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Kitabı oku: «Bissula», sayfa 18

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Neuntes Kapitel

Inzwischen hatte sich Bissula längst wieder von ihrer Betäubung erholt. Schon der schmetternde Tubaruf der im Ausfall vorbrechenden Römer hatte sie geweckt. Sie richtete sich auf hinter ihrem Versteck, hinter den Balken und Schanzkörben, die, mannshoch übereinander geschichtet, sie völlig verdeckten. Sie lugte durch die klaffenden Zwischenräume der Balken: mit freudig klopfendem Herzen sah sie es nun weit geöffnet stehen, jenes »Seethor«, das sich bisher so unerbittlich und undurchdringbar vor ihr verschlossen gehalten hatte. Vorsichtig, geduckt, wie ein Kätzchen, das der greifenden Hand enthuschen will, schlüpfte sie nun bis an die Westecke ihres Balkenversteckes und spähte zu dem Thor hinaus.

Aber wie heiß sie die Freiheit ersehnte und wie vertraut die furchtlose Tochter des Seewalds mit allerlei Gefahren und Schrecknissen des Urwalds oder der Wogen war: — sie blieb denn doch ein Mädchen: und sie hatte sie noch nie geschaut, die Schrecken der »männermordenden Feldschlacht!«

Sie sah jetzt diese blutigen Bilder, von welchen ihr nur etwa der Oheim oder ein Sänger bei einem Siegesfest erzählt hatte: sie sah und sie — erbebte.

Von dem Schein der beiden jetzt lichterloh brennenden Thorflügel, von den Fackeln der Römer, von den entflammten Reisigbündeln der Alamannen beleuchtet sah sie, ganz nah, jenseit des Grabens, das blutige, das mörderische Ringen, das bei dem Zusammenprallen der ausbrechenden Römer mit den Sturmhaufen der Ihrigen anhob. Sie sah Dinge, die sie mit markdurchrieselndem Entsetzen erfüllten!

Wie gelähmt, zitternd an allen Gliedern, ließ sie sich auf einen hinter ihr liegenden Schanzkorb niedergleiten und starrte mit großen, weit geöffneten Augen durch das Thor in das furchtbare Schauspiel, von dem sie, bei allem Grauen, den Blick nicht losmachen, vor dem sie die Lider nicht senken konnte. Sie erblickte einmal Saturninus, — dann verschwand er wieder, von seinen Illyriern verdeckt: — da tauchte er wieder auf — weiter vorn. Sie erkannte den König des Ebergaus: — er hatte auf dem letzten Sonnwendfest ihr eine Spange geschenkt: — da sah sie ihn rücklings niederstürzen — er stand nicht mehr auf! Neben ihm — eine kleine Gestalt — das helmlose Haupt von lichtem Gelock umflattert, — ja das war Sippilo! Der Sturz vom Wall hatte ihm also nicht geschadet! — Aber da nahte ihm von der Seite ein baumlanger Illyrier, der eine mächtig brennende Fackel als fürchterliche Waffe schwang: — laut schrie sie, alle Gefahr vergessend, auf: — der Knabe gewahrte gar nicht den über ihm geschwungenen Brand: — da stürzte der Soldat: — einen Augenblick sah sie im Schein jener Fackel Adalo, der den Bruder gerettet hatte, — sie jubelte auf bei dem Anblick —: aber die Fackel war nun erloschen, wie ihr Träger fiel: beide Brüder waren ihr entschwunden. Gleich darauf horte sie laut klagend den Ruf vieler Stimmen: »Adalo! Weh Adalo! Weh um den Edeling!«

Schreck und Angst um den Freund drückten ihr das Herz zusammen: ach! sie konnte nichts mehr von ihm erspähen! Und schon erscholl von ihrem Rücken, vom Lager her, neuer, brausender, rasch näher dringender Lärm. Es war Hariowald, der nun mit den Seinen die letzten aus der Wagenburg vertriebenen Bataver — sie erkannte Rignomer — und die aus allen Zeltgassen flüchtenden, versprengten Römer vor sich her und zu dem decumanischen Thore hinaustrieb. Sie wollte nun zu den nachsetzenden Alamannen durchzudringen versuchen. Aber Pfeile und Wurfspeere der Verfolger flogen dicht um sie, — ein verirrter Schleuderstein schlug krachend neben ihrem Kopf an einen Balken: erschrocken warf sie sich ganz auf das Antlitz nieder und ließ den gefährlichen Strom von Feind und Freund in der Ferne an sich vorüberbrausen. Doch bald ward es nun still, ganz still im Lager. Auch draußen, vor dem Thore, zog sich der Lärm des Kampfes sehr rasch hügelabwärts gegen den See hin. — Sie richtete sich wieder auf und sah durch das Thor. Ferne schon sah sie — wenig deutlich — das Gewoge sich die Hänge hinabwälzen: sie konnte kaum die Gestalten unterscheiden: aber laut drang das Siegjauchzen ihres Volkes an ihr Ohr. Helle Freude flammte dabei durch ihr Herz: sie sprang auf: »Sieg!« jubelte sie mit. »Freiheit! Heia!« Aber gleich darauf sagte sie sich selber, vorwurfsvoll: »Und Ausonius? — Und auch Saturninus, der Wackere? — Ach! und: — Adalo!« Dieser Schmerz, diese fürchtende Sorge um ihn, trieb sie kaum minder als der Drang nach der eigenen Befreiung hinweg aus ihrem sichern Versteck: sie beschloß jetzt, die Flucht aus dem Thor auf das gefürchtete, noch kürzlich so laute, nun aber grauenhaft schweigende Schlachtfeld zu wagen. Das Lager war ja leer.

Wenigstens schien es so: sie blickte, an die Ecke des Balkenhaufens schleichend, vorsichtig nach allen Seiten umher. Wohl dachte sie auch der treuen Bärin: »Bruna! Hierher Bruna!« rief sie, so laut sie konnte, in die Lagergassen hinauf: aber keine Bruna kam! —

Sie sah, — die brennenden Zelte leuchteten jetzt, auch schon hier von den Flammen ergriffen, ausreichend dazu, — in der Nähe keinen aufrechtstehenden, weder Feind noch Freund. Nur am Boden, — da regte sich‘s hier und da. Stumm lag ein erschlagener Kelte quer vor der Zeltgasse, den Helm auf dem Haupte, den Speerschaft noch in der erstarrten Faust. Mit Grausen — sie hatte noch keinen Toten gesehen: beim Tod ihrer Eltern hatte sie wenige Jahre gezählt, — stieg sie behutsam, um die Leiche gewiß auch mit dem Gewande nicht zu streifen, das Kleid hoch aufhebend — über die breite Brust des Gepanzerten. »Noch drei Sprünge,« — dachte sie, »und ich bin vor dem Thor,« Schon hatte sie den Fuß erhoben, hurtig zu laufen, — da drang hinter ihr dumpfes Stöhnen an ihr Ohr. Unwillkürlich — obwohl von neuem Grauen geschüttelt — blickte sie um: das Furchtbare übt einen seltsamen Zwang, der zugleich anzieht und abstößt —: es war ein Verwundeter — ein Römer, der ein paar Schritte hinter ihr, tiefer im Lager, das Haupt an eine Zeltstange gestützt, lag, den rechten Arm auf die Erde gestemmt, die Linke auf die Brustwunde gepreßt: er mußte das Mädchen erblickt haben: denn statt zu stöhnen rief er jetzt — auf lateinisch — »Wasser — oh, ich bitte, Wasser!«

Wohl graute ihr: wohl bangte ihr, nochmal in das Lager zurück, von der draußen vor dem Thore winkenden Freiheit hinweg, sich zu wenden. Aber das Herz des Weibes siegte über die Furcht. Sie sah sich um, ob sie das Flehen des Durstenden erfüllen könne. Da fiel ihr Auge auf eine der großen Tonnen, die, stets mit Wasser gefüllt, nach römischer Lagerordnung neben jedem Thor stehen mußten. Sie waren so hoch, daß sie kaum hinein sehen konnte: aber sie hob sich mit beiden Händen an den Rand empor und sah, daß noch genug Wasser darin war.

Aber woher ein Gefäß nehmen? Allerlei Gerät lag um sie her verstreut: doch kein Becher, keine Schale. Da kam ihr ein Gedanke, bei dem sie zuerst schauderte. Jedoch mutig bezwang sie das mädchenhafte Grauen, trat zu dem toten Kelten, löste ihm — mit zitternden Fingern — das eherne Schuppenband, das ihm den Helm unter dem Kinne festhielt, zog ihm schonend, sacht — als ob der Tote es spüren könne — den Helm vom Haupt, eilte damit zu dem Faß, schöpfte die Höhlung halb voll und trug nun den Helm — mit dem lang wallenden, auf der Erde nachschleifenden Roßschweif des Kammes, mit beiden Händen, langsam schreitend, um nicht zu viel zu verschütten, dem Ächzenden zu, der mit stieren Augen jeder ihrer Bewegungen folgte und lechzend den Mund öffnete. Sie kniete neben ihm nieder, hielt die Halbkugel des Helmes seitwärts an seine bärtigen Lippen und gab ihm zu trinken: — er schlürfte das Ganze leer. Tief aufatmend legte er das Haupt zurück an die Zeltstange und sprach mit Anstrengung. »Bist du Christin?« Trotzig schüttelte die Alamannin die roten Locken: »Mich befreunden Freia und Frigga!« — »Gleichviel,« — sprach der Sterbende — »diesen Trunk, Mädchen, lohnt dir Christus, der Heiland!«

Sie erhob sich nun langsam: ihr Blick fiel in die nächste Zeltgasse zur Linken: — und mit gellendem Angstschrei ließ sie den Helm fallen und rannte, so rasch sie konnte, davon, auf das Thor zu.

Denn in dieser Gasse sah sie, von den brennenden Zelten grell beleuchtet, geduckt wie ein Raubtier, gegen sie heranschleichen, einen Dolch in der Hand, — Herculanus.

Zehntes Kapitel

Dieser hatte sich bisher vor Römern wie Germanen gleichmäßig in jenem Zelt der Quergasse verborgen gehalten, in das er geflüchtet war. Jetzt war es ringsumher so still geworden, daß er das Lager für verlassen halten durfte: gleichwohl hätte der Vorsichtige das Zelt noch nicht verlassen, wenn ihn das Feuer, mehr noch der Qualm des glimmenden Zeltleders, aus dieser Zufluchtsstätte nicht vertrieben hätte. Scheu spähend war er aus den Vorhängen geschlüpft: da war sein erster Blick gefallen auf die Verhaßte, die sein Verderben verschuldete! Mit einem kurzen, halberstickten Schrei wilder Rachefreude sprang er nun, nachdem er sich entdeckt sah, mit gezücktem Dolch gegen sie vor.

Aber die Kleine hatte guten Vorsprung: erst mußte er die wohl fünfzig Schritt lange Quergasse durchmessen, ehe er nur das Eckzelt erreichte, an dem sie soeben noch gekniet: und seine schmerzenden Füße verstatteten ihm nicht, so schnell zu folgen als sein Haß verlangte. Bissula flog einstweilen, wie ein gehetztes Reh, die Mittelgasse hinab, dem Thore zu: im Thor sah sie sich um! Ach, er mußte die Richtung ihrer Flucht erraten haben, — denn er lief ebenfalls auf das Thor zu: er sah sie das freie Feld gewinnen. Er eilte nach.

Zunächst hatte ihn lediglich der Haß unwillkürlich fortgerissen und die Rachsucht. Aber nun, nachdem er diesen Antrieben besinnungslos gefolgt war, sagte er sich mitten im Laufen:

»Ausonius ist tot: — ich bin sein Erbe. — Und tot sind vielleicht in dieser Stunde wie Davus so die wenigen andern, die von dem Vorfall wußten: — die Barbarin lebt? Hat er sie einstweilen schon zur Erbin eingesetzt? Schwerlich! Und wenn auch, — das Testament ist wohl verbrannt mit dem ganzen Lager, — und ist es sogar gerettet, — was kann es schaden, wenn nur diese Mordnacht die als Erbin Eingesetzte mit verschlingt? Wie dem sei, — sie soll — sie darf nicht leben!«

Schon hatte auch er das Thor erreicht. Das Tagesgrauen verbreitete bereits so viel fahlen Schein, daß er die fliehende Gestalt jenseit des Grabens bald entdeckte: ihr ganz weißes Gewand verriet sie, auch ihr hellrotes flatterndes Haar, wann der Wind den Flammenschein des brennenden Lagers in der Richtung ihrer Flucht aufflammen ließ. Er sprang in den Graben, schrie auf und fiel um: die Füße schmerzten allzusehr! Nur mit Mühe und mit heftiger Pein gelangte er, kletternd und sich mit den Händen emporziehend, auf den Südrand des Grabens.

Der Vorsprung der Fliehenden war größer geworden. Grimmig erkannte er das: er verdoppelte, die Schmerzen verbeißend, die widerstrebenden Füße zwingend, seine Anstrengung, sie einzuholen. Wohl war die Fliehende hart erschrocken, als sie bei dem Austritt aus dem Thor in der Ferne nun abermals vor sich wie hinter sich Lohe aufsteigen und Kampflärm ertosen hörte: von der Ankunft der Schiffe, von dem Lager am See hatte sie durch Prosper erfahren: sie begriff also, daß nun wohl der Kampf um jene Schiffe tobe. Aber ohne Besinnen folgte sie dem Trieb, der sie von Herculanus hinweg gerade hinunter an den See fortgerissen hatte: dort traf sie, wenn auch abermals die Schrecken der Schlacht, doch sicher ihre Landsleute. So lief sie geradeaus hügelabwärts, stets eifrig ausspähend, ob sie nicht schon unterwegs irgend eines Alamannen ansichtig werde.

Aber die Menschen, auf welche sie traf, waren nicht Alamannen: Römer waren‘s und lagen tot oder sterbend am Boden.

Einmal erschreckte sie ein plötzlich ansprengendes Pferd, das quer über ihren Weg rannte: zitternd machte sie Halt, hinter einem Busch sich bergend: aber das Roß trug keinen Reiter: zwei — vier — sechs leere Pferde jagten dem ersten nach: von Römern und Alamannen, die da hätten drohen oder schützen können, war weit und breit nichts zu sehen: längst hatten sich Flucht und Verfolgung bis an den See hinabgewälzt. Da unten freilich wogte noch lärmender Kampf.

Von dem Busche zurückblickend — sie mußte einen Augenblick Halt machen, so heftig schlug ihr Herz — sah sie eine dunkle Gestalt, in dem Morgendämmer nun, deutlich wahrnehmbar, ihr immer noch hastig nachsetzend: ja es schien ihr, als ob, hinter derselben, ein zweiter Verfolger vom Lager nachgeeilt sei oder sich vom Boden erhoben hätte!

Aufs neue rannte sie vorwärts: sie hoffte zuversichtlich, ihre Landsleute am See zu erreichen, bevor sie eingeholt wäre: denn das Kind des Waldes war im Laufen geübt und ihr Vorsprung nicht unerheblich. Aber nach wenigen Schritten befiel sie neues Entsetzen. Sie hörte — diesmal gerade hinter sich — abermals die Hufschläge eines Pferdes: sie hatte zuerst gehofft, es sei wieder reiterlos: aber es folgte ihr schnurgerade und nun hörte sie allerlei Zurufe in der Sprache der Feinde, die das Roß zur Eile treiben füllten. Ein furchtbarer Gedanke durchschoß sie: um jeden Preis mußte sie umschauen, um zu prüfen, ob — ja, es war, wie sie gefürchtet! Herculanus hatte einen der ledigen Gäule, die seinen Weg kreuzten, ergriffen, sich darauf geworfen und verfolgte nun die mit Anspannung ihrer letzten Kräfte Fliehende — zu Pferd.

Sie hörte deutlich die schweren Füße in die sumpfigen Pfützen des Wiesenbodens einschlagen: — hörte, ach, lauter und lauter, also näher und näher! — den wilden Zuruf des Reiters und den Vierschlag der von Eile beflügelten Hufe. Kleiner, immer kleiner ward nun sehr rasch der Zwischenraum, der sie trennte. Todesangst überkam sie: sie gedachte, wie der Grausame in der Waldhütte schon sie hatte erstechen wollen wie ein Opfertier. In dieser Todesnot drängte sich ein Name, nur einer auf ihre Lippen: »Adalo!« schrie sie, »Adalo! Hilf, rette mich, rette Bissula!« Vergebens! Kein Mensch weit und breit: — keine Antwort.

Auch an der Uferstrecke, auf die sie zueilte, ward nicht gekämpft: nur tief im See schwammen brennende Römerschiffe und verfolgende kleine Kähne der Alamannen. Und ganz nahe schon war das verderbliche Roß! Schon hörte sie das Schnauben des mit Fersenstößen und Zügelschlag und Zuruf zu rasender Eile getriebenen Tieres.

Da — oh Rettung! — gewahrte sie im grauen Morgenlicht, ganz nahe dem Ufer, zwischen Schilf versteckt, zwei alamannische Kähne nebeneinander! Zweifellos waren das keine Römerschiffe: keine dreieckigen Segel, kein hoher Bug, — sie glaubte sogar an der Spitze des einen Kahnes Adalos Hausmarke, das sechzehnendige Hirschgeweih, zu erkennen. — Ja, ja — da ragte es: — es war sein Nachen für den Felchenfang: einige Männer führten die Ruder. — Mehrere Male rief sie laut: »Hilfe, Alamannen, Hilfe für Bissula!« — Oh Wonne! Man hatte sie gehört. Die Männer ruderten aus Leibeskräften, beide Nachen flogen gegen das Ufer hin gerade ihr entgegen! Und nun — neue Freude! — horte sie hinter sich einen lauten Schrei und einen dumpfen, schweren Fall mit platschendem Geräusch: sie mußte umsehn!

Ja, da war das Pferd, überhetzt von dem mitleidlosen Reiter, gestürzt: — es lag auf d« Seite und schlug mit den Beinen um sich. Aber ach! Zu früh hatte sie frohlockt! Unversehrt war der Reiter aufgesprungen und rannte nun — nur wenige Schritte war er noch entfernt — mit erhobenem Dolch auf sie zu. Hinter dem Pferd schien der zweite Verfolger aufzutauchen. Und das rettende Boot war noch mehrere Schiffslängen fern im See! Ohne Besinnen sprang das Mädchen in das Wasser, watete, so lange es Grund fand, stieß sich dann mit kräftigem Ruck vom Boden ab, breitete die weißen, kraftvollen und kraftgeübten Arme aus und schwamm auf das nächste Bot zu. Kein Mädchen am Nordufer übertraf Bissula im Schwimmen: aber schwer hemmte sie das lange, das faltige Gewand: es wickelte sich sofort, sowie es ganz durchnäßt war, um ihre Füße und hinderte sie gewaltig, dem Vorstoß der Arme mit den Beinen zu folgen. Und: — Entsetzen! — Geplätscher hinter ihr verkündete, daß ihr der Verfolger — oder gar zwei: denn zweimal hatte sie einen Sprung oder schweren Fall zu vernehmen geglaubt — bis in den See hinein gefolgt war! Diese Furcht lähmte ihre letzten Kräfte: auch die Arme versagten ihr nun: sie sank mit dem Gesicht tief ins Wasser. Noch einmal hob sie sich daraus empor: da fühlte sie von hinten von dem Verfolger ihr langes Kleid gepackt und landwärts gezerrt: doch augenblicks ließ die Faust wieder los: ein gellender Todesschrei schlug an ihr Ohr: gleich darauf folgte ein dumpfes, zorniges Gebrüll: sie wandte den Kopf und sah Herculanus versinken in den Armen einer gewaltigen schwarzbraunen Gestalt. »Bruna!« rief sie noch. Dann drohten ihr die Sinne zu vergehen. Die Ohren brausten ihr so wunderlich, Wasser, allzuviel Wasser war ihr in Nase, Mund und Ohren gedrungen. Sie sank.

Da faßten sie vier starke Arme an den Schultern und den — zum letztenmal — hoch aus dem Wasser gereckten Händen. Mit gewaltiger, aber schonender Kraft fühlte sie sich in den Kahn gehoben. Sie schlug die Augen auf: Ausonius und Saturninus standen vor ihr. Sie schrie laut auf im Schmerz der bittersten Enttäuschung — und schloß, ohnmächtig, die Lider.

Elftes Kapitel

Den Ausgang des Kampfes um das Schiffslager und die Schiffe hatte auch das Eintreffen der Truppen des Saturninus nicht mehr rückwenden mögen: schon lang vorher, ja fast im Augenblick, da dieser Kampf begann, war die Entscheidung gefallen. Denn die Überraschung war hier beinahe noch vollendeter gelungen, als bei dem Angriff auf den Idisenhang.

Nannienus, der wackere Feldherr, hatte sich, trotz der Kühle der Septembernacht, auf dem Hochverdeck — über dem zweiten Ruderstockwerk seiner dreißigrudrigen Bireme — die einfache Lagerstätte bereiten lassen, bestehend aus einer Wolldecke über den Schiffsplanken, einem gerollten Tau unter dem Nacken und seinem bretonischen Fließmantel als Decke. Auf die Warnung des Kolonisten aus Arbor, der nun die Wache am Steuer antrat, vor der nächtlichen Kühle des Sees, hatte er lachend geantwortet: »Ei, wie oft kreuzte ich nachts, nicht wärmer gebettet, zwischen Britannien und Gallien! Soll sich der germanische Ozean vor diesem Süßwasserteich schämen? Nichts besseres zum Schlaf, als das schaukelnde Schiff unter mir und die Sterne über mir! — Leider giebt es heut‘ Nacht keinen Mond und wenige Sterne. Seltsam, dieses Schwanengetön. — — Habe nie geglaubt, daß es so viele Wildschwäne giebt!« — Unter dem Gedanken an die Schwanenrufe war er eingeschlafen. Sie verfolgten ihn in Schlaf und Traum. Von beiden Seiten sah er zahllose weiße, braune, schwarze Schwäne aus den Schilfwäldern heranwogen gegen sein Geschwader: drohend hoben sie die hoch zum Schlag gesträubten Schwingen. —

Nach langem Schlaf erwachte er: allmählich, wie nach gesundem Schlummer nur langsam, nicht auf einmal, die Gedanken sich vollklar einzufinden pflegen. Ihm war — träumte er noch immer? — als ob wirklich das Rufen und Singen der Schwäne von beiden Seiten her näher drang, begleitet von eigenartigem, leisem Schwirren, Surren, Rauschen, hin und wieder auch einmal von lauterem Plätschern im Wasser. Noch halb im Schlaf fragte er den Mann am Steuer: »Was ist das für ein Gesurre vom Schilf her?« »Die Schwäne, Herr, die Wildschwäne!« antwortete der Gefragte, der alte römische Kolonist aus Arbor, ein treu kaiserlich gesinnter Invalide der XXII. Legion. »Ich kenne das genau! Zu vielen Tausenden hab‘ ich sie oft bei Sonnenuntergang in die Schilfwälder dieses Sees einfallen sehen. — Sie rüsten schon zur Reise.« — »Nein,« rief der Bretone aufspringend. »Das sind nicht Wasservögel, das plätschert allzustark!« Er hob den Helm aufs Haupt und lugte nun scharf aus. »Die Nacht ist pechschwarz, — aber sieh: da aus dem Schilf schwimmt was heran: Schwäne? — Nein, nein!« — Er riß das Schwert aus der Scheide: — »Das sind Boote! — Zu den Waffen! — Lichtet die Anker! — Der Feind!« —

Im selben Augenblick flammte hoch auf dem Idisenhang grelles Licht auf, leuchteten rote Fackeln im Schiffslager am Ufer, flog über des Admirals Helmbusch ein brennender Strohkranz in das halb gereffte Segel, blieb, darin verfangen, liegen und schon züngelte flackernd die Flamme, vom Nordwind angeblasen, das Segel, die Rahen, den Mast empor. Und schon auch kletterten auf allen Seiten die Wandungen herauf dunkle Gestalten.

Und wildes Geschrei der Überfallenen, im Schlafe Gemordeten erscholl auf allen Schiffen und vom Schiffslager am Ufer her. Dem ersten Enterer sprang Nannienus mit gezücktem Schwert entgegen‘ aber dieser Verzweifelte schien des eigenen Lebens nicht zu achten: ohne den Hieb zu parieren, der haarscharf an seinem helmlosen Haupte niederfuhr, hatte er eine Art Harpune, das heißt einen acht Fuß langen Speer mit scharfer Spitze und nach rückwärts gebogenem Haken, wie sie im Winter zur Erlegung der größten Waller durch Löcher in das Eis des Sees geworfen wurden, in den ehernen Gürtel des Feldherrn eingeschlagen, diesen mit gewaltigem Ruck au sich gerissen und über Bord geschleudert.

Er fiel in einen alamannischen Nachen, der hart am Steuerbord seiner Bireme lag, auf eine Ruderbank: er lag da geraume Zeit betäubt vom Aufschlagen des Kopfes: der Kahn war leer: alle seine Insassen hatten geentert.

Als er erwachte, sah er sein Admiralsschiff und die meisten anderen Fahrzeuge in hellen Flammen stehen, desgleichen sein Schiffslager und sogar das Lager des Saturninus hoch auf dem Idisenhange brennen.

Da erkannte er, daß alles verloren war.

Überall sah er bereits seine flüchtige Armada, soweit sie nicht in Flammen stand, durch die Barbaren verfolgt. Er trachtete, sich nach Arbor zu retten. Eilfertig schnallte er den verräterischen Römerpanzer ab, — den Helm hatte er schon im Sturz verloren.

Nun gewahrte er, unter dem Gransen des Bootes zusammengerollt, einen germanischen Mantel liegen, er warf ihn um, stellte sich an das Steuer, — im Stehen ruderte und steuerte man diese Einbäume — drehte das viereckige grobe Segel windgerecht und flog bald, unbeachtet von den Germanen, welche den Kahn als alamannischen erkannten, über den See gen Arbor hin.

Nur einmal drohte ihm äußerste Gefahr: er hatte ein hochragendes römisches Schiff eingeholt, dessen Segelwerk zum Teil noch brannte, es ward aber das Feuer mit sichtbarem Erfolg von der Mannschaft gelöscht. Eben wollte er es anrufen und befehlen, ihn aufzunehmen, als er, zu seinem Schrecken, erkannte, daß die Bemannung des Schiffes aus Alamannen bestand, — wie Er in ein germanisch Boot geraten war — die auf der genommenen Bireme andere fliehende Römerschiffe nach Arbor hin verfolgten. Eilig ruderte er den Einbaum von dem großen Fahrzeug hinweg.

Und nun sah er, daß auch in Arbor eine furchtbare Lohe gen Himmel schlug.

Das war der Scheiterhaufe der römischen Herrschaft in der Seefestung: mit Grauen erriet er es, wandte seinen Kahn gen West-Süd-West und trachtete, statt des verlorenen Arbor die ferne, aber sichere Hafenburg Constantia zu erreichen.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
290 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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