Kitabı oku: «Bissula», sayfa 4
Elftes Kapitel
»Du sollst und wirst mich überleben, mein edler Freund! Der Kriegstribun liegt doch bald, wohin er gehört: auf seinem Schild. Du aber, du gehörst nach Burdigala in dein geschmackvolles, von seltenen Kunstwerken gefülltes Säulenhaus: — welche Gastfreundschaft hab‘ ich dort nach meiner letzten Verwundung genossen! — Oder gar nach Rom: in den Senat! Nicht hierher in die Waldsümpfe dieser Alamannen! — Warum — mochtest du immerhin den Kaiser nach Vindonissa begleiten — warum hast du, Mann des Friedens und der Musen, dich diesem Streifzug angeschlossen? Das ist doch nichts für dich! Was hast du auf dem barbarischen Ufer dieses Sees zu schaffen?« »Ich? — Ich — suche hier etwas,« antwortete Ausonius nach einigem Zögern. — »Lorbeern des Mars zu denen des Apollo?« — »Nicht doch! — Nur — eine Erinnerung!« Herculanus warf einen verständnisscharfen Blick auf den Oheim.
»Oder: wenn du lieber willst — einen Traum, eines Traumes Erfüllung. Ich halte viel auf Träume!« »Natürlich,« lächelte der Tribun, »wie alle Poeten! — Ich halte mehr auf wache Gedanken.« — »Als ich mit dem Heere drüben in Bindonissa angelangt war, stieg mir lebhaft empor eine liebe, holde Erinnerung an ein Kind: ein an Leib und Seele gleich reizendes Kind, das ich vor einigen Jahren hier kennen gelernt und liebgewonnen habe.«
»Einen Knaben?« — »Nein, ein Mädchen.« »Ei, ei, Pädagoge des Kaisers!« scherzte der Tribun. Der Neffe scherzte nicht; schweigend beobachtete er jede Miene des Oheims.
»O beruhige dich! Bissula ist ein Ding von etwa zwölf Jahren, — das heißt — sie war es damals. Sie brachte mit einem sarmatischen Knecht jede Woche die Fische nach Arbor, die ihr Oheim hier am Nordufer gefangen. Und wie anmutig plauderte sie! Ihr barbarisches Latein sogar klang zierlich aus dem kirschroten Mund! Wir wurden die besten Freunde. Ich schenkte ihr — Geld nahm sie nicht und nicht kostbaren Schmuck — geringen Zierat und vor allem: Sämereien von gallischem Edelobst und Blumen von der Garumna für ihren kleinen Hausgarten. Sie aber erzählte mir wundersame Geschichtlein von den Sylvanen und Faunen der Wälder, von den Nymphen des Sees und der Quellen hier im Lande: — aber ganz anders benannte sie die Kleine! — und von den Berg-Giganten da drüben, deren weiße Häupter im Abendgolde glänzten. Und ich — ich —« — »Du lasest ihr natürlich die Mosella vor!« lachte Saturninus. »Allerdings!? Und die kleine Barbarin zeigte mehr Geschmack dabei als der große römische Feldherr! Nicht die Fische gefielen ihr am besten ...—« — »Glaub‘ es gern. Sie hatte ja selbst bessere, rühmtest du vorhin.« — »Sondern die Schilderungen der Rebgelände und der Villen an jenem Fluß. Und als ich ihr nun erzählte, wie in meiner Heimat, an der Garumna, noch viel, viel schönere, reichere Häuser voll Marmor, Gold, Erz und Elfenbein, mit bunt bemalten Wänden und Mosaiken prangten, wie mir selbst die schönsten Paläste gehörten, und herrliche Gärten voll springender Wasser, voll fremdländischer Hirsche und Rehe und singender oder farbenschillernder Vögel: und als ich sprach von dem tiefen Blau des Himmels und dem goldenen Glanz der Sonne in Aquitaniens herrlichen, fast winterlosen Gefilden, — da konnte sie gar nicht genug hören in Versen und Prosa von der Schönheit unsres Landes und von der Pracht und Kunst unsres Lebens. Und einmal patschte sie die kleinen Händchen zusammen vor Staunen und vor Vergnügen und rief: ›O Väterlein, das möchte ich auch einmal sehen. Nur einen Tag.‹ Ich aber hatte das heitere, holde Kind so lieb gewonnen, daß ich, von dem Gedanken freudig durchzuckt, sprach: ›Ei, so komm, mein Töchterchen! Aber nicht für einen Tag: — für immer. Willigt dein Vormund ein, nehm‘ ich dich an Kindesstatt an und führe dich mit nach Burdigala. Wie wird sich meine treffliche Frau deiner freuen! Als liebe Schwester nehmen dich meine Töchter auf: — eine Römerin sollst du mir werden!‹«
»Aber da sprang sie, erschrocken wie ein aufgescheuchtes Reh, von meinem Schos auf, lief weg, hüpfte in ihr Boot, fuhr eilfertig über den See, und kam nicht wieder — viele Tage lang. Mich verzehrte die Sehnsucht, ja die Sorge, sie für immer verscheucht zu haben. Endlich ließ ich mich — es war ja damals tiefer Friede — an das Nordufer fahren und an ihre Waldhütte führen. Kaum ward sie meiner ansichtig, als sie mit lautem Aufschrei, rasch wie ein Baumspecht, eine riesige Eiche hinaufkletterte, und sich im dichtesten Geäst verbarg. Sie kam erst wieder herunter, als ich ihr feierlich, vor Oheim und Großmutter, gelobt hatte, sie nicht mitnehmen und nie wieder ein solches Wort auch nur sprechen zu wollen: ›denn,‹ klagte sie, Thränen in den Augen, ›in jenem heißen Lande müßt‘ ich elend verschmachten vor Heimweh nach den Meinen, nach den Nachbarn, ja nach Berg und Hag und See, der Waldblume gleich, welche man aus ihrem Moorgrund in trocknen Sand verpflanzte.‹« »Ein sinnig Kind,« sprach, nachdenklich geworden, der Tribun, seinen schönen braunen Vollbart streichend. »Sie ist also hübsch?« »Das will ich meinen!« fiel Herculanus ein: — laut, fast grimmig klang dies Lob. — »Ei, Neffe, du hast sie ja nie gesehen.« — »Du hast sie uns aber oft genug beschrieben! Ich könnte sie malen: — mit ihrem hellroten Haar.« »Und Bissula heißt sie?« fragte Saturninus weiter. »Ja, ›die Kleine‹,« erklärte Ausonius, »denn sie ist gar zierlich und zartgliedrig. Ich sah sie nun wieder regelmäßig, hielt aber streng mein Wort, sie nicht mehr einzuladen. Als ich Abschied nahm, weinte sie so kindliche, herzliche Thränen! ›Mit dir scheidet,‹ sagte sie, ›eine warme, goldighelle, schönere Welt, in die ich wie auf den Zehen stehend über einen Vorhang hineingeguckt.‹« —
»Neulich nun, in Bindonissa angelangt — auf dem Wege durch das Land hatte ich viel der Anmutreichen gedacht — sah ich sie in der ersten Nacht im Traum vor mir, umringelt von einer giftigen Schlange: — die Kinderaugen waren hilfesuchend aufgeschlagen zu mir. Ich erwachte mit einem Aufschrei, und schwer fiel mir auf das Herz: was kann nicht widerfahren dem holden Mädchen — denn schön mag sie seither erblüht sein! — wenn unsre Kohorten nun bald alle Schrecken des Krieges tragen in jene Ufergehölze! Und ich gesteh‘ es: ganz besonders um jenes Kind wiederzusehen — vielleicht es zu schützen, bis der Krieg sich verzogen — bat ich den Kaiser, mich diesem Streifzug anschließen zu dürfen.«
Zwölftes Kapitel
»Du aber, Herculanus,« forschte der Tribun, »glaubtest wohl des Oheims Leben nicht sicher genug unter meinem Schutz, daß du dich so eifrig herzu drängtest?« Bevor der Neffe erwidern konnte, fiel Ausonius ein: »Aber — Dank den Göttern! unser Feldzug bleibt unblutig. Die Barbaren haben das Land geräumt. Wohin mögen sie gewichen sein? Was hast du durch deine Kundschafter erfahren von dem Treiben der Feinde?« — »Nichts! Das ist das Unheimliche. Es ist, als hätte die Erde sie eingeschluckt! — Sie sollen auch wirklich viel unterirdische Gänge und Keller haben, in welchen sie ihre Vorräte und sich selbst bergen in Zeiten der Gefahr. — Nur sehr schwer sind unsere Colonen auf dem Südufer als Späher zu gewinnen. Sie wissen recht gut: wir Römer kommen und gehen, die Alamannen bleiben im Land: und sie fürchten deren Rache. Und Überläufer giebt es nicht mehr! Ja, in früheren Kriegen wird oft davon erzählt. Aber daß die Überläufer ausbleiben, zeigt, daß drüben das Selbstvertrauen steigt und die Furcht vor Rom oder auch die Hoffnung auf Rom sinkt. Nur ein Paar Freiwillige gewann ich, — für schweres Geld! — auf Kundschaft sich weit voraus zu wagen: der nach Ost gewanderte kam wieder, ohne eine Spur vom Feinde gesehen zu haben: der nach Norden gesandte kam — bisher — gar nicht wieder. Und leider auch nicht einen Gefangenen haben wir gemacht! Nicht die Spur eines Menschentrittes haben wir gesehen auf dem ganzen Marsch entlang dem See. Einmal meinte ich freilich, ich sähe aus dem dichten Schilf, das stundenweit in den See hineinreicht, eine kleine Rauchsäule aufsteigen: — ich befahl, zu halten mit dem ganzen Heer: aber gleich war das einsame Wölklein wieder verschwunden.«
»Ich begreife die Strategie unseres trefflichen Feldherrn doch nur,« spottete der Führer der Panzerreiter, zu Ausonius gewendet, »wenn ich ihm ein fast beleidigendes Maß von Vorsicht zumesse. Beim Herkules! Wo sie auch stecken, — nicht einen Tagmarsch können die Barbaren von uns entfernt sein.« — »Ja,« bestätigte Ausonius. »Ich sollte doch meinen, wir wären stark genug, sie aufzusuchen und zu verscheuchen aus ihrem Versteck.« Saturninus furchte nur leise die Brauen: »Was dein Neffe von meinem Mut urteilt, ist gleichgültig. Du aber, Präfekt, hast schon wieder vergessen, daß wir die Barbaren, nach des Kaisers Befehl, gerade nicht verscheuchen, sondern umfassen und zur Unterwerfung zwingen sollen. Zu dieser Umzingelung sind wir zu schwach und müssen wir die Schiffe abwarten. Wenn unsere Flotte nicht ihnen den See versperrt, entkommen sie abermals auf ihren Kähnen, wie schon oft. — Bleibe, pierischer Freund, bei deinen Hexametern und überlasse mir die Barbaren: es ist besser für alle Beteiligten.« »Ausgenommen die — Barbaren!« lächelte Ausonius, dem Freund die Hand reichend. »Wer sind wohl die Führer der Feinde?«
»Die Römer auf dem Südufer nennen zwei Namen. Die übrigen alamannischen Gaue haben meist Könige —« »Soweit Germanen Königsherrschaft tragen, sagt Tacitus,« nickte der gelehrte Präfekt. »Mögen sie doch immer so fortleben, in zahllose Gaue zerklüftet, unter ihren Zaunkönigen und Dorfrichterlein, denen jeder nur gehorcht, soweit es ihm beliebt.« — »Es scheint, — das hat sich geändert. — Viele Gaue schließen sich zusammen zu Bünden, die auch im Frieden beisammen bleiben, nicht nur für einen Feldzug. Die Linzgauer nun haben, scheint es, keinen König, nur einen alten Gaugrafen. Dieser aber muß ein geistgewaltiger Mann sein. Denn er, der greise Hariowald, ist zum obersten Heerführer gekoren aller gegen uns verbündeten Gaue. — Nämlich, wir haben es nicht mit den »Lentienses« allein zu thun. Sie sind, nach Jahrhunderten der Thorheit, beinahe ein wenig dahinter gekommen, diese Barbaren, daß die »Freiheit«, das heißt, das Belieben, zu thun, was man will und sich nie um den Nachbar zu kümmern, ein zwar recht schönes, aber gefährliches Vergnügen ist, und daß sie bei solcher »Freiheit« für immerdar unsere Knechte werden, alle miteinander, wenn jeder Gau schadenfroh zusieht, wie ein Nachbargau, mit dem er einmal früher Hader gehabt, von uns bezwungen wird, — bis die Reihe an den Zuschauer kommt. Früher haben sie lieber uns ihren Überschuß an jungem Volk gestellt, ehe sie sich verbündet, dem Gebot eines Volksgenossen gefügt hätten: — schon seit geraumer Zeit ist das anders geworden; auch meine Bataver, diese trefflichen Krieger, wollen mir nicht mehr bleiben, ihre Dienstverträge nicht mehr erneuern! Und man hört gar nicht mehr die zahllosen Namen kleiner Völkerschaften, wie früher: fünf oder sechs große Bundesnamen sind es, die alles Land vom Ister bis zum Suebischen Meer erfüllen. — Das gefällt mir schon lange sehr, sehr übel! — Jener Alte nun ist der Feldherr aller gegen uns verbündeten Germanen.«
»Feldherrnschaft der Alamannen!«
»Verlache sie nicht, Ausonius! Ja, diese Feldherrnschaft des Waldkriegs: — sie hat uns seit jenem Quinctilius Varus viel Blut gekostet und manchen Sieg sehr streitig gemacht. Wie jener Weißbart das Haupt, so soll ein junger Verwandter von ihm der Arm, das Schwert, der Feuerbrand des Krieges sein.«
»Wie heißt er?« — »Attalus!« — »Adalo! — so hieß ein Gespiele Bissulas! Sie nannt‘ ihn oft. Ich sah ihn auch manchmal: — trutzig genug blickte er auf mich. Sollte der es sein?«
»Weiber und Männer in unseren Seestationen wissen nicht genug zu sagen von seiner Schönheit und kühnen Kraft.«
»Nun, bisher,« meinte Herculanus, »hat weder die Kriegsweisheit des Alten, noch das Kriegsfeuer des Jungen sich gezeigt.« »Doch,« lachte Ausonius. »Ihre Weisheit ist eben der Beschluß des Davonlaufens und ihr Feuer der Eifer, mit dem sie jenen Beschluß vollführen.« Aber stirnrunzelnd rief der Tribun: »Mit solchen Reden verscheucht man die Siegesgötter und ruft die Vergelterin des Übermutes herbei! — Spottet, nachdem wir gesiegt haben! — Und auch dann: — spottet lieber nicht: die Nemesis hat leisen Schlaf!« —
»Wenn du nicht weißt, wo sie stecken, die Barbaren, was willst du thun?« — »Sie suchen, bis ich sie finde und zum Stehen bringe!« »Dann aber,« rief Herculanus — »keine Verträge, keine Gnade mehr, sondern Vernichtung! Wie oft hat dies treulose Volk den Frieden gebrochen! Unsere Legionen sind voll Wut über diese Barbaren, die sie Jahr für Jahr zu den Märschen in diesen scheußlichen Sumpfwäldern zwingen. Nur die Ausrottung des letzten Germanen wird dem Römerreiche Ruhe schaffen.« Und drohend ballte er die Faust.
»Du hast vielleicht ein weissagend Wort gesprochen«, meinte Saturninus bedächtig, »aber in anderem Sinne als du ahnst.« »Ein abscheulich Wort hat er gesprochen!« rief Ausonius, und schenkte sich den Becher voll. »Und ein grundloses dazu. Ja, vor hundert Jahren etwa, unter Gallienus, da sah es aus, als sollten Perser und Germanen das Ost- und Westreich überfluten. Aber seither hat sie sich wieder verjüngt, die ewige Roma. Deine tapferen Landsleute, mein Saturninus, die illyrischen Heldenkaiser, haben die Barbaren gebändigt an Euphrat, Rhein und Ister, Diokletian hat das Reich im Innern neugestaltet: und so möchte ich es auf Roms Weltherrschaft umdeuten, das stolze Wort meines Kollegen Horatius — war nicht unbegabt, nur fehlte es ihm doch an Gelehrsamkeit!« —
»Gehört die in die Poesie?« fragte Saturninus zweifelnd. Aber der Eifrige hatte es nicht gehört und fuhr fort: »Das Wort, das er von Dauer und Ausbreitung seines Ruhmes gesprochen: ich deut‘ es auf Romas Herrlichkeit: ›dauern wird sie und wachsen, so lange noch aufs Kapitol der Priester steigt mit der schweigenden Jungfrau:‹ der Vestalin nämlich,« fügte der Professor erläuterungsbeflissen bei. »Hum,« wandte der Illyrier ein, »schade nur, daß die Voraussetzung nicht mehr zutrifft.« — »Was? Wie so?« — »Der fromme Constantin, mordblutigen Andenkens! — ich höre sie wollen ihn heilig sprechen lassen, den Sohn- und Weibermörder! — hat ja die Opfer auf dem Kapitol verboten oder beschränkt, und dein Schüler und Gönner, Gratian, hat ja vor kurzem die vestalischen Priesterinnen abgeschafft.«
Dreizehntes Kapitel
»Ah, das muß man so genau nicht nehmen,« meinte Ausonius.
»Bin nicht eben abergläubisch. Ich baue vielleicht nur allzuviel auf mein Schwert und zu wenig auf den Himmel: — aus den Vestalinnen mach‘ ich mir nichts! Aber es gefällt mir nicht, es ist mir unlieb, das zweite, was dein Zögling vorig Jahr zu Rom angeordnet hat.« — »Was meinst du?« — »Er hat den Altar der Siegesgöttin aus der Kurie des Senats entfernt, der man vor Beginn der Beratung zu opfern pflegte.« — »Schon Constantin hat ihn entfernt.« — »Aber Julian, der gewaltige Bezwinger der Alamannen, hatte ihn wieder hergestellt! Und beim Jupiter — vergieb, bei Gott! — mit gutem Erfolg! Den »Abtrünnigen« haben ihn die Geschorenen gescholten? aber die Siegesgöttin war ihm nicht abtrünnig! — Nun, man schlägt sich wacker, mit oder ohne Siegesgöttin! Aber — ich bin ein Römer — ich scheue das Omen!« — »Du siehst zu schwarz!« — »Du siehst zu rosig! Dein gütevolles Herz wünscht allen das Gute!« — »Ja, auch den Barbaren!« nickte Ausonius und hob die Schale. »Sind auch Menschen! Und schon die Stoa lehrte, nicht erst der Galiläer: — alle Menschen sind Brüder.« — »Es sind aber dieser gelbzottigen Brüder allzuviele.« — »Und ich glaube an eine Gottheit, — nenne sie wie du willst — die alles gütevoll leitet. Und so glaube ich auch, daß diese Barbaren Vernunft annehmen und dir bald ihre Unterwerfung anbieten.«
»Vielleicht unterwirft sich dann auch die Kleine — wie hieß sie doch? Bissula! — dem Ausonius,« neckte der Tribun. — »O, das liebe Kind! Wenn ich sie nur wieder sähe.« — »Wünsche das nicht, Präfectus Prätorio.« — »Warum!«
»Vielleicht unterwirft sie dich! Wäre nicht die erste Barbarin. Pipa hieß — oder Pipara? — jene Markomannin, in die sogar ein Imperator ›ganz verzweifelt und verloren‹ sich verliebte.« — »Du vergissest: ich wollte sie zur Tochter, nicht zur Frau.« — »Damals. Jetzt ist sie kein Kind mehr: — und du bist Witwer.« — »Ach, sie ist wohl längst mit den Ihrigen geflüchtet! Und doch: — ich glaube so gern, was ich wünsche! —« — »Ja, das ist eine deiner liebenswürdigen Schwächen!«
»Soll ich etwa hoffen, was ich fürchte?« — »Nein, aber das Unerwünschte für wahrscheinlicher als das Erwünschte halten! Das ist meine Weisheit.« — »Nein, nein! Ich lasse mir die Hoffnung nicht rauben: ich sehe es wieder, das Busch-Nymphlein dieses Walddickichts.« — »Greif‘ ich sie aber,« lachte der Tribun, »so wird sie mein: — nach Kriegsrecht.« Jäh zuckte es — wie ein Blitz — über des hagern Neffen lauernde Züge. Der Tribun sah es nicht: er hatte Ausonius scharf ins Auge gefaßt: er staunte, diesen angstvoll erbleichen zu sehen. »So tief geht dem Wackern dies Gefühl!« dachte er. »Oheim, du weißt ja, der Tribun spricht im Scherz,« rief Herculanus, wie tröstend. Da wandte sich der Illyrier drohend gegen ihn und sprach streng und ernst: »Wer sagt dir das?«
Besorgt warf Ausonius einen raschen Blick auf den schönen, stattlichen Mann: dann versuchte er zu lächeln: — aber es gelang ihm schlecht: »Dein Scherz führte mir die Möglichkeit des Ernstes, des fürchterlichen Ernstes vor! Wenn das reizende, unschuldige Kind in die Hände eines unserer erbarmungslosen Centurionen fiele! Grauenhaft.« — »Es ist das Los von Tausenden — bah, was sag‘ ich! — von vielen Hunderttausenden gewesen seit wir Römer unsere Adler über den Erdkreis tragen. Ihr Poeten — auch du, mein weichherziger Freund! — ihr besingt ja den Krieg so gern! Ich sage dir: wer ihn kennt, wer ihn führt, — besingt ihn selten! Krieg ist notwendig: ich lache der thörichten Schwächlinge, welche, wie die guten Stoiker oder die Mönche, wähnen, es komme dereinst ein Reich des ewigen Friedens! Der Krieg ist groß: ja Heldentod fürs Vaterland ist das Gewaltigste, was Mannheit leistet. — Aber der Krieg ist grauenhaft! — Mir gilt es gleich,« lachte er und trank die Schale leer. »Ich brauche ihn nur zu machen, nicht zu verantworten — und vor allem! — nicht zu besingen. Ich bin nicht Arm, nicht Amboß, nicht Lyra: ich bin Hammer und: wehe den Besiegten! Tausend Jahre haben wir die Schrecken unserer Siege über alle Völker gebracht: eine unerhörte Treue der Fortuna! Nun aber — ich hoffe, es nicht zu erleben! — nun rollt allmählich ihr Rad rückwärts — gegen uns — über uns hinweg!« »Nimmermehr!« rief der Dichter. »Was können diese halbnackten Barbaren gegen uns. Solang wir Krieger haben gleich dir und für den Dienst der Musen Geister« — »Wie Ausonius, willst du sagen? Beneidenswertes Selbstgefühl! Ich sage dir: ich erachte mich — und viel bessere Krieger als mich — unfähig, dieses unerschöpflich heranwogende Meer abzuwehren, das man ›Germanen‹ nennt. Hab‘ ich doch schon gar manchen Feldzug gegen sie — auch gegen diese Alamannen, — hinter mir. Ich denke, sie kennen meinen Namen! — Aber diesem Heranbrausen liegt etwas Unheimliches zu Grunde: — ich weiß nicht was: — eine uns allen unerkennbare treibende Kraft, die mit Schwert und Schild so wenig wie die Meerflut abzuwehren ist. Ich suche schon lange nach diesem Geheimnis: — kann‘s nicht finden! Was aber den ›Dienst der Musen‹ angeht: — vergieb einem rauhen Soldaten: Bauern brauchen wir, nicht Poeten! Es giebt nur noch Millionäre, Bettler und Sklaven! Gieb mir hunderttausend freie Bauern altlatinischer Zucht — ich opfere dafür alle latinischen Poeten, die toten und die lebendigen und will wieder glauben an die Zukunft Roms. So aber! — Doch« — er sprang auf — »es ist schon spät. Laß uns die Pfühle suchen! Wir tragen diesen unsern alten Streit nicht aus! Die kommenden Geschlechter werden ihn entscheiden. Aber nicht mit Worten! — Gute Nacht! Träume von Bissula, — daß wir sie finden: — du glaubst ja an Träume! — Denn morgen — Nannienus hat wenigstens ein paar Schiffe fertig gestellt, die er morgen am Nordufer hinkreuzen lassen will — streifen wir einmal ein wenig nach Osten.« Er hob den Vorhang und schritt klirrend in die Nacht hinaus; er mußte stets der schönen Waldnymphe gedenken. Auch der Neffe verabschiedete sich; kaum stand er draußen vor dem Zelt, als er die drohend geballte Faust gen Osten hob und leise knirschte: »Warte, Barbarenhexe!« Ausonius aber streckte sich auf das Feldbett, löschte das Licht und sprach vor sich hin: »Schlafe friedlich, meine Bissula, wo du auch weilest; morgen vielleicht seh‘ ich sie wieder, — diese unvergeßlichen Augen!«