Kitabı oku: «Bissula», sayfa 5
Vierzehntes Kapitel
Bei Tagesanbruch schmetterte die Tuba durch das Römerlager, die zur Teilnahme an dem Streifzug bestimmten Scharen zum Aufbruch mahnend.
»Wo ist mein Neffe?« fragte Ausonius, den schönen kantabrischen Schimmelhengst besteigend, den alten Prosper, welcher ihm den Bügel hielt. »Er pflegt mich doch sonst als der erste an meinem Bette zu begrüßen.« — »Er ist schon lange vorausgeeilt mit seinen Panzerreitern. Noch vor dem Tribun brach er auf!« — »Welcher Eifer! Das gefällt mir,« sprach der Oheim, den Hals seines edlen Rosses klopfend. »Zu Hause in Burdigala verbrachte er seine Zeit nur mit ... —« »Mit dem Ausgeben deines Geldes, o Patronus,« brummte der Alte. »Bah, laß ihn, Graukopf! Mein Geld, — bald ist es sein Geld!« — »Verhüten es die olympischen — vergieb: die Heiligen!« — »Thu‘ dir keinen Zwang an um meinetwillen. Mir sind sie auch lieber. Sie haben den Vorzug, besser in die Metra zu passen, wenigstens die meisten. — Wo ist Saturninus?« — »Auch schon voraus. Er läßt dir sagen, du mögest folgen: des Weges könnest du nicht verfehlen. Siehe, dort die letzten Helme seiner Nachhut. Sein Landsmann Decius führt sie.« — »Ich sehe! Vorwärts! Wie schön das Morgenlicht uns zulacht! Hilf mir, unbesiegter Sonnengott!« Er gab dem Roß den Sporn und sprengte, gefolgt von einer glänzenden Umgebung von Reitern, den Hügel hinab und durch die porta principalis dextra hinaus nach Osten, der Sonne entgegen.
Ein mitgeführter Wegweiser hatte bereits bei dem ersten Tagesdämmern die gangbarsten Steige gesucht und bezeichnet durch kleine, in bestimmten Abständen niedergelegte Steine, welche die ihn begleitenden und bewachenden Pioniere in Säcken mit sich trugen. Bald gelangte der Präfectus Prätorio von Gallien, zum Teil auf dem uns bekannten Pfade, den wenige Tage vorher Adalo eingehalten, an Suomars einsames Waldgehöft. Mit pochendem Herzen begrüßte er, wieder erkennend, die erinnerungstraute Umgebung: den kleinen Bühl, darauf die breitästige Eiche, den nahen Quell: nichts war verändert in den wenigen Jahren: nur ein Stück Ackerlandes mehr dem durch Feuer gerodeten Urwald abgewonnen. An dem Pfahlzaun, der die Hofwere umhegte, sprang er ab: sein Gefolge hatte er an dem Eichenbühl Halt machen lassen. Das Blut stieg ihm ins Gesicht, so gespannt war seine Erwartung: die schmale Zaunthüre stand halb geöffnet. Er trat in den Hofraum: da stieß er einen Ruf freudigen Staunens aus: in dem Wiesengrund vor der Hausthüre war ein kleiner Blumengarten abgegrenzt: mit Rührung erkannte er an den bunt prangenden Blumen, welche jetzt im schönsten Sommerflor standen, die Sämereien und Stecklinge wieder, die er dem Kinde drüben in Arbor geschenkt, ja bis aus Gallien verschrieben hatte. Italische und gallische Blüten und Sträucher, sichtbar mit liebenden Händen gepflegt, veredelte, gefüllte Rosen, dann immergrüner Taxus begrüßten ihn in dichten Beten: auch die Stämmchen der Obstbäume: der pontischen Kirschen, der picentinischen Äpfel, der aquitanischen Birnen hatten sich lustig bis über die Höhe der Hausthüre emporgereckt. »Ja, ja,« lächelte er »was erwächst, was erblüht nicht alles in fünf Jahren!« Da schwirrte etwas zu seinen Häupten: aus den Luken des Stalldaches flatterte ein ganzer Schwarm zierlich kleiner, blaugrauer Täubchen über den Garten hin in das nahe Haferfeld.
»Sieh,« rief Ausonius, ihnen nachschauend. »Meine lykischen Felstäublein aus Burdigala! Wie hat sich doch das Eine Paar gemehrt!« Er zögerte, in das Haus zu treten. Wohl sagte er sich, schwach, ja nichtig sei die Hoffnung, die Gesuchte zu finden. Aber hier schien alles von ihrer Gegenwart zu zeugen: da lag auf der Bank vor dem Hause sogar — wohl erkannte er sie! — die zierliche Gartenschere, die er ihr aus Vindonissa geschickt hatte! Er wollte nicht die Schwelle überschreiten und sich jede Hoffnung nehmen. Da klirrte Erz von der geöffneten Hausthür her: — ein Centurio von der Schar des Herculanus trat heraus, ehrfurchtsvoll grüßend. »Alles leer, vir illuster! läßt dir der Tribunus sagen. Und wir sollen dich fragen — wir brennen alle Höfe der Barbaren nieder — ob wir auch dies ...« —
»Es bleibt unversehrt!« Der Mann nickte befriedigt. »Du befiehlst, was ich wünsche! Es wäre mir schwer gefallen. Sind das doch umbrische Rosen, vicentinische Malven, wie sie um meiner Eltern Haus ranken bei Spoletium! Mitten in den Sümpfen der Barbaren! Wer mag dies Wunder geschaffen haben?« — »Ein Poet,« lächelte Ausonius, »und die vierte, die jüngste der Grazien. — Also Saturninus war schon selbst hier?« — »Ja, aber noch vor ihm — mit mir — dein Neffe. Alles durchsuchte Herculanus sorgfältig, ja gierig. Er verbot mir, ihm zu folgen: am Eingang mußt‘ ich warten.« — »Der gute Junge! Er wollte selbst sie mir zuführen, mich überraschen!« — »Gleich nachdem Herculanus fort, sprengte Saturninus heran.« — »Wohin wandte sich von hier der Zug?«
»Dort hinein in den Wald! Links, immer links: vom See ab! Sonst versinkt Roß und Mann. Du findest Posten gestellt im Walde — je dreihundert Schritt! Ich bilde hier den Anfang der Kette mit drei Mann!« — »Sorge, daß Hof und Garten ja nicht versehrt werden! Ich verspreche dir dafür einen Krug besten Räterweins.« Damit wandte er sich, stieg wieder zu Pferd und ritt mit seinem Gefolge nach links über das gerodete Land und die Wiesen, die das Gehöft umgaben, auf den Eingang des nahen Buschwalds zu, wo Helm und Speer des nächsten Postens hell im Sonnenglanze blitzten. — —
Herculanus aber hatte sich nicht begnügt mit der genauen Durchforschung des verlassenen Hauses. Auch die Umgebung hatte er sorgfältig abgesucht, ob er nicht eine Spur der Verschwundenen fände. In dem gestrüppigen Buschwald konnte er bald nicht mehr fort: er sprang ab, übergab seinen mauritanischen Rotscheck dem einzigen Reiter, der ihm hatte folgen dürfen, und schlüpfte nun durch das Dickicht. Eine Art von Wiespfad, die er mit Anstrengung entdeckt und eine Strecke weit verfolgt hatte, hörte jetzt plötzlich auf. Während er aber vergeblich nach Steinen oder Holzstückchen suchte, die bis dahin, obzwar in weiten Abständen, die Richtung des Gangsteigs angedeutet hatten, bemerkte er deutlich in dem sumpfigen Wiesboden des Waldes frische menschliche Fußspuren.
Und es waren nicht Römer, die hier gegangen! So weit waren die Truppen noch nie nach Osten vorgedrungen. Und es waren nicht Eindrücke, wie sie des Suchers eigne schwere römische Marschschuhe zurückließen: absichtlich trat er ganz leicht auf, dicht neben den vorgefundenen Stapfen: aber wie ganz anders ward die Spur! Gleich füllten sich seine tiefen Tritte mit dem rotgelben Moorwasser, das bei jedem Druck aus dem Grunde quoll. Hier aber war jemand vor kurzer Zeit leichter auftretend, barfuß, gegangen. Und zwar mehrere Menschen.
Denn neben einer Spur, die etwa einem Kind anzugehören schien, war, stets einen Schritt weiter zurück, ein etwas breiterer und tieferer Eindruck wahrzunehmen und, stets rechts davon zur Seite, ein schmales, aber tiefes Löchlein, mit Wasser gefüllt, wie von dem spitzen Fußende eines Stabes, während teils links daneben, auf schlechter gangbarem Grund, teils ein paar Schritte voran ein schwerer, breitspuriger Mannestritt unverkennbar schien.
Mit heißem Eifer folgte der Römer den Fußtritten: fand er nicht die Gesuchte, immerhin erwarb er sich das Verdienst, zuerst die Richtung zu entdecken, in welcher die Barbaren geflohen. Da schienen plötzlich die Spuren aufzuhören vor einem dichten Weißdornbusch, der mitten im Wege stand. Vor der tastenden Hand, die das Gedörn zur Seite schob, flog ängstlich ein braunes, rotbrüstiges Vögelein auf: — vorgebeugt spähte der Sucher in das Gebüsch: da entfuhr dem froh Überraschten der wilde Schrei: »Ha! Sie ging hier! Sie selbst!«
Langsam, langsam zog er durch seine Hand ein leuchtend rotes Haar, das sich hier an einem Dorn gefangen: es war wohl eine Elle lang. Und jenseit des Weißdornbusches waren nun auch ganz deutlich — schärfer als irgendwo zuvor — auf einer feuchtsandigen Strecke — die Tritte wahrzunehmen. »Was eines Kindes Spur schien, das kam von ihren Füßen! Nach!«
Fünfzehntes Kapitel
Das Gestrüpp ward lichter, offenbar hier von Menschenhand beseitigt: noch ein paar Schritte und der Verfolger stand auf einem freien, durch Feuer gerodeten Platz im Urwald. Hier erhob sich eine kleine Hütte, aus unbehauenen Stämmen, sehr kunstlos, im Viereck gefügt: statt der Thüren, einander gegenüber, zwei schmale niedrige Lücken: solche Waldhäuslein dienten dem Jäger zum Anstand, dem Hirten, der im Wald von Unwetter überrascht ward, zur Zuflucht; vor allem aber barg man so Vorräte von Waldheu, die man nicht in das ferne Gehöft schleppen mochte. — So war es hier: man sah durch die Lücke hochgeschichtet Gras heurigen Erstschnitts.
Bevor Herculanus die Waldhütte erreicht hatte, schlug von seiner Rechten, von dem Seeufer her unbestimmtes Geräusch an sein Ohr. Er zog das Schwert und blieb stehen. Angestrengt horchte er: da nochmal! War es ein Ruf? Es schien ihm der Ton dem Anrufen gleich, mit welchem Römer auf Wache sich untereinander vor dem Feinde warnten. Gleich darauf ein andrer Ton: wie das Schwirren der Sehne bei dem Abdrücken und das Anschlagen an das Holz des geschweiften Bogens: darauf ein dumpfer Fall oder Schlag in das Wasser —: und nun alles still! Nur das metallische Klopfen des Buntspechts scholl durch den schweigenden Urwald.
Vorsichtig den Schild bis an die Augen hebend und nach rechts ausspähend, harrte der Römer, die hagere Gestalt hoch aufrichtend, noch einige Sekunden: nichts rührte sich. Jetzt sprang er in ein paar Sätzen über die Waldblöße auf die Heuhütte zu, bückte sich und drang durch die Lücke von Norden her ein.
Da raschelte etwas unter dem dichten Grase: dieses schien lebendig zu werden: aus den tiefen Schichten glitt etwas — war es ein Wiesel? — nach der gerade gegenüber liegenden Öffnung und wollte entwischen: nur die wogende Bewegung der Grasgarben verriet die Richtung. — Hastig griff Herculanus mit dem Schildarm nach dem Raschelwesen, die Rechte mit dem gezückten, breiten, kurzen Schwert zu mörderischem Stoß erhebend.
Er faßte etwas Warmes und riß es aus dem dichten Heu nach oben: die Garben fielen rechts und links zur Seite und er zog heraus ein Mädchen, von rotem Wirrhaar und von Heuhalmen überflutet das Antlitz, welches in tödlichem Schreck und mit flammendem Zorn zugleich zu dem Ergreifer aufblickte.
So wunderbar, so sinneberauschend schön war das junge Geschöpf, daß Herculanus einen wilden Schrei der Lust ausstieß.
Er hatte sich fest geschworen, der erste Augenblick, da er die gefährliche Barbarin allein vor dem Schwerte haben würde, sollte ihr letzter werden: und auch jetzt ward er in diesem Beschluß wahrlich nicht wankend; weder Erbarmen noch Leidenschaft mochten seinen lediglich auf den Reichtum des Oheims gerichteten Sinn beirren: aber doch weckte ihm soviel Jugendreiz eine kurze Wallung der Gier: — bevor er die Feindin erstach, wollte er einmal diese roten Lippen küssen. So zog er sie, mit der Rechten zum Todesstreich ausholend, mit der Linken näher an sich.
Mit der Kraft der Verzweiflung sträubte sich das Mädchen; das Haupt soweit wie möglich von ihm abwendend, stieß es einen Angstschrei aus, wie ein sterbendes Reh: es war nur ein Augenblick Verzögerung des Mordstoßes: aber er rettete sie. Denn bevor Herculanus seine häßlichen Lippen ihrem abgekehrten Gesicht nähern konnte, fiel von außen ein Schatte vor die nach der Seeseite führende Öffnung, in der die Ringenden nun standen. »Mörder!« rief eine tiefe Stimme: und mit überlegner Kraft vor die Brust gestoßen, taumelte Herculanus zurück, die Ergriffene loslassend.
Rasch, wie die Forelle dahin huscht, wollte die Befreite zur Lücke hinaus: allein sie fühlte sich am Arme gefaßt mit dem eisernen Griff einer viel stärkeren Faust: zu einem zweiten hochbehelmten Römer blickte sie empor.
»Du bist‘s, Tribun!« stammelte Herculanus und steckte hastig das Schwert in die Scheide. Dieser würdigte ihn keines Wortes: »Du bist Bissula, Kleine? Nicht wahr?« fragte er. Und mit staunenden Blicken maß er die wunderbare Erscheinung. Ein süßes Feuer durchrieselte ihn, wie er das holde Köpfchen, die zarten, anmutreichen Glieder, die nackten, weißen Füßlein prüfte und das warme junge Leben fluten fühlte durch den vollen Arm, den seine Hand fest umschlossen hielt.
Die Gefangene gab nicht Antwort: aber vertrauender schaute sie in dies männlich schöne Antlitz auf. Dann warf sie einen seltsamen Blick, wie suchend, in die Hütte zurück: denn Saturninus hatte sie aus der Thüre heraus in das Freie gezogen: sie schien ängstlich zu horchen.
»Ja, es ist Bissula,« sprach Herculanus, nun ebenfalls heraustretend. »Wie kamst du zu dem Wahn, ich wollte sie morden? Seit frühstem Morgen such‘ ich sie.« — »So dachte ich.« — »Nicht für mich! — Ich hielt sie nur fest, ihr Entfliehen zu hindern.« — »Mit gezücktem, zum Stoß erhobenem Schwert?«
»Nur, sie einzuschüchtern.« Aber Bissula warf einen strafenden Blick auf ihn. »Wie dem sei,« fuhr der Illyrier fort, »sie ist meine Gefangene!« Und leuchtend ließ er die Augen auf ihr ruhen: — verwirrt senkte das Mädchen die langen Wimpern. »Nein, nein! Ich habe sie entdeckt!«
»Aber bevor du sie abermals bewältigt — denn sie war wieder frei — griff ich sie! Wag‘ es, zu widersprechen, Mädchenmörder!« und drohend schritt er gegen ihn heran. Da scholl vom Rücken her aus dem Wald ein Tubaruf. »Wir müssen zurück! Das Tubazeichen mahnt,« sprach der Tribun. »Die erste Spur der Feinde ist gefunden: — nicht nur das Kind: — ein Mann.«
Ängstlich sah Bissula auf.
»Von Fellen bedeckt lag er,« erzählte jener im Gehen, »im Röhricht verborgen, von einem umgestürzten Baumstamm nicht zu unterscheiden. Bevor wir ihn greifen konnten ...« —
Bissula atmete hoch auf.
»War er im Schilf verschwunden. Ein batavischer Schütze schoß ihm nach. Horch, der Präfekt wiederholt das Zeichen! Geh‘ in Güte, Kind.«
Er führte sie am Handgelenk, sorglich bemüht, ihr nicht weh zu thun; sie blieb manchmal stehn und sah zurück nach der Hütte, auch einmal in den See.
Herculanus folgte finstern Blickes.
Nach wenigen Schritten hörten sie das Wiehern eines Rosses und traten bald in eine Waldlichtung: da hielt Ausonius mit seinem berittenen Gefolge.
»Vater Ausonius!« rief die Gefangene freudig und wollte sich losreißen, auf ihn zuzufliegen. Aber da ward der Griff des Illyriers um ihren Arm eisern. Militärisch grüßend trat er an den Präfekten, der Bissula beide Arme entgegenstreckte, heran und sprach streng: »Der erste Zusammenstoß mit dem Feind! Ein Mann ist entflohn —: ein Mädchen — diese hier — ward meine Gefangene: meine Sklavin.«
ZWEITES BUCH. DIE SKLAVIN
Erstes Kapitel
In diesen Tagen wogte ein reges Leben auf dem Weihberg, auf dem ein großer Teil der Geflüchteten sich geborgen hatte: und von Norden her, der durch die Römer nicht bedrohten Seite, strömte Zuzug, der Heerbann anderer Gaue, heran.
Die Versuche des Tribuns, die Zufluchtstätten der Entwichenen zu entdecken, waren bisher gescheitert: weder die in den Ostsümpfen, noch die auf dem Wodansberg waren von den ausgeschickten Spähern und Streifscharen erreicht worden. Moor und undurchdringlicher Urwald umgab das Römerlager auf dem Idisenhang auf allen Seiten, ausgenommen gen Süden, nach dem See hin. In den letzten Tagen war, nach einem wolkenbruchartigen Gewitter, Südwestwind eingesprungen, der nun mit triefenden Schwingen strömende Regengüsse brachte: da wurden die Wälder vollends undurchdringbar für den schweren Tritt der Legionen: die wenigen Furten lagen versumpft oder überschwemmt, die kleinsten Rinnsale waren zu reißenden Bächen angeschwollen. Mißmutig, fröstelnd hielten sich die Eindringlinge, meistens Südländer, in dem Lager beisammen, unter Bretterdächern und aufgespannten Lederzeltdecken, Tag und Nacht große Feuer schürend, die aber, da alles Holz naß geworden, mehr Qualm als Wärme verbreiteten. Auf weite Strecken hin vor dem Fuß des Weihberges waren überall die seltenen und schmalen Zugänge, die in das Innere der ungeheuren Wälder führten, gesperrt, verrammelt durch Verhacke. Gewaltige Eichen, Eschen, Tannen waren gefällt und quer übereinander, über Mannshöhe, aufgeschichtet worden, durch Rasen und Erde gefestigt, in Abständen durch mächtige, senkrecht in den Boden gerammte Pfähle oder durch Bäume, die man hatte stehen lassen, zusammengehalten. So entstand eine fast unersteigliche Brustwehr: auf deren Krone aber und in den Wipfeln der überragenden Bäume versteckt waren die besten Bogenschützen verteilt.
Solche Verteidigungslinien von Waldverhauen wiederholten sich hintereinander überall, wo die Örtlichkeit sie verstattete: viel mehr Tage als der zu Ende neigende August den Römern noch versprach — vor Eintritt der Herbstregen pflegten sie ihre stets nur sehr kurzen Sommerfeldzüge in Germanien abzubrechen — hätten die Legionare gebraucht, all‘ diese Schanzen nacheinander zu stürmen: — zu umgehen waren sie schlechterdings nicht, wegen der Sümpfe. Wären sie aber durch alle Sperrlinien bis an den Fuß des Wodanberges gelangt, dann hätte erst die unsäglich müheschwere Belagerung dieser natürlichen Feste anheben müssen.
Alle Aufgänge waren durch mehrfache Verhaue gedeckt. Auf dem Berge selbst aber erhob sich, übereinander aufsteigend, ein ganzes System von »Ringwällen«. Diese höchst widerstandstüchtigen und ausgedehnten Befestigungen rührten zum großen Teil noch aus der keltischen Zeit her, waren aber von den Alamannen in den mehr als hundert Jahren ihrer Niederlassung in diesem Lande noch ganz gewaltig verstärkt und erweitert worden: hatten sie doch oft genug hier vor den römischen Waffen Zuflucht suchen müssen. Die Ringwälle waren aufgeschichtet aus Erde, Rasen, Pfahlwerk und aus sogenannten »Cyklopenmauern«, d. h. aus Felssteinen, die, ohne Mörtel und ohne Ziegel, in geschickter Benutzung ihrer Spitzen, Zacken und Fugen, so dicht in einander gerammt wurden, daß Verbrennen, Auseinanderreißen oder Erschüttern durch den Sturmbock hier gleich unthunlich scheinen mußte.
Jeder dieser Ringe, die sich, in Stockwerken, terrassenförmig, wiederholten, mußte als eine Festung für sich gestürmt werden, während in der Verteidigung jeder tiefer gelegene zugleich von sämtlichen höheren mit geschützt ward, da die Überhöhung so eingerichtet war, daß Steine, Baumstämme, Speere und Pfeile von allen oberen Wällen die Feinde treffen konnten, ohne die Kämpfer auf der unteren Wallkrone zu schädigen. Sieben solcher Ringwälle umgürteten den Berg, der oberste die Hochkuppe, die, in tiefstem Eschenwald, Wodans Weihaltar barg. Durch alle Stockwerke der Bergfestung waren, über Wald und Wiese hin, die Wehrunfähigen verteilt: Weiber, Kinder, Greise, Unfreie. Die Herden hatte man größtenteils auf der Rückseite, dem Nordabhang des Berges, untergebracht, deren Gebrüll, Gewieher und Geblök den Feinden so fern wie möglich zu rücken.
Unter Hütten aus grünendem, dichtem Laubwerk, die sie, manchmal ein Tierfell zwischen die Zweige bindend, vortrefflich zu bauen verstanden, lagerten die Geflüchteten zur Nacht. Auch an kellerähnlichen, unterirdischen Gängen fehlte es nicht auf dem Weihberg, wo man Getreidevorräte und Schmuck versteckte. Die Heermänner aber hielten alle Zugänge besetzt, streiften, zumal zur Nacht, in ganz kleinen Häuflein aus dem Bereich der Verhacke bis in die Nähe des Römerlagers und verbrachten die Tagesstunden in Waffenübung oder Waffenspiel, ungeduldig die lange Verzögerung des Kampfes ertragend und scheltend auf ihres greisen Herzogs unbegreifliches Zaudern.
Für diesen, Adalo und andere Führer waren auf der Hochkuppe des Berges Laubhütten aufgerichtet, die Zelte ihrer Gefolgen in der Nähe verteilt. Vor einer dieser Hüttenlauben — ein Hirschgeweih war als Hausmarke in den Mittelpfahl eingeritzt — brannte am Tage nach Bissulas Gefangennehmung — es war schon später Abend — ein prasselndes helles Feuer, genährt von Tannenzapfen, die unter der Steinplatte eines Kellers vor der Nässe trefflich geschützt geblieben waren.
Es ward geschürt von einem Mann von etwa vierzig Jahren, den das verschorene Haar als Unfreien und die Bildung des kurzen Gesichts, die dunkeln Augen, die breiten vorstehenden Backenknochen, die Stülpnase, als nicht germanischen Stammes bekundeten. Suomar hatte ihn vor vielen Jahren drüben in Vindonissa gekauft: wohlfeil genug, denn ungezählte Gefangene hatten damals Valentinian oder die Sklavenhändler aus dem Jazygenkriege mitgeführt.
Vor dem Feuer, abgewandt von Wind und Rauch, lag auf einem Bärenfell, mit anderem Pelzwerk die Füße bedeckt, Waldrun, die Greisin. Neben ihr kniete Adalo. Frohmut und Zornmut waren von ihm gewichen: schwere Trauer lag auf seinem schönen Antlitz. Aus silberner Schale gab er der Blinden dunkelroten Wein zu trinken: alte, römische Beute beides, Schale wie Trank.