Seethors« zu gelangen. Die streng regelmäßige, in rechtwinkligen Vierecken durchgeführte Anlage des Lagers erschwerte dies ungemein: denn in allen Gassen, auf allen Plätzen standen jene Truppen, die nicht auf den Wällen fochten, in Reserve, dicht geschlossen, Mann an Mann: gleichviel, ob ihr zugewendet oder abgekehrt, — diese Reihen ließen sich nicht durchbrechen. —

Ihre Freundin Bruna hemmte sie, statt sie zu fördern. Das Tier war durch den Lärm von ein paar tausend schreienden Menschen, das Klirren der Waffen, die vorübersprengenden Rosse, durch die von allen vier Seiten aufsteigende Brandlohe so wild erregt, daß das Mädchen schwere Mühe hatte, die Tochter des Alamannenwaldes abzuhalten, sich in den Kampf zu mischen und die Legionare zornig anzufallen.

So hatte sie sich lange Zeit nur wenig gegen das ersehnte Thor vordrängen können. Aber jetzt ergab sich plötzlich eine Lücke in der vor ihr stehenden Kriegerreihe.

Ein Zug Panzerreiter jagte die Lagergasse von Norden herunter gegen das Thor zu: die Illyrier vor ihr öffneten die Glieder, die Reiter durchzulassen: furchtlos packte Bissula den Schweif eines Rosses und ließ sich, ohne die Bärin loszulassen, fortschleifen: so gelangte sie glücklich bis auf die Via principalis, aber hier fühlte sie sich am Arme gefaßt: sie ließ das Pferd los, das nun heftig ausschlug: zornig blickte sie sich um: Prosper, der Alte, war es.

»Halt,« gebot er. »Bissula, du bleibst bei mir. Der Patron hat‘s befohlen: er schickt mich zu dir. Mitten im Getümmel hat er dein gedacht! Ich soll dich bewachen, bis der Angriff abgeschlagen.« »Laß mich,« rief sie zornig und wollte sich losreißen. »Nein, du sollst nicht. Ich hafte für dich. Du folgst mir.« Nun begannen sie, heftig zu ringen: aber der Mann war stärker als das Mädchen: sie wäre nicht losgekommen.

Da richtete sich Bruna, grimmig brüllend, auf die Hinterbeine und griff mit den Pranken nach dem Feind ihrer Herrin: mit einem Schreckensruf sprang der Freigelassene, loslassend, zurück und im nächsten Augenblick schlüpfte Bissula unter den Beinen der Pferde der Panzerreiter durch, welche, die Stirn gegen Süden, jetzt allein noch sie von dem Seethor schieden.

Sie flog durch die lange schmale Mittelgasse, die Via media, in deren Zelten der Troß untergebracht war. Da sah sie Herculanus und etwas weiter unten Davus, jeden in einem in die Erde gerammten Eichenblock, sitzen, die beiden Füße in Löcher gezwängt und mit starken Querketten an die Blöcke gefesselt. Sie lief erschrocken weiter. Erst jetzt sah sie sich um nach Bruna: — diese war ihr nicht gefolgt! Jenseit der Reiter hörte sie ihr dumpfes Gebrüll erschallen; zugleich sah sie ein Rudel ungeheurer Hunde unter wütendem Gebell gegen das grimme Tier anspringen: einen aus der Meute sah sie noch von der furchtbaren Pranke zur Seite geschleudert, daß er verendend aufschrie.

Aber sie konnte nicht mehr warten, — noch weniger umkehren! — Sie eilte weiter. Denn schon sah sie vor sich das ersehnte Ziel: das decumanische Thor! Oh, und schon donnerten unablässige Axthiebe von außen an die dröhnenden Eichenplanken und die ehernen Beschläge. Das waren die Ihrigen, die Retter, die Befreier! Aber das feste Thor hielt wacker aus: und von der Wallkrone hagelten die Geschosse nieder auf die ungedeckten Stürmer. Sie drängte sich so nah als sie konnte an das Thor. Nur eine Reihe Soldaten trennte sie von demselben. Da hörte sie von draußen eine helltönende Stimme: Entzücken durchrieselte sie: — sie kannte diesen Ton! — »Feuer an das Thor! Alle Fackeln hierher!« Da, jeder Vorsicht vergessend, sprang sie durch die Reihe der Krieger, zwei von ihnen auseinander schiebend, legte den Kopf an das Thor und rief aus aller Kraft: »Adalo! Hilf! Adalo!« »Bissula!« scholl es von draußen und ein furchtbarer Axthieb schmetterte — der erste, der durchdrang! — in den rechten Flügel des Doppelthores einen klaffenden Spalt, daß die Späne krachend nach innen flogen. Zugleich hörte sie von oben, vom Wall her, zwei Stimmen zugleich ihren Namen rufen. Sie blickte empor und sah Zercho und Sippilo, die, vor allen anderen, den Wall rechts vom Thor erklettert hatten. »Hierher, Kleine!« rief der Sarmate, ein Fischerseil nach innen hinabgleiten lassend, während er das andere Ende um die den Wall überragende Sturmleiter schlang. »Wo bist du, Bissula?« rief Sippilo, weit vorgebeugt und mit einer Fackel hinableuchtend. »Ach! Sie ist nicht zu sehen!« Das Mädchen, links vom Thore stehend, vermochte nicht, durch die Soldaten nach rechts hindurchzudringen: sie mußte noch mit ansehen, wie auf der Wallkrone ein starker Thraker mit einem schweren Schanzpfahl, den er der Quere nach, mit beiden Händen gepackt, trug, gegen die beiden allzu Kühnen — sie standen immer noch allein da oben! — vorsprang und beide mit einem Stoß nach rückwärts vor den Wall hinauswarf. »Hallo, Sippilo,« rief draußen Adalo, »was war das?« »Ein Purzelbaum!« antwortete der Knabe lachend und sprang wieder auf. »Aber du — Zercho! — Weh! — du fällst ja wieder um?« — »Leider! Der Fuß —: er ist wohl gebrochen!« »Faßt ihn, — zwei Leute,« befahl Adalo, »und tragt ihn aus den Geschossen!« — »Wohin?« — »In meine Halle, — sie steht ja noch!« Einen Schrei hatte noch die Kleine ausgestoßen, als sie beide Freunde rücklings stürzen sah: aber im nächsten Augenblick vergingen ihr die Sinne.

Ein Soldat, den sie wiederholt hatte zur Seite schieben wollen, wandte sich zornig: — er wollte dem lästigen Kameraden, den er in dem Dränger vermutete, einen Schlag versetzen: da erkannte er das Mädchen. Der Zorn verging ihm sofort. »Zurück, Kleine!« rief er. »Hier wirst du des Todes!« Und in wohlmeinender Absicht wollte er sie nach links zur Seite schleudern: aber der Ungefüge wandte zu viel Kraft auf oder das Gewicht der Zierlichen war allzugering, — sie flog mit solcher Gewalt mit dem Kopf gegen einen Balken ihres alten Versteckwinkels, daß sie betäubt, bewußtlos liegen blieb, wo sie gefallen war.

»Bissula!« rief Adalo nochmal durch den klaffenden Spalt des Thores.

Aber er erhielt keine Antwort.

Fünftes Kapitel

Bald wäre nun aber doch wohl der Edeling mit den Seinigen durch dies Thor eingedrungen, dessen einer Flügel draußen Feuer gefangen hatte und immer stärker zu glimmen und zu rauchen begann, während der andere unter den wuchtigen Axthieben immer breiter auseinander splitterte, wäre nicht auf der entgegengesetzten Seite des Lagers eine Wendung des Kampfes eingetreten, die auch für das Ringen um die Porta decumana entscheidend werden sollte.

Kaum war Bissula in Betäubung gesunken, als durch alle Lagergassen, welche von Norden gegen dies Südthor führten, Reiter, ledige Rosse, Fußvolk, Troßknechte, Sklaven in wilder Flucht hinabstürzten mit wüstem Geschrei.

»Flieht,« rief ein Schuppengepanzerter, in vollem Jagen an Herculanus und Davus vorbeisprengend. »Die Barbaren über uns!« »Das Lager ist genommen!« schrie ein Kelte, aus einer Seitengasse hervoreilend. »Sie sind am prätorischen Thor über den Wall gestiegen!« — »Nein, die Erde hat sich aufgethan! Der Orkus hat die Barbaren mitten ins Lager hinein gespieen!« »Flieht,« kreischte das Weib eines Troßknechtes, »ich sah Saturninus von seinen eigenen Leuten niedergerannt! — Alles ist verloren!« Und in der That: — so schien es. Ausonius war durch Prosper geweckt worden. Während er sich waffnete, erschien Decius, ein wackerer Anführer, der ihn im Namen des Tribuns aufforderte, die Verteidigung der Porta principalis dextra mit einer Kohorte der XXII. Legion zu übernehmen: dieselbe sei bereits dahin beordert: »Ich werde dich begleiten.« — »Was? Die Barbaren? Sie greifen an?« — »Hörst du sie nicht?« — »Ja wirklich! Auf welcher Seite?« — »Auf allen Seiten!« — »Ich eile.« Damit schritt Ausonius, den Helm aufsetzend, aus dem Zelt. »Was ist der Beschluß des Tribuns?« fragte er, indem er in die nächste Lagergasse rechts einbog. »Ausfallen?« — »Nein! Im Lager bleiben! Es verteidigen bis aufs äußerste! Die Übermacht draußen ist zu groß.« Damit hatten die beiden die Legionäre und bald mit ihnen das Ostthor des Lagers erreicht: — von hier entsendete Ausonius Prosper, Bissula zu schützen, aber auch zu bewachen, daß sie nicht entspringe.

Inzwischen hatte sich Saturninus überzeugt, daß für den Augenblick dem Wall neben dem prätorischen, dem Nordthor keine dringende Gefahr drohe. Er eilte die Walltreppe herunter, des Kämpfers Aufgabe wieder mit der des Feldherrn vertauschend. Er erteilte auf dem freien Raum am Fuße des Walles, etwa hundert Schritt nördlich von der Tanne der Erdgöttin, den um ihn versammelten Führern kurz und rasch seine Befehle: »Alle Reiter sitzen ab und kämpfen zu Fuß von den Wällen: bis auf das erste Geschwader der Panzerreiter, dies aber steigt nicht ab — hört ihr? — bei Todesstrafe! — unter keinem Vorwand: — es führt alle ledigen Pferde an die Porta decumana: denn kommt es zum Ausfall oder« — fügte er leiser, nur für seine Nächsten verständlich, bei — »zum Abzug aus dem Lager, geht es gen Süden, Nannienus die Hand zu reichen. Ist er selbst nicht angegriffen, wird er alsbald die Barbaren dort an jenem Thor vom Rücken fassen.«

»Hilfe an die Porta principalis sinistra!« erbat ein von Westen her ansprengender Reiter.

Saturninus wandte sich, mit diesem Boten zu sprechen.

So drehte er der Tanne den Rücken zu: aber kaum hatte er dem Reiter ein paar Worte zugerufen, als ein hinter dem Feldherrn stehender Centurio einen Schrei des Entsetzens ausstieß und ihn am Arme packte: »Schau um, Tribun! — Dort — bei der Tanne — die Erde bebt — der Abgrund thut sich auf: — die Altarsteine sind aufgesprungen!« Da tönte schon der Schlachtruf der Barbaren: »Wodan! Wodan! Alamannen!« mitten im Lager, und Saturninus sah erbleichend, wie wenige Schritte neben der Tanne eine hochragende Riesengestalt in weißem Helm mit langem Speer einen keltischen Bogenschützen niederstach, der aufschreiend zurückspringen wollte: drei — sechs — acht — schon waren es zwölf Barbaren tauchten aus der Erde auf. Mit einem wilden Schrei des Zornes warf sich der tapfere Mann gegen den Riesen.

Aber er erreichte ihn nicht mehr: seine eigenen Soldaten rannten ihn nieder. Es waren die »Kelten«: hitzig, tapfer im Angriff, aber nach einer ungünstigen Wendung leicht entmutigt.

Sie sahen die Feinde mitten im Lager: nur wenige hatten bemerkt, woher sie gekommen, wie gering ihre Zahl, die freilich jeden Augenblick wuchs: von blindem Schreck ergriffen, viele die Waffen wegwerfend, ergossen sie sich in wilder Flucht.

»Verrat! Verrat! Die Feinde sind im Lager!«

Mit diesem Geschrei hatte sich ein ganzer Schwarm von Fliehenden zwischen den Herzog und den Römerfeldherrn geworfen. Dieser war sofort wieder aufgesprungen. »Steht, ihr Memmen,« rief der Unverzagte und stemmte sich abermals, mit gezücktem Schwert, den Sinnlosen entgegen. »Seht euch doch um! Es ist ja nur eine Handvoll. Und wohin wollt ihr denn fliehen? Hinaus? Unter die Übermacht der Feinde? Nur das Lager rettet euch!«

»Zu den Schiffen! Zu Nannienus! Über den See! Nach Arbor!« »So stirb, du Feigling!« rief er grimmig, und stieß den nächsten Schreier nieder: — es war ein Fahnenträger der ›Kelten‹: er riß dem Sinkenden die von Purpurwimpeln umflatterte Drachenfahne aus der Hand, schwang sie empor, rief »Roma! Roma!« und drang vor. Wirklich brachte er für einen Augenblick die Fliehenden zum Stehen: — dem kühnen Häuflein der Eingedrungenen drohte jetzt allerhöchste Gefahr: — aber da ward des Feldherrn Ohr und Auge abgelenkt nach der Wallkrone.

Viele, viele der Verteidiger hatten bei dem Lärm in ihrem Rücken umgeschaut, Germanenhelme mitten im Lager erblickt, den Schreckensruf der Kelten gehört, den Feldherrn selbst stürzen sehen in dem Knäuel der Flüchtigen: sie mußten das Lager von andrer Seite her genommen glauben: sie fürchteten, jeden Augenblick von hinten angegriffen zu werden. Da waren sie in Scharen von der Wallkrone in das Lager herabgesprungen oder auf den Walltreppen herabgerannt. Die Angreifer draußen, bisher durch einen dichten Hagel von Geschossen in Schach gehalten, sahen plötzlich ganze Reihen von Verteidigern da oben verschwinden, ganze Strecken des Walles leer werden: mit wildem Jauchzen kletterten sie nun kühner, zuversichtlicher auf den Leitern hinan: und als der Tribun jetzt empor sah, sprangen bereits die siegreichen Stürmer in dichten Massen vom Wall herab, von Norden her auf die wenigen um ihn gescharten Römer einhauend, während von Osten des grimmen Riesen furchtbarer Speer einen nach dem andern niederstreckte, den er erreichte.

Noch einen schmerzvollen Blick warf Saturninus auf die Wallkrone: ungezählte, immer neue Barbaren tauchten da oben auf! Da rief er mit laut durch den Schlachtlärm dröhnendem Befehl: »Räumt das Lager! Folgt dieser Fahne! Zur Porta decumana hinaus! Schließt die Reihen! Löst ihr sie, — seid ihr verloren!«

Das wirkte. Daß die eherngeschlossene Ordnung das beste, das einzige Mittel gegen germanischen Ansturm war, hatten diese Soldaten oft erfahren: die Hoffnung, die Waffenbrüder auf den Schiffen zu erreichen, belebte den Mut: nach Süden abziehend, folgten sie fechtend, in guter Ordnung, dem bewährten Führer.

Wohl drängten die Verfolger von Norden und von Osten hitzig nach: aber die Weichenden erhielten auf ihrem Rückzug nach Süden unablässig erhebliche Verstärkungen von Osten und von Westen, wo die Quergassen auf die Nord-Süd-Straße (die Via media) von beiden Seiten senkrecht mündeten.

Denn einstweilen hatten auch die Verteidiger des West- und des Ostthores den Schlachtruf der Alamannen innerhalb des Lagers und das Fluchtgeschrei der Ihrigen erschallen gehört, den hoffnungslos gewordenen Widerstand aufgegeben und sich, der bei Rückzug ein für allemal geltenden Lagervorschrift gemäß, auf die lange Mittelgasse zusammengedrängt, die nach der Porta decumana führte, dem stets vom Feind abgekehrten, d. h. der römischen Rückzugslinie zugewendeten Thore.

Ziemlich aufgelöst, fluteten freilich die Truppen vom Westthor herbei, wo die Stürmer schon früher erhebliche Fortschritte gemacht hatten. In guter Ordnung dagegen führten Ausonius und Decius die Legionare der XXII. vom Ostthor heran.

Saturninus erblickte jene beiden von weitem: erreichen konnten sie sich, getrennt durch den ganzen Strom der Marschierenden, nicht.

So gelangten die Scharen in besserer Haltung, nur in den hintersten Reihen von den Barbaren eingeholt und gedrängt, allmählich bis auf die Stelle, wo die Via principalis nahe dem decumanischen Thor die auf dieses zu führende lange Mittelstraße schnitt: hier war der ganze Troß, viel hundert Karren und Wagen, zusammengedrängt, ja ineinandergefahren.

Eine solche Wagenburg, für germanische Völker auf der Wanderung eine wertvolle Verteidigung, war für römische Marsch- und Fechtordnung die allergefährlichste Hemmung und Störung: denn, mochte man bei dem Versuch, sie zu passieren, sie umgehen oder überklettern, — in jedem Falle lösten sich notwendig die festgeschlossenen Glieder in lauter kleine Häuflein, ja in einzelne, die hintereinander sich vorbeidrücken oder über die Wagen hinwegsteigen mußten.

Nicht umsonst aber hatte der alte Herzog den Lagerplan studiert: genau hatte er sich gemerkt, wo der Troß, die Wagen und Karren, verzeichnet standen, und mit Eifer hatte er alle Haufen seiner Krieger, wie sie nun durch die längst von innen aufgerissenen drei Lagerthore aus Nord, West und Ost ihm zuströmten, so über die Lagergassen verteilt in ihrem Vordringen und Verfolgen, daß sie von allen Seiten durch die Langgasse und durch die Quergassen die Flüchtigen gerade auf diesen Punkt zusammentrieben.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
290 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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