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Kitabı oku: «Bissula», sayfa 2

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Viertes Kapitel

Auf der Bank, im warmen Strahl der Sonne, saß, in dunkle Gewände gehüllt, fast reglos, eine Gestalt: eine Greisin. Aus dem Saum des über das Haupt gezogenen braunen Mantels traten dünne Streifen schönen, weißen Haares vor; nur wenig und ganz gleichmäßig rührte sie die Hände. Als der Schritt des Jünglings auf dem sandigen Aufstieg des Bühles scholl, beugte sie sich, einhaltend in der Arbeit, vor, und lauschte; dann nickte sie leise und flüsterte: »Deshalb huschte sie hinweg!« Nun fuhr sie wieder fort in ihrem Werk. »Heil dir, Waldrun!« sprach der Jüngling, vor ihr Halt machend. »Erschrick nicht — ich bin‘s —«

»Adalo, der Edeling,« fiel die Greisin ein. — »Du erschreckst nur die Argen.« — »Du erkennst mich?« — »Wem die Götter die Augen verlöscht haben, den machen sie sehend — die Seele. Hallt dein leichtgeschwungener Schritt auch nur selten mehr um mich her, — ich kenne ihn gut. Oft hör‘ ich dich, wie du, ausweichend in weitem Bogen, um unsern Hof eilest. — Bei Tage kommt nur noch Bruna, das gute Tier, deine zahme Bärin, herübergetrottet vom Edelhof zu uns. Denn auch deinem lichtlockigen Brüderlein hast du wohl den Besuch verboten. Das Tier aber ist treueren Herzens als die Menschen: — oft und oft sucht es meine Kleine auf und Zercho, den Knecht. Und wenn es einen Kranz von den meiner Kleinen liebsten Blumen um das Halsband geschlungen uns zuträgt und ihn brummend abstreift in ihren Schos: — wir wissen‘s wohl, nur Sippilo, der Knabe, nicht du, hast ihn gesendet! — Bei Tage meidest du uns! — Aber« — sie beugte sich nun vor und sprach ganz leise: der Jüngling sah sich staunend um: waren sie doch allein: — »aber bei Nacht schleichst du manchmal nahe heran.«

Der Jüngling errötete über und über: er wollte ablenken. »Und ohne zu sehen kannst du spinnen?« — »Spinnt doch die jüngste der drei großen Schwestern — blind geboren — des ganzen Menschenvolkes Zukunft, Und ich bin erst blind geworden. Und was ich spinne, ist mir fingervertraut wie gedankengewohnt.« — »Was spinnest du?« — »Mein Sterbegewand. — Aber nicht nach Waldruns Sterbegedanken zu forschen, mein‘ ich, kam der Edeling, Adalgers Sohn, hierher. Suchst du meinen Sohn? Suomar ist noch nicht zurück vom Ding.« — »Ich such‘ ihn nicht: — er sendet mich. Das Gauding — heut‘ Nacht auf dem Wodansberg — hat beschlossen, die Gehöfte und das Bauland zu räumen.« Und zornige, drohende Kampfesfreude verschonte das edle, langgezogene Antlitz, als er beifügte: »Der Römer naht!«

»Er wird nicht lange weilen,« sprach die Alte ruhig fortspinnend. »Schon oft sah ich ihn stark anbrausen: — und bald wieder schwach vergehn.« — »Euch Frauen, die Unwehrhaften, die Unfreien und die Herden sollen zwei Schutzwerke aufnehmen, weit vom See: eins auf dem Wodans-Weihberg im Niedergang, das andere in den Ostsümpfen. Zwei Heerhaufen bilden wir: einen für Sonnenniedergang, den anderen für Aufgang. Dein Sohn ist dem Osthaufen zugeteilt. Er ist gleich vom Ding hinweg in die Ostsümpfe geschickt worden: sie sollen die Furten dort durchstechen und am Gauhag die Verhacke verstärken, so den Walen das Eindringen zu wehren.«

»So sollen wir wohl gegen Aufgang eilen, in die Sümpfe? Dort sind wir ihm näher.« Zögernd begann Adalo. — Gluten stiegen ihm abermals in das Antlitz und einen scharfen Blick warf er auf die Thüre des nahen Hauses, bevor er anhob: — »So war sein erster Einfall — und so verteilt die Fliehenden im ganzen des Volkes Beschluß. — Aber — ein andrer — ein Freund, — riet ihm, euch lieber nicht in den Sümpfen zu bergen, sondern — auf dem Weihberg.« — »Du ziehst zu dem Westhaufen — auf den Weihberg?« Adalo schwieg. »Du rietest ihm so, Adalo!« — »Ich leugn‘ es nicht. — Sieh, ich meine es gut mit euch. Besser geborgen als in dem Sumpfland seid ihr auf Wodans ragendem Waldberg. Voll Unbehagen lebt sich‘s in dem Fieber brütenden Moor: — oft befällt dich ja dieses Siechtum — und nicht so sicher. Der Osthaufe weilt nicht in eurem Verstecke: Suomar selbst kann euch nicht schützen, nur euer Versteck euch verdecken. Auf dem Weihberg aber, hoch in den Steinringen, schützt euch die Nähe der Waltenden, der Landesgötter selbst. Und behaglicher, freudiger lebt sich‘s dort unter Waldhütten und Laubzelten! Und« — so schloß er zurückhaltend, bescheiden — »ich selbst bin dort, euch zu schirmen. Folgt mir — schon morgen kann es zu spät sein — folgt mir sogleich!« Da fielen aus dem dichten Geäst des hohen Baumes ein paar Eicheln prasselnd auf die Steinplatte, prallten ab und sprangen zur Erde. Adalo sah empor. »Wohl ein Eichhorn?« meinte er. »Ja. — Ein rotes!« fügte die Alte kopfnickend bei. »Es treibt oft sein mutwillig Spiel da oben. — Sind oft recht zornmütig.« — »Das sind sie,« lachte Adalo. »Eines, das ich griff, hat mir einmal den Finger fast durchgebissen. Da!« — Die Frau befühlte den hingestreckten Zeigefinger seiner Rechten. Sie ließ ihn nicht gleich los, tastete daran und sprach dann: »Dahinter liegt noch eine andre Narbe! — Die biß dir vor Jahren — weißt du noch? — im Heißzorn mein böses Enkelkind. Wie war es doch?«

»Beim Sunnwendfest war es. Der Weststurm blies wütend, wie Wodans Atem. Sie vermaß sich, allein, in eurem morschen Schelch, — dem alten Einbaum! — mit Seitenwind den rasenden See zu kreuzen. Die andern höhnten: — ich bat. Umsonst. Sie sprang in den Nachen und stieß ab: sie war verloren, kam sie über den Schilfhaken hinaus in den Weitsee. Ich lief nach, watete, schwamm und fing sie aus dem Kahn, gerade wie er umschlug. Ich trug sie ans Ufer. Sie wandte und wehrte sich, fauchend wie eine Fischotter, und biß mir zum Dank in den Finger.«

»Da erfand aber,« sprach die Alte verweisend, »ein böser Singemund den Spruch:

»Arg kratzt die Eichkatz, —

Bittrer beißt Bissula.«

Der Spruch ging um im Gau, ja in allen Gauen am See. Wohin meine Enkelin kam, zum Beerenlesen im Sommer, zum Flachsbrechen, zum Stoppelreigen, zur Sichelhenk, zur Drischelleg:— überall scholl ihr entgegen der höhnische Spruch im Rundgesang. Das war nicht wohlgethan! — Nicht klug!« fügte sie leiser bei. — »Mutter Waldrun — nun ja: — es war nicht wohlgethan — aber nicht böse gemeint.« — »Ja, ja, Wodan hat dir das Lied auf die übermütige Lippe gelegt und das beflügelte Wort, den Witzspruch. — Du kannst es nicht lassen! — Siehst du ein ladendes Ziel, — der Pfeil der Neckrede saust dir vom Munde!« — »Aber unvergiftet, sonder Widerhaken! Ein stumpfer, kleiner Bolz, mit dem man das herzige Rotkehlchen trifft, Donars elbischen Liebling, nicht, es zu wunden, nein, ungesehrt es zu fangen und in das Gehöft zu tragen, an unsern Herd, auf daß es uns lieblich singe Jahr für Jahr.« — »Hüte dich! Heißzornig, leichträchend und langrächend ist, was rote Farbe trägt.« »Jawohl,« lachte der Jüngling. »Wie geht ein andrer Spruch?«

 
»Reizt dich das Rothaar?
Rette dich, rat‘ ich!
Scheue die Schöne!
Falsch ist sie und fauchend,
Wie Feuer und Fuchs!«
 

Kaum war der letzte Stabreim gesprochen, als sich hoch oben aus dem Wipfelgeäst des gewaltig ragenden Baumes seltsame Töne vernehmen ließen. Zu höchst oben ein Fauchen und Kollern, aber tiefer unten ein anderes Geräusch, wie wenn etwas an dem Stamme sich rutschend herabließe. Die ersten Laute kamen zweifellos von einem Eichhörnlein, das, aufgeschreckt durch irgend eine Störung, blasend und zischend vor Angst oder Zorn, in weitem Bogen und doch in sicherem Sprung von dem obersten Gipfel des Baumes auf die ziemlich fern stehende Nachbareiche hoch durch die Luft sich schwang.

Fünftes Kapitel

Adalo folgte mit dem Blick dem flugähnlichen Sprung des Tierleins. — Aber einstweilen war aus dem dichtesten Mittelgezweig an dem Stamme behende herabgeglitten ein junges Geschöpf, das Mädchenkleidung trug, die es sofort, wie es auf den Füßen stand, von Knie zu Knöchel sorgsam glättend niederstrich. — In seiner zierlichen und leuchtenden Schöne, in der fast kindlichen Kleinheit seines ganzen Gliederbaus glich das Wesen weniger einer Menschenmaid, als einer Lichtelbin. Sie trug keinen Mantel. Das weiße Linnengewand mit kirschrotem Saum und gleichfarbigem, handbreitem Gürtel ließ Hals und Arme frei: blendend weiß wie Elfenbein leuchtete alles, was man von dem fast allzufein modellierten Leibe sah; dunkelrot dräuten die auffallend starken, in der Mitte beinahe zusammenstoßenden, sehr edel geschwungenen Brauen; aus den hellblauen Augen sprühten jetzt helle Blitze des Zorns. Mehr noch durch lebhafteste Anmut des Ausdrucks und durch die vollendete Zierlichkeit des kleingliedrigen Leibes fiel die Erscheinung auf, als durch regelmäßige Schönheit.

Denn — es kann nicht verschwiegen werden! — das reizend schnuppernde, neugierige Näslein ragte zwar nicht etwa in die Höhe, — gewiß nicht! — aber es war ein klein wenig zu kurz ausgefallen. Und da es nun auch an der Spitze jäh nach unten abfiel, war der Raum zwischen dem Näslein und der Oberlippe etwas lang geraten: so erhielt das ovale Gesicht in der Ruhe den Ausdruck eines halb wachsam erstaunten, halb schelmisch-übermütigen Ausblicks in die Welt.

Alles war an dieser zierlichen Libelle so zart und duftig gehalten, daß man das Mädchen fast noch ein Kind erachten mochte; aber die lieblich schwellenden Formen verkündeten anmutvoll das junge Weib. Und von höchstem, auch die Sinne berückendem Reiz war der, obzwar so kleine, doch sehr üppige, wie in scherzendem Schmollen aufgeworfene Mund: — so kirschrot, wie der Saum ihres Gewandes. — Ein Grübchen im Kinn, ja der ganz leise Ansatz sogar zu einem Doppelkinn verliehen dem Antlitz jene holdselige Weichheit, ohne welche Weibesschönheit kalt läßt. Das Auffallendste jedoch an dem wundersamen Elbengebilde war das Haar, das ganz lichthell-rote, dem Brandgelb der Flamme gleichende Haar, das Stirn und Schläfe umspielte in tausend mutwillig krausen, ganz kurzen Ringelchen: — je aus einem für sich allein gelockten Haar. Wie ebensoviele Dornen ein Röslein schienen sie das Gesicht schützend zu umhegen. Das übrige Haar war, nach suebischer Sitte, gegen den Wirbel hinaufgekämmt, hier zusammengeschnürt und flutete von da in prachtvollem, bedeutend dunkler gefärbtem Rot, wie ein Purpurstrom, über den blendend weißen Nacken bis tief über die Hüften herab.

Das trotzig übermütige, dann auch wieder neugierig Erstaunte, ja sogar überlegen Besserwissende des naiven Ausdrucks, durch diese emporgekämmte Haartracht noch verstärkt, erhielt manchmal den Anflug des Komisch-Gestrengen durch die Angewöhnung des Geschöpfleins, die ohnehin fast zu stark gezeichneten Augenbrauen, wie erstaunt und zugleich verweisend, in die Höhe zu ziehen. Das zum Lächeln Ladende lag dann in dem Reiz des Widerspruches, daß dieses fast ohne Körperlichkeit schwebende Wesen die ganze Welt mit seinem klugen Näslein, mit den hellblau blitzenden Äugelein scharf auszuwittern und — nötigenfalls — sofort scharf zurechtzuweisen bereit schien. Ein äußerst starker Wille, ein heißes, ungebändigtes Temperament und die Lieblichkeit einer kaum geöffneten Knospe: — diese Gegensätze forderten zum Lächeln, sie forderten fast zu dem Versuch heraus, was wohl das heftige kleine Insekt alles anstellen werde, wenn man seinen leicht entzündbaren Zorn reize. Aber schlug sie in sanfterer Empfindung das leuchtende Auge auf, — dann war sie so hinreißend schön, so rein, so innig warm und seelengütig, daß man über der Begeisterung, sie zu bewundern, die Neigung vergaß, sie zu necken. —

Jetzt freilich sah das kleine Elbengebild durchaus nicht gütig, sondern recht herzhaft böse sah es aus, als es, zu dem hoch ragenden Edeling nur einen raschen Blick lodernden Zornes emporschleudernd, heftig die alte Frau an der Schulter faßte und mit halber Stimme — tonlos vor verhaltenem Grimme — mahnte: »Großmutter! — Fort! — In die Sümpfe! — Zercho, der Knecht, soll uns führen. Fort!« — »Gemach, Kind, gemach! — Hast du nicht gehört? Auf dem Weihberg ist bessere Zuflucht.«

— »Bessere vielleicht für uns! Aber nicht für die, welchen wir — nein, welchen ich dann nahe wäre. Geh,« rief sie grimmig und hastig dem Jüngling zu, »rette dich, rat‘ ich, vor dem Rothaar. »Falsch und fauchend wie Feuer« — wie war es doch, du Witziger? Hurtig, sobald mir Eros, des Nachbarn, Tochter diesen deinen neuesten Spottspruch gegen mich, kichernd vor Hohn und Schadenfreude, vorgeplärrt, kletterte ich auf der Heuleiter empor zum First unseres Hofes und strich unser weißes Sternzeichen da oben rot an: recht dick, recht grell, auf daß du es schon vom Waldrand aus ersehen und vor der bösen Farbe weit ausbiegen könnest. Aber recht weit! — hörst du?«

Sechstes Kapitel

Adalo hatte sich nun von seinem Staunen erholt.

»Ich wußte,« lächelte er, »die Lichtelben wohnen über unsern Häuptern. Aber nicht wußt‘ ich, daß sie nisten im Eichengeäst.« — »Und warum nicht? — Wenn anders du mich Lichtelbin schiltst.« — »Ist eben kein Scheltspruch, sollt‘ ich meinen. Wie sagt das Elbenlied? ›Schönste Schöne ist nicht den Asinnen, ist den Elbinnen eigen.‹« — »›Arg beißt die Eichkatz, bittrer beißt Bissula.‹ — Du selbst hast mich ja unter die Beißkatzen gereiht. Also wundre dich nicht, daß ich zu meinen roten, fauchenden, beißenden Geschwistern hinauf flüchtete, da ich von fern des verhaßten Edelings hochmütigen Schritt vernahm. Denn früher noch als der blinden Ahnin langgeübtes Ohr hab‘ ich dich Kommenden erraten. Der Haß hört scharf!« »Du hassest mich?« fragte der Jüngling: leise und traurig klang seine Stimme. —

»Vergieb ihr, Adalo! Sie ist ein Kind.« — »Nein, Großmutter, ich bin kein Kind mehr! Den achtzehnten Winter schau‘ ich beim nächsten Schnee! Damals — im Kahn — hat ein Kind dem Übermächtigen wehren wollen, der ihm die Fäuste zwang: das Kind war zu schwach. Jetzt aber wehrt sich gegen deinen Übermut etwas in mir: — ich weiß nicht, was es ist: — da — in der Brust glüht es: — und glaube mir — das Ding da in mir ist stärker als einst meine Hände waren: das zwingst du nicht!« — »Nicht zwingen, — schützen will ich dich und deine Ahnin.« — »Uns schützt unserer Sippe Haupt: Suomar, ihr Sohn, mein Ohm und Muntwalt.« — »Suomar war der Meinung, ihr seiet besser geschützt — auf dem Weihberg.« — »Weil er nicht errät, der wackere Oheim, daß du dabei nur nach neuer Berühmung zielst, in stolzen Stäben. Etwa so:

 
»Bitter biß Bissula! Aber bang,
Reuig, rannte sie, vor den Römern um Rettung,
Zu Adalo, dem Edling!«
 

Du hörst — auch ich kann Stäbe binden!« »Böse Sprüche,« mahnte die Alte, »die nicht Wodan der Weise, — die Loge dir lieh! Warum verschmähst du den Schutz, den der Nachbar dir beut? Seid ihr doch aufgewachsen wie Bruder und Schwester, auf dem Ufer, auf dem See nie getrennte Gespielen!« — »Bis dem Nachbar einfiel, er sei der reiche, starke, sangeskundige Edeling. — Der ›Schöne‹ — wie all‘ die dummen Mädchen flüstern. Der — und schön! Häßlich ist er! — Sein Name tönt dir überall entgegen in dem Gau, in allen Seehöfen. Wer ist der kühnste Held im Römerkrieg? Der dauerndste Schwimmer, der glücklichste Jäger? Der Sieger im Ringkampf, im Steinwurf, im Speerwurf? Wer ist der Vorspringer im Schwertertanz? Auf wen hören selbst die Graubärte im Gauding? Auf wen gucken die Mädchen beim Sunnwendsprung? Adalo! — Adalo! — Adalo! — Der Übermut! — Es ist nicht auszuhalten!« Und zornig hielt sich die Erboste die beiden kleinen Fäustchen vor die Augen, den so heiß Gehaßten nicht mehr zu sehen. — »Soll Übermut mich hierher führen — mit dieser Bitte?« — »Ja: Übermut! — Als sie beim Spinnen im Winter, schon beim Heuen im Herbst gar viel redeten von dir, die Mädchen: — ich rede wenig, ich lausche! da ward erzählt: Jetto, der reiche Hofherr, fing, — er selbst zuerst! — Verhandlung an mit Adalo um Jettaberga, seiner Tochter Hand. Jettaberga ist das schönste Mädchen am See ... —«

»Das ist nicht wahr,« sagte Adalo sehr ernsthaft.

»Ihre Sippe die mächtigste nach der deinen, an Speeren und an Rindern, an Schilden und an Schollen die reichste.« »Das ist wahr,« nickte der Jüngling. »Aber Adalo wies den Antrag ab, sobald es genug bekannt geworden war am See, daß Jetto selbst ihm die Tochter angetragen, weil beide Sippen bei dem Bund gewonnen hätten —«

»Besonders Jetto!« bestätigte die Alte. »Und weil Jettaberga den Edeling schöner fand, als alle Männer.« »Das ist wohl nicht wahr!« lächelte dieser gutmütig. »Doch! Es ist wahr!« rief die Kleine heftig. »Leugn‘ es nicht: — sie hat mir‘s selbst gesagt.« — »Ich will davon nichts hören!« »Bissula! — Schwätzerin!« mahnte die Großmutter. Diese biß sich auf die Lippe. »Bah — er wußte es doch schon! Oder glaubte es zu wissen! Wie er es von allen Mädchen glaubt. Und so soll es denn scheinen — ihm selbst und seinen Genossen, — daß auch Bissula, — die zwar weder reich noch schön, aber eben Bissula ist, das heißt trotzig und nie gebändigt. — daß auch ich, statt nach dem Volkesschluß in die Sümpfe, lieber auf den Weihberg flüchte: — zu dem Edeling! Aber« — und fast drohend sprühte nun ihr Auge, — »dessen sollst du dich nie berühmen!« — »Und wenn ich befehle?« warnte die Alte. »So lauf‘ ich allein in die Sümpfe! — Vergieb, liebes, liebes Mütterlein, — aber nicht du bist, Suomar ist mein Muntwalt. Hat er befohlen? Sprich!« »Er hat nur geraten,« erwiderte Adalo zögernd. — »So bin ich frei! Rat mag man befolgen oder unbefolgt lassen. — Das aber wisse: Hättest du jetzt gelogen ... —«

Der Jüngling erbleichte. »Verwegene!« schalt die Greisin. »O ich weiß: — er lügt nie! Aber nicht aus Wahrhaftigkeit: — nur aus Stolz! — Hättest du ein Gebot meines Muntwalts vorgeschützt: — lieber in den See wär‘ ich gesprungen, wo er am tiefsten ist, als dir gefolgt.« — »Welch‘ unsinniger Trotz! Ihn treibt die Sorge.« — »Ihn treibt der Übermut! — Alle Blumen schlingt der Eitle zum Spiel um sein lockig Haupt: in diesem Siegeskranz soll auch Bissula nicht fehlen, die rote Heideblume.« — »Die rote Heideblume allein soll mein Leben schmücken,« sprach der Jüngling feierlich. Da erschrak das Mädchen: alle Farbe wich aus ihrem Antlitz: sie zitterte: wankend griff sie, sich zu halten, nach dem Arm der Großmutter. Diese aber wandte ernst, hochaufhorchend, das Haupt gegen Adalo: »Welch‘ Wort wagtest du da?« — »Ein wohl gewognes. Ich stehe in keines Mannes Muntschaft: — ich bin alt genug, ein Weib heimzuführen, stark genug, es zu schützen. Wohlan, Bissula — Jugendgespielin: folge mir! Ich entrichte jeden Muntschatz, den Suomar verlangen mag. Ich hab‘ dich lieb wie keinen Menschen sonst. Folge mir auf den Weihberg, daß ich dich dort schütze: — meine Braut!«

Siebentes Kapitel

Da schmiegte sich das Mädchen noch näher an Waldrun: aber diese sprang erschrocken auf: mit rascher Bewegung suchte ihre Hand das Herz der Enkelin. »Wie pocht es da!« flüsterte sie. Und nun erhob sie, wie abwehrend, die Linke hoch wider den Jüngling, mit der Rechten das hold erglühende Mädchenantlitz bergend unter ihrem faltigen Mantel. »Laß ab, du Arger,« sprach sie mahnend. »Argwohn ergreift jetzt mich selbst. Wenig würdig ist, daß du wagst, vor uns beiden schirmlosen Frauen das Wort der Werbung zu sprechen, das Mädchen verwirrend und, neugierig, eitel, versuchend, wie diese Werbung wirke! Nicht also will es der ehrbare Brauch unseres Volkes! War es dir ernst mit dem Freien — Suomar zuvor, den Muntwalt, mußtest du angehen: er vergiebt meiner Enkelin Hand, nicht diese selbst. Mit dem Muntwalt verträgt, wer Ernst und Ehe meint, das Mägdlein beschwatzt, wer Kurzweil und Lust begehrt! Geh: — ich zweifle an dir!«

Beteuernd legte der Gescholtene die Hand auf die Brust: aber bevor er sprechen konnte, war das Mädchen aus dem bergenden Mantel der Großmutter hervorgehuscht: ihre Wangen glühten: die roten Haare hoben sich: fast meinte man, sie knistern zu hören: ihre zornigen Augen blitzten: sie sprang gegen den Jüngling und stieß ihn mit beiden Händen vor die Brust: aber er wankte nicht.

»Ja, geh!« rief sie. »Ich zweifle nicht! Sogar Waldrun, die Gute, die dir stets das Wort geredet, ward irr an dir! Und sie kann es doch nicht sehen, dein übermütig strahlendes Antlitz, das verhaltene Siegeslächeln auf diesen stolzen Lippen, den Hochmut dieser leuchtenden Augen! — Da — sieh — wie jetzt die Güte, die angenommene, aus deinen Zügen weicht! — Wie du dich aufbäumst! — Hoch das Haupt zurückwirfst! Ja, das ist der Edeling, der Rasche, der Starke, der Schöne! der da meint, jeden Einfall, jede Laune müsse ihm, seinem Liebling, der Wunschgott erfüllen. Du und die arme Kleine, die rote Bissula an deinen Herd führen! — Übrigens: Bissula heiß‘ ich nur für meine Freunde: — für Fremde heiß‘ ich Albfledis. Recht hat Waldrun: die Blinde hat es gesehen: meintest du‘s ernst, — mit dem Muntwalt mußtest du vertragen.« Sie trat von ihm zurück und ergriff der Großmutter Arm: »Komm! Laß uns in das Haus gehn!«

Aber hochaufgerichtet vertrat den Frauen Adalo den Weg: Trauer und Zorn rangen um die Herrschaft in dem Ausdruck seiner schönen Züge. »Ich hatte es ernst gemeint, so ernst! Freia weiß es! Bald sollte Frigga davon wissen! Mit Suomar sprach ich nicht, weil ich nicht, wie die meisten, das Mädchen ungefragt, nur durch des Muntwalts Machtspruch, gewinnen wollte: denn nicht nur ihre Hand und ihren Leib, — ihr Herz, ihre Liebe wollt‘ ich mir erringen. Suomars war ich wohl sicher.« — »Hörst du den Hochmut, Großmutter?« — »Ohne Hochmut! Was kann dein Ohm gegen mich einwenden? Nichts! Und wir haben immer freundliche Nachbarschaft gehalten: er hätte mich nicht abgewiesen! Aber ich wollte dich nicht vergabt von einem andern: — dich Trotzgemute! Ich wollte, die Jugendgespielin sollte selbst sich mir geben. Ja, ich gesteh‘ es: ich hoffte, sie sei mir noch von der Kindheit Tagen her ein wenig — ein ganz klein wenig gut geblieben!« — »Übermütiger!« — »Und jetzt hat mir die Stunde, die Gefahr die Zunge gelöst. Der Römer naht! Wer weiß, was er über uns bringt. Du aber hast mich fortgestoßen mit unverdientem Argwohn, hast meine treu gemeinte Hilfe verschmäht. Aber freilich« — und hier furchte er in schmerzlichem Zorne drohend die Stirn — »dir thun vielleicht die Feinde nichts zu leide!«

»Wie meinst du das?« forschte die Alte: aus ihrem Ton sprach Besorgnis vor neuem Stoff zum Hader unter den jungen Leuten. Bissula aber warf, ohne zu fragen, einen blitzenden Blick auf ihn. »Du hast ja,« fuhr er mit verhaltnem Grimme fort, »seit Jahren Freunde unter den Verhaßten: — wenigstens einen Freund. Vielleicht kehrt er mit den uns bedrohenden Kohorten hierher zurück, der weise, klugredende und — vor allem! — so reiche Senator! Mit dem freilich und seinen Geschenken an Schmuck, an Edelobst und fremden Blumen kann sich nicht messen ein alamannischer Edeling, ein ›Barbar!‹ — Und daß ich deines Volkes bin, jener aber von unsern Erbfeinden: — was gilt das dir? Du brauchst, ja du willst vielleicht weder Sumpf noch Weihberg zum Schutz gegen deinen — Freund!«

»Schweig, Edeling! Sie war damals dreizehn Jahre. Ihr Vater, ja fast ihr Großvater konnte der wackere Römer sein.« — »Aber er war so klug! Er wußte die Worte so zierlich zu setzen, daß ich sie meist gar nicht verstand. Und Albofledis hörte sie so gern, die Sprache der — Feinde!« — »Wenigstens,« fiel das Mädchen nun ein, die Worte hastig hervorstoßend, »hat Ausonius niemals die Sprache übermütigen Spottes zu dem Kinde geredet! Und ich sage dir, da du mich reiztest: ja, käme der Würdige, Mildherzige jemals wieder und wollte er mich wieder, wie damals, mit sich nehmen, als sein Kind, in sein schönes Land, in sein reiches Säulenhaus, — höre es: eher folgte ich ihm, die Tochter dem Vater, als daß ich dir lauschte und deiner höhnenden Werbung.« — »Halt, Albofled,« sprach der Jüngling, hoch sich aufrichtend. »Genug! Meine Werbung? Sie ist aus, für immerdar! Nie wiederhol‘ ich sie — ich schwör‘s bei diesem Speere! Du hast mich verschmäht —, hast mir den Römer offen vorgezogen —: höre mein Wort vor deiner Ahnfrau und vor der allsehenden Frau Sonne: nie wieder wirbt Adalo um dich! Und ob mich der heiße Durst des Herzens nach dir verzehre, — eher sterb‘ ich, als daß ich nochmal bittend dir nahe.« — »Wehe,« klagte die Blinde, »wehe um meinen liebsten Wunsch! Soll er nimmer sich erfüllen?« — »Sollte sich dieser Wunsch erfüllen, Mutter Waldrun, dann müßte zuvor Albofledis zu mir in meine Halle kommen und mich bitten: sieh, Adalo, hier bin ich! Nimm mich zum Weibe!« »Ha, freches Frevelwort!« rief Bissula, außer sich vor Zorn und Schmerz. Sie wollte einen der großen Steinblöcke emporreißen, die vor der Eiche gefügt lagen, und ihn auf den Verhaßten schleudern. Aber ihre kleinen Händchen rissen sich fruchtlos blutig an dem scharfen Gezack: unbewegt blieb der schwere Block: in Thränen ohnmächtigen Zorns ausbrechend sank sie über dem Stein zu Boden. Lauschend, angstvoll beugte sich die Alte zu ihr herab. Adalo aber hatte von all‘dem nichts mehr gesehen und gehört. Zorngemut und stolz hatte er bei seinem letzten Wort den Frauen den Rücken gekehrt: den Speer auf der Schulter sprang er hastig den Bühl hinab, so rasch, daß die gelben Locken wild um sein schönes Haupt flogen.

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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
290 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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