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Kitabı oku: «Bissula», sayfa 3

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Achtes Kapitel

Seitdem waren Tage vergangen. — Ohne Widerstand zu finden, waren die Römer in das Land gezogen. Nachdem sie auf der Höhe von Meersburg Lager geschlagen und den folgenden Tag Rast gehalten, waren sie wieder aufgebrochen und, von dem See und dessen sumpfigen Ufern sich etwas landeinwärts wendend, in langsamem Zug auf den »Idisenhang« gelangt. Da sie auch diese beherrschende Stellung unverteidigt gefunden, hatten sie hier, auf dem mit der Flottenabteilung verabredeten Punkt, ein Standlager errichtet. Sobald dies ausreichend befestigt schien, um von einer kleinen zurückzulassenden Schar verteidigt werden zu können, und sobald die Waffenbrüder drüben in Arbon ihre Flotte segelfertig gerüstet hatten, sollte diese herüberfahren, landen und die gemeinsame Treibjagd auf die aufzusuchenden Barbaren beginnen.

Kaum aber hatte Nannienus von drüben, von Arbon aus, bemerkt, daß die Landschar den verabredeten Punkt erreicht und das Lager geschlagen hatte, als er auf raschem Fischerboot eine Nachricht herübersandte, die den Fortgang der Unternehmung auf unbestimmte Zeit zu hemmen drohte. Sowie der tüchtige Heerführer in der römischen Hafenstadt eingetroffen war, stellte sich ihm heraus, daß die Ausrüstung der erforderlichen Fahrzeuge viel mehr Zeit erheischen werde, als man vorausgesetzt hatte.

Die Angaben der Beamten und Offiziere in ihren Briefen an den fernen Kaiser, die ansehnliche Reste der alten römischen Bodensee-Flotte als noch erhalten gemeldet und durch neu gefertigte Schiffe verstärkt gepriesen hatten, erwiesen sich als falsch, als maßlos übertrieben: die Gewissenlosen, verdorben wie fast der ganze Beamtenstand des Reiches, hatten ihre zahlreichen Schlappen verschwiegen, in welchen die Barbaren jene Schiffe allmählich zerstört hatten, die Gelder für Herstellung neuer Kiele aber hatten sie unterschlagen und die neu herzustellenden Segel als vollendet gemeldet. So erkannte und meldete der Comes von Britannien mit bitterem Zorn, — in Ketten schickte er die pflichtvergessenen Quästoren und Nauarchen dem Kaiser nach Vindonissa zur Bestrafung — daß er, obschon er in der kleinen Werft Nacht und Tag arbeiten lasse, erst in erheblich späterer Zeit die aufgetragene Landung werde ausführen können. Der thatendurstige Saturninus war empört über die aufgezwungene Muße: aber es blieb ihm nichts übrig, als auf die Fäulnis der Beamtung, des Reiches, der ganzen Zeit zu schelten — und zu harren.

Auf dem hochragenden Gipfel der Anhöhe, der heute den Kirchhof des Dorfes Berg trägt, in dem »Prätorium« genannten Teil des Lagers, war das reichgeschmückte Zelt für den Präfectus Prätorio von Gallien aufgeschlagen. Weiche, mehrfach übereinander gelegte Teppiche bedeckten den Boden. Ein »Lectus« (Ruhebett) war an der Rückseite des Lederzeltes aufgestellt. Daneben prangte ein Tisch von Citrusholz, mit kostbaren Trinkgefäßen besetzt. Ein alter Freigelassener, ein Kochsklave und der Bechersklave waren beschäftigt, die letzte Hand anzulegen. Für drei Zecher ward Platz gemacht auf dem hufeisenförmigen Ruhebett und eine Reihe von Bechern ward aufgestellt: denn in dem Zelte des Tribunus hatte man zwar die Coena eingenommen, aber der Präfekt hatte jenen und seinen eigenen Neffen eingeladen, nach dem Mahle noch einige erlesene Weine in dem »prätorischen Zelt« zu kosten.

Während die Diener sich mit dem Tische beschäftigten, war das lockere Leder an den Stangen auf der Rückseite des Zeltes wiederholt sachte gelüftet, aber gleich wieder niedergelassen worden; niemand hatte es bemerkt.

Nun gingen die übrigen; nur der Bechersklave schien noch nicht ganz fertig: immer wieder wischte er an der Innenfläche eines stolzen Silberpokals, der, von drei anmutigen Mädchengestalten getragen, die Aufschrift trug: »Ihrem Liebling Ausonius die Grazien.« »Noch immer nicht fertig, Davus?« hatte bei dem Fortgehen der alte Freigelassene unzufrieden gefragt. »Nein, Prosper,« war die Antwort gewesen. »Du weißt: der Herr trinkt nur aus diesem Becher, des Kaisers Geschenk; und er ist so eigen damit.«

Kaum war der Sklave allein, als das Zeltleder abermals gelüftet ward: ein lauerndes Gesicht schob sich behutsam nach innen: »Endlich allein!« flüsterte der draußen. »Ich wartete auf dich, Herr.« — »Nun? Heute? Beim Nachttrunk?« — »Nein! Ich wage es noch nicht. Dein Oheim ist so gesund wie daheim in Burdigala. Laß ihn erst erkranken unter diesem barbarischen Himmel, bei den ungewohnten Anstrengungen des Lagerlebens, in Regen und Sumpf; dann geht es eher. Aber jetzt? Aus heiler Haut? Nein, nein! Habe Geduld! Warte noch!« — »Ich kann nicht mehr warten! Meine Gläubiger, die Wucherer, verfolgen mich bis aufs Blut, — bis hierher in das Lager. — Und diese Gegend, diese Nachbarschaft! Du weißt: sie ist mir gefährlicher, als jeder andere Fleck des Erdkreises. Darum, eile dich!«

»Sobald er nur ein wenig unwohl wird, — dann alsbald. Auch will ich‘s nur gestehn ... —« — »Was?« — »Das Fläschchen mit dem Gift, — das du mir gegeben, — ich hab‘ es nicht mehr.« — »Verloren, Tölpel?« — »Nein, zerbrochen! Bei dem schweren Steigen auf den Berg neulich am See glitt ich aus, — schlug mit der Brust auf den Fels, das Fläschlein klirrte und der Saft floß aus.« — »Ha, woher nun anderes —«

»Sorge nicht, Herr! In diesen Sumpfwiesen habe ich Schierling genug wachsen sehen, unser ganzes Heer zu vergiften. Schon hab‘ ich zu sammeln, zu trocknen begonnen. Thu‘ du desgleichen und sobald —« Da hörte man laute Stimmen, klirrende Waffen nahen. Das Gesicht in der Zeltfalte verschwand und der Sklave trat aus dem Eingang in das Freie.

Neuntes Kapitel

Gleich darauf schritten von der Vorderseite, der Via principalis her, Ausonius und Saturninus auf das Prätorium zu, während Herculanus heimlich von der rechten Rückseite, vom Quästorium, einbog und nun mit in das Zelt trat, wo der Wirt seinen beiden Gästen die Sitze neben sich auf dem Lectus zuteilte. — Er war noch immer eine stattliche Gestalt, dieser kaum merklich alternde Mann von zweiundfünfzig Jahren. Das edel gebildete Antlitz entbehrte nicht der latinischen Vornehmheit an Stirn, Nase und schön geschweiften Brauen.

Aber der Mund hatte so oft gelächelt — auch wohl allzuoft in Selbstgefälligkeit, — daß er verlernt hatte, sich in festem Vorsatz zusammenzuschließen: er war weich gebildet, dieser Mund, allzuweich für einen Mann. Und die hellbraunen Augen, so freundlich und wohlwollend, so zufrieden mit allen Dingen und Menschen — und nicht am wenigsten mit Ausonius! — verrieten doch am stärksten das heranschreitende Alter: sie hatten das Feuer des Blicks verloren. Müde schienen sie, aber nicht vom Leben, sondern vom Lesen. Denn Ausonius war Professor gewesen, Rhetor, Prinzenerzieher und — »Dichter!« Das bedeutete aber in jenen Tagen einen unglaublich viel lesenden Mann, der, in Ermangelung eigener erheblicher Gedanken, mit Bienenfleiß die Gedanken der Schriftsteller von vier Jahrhunderten excerpierte, auseinanderriß, und in so künstlich kleinen Splitterchen wieder wie bei einem Geduldspiel zusammensetzte, daß seine Leser — und er selbst! — sie für neu, für seine eigenen hielten und die peinliche Mosaikarbeit nur schwer in ihre überall her entliehenen Bestandteile hätten auslösen können.

Leidenschaften hatten dies glatte Antlitz nie gefurcht: die Runzeln um die Augen waren nicht von Schmerzen, nur von den Jahren gegraben. Diese freundlich gestimmte Seele, die selbst alles zum besten kehrte, fand auch alles in der Welt vortrefflich bestellt und glaubte alles Ernstes, daß es allen Leuten, die nicht schwere Verbrecher und deshalb mit Fug und Recht übel daran wären, so erfreulich gehe wie dem sehr, sehr reichen, von der Geburt an vom Glück getragenen, wohlwollenden, wohlbelesenen und wohlredenden, von seiner ganzen Umgebung verhätschelten Decius Magnus Ausonius von Burdigala (Bordeaux), der wonnereichen Villenstadt: wie Ausonius, der, nach seiner Zeitgenossen und besonders auch nach seinem eigenen Urteil, der größte Poet seines Jahrhunderts war, was freilich, auch wenn es wahr gewesen wäre, nicht viel hätte heißen wollen. —

Dieser wirklich liebenswürdige, gutmütige, nur ein wenig selbstzufriedene Mann spielte nun die Rolle, die ihm von allen am besten ließ — viel besser als die des Dichters oder des Staatsmannes! —: die Rolle des Wirtes, der, selbst behaglich, es auch seinen Gästen behaglich machen will: jene freundliche, heitere, wohlwollende Herzensweiche, die gern alle Leute fröhlich sehen möchte — freilich, ohne sich selbst dabei allzuviel Opfer anzumuten — kam da zu erfreulichstem Ausdruck.

»So! Geht nun, ihr Sklaven,« winkte er diesen, die wieder eingetreten waren. »Pflegt euch, — wie wir uns pflegen. Geh, auch du, getreuer Prosper: nimm für dich — und gieb jenen nur auch! — von dem besseren Wein, den vom Rhodanus, du weißt! Ich sah, wie schwer die Armen schleppten an den Schläuchen den steilen Hang herauf. Geht: wir bedienen uns selbst.« Und er streckte sich behaglich auf dem Lectus aus, ein weiches Daunenkissen, gefüllt mit den geschätzten Federn germanischer Gänse, unter das Haupt schiebend. »Reiche, lieber Neffe, dort die Amethystschale dem Tribun! Denn wacker soll er trinken, unser illyrischer Herkules! Nein, — nicht nach dem Mischkrug langen, Saturninus! Den ersten Becher — ungemischt: dem Genius des Kaisers Gratianus!« — »Gut, daß der Kaiser selbst dich nicht hört,« lachte der Tribun, die leergetrunkene Schale niedersetzend. »Ich bin nicht Christ, nicht Heide, ich bin Soldat, und niemand fragt nach meinem Glauben. Aber du! Gratians Lehrer! Der Kaiser ist eifrig im rechten Glauben! Und du spendest ›seinem Genius‹, als lebten wir in den Tagen Diokletians! Bist du ein Heide, Präfectus Prätorio von Gallien?«

Ausonius sah sich um, ob auch kein Sklave horche. Dann lächelte er: »Wär‘ ich Heide, das heißt, wär‘ ich nicht ein bischen getauft, — dann wär‘ ich sicher nicht Präfectus Prätorio von Gallien: diese Würde ist aber doch wohl ein paar Tropfen gleichgültigen Wassers wert. Und durch die Haut sind sie mir nicht gedrungen. Wie könnte ein Poet der alten Götter vergessen!« »Ja, ja,« meinte der Tribun, »streicht man aus deinen Versen die gelehrten mythologischen Anspielungen, so sind dem Raben Ausonius die buntesten der eingeflickten fremden Federn ausgezupft!« »Tribun!« zürnte der Neffe —, er schrie dabei lauter als nötig gewesen wäre — »du sprichst von dem größten römischen Dichter!« »Nein, nein,« meinte der so Gepriesene ganz ernsthaft, »es giebt wohl deren zwei oder drei größere.« »Vergieb mir, Ausonius,« bat Saturninus. »Ich verstehe mich auf Schlachten, nicht auf Verse. Und es mag wohl meine Schuld sein, daß mir die deinigen nicht gefallen.« — »Du kennst ihrer zu wenige,« mahnte Herculanus. »Bin nicht dieser Meinung!« lachte der Illyrier. »Zum Lesen hab‘ ich nie viel Muße gehabt. Aber wenn man neben deinem Oheim reitet — ob durch Aquitaniens Oliven, ob durch der Mosella Rebenhügel, ob durch den Sumpfwald der Alamannen, — er hat ein unerschöpfliches Gedächtnis: — meilenlang kann er seine Verse hersagen.« »Ja,« bestätigte der Poet wohlgefällig, »mein Gedächtnis muß mir die Phantasie ersetzen.«

»Wäre es nicht besser,« fragte der Soldat, »du hättest Phantasie, und deine Leser behielten gern im Gedächtnis, was sie erfindet?« — »Mein Oheim kann den ganzen Vergilius auswendig!« — »Ja, das merkt man: — an seinen Versen! Der Leser weiß oft nicht mehr, wo Vergilius, wo Ovidius aufhören und wo Ausonius anhebt. Aber Ausonius recitiert am liebsten die eigenen Verse.« Dieser nickte vergnüglich. »Sieh, das ist das Beste an dir, Präfekt, daß du, obzwar ein wenig eitel, wie alle Versedreher, doch das Herz am rechten Flecke hast: ein warmes, gütevolles Herz, das einem Freunde keinen Scherz verübelt.«

»Da müßt ich zugleich dumm und böse sein.«

»Zur Belohnung will ich dir nun auch sagen, daß ich einem Gedicht von dir — oder doch einem Stück daraus — eine köstliche Nacht verdanke.« Angenehm berührt richtete sich der Dichter auf dem Lectus auf: »Welchem Gedicht?« — »Deiner Mosella.« »Ja, ja,« schmunzelte Ausonius, »die gefällt mir selbst nicht wenig.« »Göttlich ist sie!« beteuerte Herculanus. »Bin kein Theologe,« lachte Saturninus, »daß ich mich aufs Göttliche verstände. Aber das Schönste in dem Gedicht ist die Schilderung der verschiedenen Fischarten des Mosella-Flusses.« »Ja, ja,« lächelte der Verfasser vor sich hin und schlürfte behaglich einen langsamen Trunk, »Vers zweiundachtzig bis einhundertneunundvierzig: das ist sehr hübsch, zumal in der Euphonie.« — »Ach was Euphonie! — Ich las es abends. Über dem sonstigen Inhalt schlief ich ein.« »Barbar!« schalt der Dichter. — »Aber im Traum sah ich alsbald die köstlichen Fische alle vor mir: den Salm —« »Auch dich preis‘ ich, o Salm, mit dem rötlich schimmernden Fleische!« citierte Ausonius. — »Die Forelle.« — »Dann die Forelle, den Rücken besprengt mit den purpurnen Sternlein. — He, das nenn‘ ich Hexameter.« — »Die Äsche.« — »Und die flüchtige Äsch‘, entfliehend den Augen im Schnellsprung!« — »Ja: aber nicht so, wie du sie schilderst: lebend in der Mosel, sondern — ich esse nichts lieber als einen feinen Fisch! — auf silbernen Schüsseln sah ich sie vor mir, sämtlich gebraten, gesotten, in leckern Brühen! Und im Traume kostete ich sie alle! Und da ich erwachte, leckte ich mir die Lippe und segnete Ausonius: keinem Dichter hab‘ ich je solchen Genuß verdankt.« Und er lachte und trank.

Zehntes Kapitel

»Ich bin großmütig,« erwiderte der Geneckte. »Gut, daß ich hierdurch auch einmal ein Lieblingsgericht meines sonst so spartanischen Freundes entdeckte. Ich werde mich rächen, indem ich dir, wenn irgend möglich, die köstlichen Fische vorsetze, die dieser See birgt: den in der grünen Tiefe lebenden Felchen und, mit zartestem Fleische, den Seeferch. Besser noch sind sie als die der Mosella: sicher könnte ich sie dir liefern, hätten nicht die thörichten Barbaren vor unserm Rachezug alle das Ufer verlassen. Als ich vor fünf Jahren drüben in Arbor felix monatelang weilte, den Zustand der Grenzlande zu untersuchen, was erhielt ich da für herrliche Fische!« — Wie in Nachdenken versunken seufzte er: »Ach, das war noch eine glückliche Zeit! Da lebte noch meine teure Frau, meine sanfte Sabina.« »Heil sei deinem Andenken, Attusia Lucana Sabina!« fiel der Neffe ein. »Und meine lieben Kinder! Da war doch mein großes, schönes Säulenhaus in der Stadt und die reizvolle Villa vor dem Garumna-Thor noch nicht leer und ausgestorben! Wie fröhlich scholl der jungen Mädchen Gesang zur Zeit der duftigen Rebenblüte durch die Gelände! Da sah ich noch um mich gedrängt liebe Häupter von Verwandten, stand nicht allein, arm mit all‘ meinem Reichtum, wie jetzt —!«

»Oheim,« schalt der Neffe, der den Ton des zärtlichen Vorwurfs ausdrücken wollte, aber nicht recht traf. »Allein stehn! Hast du nicht mich, der dich so herzlich liebt?« Der Tribun heftete einen kühlen Blick auf den eifrigen Neffen. Ausonius aber beschwichtigte gutmütig: »Gewiß, Liebster, du bist mir geblieben. Aber du allein aus der ganzen reichblühenden Familie, welche in einem Jahre die böse Seuche hinraffte: meine Sabina, meine drei Kinder, meine beiden Schwestern und zwei junge holde Nichten! Du allein kannst mir doch nicht sie alle ersetzen! Ich fühle mich oft so vereinsamt! Und du bist ein Mann! Meine milde Frau, meine Töchter, meine Schwestern, meine Nichten: wie fehlen sie mir! Ich gestehe es: — ich bedarf des Wohlklanges weiblicher Stimmen, der weichen Bewegung von Frauengestalten um mich her! Mir fehlt etwas!«

Der Neffe griff hastig, erregt, nach dem Becher. Der Tribun aber sah ihm scharf ins Gesicht und, ohne den Blick von dem Neffen zu wenden, sprach er plötzlich zu dem Oheim sehr laut: »Heiraten mußt du wieder!« Erst jetzt kehrte sich der Illyrier von Herculanus ab: er schien sich an ihm satt genug gesehen zu haben.

»Ja,« sprach langsam, fast feierlich Ausonius. »Ich habe das oft erwogen. Es ist eine ernste, sehr ernste Sache — in meinem Alter!« »In jedem Alter,« sprach Saturninus. »Die Jahre stehen dir nicht im Weg! Du magst fünfzig sein?« »Zweiundfünfzig,« seufzte der Gefragte. »Und mein Haar ist grau!« — »Noch nicht sehr! — Übrigens: das meine auch! Bei mir vom Helmdruck! — Und es läßt dir recht gut! Du bist ein —« »Ein schöner alter Herr! willst du sagen,« lächelte Ausonius. »Ist just nicht, was die Mädchen lieben.«

»Nun, du brauchst dir ja keine sechzehnjährige auszusuchen.« »Aber auch keine viel ältere!« fiel der Dichter hurtig ein. »Nein, mein Freund! Ich will ja Jugend und Anmut um mich haben!« »Auch gut,« meinte der Illyrier. »Du hast die Auswahl in deiner Provinz, ja im ganzen Reich. Du, der höchste Beamte in Gallien, des Kaisers Lehrer und Liebling, der gefeierte Dichter und ... —«

»Und die reichste Partie im Abendland!« rief der Neffe in grellem Ton dazwischen. Er hatte bisher hartnäckig geschwiegen, die Augen niedergeschlagen und den im Ausdruck allzu beweglichen Mund mit der Hand bedeckt. »Der reichste Greis diesseit der Alpen!« fügte er bei. »Ja, das ist es,« seufzte Ausonius bitter. »Herculanus spricht nur offen, freimütig aus, was mich in diesen Jahren im stillen soviel gequält, ja, was allein mich abgehalten hat. Du weißt, mein Freund — oder vielmehr, du rauher Tribun der Kriegslager, du weißt es nicht! — wie, aus welchen Erwägungen in unseren großen Städten die Eltern ihre Töchter verheiraten, ja wie diese Mädchen selbst, kaum haben sie die Puppe beiseite gelegt, sofort ausspähen nach einer ›guten Partie‹! Wahrlich, nicht Eros und Anteros, — Hermes und Plutos führen heute die Paare zusammen.« »Ja, sie heiraten nur das Geld!« zürnte Herculanus. »Ich bin arm: — mich fliehen die Mädchen! —« Der Tribun wollte etwas erwidern, aber er lachte nur — und trank. »Obwohl ich fast dreißig Jahre jünger als der Oheim! — Ihn umschmeicheln Väter, Mütter, Vormünder, ja diese aufdringsamen Katzen selbst, — daß ich ihn kaum genug warnen und hüten kann.« »So hütet der Zeidler den Honig vor den Mäusen,« brummte der Illyrier unhörbar vor sich hin. — »Mein Neffe hat ganz recht. Ein Freund von mir, Erminiscius, ein reicher Kaufmann, Juwelenhändler, fünfzig Jahre alt, heiratet ein Mädchen von zwanzig. Eine Woche darauf ist sie verschwunden, mit all‘ seinen alten Juwelen und — mit seinem jüngsten Freigelassenen. — Ein anderer, Euronius, ein großer Weinbergbesitzer, etwas älter, heiratet eine junge Witwe von fünfundzwanzig — das heißt: er ward von ihr geheiratet: denn sie ruhte nicht eher! Noch vor der Hochzeit mußte er sein Testament machen: sie diktierte es ihm Wort für Wort: — an den nächsten Calenden starb er an — Bauchgrimmen. Gefiel mir gar nicht: — ich hasse Bauchgrimmen! Und ganz nahe seinem Garten wuchsen so viele Tollkirschen! Und nun hättest du die Lebensvergnüglichkeit dieser Doppelwitwe sehen sollen! Auf einmal machte sie mir einen Besuch — sie ist sehr schön und war hinreißend lieb gegen mich: — aber ich dachte immer an des verewigten Euronius Bauchgrimmen und kam so noch ungeheiratet davon. Nun bilde ich mir nicht in allen Fällen das Durchgehen oder einen Tollkirschenkuchen ein: — nicht jede ist eine Helena oder eine Locusta! — Mißtrauen ist mein Fehler sonst nicht! —« »Eher das Gegenteil,« meinte Saturninus. — »Aber, ich gestehe es, meine grauen Haare machen mich argwöhnisch. Ich wäre so unglücklich — Apollos reichster Lorbeer würde die Wunde nicht heilen! — müßte ich glauben, man habe mich geheiratet, nur um mich zu beerben. Ich verdiene das nicht.« »Nein, wahrlich nicht,« rief der Tribun, warm seine Hand drückend. »Du weiches, warmes, offnes Herz! Niederträchtig wäre, wer dir Liebe heuchelte um deines Geldes willen! Und ich wünsche dir, daß du noch ein ganzes Rudel von Kindern um deine Kniee spielen siehst in den herrlichen Villengärten an deiner geliebten Garumna blühenden Ufern.« Ausonius lächelte behaglich vor sich hin. Das Bild schien ihn zu vergnügen. Da traf sein Auge den Blick des Neffen, der, minder behaglich, in die Ferne zu schauen schien. »Sorge nicht, Herculanus!« mahnte er. »Auch wenn das so käme, — mein Testament würde deiner nicht vergessen — und deiner Gläubiger!« fügte er mitleidig lächelnd bei. »Testament! Welch‘ Unheilswort! Fern sei das Omen!« rief der Neffe. »Nun, man stirbt ja nicht am Testiren! Sonst wäre ich lange tot. Ein römischer Bürger bestellt als beflissener Hausvater sein Haus für alle Fälle: — auch für den Todesfall. Und so habe ich denn, obzwar Herculanus jetzt nach dem Gesetz ohnehin mein einziger Erbe, vor dem Aufbruch zu dem Heere mein Testament vor der Kurie zu Burdigala errichtet und ihn feierlich zum Erben eingesetzt: ein paar kleine Vermächtnisse, dann Freilassungen von treuen Sklaven mußte ich doch auch anordnen. Dir, Saturninus,« fuhr er lachend fort, »vermache ich aber nach der Heimkehr in einem Kodicill ein wertvoll und dankbar Andenken an diesen Abend!« — »Nun?« — »Ein Exemplar der Mosella — jedoch: die Verse über die Fische zur Strafe herausgeschnitten!« Und er trank, vergnügt über seine eigne gute Laune.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
290 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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