Kitabı oku: «Bissula», sayfa 17
Sechstes Kapitel
Dabei erfüllte den Alten mitten in dem Rausch des Sieges noch eine andere Freude: die über den gewaltigen Fortschritt, den seit einem Menschenalter die Gehorsamszucht seiner Alamannen gegenüber dem Heerbefehl des Herzogs gemacht hatte.
Die Überlieferungen der Väter und seine eigene Jugenderfahrung kannten gar manchen Fall, da Germanen der schon gewonnene Erfolg dadurch wieder verloren ging, daß die Sieger, gegen das Gebot ihrer Führer, in ungezügelter Beutegier anfingen, das eroberte Lager zu plündern, sich, aufgelöst, über Zelte und Troßwagen herzumachen, wetteifernd, wer den Genossen zuvorkäme, so daß die Römer, der Verfolgung und Bedrängung zum großen Teil entledigt, sich stellen, sammeln, und in geschlossenen Reihen den zerstreuten Plünderern Lager und Sieg wieder entreißen konnten.
Mit stolzer Freude sagte sich daher jetzt der Alte: »Sie haben doch was gelernt, durch mich — unter mir — ja, mir zu Liebe!« Er hatte vor Beginn des Angriffs vorgeschlagen, — denn zu befehlen hatte er nicht: »Das Lager und alles, was es birgt, gehört dem ganzen Volksheer:— nach dem vollendeten Sieg. Wann die Morgensonne darauf niederscheint, wird gleich geteilt nach Gauen, Gesippen und Köpfen: wer vorher nur eine Schale oder eine Waffe für sich nimmt, gilt als Dieb, der sein Volk bestohlen hat, und hängt.« Und die Scharen hatten zugestimmt und treu hielten sie Wort: nicht einer ließ vom Kampf ab oder wich aus der Reihe, zu plündern, oder bückte sich auch nur, die kostbaren Gold- und Silbergeräte aufzulesen, welche die aus den Zelten des Ausonius fliehenden Sklaven hatten bergen — oder auch stehlen — wollen, aber bald weggeworfen hatten, um leichter, unbelastet, das Leben zu retten. — Gehorsam ihrem Herzog trieben daher die Eingedrungenen von allen Seiten die Fliehenden gegen die Mittelstraße des Lagers zusammen. So staute sich denn hier die wirre Flut, die sich bisher durch viele einzelne Kanäle gen Süden gewälzt, vor diesem Hindernis auf und geriet in langewährendes Stocken. Während die ersten noch in raschem Lauf auf den schmalen Seitenpfaden links und rechts an der breiten Wagenreihe sich vorbeidrückten oder, noch nicht zu sehr von den Nachmännern gedrängt, über die Karren kletterten, ward beides nur noch unter heftigstem Ringen der Fliehenden um den Vortritt möglich, seit auf die gut geschlossenen Kolonnen der beiden Führer jetzt die Hunderte der vom Herzog aufgejagten und hierher zusammengetriebenen Versprengten stießen.
Mit der Kraft der Verzweiflung drängten diese vorwärts, zumal seit sie mit Grausen erkannt, daß Wegwerfen der Waffen und Ergebung vor dem Tode nicht rettete. »Wehe, sie schlachten alles! Gebt Raum! Laßt uns durch! Sie morden die Gefangenen!« »Nein,« rief der Herzog dem nächsten Schreier zu, »sie morden nicht die Gefangenen: denn sie haben keine!« und stieß ihn nieder. So löste sich die Haltung auch der bisher noch geschlossenen Reihen.
Saturninus gelang es, rechts, westlich von der Wagenreihe, an dieser sich vorbeizudrängen: er eilte gleich weiter gegen das Thor; doch sah er — denn hell beleuchteten jetzt bereits den Schauplatz zahlreiche Zelte, in welche die Sieger die lodernden, mit Pech und Harz bestrichenen Reisigbündel geworfen hatten, — an der Ecke der letzten Querstraße zwei seiner schönen großen Hunde, mit aufgerissenen Eingeweiden, übereinander geworfen, liegen, während er die anderen in einer Querstraße wütend bellen hörte, und dazwischen durch ein dumpfes Brüllen vernahm. — Im nächsten Augenblick war er schon wieder weit vorgeschoben von den Nachdrängenden. — Er sah sich um nach Ausonius, der bisher beritten gewesen. Er gewahrte denselben, wie er, abgestiegen, sich bemühte, über die Wagen hinwegzuklettern. Das ging nur langsam: und schon drang näher und näher gerade auf diesen Haufen von Fliehenden los, von Osten her, der Schlachtruf der Verfolger.
Der Tribun befahl einigen Pionieren, auf die er stieß, sich zu Ausonius Bahn zu brechen, die Karren, die ihn hemmten, mit ihren Beilen niederzuschlagen, jenem und der linken Kolonne Platz zu schaffen. Nicht gern gehorchten die Mannschaften, nicht gern kehrten sie, schon das decumanische Thor vor Augen, um, den wütenden Drängern wieder entgegen: aber nochmal obsiegte die altrömische Kriegszucht und der gewohnte Gehorsam gegenüber dem verehrten Feldherrn: sie wandten sich also Ausonius entgegen, während der Tribun vorwärts eilte an das decumanische Thor.
Die hier aufsteigenden Flammen, die dröhnenden Axtschläge der Angreifer, die das schlimme Krachen von splilterndem Holze begleitete, spornten ihn zur Eile: dies Thor durfte nicht von außen geöffnet werden, sollte sein letzter Rettungsversuch gelingen. Aber kaum hatte er den Platz vor dem Thor erreicht, als von der linken Kolonne, von Ausonius her, neues, verzweiflungsvolles Geschrei erscholl. Bevor die Pioniere sich bis zu dem Präfekten Bahn gebrochen hatten, ward dessen Umgebung von den Pfeilen und Wurfspeeren der Verfolger erreicht: er selbst verschwand plötzlich vor ihren Augen, zwischen zwei Troßwagen hinunter stürzend. — Lautes Wehegeschrei seiner Begleiter erscholl.
Da machten die Pioniere Kehrt und flohen in der entgegengesetzten Richtung: von links drohten die Barbaren — so flüchteten sie nach rechts in eine der Querstraßen, welche die Langstraße kreuzten.
»Flieht,« rief der erste, gerade an Herculanus vorbeilaufend, der verzweifelte, fruchtlose Anstrengungen machte, mit den von Fesseln nicht gehemmten Händen den festen Eichblock aus der Erde zu reißen oder seine Füße aus den eng gebohrten Löchern und Eisenklammern zu lösen, »Flieht! Ausonius ist gefallen!«
»Ausonius ist tot!« schrie der zweite, sein schweres Beil wegwerfend, das ihn im Laufen hinderte. Es fiel nahe vor dem Gefangenen nieder.
Hastig streckte der beide Arme danach aus, den heftigen Schmerz in den hierbei gezerrten Füßen, an den gequetschten Knöcheln nicht achtend: Triumph! Es reichte gerade! Mit den äußersten Fingerspitzen wenigstens konnte er den Stiel der Axt berühren, langsam näher rücken, nun ihn mit den Fingern packen und an sich heranreißen. Da hinkte ein Sklave des Ausonius, von einem Pfeil verwundet, langsamer heran. »Oh der gute Herr! Ausonius! Er ist gefallen! Er ist tot!« »Tot?« rief ihn Herculanus an, »gewiß tot?«
Aber der Flüchtling hatte ihn nicht gehört oder nicht hören wollen, — er war schon weiter, hatte Davus erreicht, »Hilf mir!« jammerte dieser. »Laß mich nicht hier verbrennen — oder in der Barbaren Hand fallen!« »Elender Mörder!« war die einzige Antwort, — schon war der Flüchtling um die Ecke gebogen.
Einstweilen hatte Herculanus mit beiden Händen die scharfe Axt gepackt und, sich nach unten bückend, mit aller Kraft Streiche geführt gegen den Eichenklotz, da, wo er, drei Schuh breit, seine beiden Füße auseinander hielt, in der Mitte der beiden, von oben nach unten eingebohrten Löcher. Endlich sprang der Eichblock auseinander: dadurch waren die beiden eingebohrten Löcher zerschlagen: die beiden Ketten, welche die Füße an die beiden Hälften gebunden hatten, zerhieben zwei weitere Axthiebe: der Gefangene war frei! —
Aber nur mit Mühe und mit heftigen Schmerzen konnte er die Beine bewegen, die durch das Sitzen während so vieler Stunden steif geworden und durch den Druck um die Knöchel angeschwollen waren. Doch der Drang, zu leben, die Hoffnung auf Rettung überwand die Pein: er schritt — anfangs noch ganz langsam — auf Davus zu, der ihm mit Neid zugesehen. »Hilf auch mir heraus, — du — du allein hast mich hierher gebracht.« »Ja, Verräter, ich will dir heraus helfen,« lachte der andere grimmig. Er schlug ihm das Beil in den Schädel und lief nun rascher — bei jedem Schritte wurden seine Füße gelenker — gegen das Westende der Querstraße zu: denn näher und näher drang von Osten her der Lärm.
Hierher reichte noch der Brand des Lagers nicht: er schlüpfte in ein Zelt und verbarg sich: hatte er doch seine Landsleute fast ebenso wie die Barbaren zu scheuen: hier fand er einen kurzen Dolch, wie ihn die Thraker führten: er steckte ihn zu sich, und legte die langstielige, schwere Axt weg, die ihn bei dem versuchten Laufen gehindert hatte, —
»Ausonius tot! Vielleicht alle tot, die um jenen Vorgang wußten!« Von diesem Gedanken kam er nicht los, während er vorsichtig zwischen zwei Falten des Zeltes herauslugte, zu beobachten, ob nicht bald Römer und Barbaren ihm den Weg aus dem Lager frei gäben.
Siebentes Kapitel
Allein der Neffe irrte. Ausonius war nicht tot. Bei dem Versuch, von einem Wagen auf den andern zu springen, war er zwischen beiden hinabgestürzt und hatte sich den Fuß etwas verletzt. Aber Decius und einige Legionäre der XXII. hatten ihn wieder aufgerichtet und alsbald an das decumanische Thor geleitet. Hier hatte einstweilen der Tribun rasch seine Anordnungen getroffen, die vereinzelt eintreffenden Flüchtlinge gesammelt, eine Kernschar seiner Illyrier um sich gereiht, der er auch die Fahne übergab. »Wo ist die Ala der Panzerreiter, die ich hierher befehligt hatte, das Absitzen verbietend? Sie brauchen wir jetzt — an der Spitze des Ausfalls.«
»Ach, Tribun, in der Not, in der Bedrängung des Thors und der Wälle sind wir doch alle abgestiegen und haben zu Fuß mitgefochten, — unsere Gäule sind durchgegangen: sie rasen durch die Seitengassen.« — »Das ist des Herculanus Mannszucht! Also — die Reiter fehlen uns! Wohlan, dann die Speere voran! Die Verwundeten in die Mitte! Hierher Ausonius, hinter meine Schar! So! Auf mit dem Riegel! Reißt das Thor auf! Wir schlagen uns durch, nach den Schiffen! Zum Ausfall! Drauf!«
Da wurden denn plötzlich die bisher so zäh verteidigten Thorflügel, der rechte halb zerschmettert, der linke halb verbrannt, von innen aufgeschlagen, und die Römer brachen, die letzte Kraft zusammenfassend, von ihrem trefflichen Feldherrn in Person geführt, durch sein Beispiel und durch die Aussicht auf Rettung zu einer äußersten Anstrengung gespannt, hinaus ins Freie.
Furchtbar war der Zusammenstoß.
Die Wirkung des überraschenden Anpralls auf die Barbaren war sehr stark. Sie wurden, so viele ihrer auf dem schmalen Erdstreifen zwischen Thor und Graben gestanden, sämtlich in den Graben hinunter geschleudert. — Adalo war nicht in dieser Zahl: — er war für einen Augenblick hinter den Graben zurückgewichen, die Anlegung eines Notstegs aus Baumstämmen über denselben anzuordnen, der gerade gegen das Thor führen sollte: er wollte dann auf demselben seine Krieger mit Balken gegen das bereits morsche Thor anrennen lassen, es vollends einzustoßen. So entging er dem Sturz in den Graben, den Sippilo mitmachte, übrigens, wie bei dem Fall vom Wall herunter, unverletzt: hurtig kletterte der Knabe den Südrand des Grabens hinauf: die Sturmhaube mit den Rehkrickeln hatte er schon bei dem ersten Fall verloren, aber Schild und Speer auch diesmal tapfer festgehalten. Einen Augenblick lang schien es freilich, als ob auch die Römer, sowie sie das Thor durchschritten und nun freien Ausblick nach dem See gewonnen hatten, in neuem Schreck sich auflösen würden.
Denn einstweilen war auch der Angriff auf die Schiffe und das Schiffslager, wie es nun schien, geglückt. Bisher hatten die Verteidiger auf den Wällen immer noch sehnlich auf Nannienus geharrt und vergebens über die stürmenden Barbaren und deren Pechfackeln hinweg nach dem See ausgeblickt.
Aber jetzt, da sie das Freie vor dem Thor erreicht, sahen sie eine mächtige Lohe am Seeufer aufflammen: den Lärm des Gefechts, das etwa eine halbe Stunde entfernt da unten entbrannt war, hatten sie, umtobt von dem unmittelbar um sie herumrasenden Kampf, nicht wahrnehmen können: nun aber erkannten sie alle, was Saturninus längst aus dem Ausbleiben des tapferen Freundes erschlossen hatte: die Flottenabteilung war selbst aufs heftigste bedrängt.
»Die Schiffe brennen! Das Schiffslager in Flammen! Die letzte Zuflucht hin!« riefen gar manche, sprangen aus den geschlossenen Reihen, flohen — und wurden augenblicklich von den Germanen eingeholt und vor den Augen der Ausharrenden niedergestoßen. »Ihr seht,« rief Saturninus, »wie es den Flüchtlingen geht! Bleibt geschlossen, wollt ihr am Leben bleiben. Geschlossen hinab an den See und wir retten uns selbst und die Freunde!« Das war einleuchtend. So folgte die ganze Schar dem unverzagten Führer, der, selbst der erste, den südlichen Grabenrand erklettert hatte.
Sowie er oben angelangt war, hörte er seinen Namen, aus den Reihen der Barbaren laut gerufen, an sein Ohr schlagen. »Wo ist Saturninus, der Feldherr der Römer?« klang es auf lateinisch. Von dem brennenden Lager grell beleuchtet, drang ein Führer der Germanen im reichsten Waffenschmuck den Seinen voran. Ein Eberhelm deckte sein Haupt: ein graubärtiger Gefolge hielt den langen Schild über ihn und fing damit zwei gutgezielte römische Wurfspeere zugleich. »Wo ist Saturninus? Ich muß ihn finden!« wiederholte der Germane, wieder einen Satz vorspringend und den nächsten Thraker mit der Streitaxt niederschlagend. »Hier,« antwortete der Tribun. »Doch jetzt ist nicht Zeit, zu unterhandeln.« »Nein, aber zu sterben!« rief Ebarbold und schmetterte die Streitaxt gegen den mächtigen, gewölbten Erzschild des Feldherrn. Hier biß sie ein, ohne den Träger zu verletzen. Vergeblich mühte sich der König, die Waffe wieder herauszureißen: sie stak unbeweglich. Und schon zückte der Römer das kurze, mörderische Breitschwert zum tödlichen Stoße.
Da sprang der graue Schildträger dazwischen, und warf den Schild vor seinen Herrn, Aber das norische Eisen drang durch die Eberschur und durch das Holzgefüge des Schildes dem Alten in die linke Brust: er fiel, durch die Wucht des Stoßes nach hinten geschleudert, auf den Rücken.
Ebarbold hatte inzwischen den Stiel der verfangenen Streitaxt fahren lassen, das lange, ungefüge Hiebschwert von der Seite gerissen und in weit ausholendem Streich über den stolz geschweiften Helmkamm des Feldherrn geschwungen: aber eh‘ es niederschlug, fuhr ihm schon das kurze Römerschwert, vom Blut des Waffenträgers rot, in den Hals: sterbend fiel er an des Alten Seite nieder. —
»Du — mit mir — für mich!« — mehr konnte er nicht sprechen. »Glaubtest du, ich würde von dir lassen? — Nicht ungefolgt soll der Eberkönig eingehen in Wodans Saal! — Nicht schimpflich auf die Ferse schlagen, wie geringem, unbegleitetem Manne, soll dir Walhalls Thüre! Wir — beide! — haben unser Wort gelost! — Und zusammen — in Heldenehren — fahren wir nach Walhall.«
— Da sank des Alten Haupt verstummend auf seines Königs Schulter. Sie schwiegen — beide: sie starben. —
Über die Gesunkenen hinweg war der Illyrier vorwärts gesprungen, — nachdem er zuvor den immer noch in seinem Schilde steckenden Stiel der Streitaxt des Königs mit dem Schwerte kurz vor der Axtöse abgehauen, — unter wildem Jubeln seiner Landsleute, die den Zweikampf genau gesehen: die Männer aus dem Ebergau aber bestürzte der Fall ihres Königs. Sie stutzten, — hielten an, — wichen.
»Vorwärts, hinunter an den See!« befahl der Tribun. »Seht ihr, sie weichen!« Es war ein gefährlicher Augenblick. Denn auch der nächste Haufe hinter den Eberleuten wankte, verwirrt von deren Rückwärtsgängen.
Achtes Kapitel
»Steht, Männer des Linzgaues!« rief da eine metalltönige, helle Stimme, und gegen den Tribun heran brach sich Bahn durch Alamannen und Römer ein Jüngling, von goldbraunen Locken das schöne Haupt umflattert. Aber die Römer hatten nicht Lust, noch Gewohnheit, ihren Feldherrn Einzelkämpfe mit den Barbarenfürsten ausfechten zu lassen. Ein riesiger Illyrier trat von links aus der Reihe vor seinen Führer und zielte scharf auf des Jünglings Antlitz mit seinem Wurfspeer: der Speer kam nicht zum Fliegen: denn bevor er geschleudert ward, sprang ein alamannischer Knabe von unten gegen den Hochausholenden und traf ihn mit seinem ganz kleinen Speerlein in die vom klaffenden Panzer jetzt nicht geschützte Achselhöhle: — er schrie und fiel.
»Dank, Brüderlein!« rief Adalo, und nun, dicht vor Saturninus haltend, rief er diesem auf lateinisch zu: »Wo ist Bissula?« Allein der Römerfeldherr hatte nicht Gedanken übrig für ein Barbarendirnlein — nur damals im Lager, als er ihre Bärin brüllen hörte, war der Gedanke an die Kleine pfeilschnell durch sein Gehirn geflogen: — er gab keine Antwort und zückte nur drohend das vom Blute Ebarbolds triefende Schwert.
Des Edelings Speer flog: Saturninus fing ihn mit dem Schild: aber dieser war nun, mit der langen Lanze behaftet, so ungefüg zu handhaben, daß er ihn fallen ließ. Er sprang mit scharf gezieltem Schwertstoß gegen den Jüngling, der sofort nach seinem Wurf das kurze Schlachtbeil aus dem Gürtel gerissen hatte. So grimmig hatte jeder nur des andern Fällung im Sinn, daß keiner an die eigene Verteidigung dachte. So trafen beide: und beide fielen. —
Mit Anspannung aller Kraft — und sie war groß! — hatte der Alamanne auf des Gegners Stirne gezielt: unwillkürlich hatte dieser den Helm vorgesenkt: der fürchterliche Hieb zerschlug aber doch diese beste Arbeit der besten römischen Helmfabrik — zu Trier — und drang durch Erz und Doppelleder des Helmfutters noch in den Schädel. Der Helm ward später gefunden: und dieser »Schwabenstreich« ist lange gefeiert worden in der Halle des Hirschhofs.
Aber deren Herr schien nie mehr in diese zurückkehren, sondern Ebarbold und Ebarvin folgen zu sollen. Denn gleichzeitig hatte das Römerschwert den schlichten Holzschild des Germanen durchbohrt und war tief in dessen linke Schulter gefahren. Sippilo fing des nach rechts stürzenden Bruders Haupt, — ein paar Gefolgen faßten seine Füße, und so trugen sie ihn rasch aus dem Gefecht.
Decius, von des Ausonius Seite vorspringend, übernahm nun den Befehl über die Römer. Aber er konnte die Ordnung nicht mehr retten. Denn der Fall des Führers — Dank Adalos furchtbarem Streich — entscharte jetzt in wilder Flucht den Hügel hinab die bis dahin zusammenhaltende Schar. Zuerst stoben nach rechts und links auseinander die Vordersten, die den Zweikampf mit angesehen.
Die tieferen Glieder hielten noch zusammen: aber nun traf sie ein Stoß von rückwärts, vom Lager her — und da war alles aus.
Das war Hariowald, der Herzog. Endlich — viel zu spät für seinen Grimm — hatte auch er das Lager durchmessen, die Porta decumana erreicht. Das größte Hindernis für die Verfolgung war nun geworden, was vorher der Hauptgrund für das Stocken, Stauen und die Auflösung des römischen Rückzugs gewesen war: der Troß, die Wagenburg.
Hinter derselben, also zwischen ihr und dem Seethor hatten zahlreiche Römer, hatten zumal die germanischen Söldner, die Bataver, gewöhnt an solches Gefecht, wieder standgehalten; und ziemlich lang hatte es gewährt, bis der Herzog durch Feuer, Beilhiebe und Blut sich Bahn dadurch gebrochen. Wohl hatte er gleich nach links und rechts durch die Querstraßen Scharen entsendet, das Hindernis zu umgehen und die Verteidiger in beiden Flanken zu fassen, — mit Todesangst hatte Herculanus die Alamannen durch die Quergasse an seinem Zeltversteck vorbeitoben hören: — aber manche Zeltgassen standen in vollen Flammen, andere waren ebenfalls von verlassenem Gepäck und Troßgerät gesperrt: so hatte es lange gewährt, bis endlich der Herzog mit den Seinen, die Wagenburg durchbrechend, die letzten Verteidiger vor sich hertreibend, das decumanische Thor erreichte und nun mit seiner ganzen siegtrunkenen Schar den Römern des Decius in den Rücken fiel. Da war alles verloren!
Decius gelang es nur, einen ganz kleinen Haufen Illyrier zusammenzuhalten, nicht zwanzig Mann, die den verwundeten Feldherrn und Ausonius in der Mitte, die Reihe der Linzgauer durchbrachen, die einige Zeit mit der Bergung Adalos beschäftigt waren, und geradeaus gen Süden, nach dem See zu flüchten.
Klar war es: wenn überhaupt, war nur noch auf den Schiffen Rettung möglich. Denn alle die Flüchtlinge, die seitwärts nach rechts und links, nach West und Osten, auseinanderstoben, ereilte das Verderben. Ohne Führung, ohne Richtung, nur im allgemeinen nach dem See hin, liefen sie einzeln, paarweise, in kleinen Häuflein. Die Meisten gerieten in dem Dunkel der Nacht in die Sümpfe, der Furten unkundig und der wenigen erhöhten Steige: sie versanken, ertranken oder wurden von den Verfolgern niedergestreckt.
Hariowald erfuhr, sowie er das freie Feld erreicht hatte, des Königs Fall — er nickte schweigend — und, aus Sippilos Mund, des Edelings Verwundung. »Schwer?« — »Ja!« — »Wo?« — »In der Schulter: — durch und durch gestoßen!« — »Hm! — Er ist in seine Halle getragen?« — »Ja!« — »Holt sofort zu ihm die blinde Greisin — Waldrun — vom Weihberg, — Sie kennt die stärksten Kräuter: und sie weiß auch, wann und wie sie ohne Widerwort und bösen Ausgang — müssen gebrochen sein.« — »Sie ist wohl schon in dem Hirschhof.« — »Wie?«
»Sie hat die Nacht vorher geträumt, diese Schlacht sei sieghaft gewonnen, aber sie habe meinen Bruder, wie er schwer wund auf ihren Knieen lag, gepflegt. Sie bestand darauf, daß der Sarmate sie noch vor Beginn des Kampfes in unsere Halle herunter führte. ›Ich warte dort auf den Wunden‹ hat sie gesagt.«
»Aber du, Kleiner, du blutest ja auch, — da — am Arme.« — »Nur ein Wurfspeer hat mich gestreift! Ist nicht viel!« — »Genug für das erste Mal! Du wankst ja — was hast du noch weiter?« — »In der Wade — ein Pfeil: er ging aber gar nicht tief.« — »Du kannst ja kaum mehr stehen! — ich befehl‘s — hörst du? Bei Herzogsbann! Nach Hause mit dir! — Auch für dich wird Waldrun ein Kräutlein haben. Fort!«
Den unmittelbaren Befehl auch über die der Führer verwaisten Haufen Ebarbolds und Adalos übernehmend, zog der Herzog alle seine Scharen in breitester Front, die Flüchtlinge allumklafternd, auseinander und gab nur den einen Befehl: »Treibt sie in den See!« Mit Jauchzen und getreulich ward dies Gebot befolgt.
Der Herzog hatte sich auf eines der zahlreichen im Lager und nun auch schon vor demselben reiterlos umherrennenden Rosse geschwungen, seine Leute ahmten eifrig diesem Beispiel nach, und so ward denn die Verfolgung eine wilde Hetzjagd, zu Pferd und zu Fuß, die Höhe herab über das stets abfallende Gelände bis an den See. Das brennende Lager im Rücken, die brennenden Schiffe vorn warfen ein schauerlich schönes, ungleich flackerndes Licht auf das wilde, kriegerische Nachtbild.
Aber schon mischte sich, freilich noch ganz leise, leise, ein anderes Licht in das Gemälde, da, wohin das grellrote der Fackeln und der lodernden Zelte nicht drang: es war nicht mehr ganz schwarze Nacht: fern, im äußersten Osten, hob das Grauen des Tages an: denn mehr als zwei, fast drei Stunden der Septembernacht waren in dem Kampf um das Lager verflossen, seitdem die Rufer die zweite Stunde nach Mitternacht verkündet hatten.