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Kitabı oku: «Bissula», sayfa 6

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Zweites Kapitel

»Noch einmal, Zercho,« sprach er ernsthaft, »erzähle mir alles genau, bis die Altfrau sich erholt hat und einfügen kann, was du nicht weißt und gesehen. Ich habe noch immer nicht gerade dasjenige scharf erfaßt, worauf mir alles ankommt.« Der Knecht kauerte nun ganz am Feuer nieder: er mühte sich unablässig, mit dem Wolfsfell, das ihm als Mantel diente, den Rauch von der Greisin abzuwehren, der sie aber gar nicht bedrohte: — dadurch konnte er sein Auge dem scharf forschenden Blicke des Jünglings entziehen.

»Ging das nun so, schöner Nachbar. Gleich nachdem du im Zorn den Bühl hinabgesprungen, — ich hatte es gesehen, von dem Stall aus — gebot mir das rote Geistchen, die Kaisermünzen des Herrn zu vergraben — ach es sind recht wenige! — und die Erzschale und den zerbrochnen Henkelkrug, die er vor drei Wintern erbeutet bei Brigantium. — Schon vorher hatte ich die Kuh, die Schafe und die Ziegen fortgetrieben in den Erlenbusch. Am folgenden Tag sollte ich das Geistchen und die graue Frau in die Sümpfe führen, zu Suomar, dem Herrn. Aber ach, die gute graue Frau bespringt gar oft die heißkalte Katze, die unsichtbar den Leib schüttelt wie eine Maus. So war‘s am folgenden Tag. Mit Mühe konnte die Schmerzenreiche die alten Glieder vom Lager heben: gar schwach, wie ein verglimmender Kienspan, war ihre Kraft: ich mußte sie fast immer tragen. Aber das ging nur auf festem Boden: im Wildsumpf wär‘ ich eingesunken mit der Last: denn starke Knochen wiegen schwer. So mußte die Blinde in dem Wald an ihrem Stabe selbst schreiten, geführt von dem Geistchen, während ich voraussprang von Stein zu Stein, den besten Pfadsteig aussuchend. Doch vor der Heuhütte sank uns die Altfrau zusammen. Sie konnte nicht mehr stehen noch gehen: wir trugen sie hinein: du weißt, dort neben dem linken Eckpfahl mündet der alte Höhlengang. Da unten war es sicher, warm und — für sie! — nicht dunkler als oben. Wir verbrachten dort den Rest des Tages und die Nacht. Bissula wollte, trotz aller Mahnung, die Kranke nicht verlassen und nicht sich allein von mir fortführen lassen. Sie hatte Milch im Ziegenschlauche mitgetragen und Speltbrot. Ich wachte draußen vor der Hütte. Bei Tagesgrauen schlich ich mich gen Westen an den Saum des Waldes zurück, auszuspähen nach den Hochbehelmten. Bald sah ich, wie ein Häuflein Reiter gerade auf Suomars Hof zusprengte. Ich hatte im dichtesten Seeschilf unseren alten Einbaum samt den Rudern geborgen: ich wollte nun den Kahn durch Sumpf und See so nahe als möglich an die Heuhütte schieben, die Kranke hineintragen und dann versuchen, die beiden Herrinnen den See entlang zu Suomar zu fahren. Aber als ich das Ufer erreicht, sah ich von drüben, von Arbor her, mehrere Schiffe — die hohen, hochmütigen Schnäbel und die dreieckigen Segel verrieten sie als römische — vor dem Südwind gegen unser Gestade treiben: bald mußten sie dicht heran sein: der Weg zu Wasser war gesperrt. Und schon hörte ich zur Rechten, von Westen her, das Platschen der Gäule in Sumpf und Wiesenmoor, ganz nahe bei mir: ein paar Reiter, den Pfeil und den langen Bogen in der Rechten, sprengten an mir vorbei, nicht einen Speerwurf weit. Ich duckte mich ins Schilf, ja in den Seesumpf bis an den Mund. Dabei scheuchte ich aber den Silberreiher auf, der dort immer fischt: wie er laut kreischend — der einfältige Vogel! — aufstieg und über das Schilf hinstrich, zog er die Blicke der nächstfolgenden Reiter auf sich und leider! auch auf mich. Mein Kopf fiel ihnen in die Augen. Ein Bogen schwirrte: in meine Ottermütze fuhr sausend ein Bolz, auch ein wenig in meinen Kopf: — aber nicht tief: — Zerchos Schädel ist hart: — oft hat das Suomar gesagt und diesmal war es gut, daß er hart ist. — Nun floh ich, schwimmend, in den See hinaus, tauchend, wie eine Duckente, solang ich den Atem halten konnte. Als ich mich heben mußte, waren die Reiter verschwunden. Behutsam, wie der Fuchs, der die Maus beschleicht, kroch ich auf allen Vieren im tiefsten Röhricht näher an das Land, in der Richtung der Heuhütte, aber in weitem Bogen. Da sah ich alsbald zwei Walen in schimmernden Brünnen heraustreten auf die Waldlichtung: einer von ihnen führte am Arm die junge Herrin mit fort ... —«

Adalo hörte das zum zweitenmal, aber doch seufzte er wieder tief auf. —

»Hinter uns wieherte ein Gaul und auf dem Gaule saß das kluge Väterchen, das vor einigen Wintern in Arbor drüben dem Geistchen immer vorsang aus vielen, vielen Eselshäuten: — ach so lang, so grausam lang! — während ich warten mußte, es zurückzurudern über den See.« — »Weißt du ganz gewiß,« fragte Adalo, den Knecht bei der Schulter fassend und mit Gewalt dessen abgewandtes Gesicht sich zukehrend — »daß dieser Reiter jener alte Römer war?« »Nun, so gar alt ist er just nicht,« erwiderte der Sarmate ausweichend, »ob er zwar etwas grauer geworden seit jenem Sommer.« »Antworte,« zürnte Adalo. »Kannst du schwören, daß jener Reiter Ausonius war?« — »Ausonius! Ja, ja, so nannte sie ihn damals immer, Vater Ausonius! Und so rief sie auch gestern, da sie ihn erblickte: ›Vater Ausonius!‹ schrie sie.«

Er brach kurz ab und rieb sich verdrießlich den Kopf, der ihn nun auf einmal zu schmerzen schien an der getroffenen Stelle. Er brummte dabei in seiner Sarmatensprache, die Adalo nicht verstand, »Also wirklich er!« seufzte Adalo. »Und ich muß noch den Göttern danken, daß sie gerade den herbeigeführt haben.«

»Das lohne dir Freia,« sprach da plötzlich die Blinde, sich auf dem linken Arm aufrichtend und mit der Rechten, der Stimme nach, tastend, bis sie des Jünglings Haupt erfaßt hatte und nun die langen Locken streichelte. »Das lohnen dir die von Asgardh, daß du also denkst!« — »Muß ich nicht, Mutter? Oh weil du dich nur wieder aufrichten kannst!« — »Dein Trank, der Römer Trank, hebt die matte Seele.« — »Ausonius, ihr Väterchen, wird sie ja schützen vor den andern. Aber,« fuhr Adalo grollend fort, »wer schützt sie vor Ausonius? Sie war ihm zärtlich zugethan.« — »Wie ein Kind dem Vater!« — »Sei‘s! Damals! Aber jetzt hat die Jungfrau ihm alles zu danken: — das Höchste!« Zercho hatte während dieser Wechselreden die beiden wiederholt bedenklich angesehen: er kratzte sich jetzt hinter dem Ohr und wollte etwas einwenden: aber er besann sich wieder anders — und schwieg.

»Das Kind war,« ergänzte nun die Alte des Knechts Erzählung, »wider meine Warnung von meiner Seite aus der Kellerhöhle hinauf gehuscht in die Hütte, Gar lang ward ihr die Weile, auf Zerchos Wiederkommen zu warten in dem dumpfen Gewölbe, Plötzlich hörte ich einen schweren Mannestritt über mir: — dann einen Schrei der Kleinen, der mich erbeben machte. Aber bis ich mich zu der Steinplatte hin getastet und diese gehoben hatte, war alles still. Vergeblich rief ich ihren Namen. Bald kam Zercho mit der Nachricht, er habe sie gefangen fortgeführt gesehen. Traurig warteten wir die Dunkelheit ab: mein Fieber war gewichen: — ich konnte langsam gehen: aber Zercho, der Vielgetreue, suchte und fand im hohen Ried des Erlenbruchs verborgen unsere Kuh, hob mich darauf und führte mich in weitem Bogen durch Busch und Wald hierher.«

»Denn zwischen der Waldhütte und Suomar in den Ostsümpfen,« fiel der Sarmate ein, »hatte ich welsche Schiffe landen sehen: — Feinde streiften dort: so suchte ich den Weihberg zu gewinnen, wie auch die Herrin vorzog.« — »Ja: denn nun, da Suomar, mein Sohn, unerreichbar, nun bist du es, Adalo, vor allen Männern unseres Volkes, unser guter Nachbar, ihr Jugendgespiele, dem ich es klagen muß: gefangen ist das liebe Geschöpf: — hilf — rette — befreie!«

Traurig strich sich der Jüngling über die schön geschweiften Brauen. »Ja,« dachte er mit bitterem Weh, »gefangen aus Schuld des eignen Trotzes, der störrigen Laune!« Aber er sagte davon nichts: er seufzte nur: »Das wird nun schweres Werk! — Ging‘ es nach mir, — vom Augenblick ab, da ich‘s erfuhr, hätt‘ ich den Idisenhang so unablässig und so wild bestürmt, daß den Walen Lust und Muße gefehlt hätte, das Kind zu quälen. Oder — zu gewinnen!« fügte er herb hinzu. »Aber über das Volksheer gebeut nur mein Vetter Hariowald, der Herzog! Ich darf nicht ...« —

Da unterbrach ihn ein leises Gebrumm: er wandte sich und ein seltsames Schauspiel wies sich dar.

Drittes Kapitel

Ein bildschöner Knabe von etwa vierzehn Jahren, den große Ähnlichkeit als Adalos Bruder bekundete — aber ganz hellgelb, fast weiß, war sein kraus gelocktes Haar — zog am Ohre heran eine gewaltig große Bärin, die brummend, widerstrebend, aber gleichwohl nachgebend, sich von dem kleinen Führer näher an das Feuer zerren ließ.

»Nieder, Bruna!« rief der Knabe und brachte das mächtige Tier zum Liegen. »Auch du hast sie ja so lieb gehabt, die Lustige, die Kecke! Siehst du, braune Brummriesin, da ist nur die Altfrau. Und Zercho, der dir immer soviel Wildhonig zu naschen gebracht aus dem Bienwald, Aber sie fehlt! Unsere Bissula fehlt! Ha, wärest du dabei gewesen, — grimmig hättest du sie wohl verteidigt. Denn du Haft es nicht vergessen, daß sie und Adalo selbander dich gerettet, dich aus dem Gießbach gezogen haben. Kaum geboren, kaum größer als eine Katze, hatte dich der Wolkenbruch von deiner Mutter hinweggerissen: hart am Ertrinken schriest du so jämmerlich! — Und eifriger wahrlich haben dich ihre emsigen Hände als die unsern dann großgefüttert mit Milch und mit Speltbrot und mit leckeren Waldbeeren, Seit du zuerst die Augen, die noch blinzenden, aufschlugst, die jetzt so menschenverständig blicken, hast du in ihr deine beste Freundin erkannt. Oh wärest du bei ihr —, keiner wagte, sie zu schlagen. Ach Bruder, starker Bruder, du Held und Hort des ganzen Gaus, hole sie heraus! Weh, wenn die Kleine mit den seinen Händen den Verhaßten das Badwasser heizen, die Füße waschen muß, wie ich oft drüben in Arbor gesehen von ihren Mägden! Was brausen wir nicht hinunter auf den Flügeln des Sturmes und hauen sie heraus aus der hochumpfählten Lagerburg?«

Und er schwang den kleinen Wurfspeer: die Lohe des Feuers schlug hell empor: er stand in dem Schein der Flammen: schön sah er aus in dem lichtblauen, von weißem Schwanenflaum gesäumten Linnenrock.

»Ja, mein Sippilo,« sprach der ältere Bruder in tief verhaltnem Weh, »du hast sie auch lieb gehabt,«

Erschrocken sah dieser auf: aber Adalo fuhr fort:

»Ja, ja. Vielleicht ist sie tot —: für uns — für unser Volk! Vielleicht schauen wir sie niemals wieder, hören nie wieder ihr holdes, ihr elbisch neckendes Lachen!« »Oh der Rauch! Wie das beißt!« rief der Knabe und wischte sich die nassen Augen, »Vielleicht ist sie ganz gern bei den Walen!« fuhr Adalo grimmig sich selbst quälend fort, »bei dem wortklugen Ausonius!« »Ist der wieder im Land?« rief Sippilo. »Den durchspeer‘ ich wie einen dicken Karpfen, der sich im Seichtwasser sonnt. Ah, schon damals wünscht‘ ich, er führ‘ in Wodans und der Sonne Haß! So oft ich kam, die Frohe zu holen zum Fischen oder zum Ballwurf, — immer war sie zu ihm hinübergefahren oder war nicht fortzubringen von den langen Runenrollen, darin sie den Kopf vergrub: — Er hatte sie ihr gegeben. Wenn ich den erwische!« — »Hätten wir nur sie zurück: Mein Herz verzehrt sich in Sorge!« »Wehre der zehrenden Sorge, mein Sohn,« mahnte die Alte. »Sie lähmt dir Gedanken und Arm: — und beide brauchst du, das böse Kind zu befreien. Ich bin keine weissagende Frau: aber ich träume ganz eigen — seit ich blind ward —: oft treffen meine Träume ein: ich sah dich heut‘ Nacht wund, schwer wund. Wahre dein Leben! Wenn sie frei würde und fände dich nicht mehr!« — »Dann wäre ja ihr Rachewunsch erfüllt! Sie haßt mich ja, die Wilde! Laut genug hat sie‘s geschrien.« Sippilo lachte, »Die? Dich hassen? Sie hat dich lieb — ärger als eine Schwester! Wie mußte ich ihr doch immer erzählen von dir: — alles, was du triebest. Deine Ehrenpreise in den Wettkämpfen! Der Nachbarfürsten Geschenke! Deine jüngsten Liedsprüche — wem sie wohl galten? Da ich sie jüngst am See beim Bürschlingfischen traf, da fragte sie, ob Jettaberga mit ihrem Vater nicht oft in den Hirschhof zu Besuch komme? Und da ich sagte, die komme gar nie mehr, da löste sie sich vor lauter Freude ihren schönen blauen Gürtel, den sie immer trug, vom eigenen Leibe und schenkte ihn mir. — Seht, da ist er. — Ich trag‘ ihn, wohl geborgen, stets im Ranzen! — Und, nicht wahr, Bruna, dich hat sie sogar einmal zwischen die Augen geküßt, da ich ihr erzählte, wie du Adalo zu Hilfe gesprungen auf der Jagd und den wütigen Auerstier zerrissen, der ihm das Roß durchhörnt hatte. Ja, Bruna, du hältst auch treu zu ihr. Stundenlang bist du im Walde hinter uns her getrottet beim Beeren- und Pilzesuchen und hast unsern Mittagsschlaf bewacht.«

Da scholl ein langgezogener Hornruf von der Hochkuppe. Adalo sprang auf. »Der Herzog ruft. Wir beraten, was wir im Volksding vorschlagen werden. — Zercho, komm mit! Er will dich ausfragen über der feindlichen Reiter Zahl. Du, Sippilo, pflege der Mutter Waldrun: — das ist alles, was du für deine Bissula thun kannst.« »Einstweilen!« meinte der Knabe, dem Bruder nachschauend. »Aber ich werde nicht fehlen beim Sturm auf die Lagerburg, wo die bösen Buben das schönste Vögelein — das kleine Goldhähnlein, nein, das Rotköpflein! — des Alamannenlands gefangen halten.« Und drohend hob der Knabe die kleine Faust.

Viertes Kapitel

Auch vor dem Zelte des Herzogs loderte ein mächtig Feuer, unterhalten von Unfreien, die an spitzen Stangen Schenkel und Rücken eines frisch erlegten Hirsches brieten. Adalo schritt daran vorbei, Zercho bedeutend, hier zu warten, schlug die Segeltücher auseinander, die über das Holzgestell des Zeltes gespannt waren, und trat ein. Das Dach war gebildet aus zusammengewölbten Tannenzweigen; an den Stangen des leichten Gezimmers hingen und lehnten überall Schutz- und Trutzwaffen. Den Rasenboden bedeckten Felle, die dem Eingang gegenüber zu einem erhöhten Ruhesitz übereinander geschichtet lagen: ein Vorhang von dichtem Linnen zog sich hinter diesem durch das Zelt, hier einen kleinen Raum, den Schlafwinkel, von dem Vorderzelt scheidend. In der Mitte war ein eiserner, nach oben spitz zulaufender Dreifuß aufgestellt, in dessen zackige Krone war eingeschraubt ein brennender Kienspan: mattes, rotes Licht sprühte dieser spärlich, ungleich flackernd, aus.

Auf dem Hochsitz von Fellen, den Rücken an den Hauptpfahl des Zeltes gelehnt, saß Hariowald, der Herzog; er begrüßte seinen jungen Gesippen schweigend, mit einem Blick des Auges, und schien nur zu achten auf die eifrigen Worte eines andern Gastes, eines Mannes von etwa vierzig Jahren, der, in eine Eberschur gehüllt und auf dem Haupt den »Eberhelm« — mit den Hauern des Tieres —, zu seiner Rechten saß. Der alte Herzog, eine gewaltige Hünengestalt, fast um eines Hauptes Länge noch den hochgewachsenen Adalo überragend, war eine wunderbare Erscheinung.

Das riesige Knochengerüst dieser Gestalt schien einem viel älteren Menschengeschlecht anzugehören. Tief lag unter buschigen, hoch geschwungenen Brauen das meergraue, abgrundtiefe Auge (— das linke hatte längst ein balearischer Schleuderstern zerstört: unheimlich klaffte die leere Höhlung —): des Blickes Glut war keineswegs erloschen, aber durch altgewohnte Selbstbeherrschung gebändigt. Diese stets wahrnehmbare Zurückhaltung heiß in der Brust lodernder Leidenschaft verlieh dem Hochgewaltigen, den man trotz seiner fünfundsechzig Winter nicht greisenhaft nennen konnte, etwas großartig Geheimnisvolles. Mit Ehrfurcht, mit scheuer Erwartung, ja mit leisem Grauen, was streng Geborgenes er plane, sah man zu ihm empor. Das adlerhafte Auge war unerforschlich, er schloß es halb: schlug er es dann auf, so blendete der Blitz, der lodernd daraus sprühte. Den Ausdruck des Mundes aber verhüllte der prachtvolle, über die Ringe der Brünne bis auf den Erzgurt herabwogende, breite Rauschebart von edelstem Silberweiß, der auch die Wangen umrahmte und sich mengte mit dem reich wallenden Haupthaar gleicher Farbe. Und wie das Auge, so hielt auch die mächtige, tiefe, metalltönige Bruststimme jene Kraft fast immer zurück, die man doch spürte, wie leise, wie verhalten der Gewaltige sprach. Selten, sehr selten waren die Bewegungen der machtvollen Glieder und mit einer Absicht, die längst zur Gepflogenheit geworden war, gemäßigt. So saß er da, von langfaltigem, blauem Mantel die Schultern umflossen, in hoheitvoller Ruhe, ohne Helm: man sah die majestätische Schöne des mächtig gewölbten Hauptes, das er, nachdenklich zuhörend und vor sich hinschauend, rückwärts an die Zeltstange gelehnt hielt. Einen furchtbaren Speer hatte er im rechten Arm, das Fußende auf die Erde gestemmt, die Erzspitze ragte über seine Schulter: mit sanfter, fast liebkosender Handbewegung streichelte er manchmal die Siegesrunen, die in die Rinde des Eschenschaftes geritzt waren.

»Gern grüß‘ ich dich sonst, Sohn Adalgers,« sprach des Herzogs anderer Gast, die Stirne furchend, »aber ungern zu dieser Stunde. Ich riet zum Frieden: — der Herzog schwieg: — nun kommst du — und du — ich weiß es! — träumst Tag und Nacht nur Kampf mit Rom.« Zornmütigen Blickes maß ihn Adalo: »Der Altfeind unseres Volkes steht im Lande und ein Gaukönig der Alamannen rät zum Frieden? — Ebarbold, Eburs Sohn, Furcht war deiner Sippe fremd ... —« Der andere fuhr mit der Faust an das krumme Messer in seinem Gürtel, Adalo sah es nicht: er war im Bann von Hariowalds Auge: ein warnender Blick des Alten und der Jüngling beeilte sich, beizufügen — »und ist dir fremd, du eberkühner Held.«

Da ließ der Gast den Messergriff los und lehnte sich stolz zurück.

»Römisch Gold aber berückt dich nicht,« fuhr Adalo fort. »So hat dich Zauber verblendet.« »Oder dich und all‘ unsre wahnwitzige Jugend. Zius, des Kriegsgotts, roter Trank hat euch berauscht. Oder,« fuhr er leiser, mit scheuem Tone fort, »Er, Er will wieder einmal reichlich mit erschlagenen Helden bevölkern sein Walhall, Wodan der Wilde.« Da zuckte es über das Antlitz des Herzogs: nur ganz leise hob er den Speer und, unhörbar den andern, murmelte er: »Waltender Wodan, nicht räche die Rede!«

Ebarbold aber fuhr fort: »Sei‘s um die Knaben! Kampf ist all‘ ihre Kunst und wenig ist ihres Witzes. — Aber daß auch du, der sechzig Winter sah und fast ebensoviele Siege der Hochgehelmten, — daß auch du Krieg willst! Freunde, ich war in Rom: — ich habe dort die Hochburg bestiegen auf ragendem Fels: — sie strotzt von Gold und weißem Gestein! Ich habe gedient im Heer des großen Valentinian: ich habe jahrelang die ungezählten Taufende der römischen Krieger geschaut in den besten Waffen: gegen welche unsere Wehr wie die von Kindern ist.«

Der Herzog drückte unvermerkt seinen Speer fester an die Brust.

»Und die Kriegsmaschinen und die Riesenschiffe, drei Stockwerke Ruderbänke übereinander, und die Schätze gemünzten und ungemünzten Goldes und Silbers! Die ganze Scheibe der Erde, ganz Mittelgardh, soweit Menschen wohnen, — weiße, braune, schwarze — ich habe sie abgemalt gesehen auf einem langen, langen Streif von Eselshaut: — der Aufgang und der Niedergang der Sonne dient Rom! In seinem goldnen Hause auf einem der sieben Tiberberge hat der Imperator eine goldene Kugel stehen: da sind alle Provinzen abgebildet. Es ist ein Zauberwerk: schreitet irgend ein Feind über die Grenze im fernsten Süden oder Norden, so erklingt die Goldkugel und zittert an dieser Stelle: der Imperator hört es, sieht es, und — sendet die Legionen! Trotzen wir ihm nicht. Der Cäsar ist ein Gott auf Erden!«

»Hör‘ es nicht, Hoher!« flüsterte der Alte und strich, wie begütigend, über die Runen seines Speeres. Heftig wollte Adalo einfallen: — aber unwillkürlich suchte er des Schweigenden Auge: — und er bezwang sich.

»Wir haben‘s erfahren lang genug, mein‘ ich,« fuhr Ebarbold fort, — »von Geschlecht zu Geschlecht, — da wir noch jeder Gau frei fochten — lange bevor er gehört wurde und ausgeklügelt, dieser Name und Bund der Alamannen!«

»Er gefällt dir nicht, dieser Bund?« fragte jetzt plötzlich der Herzog. Der Gaukönig erschrak: so laut, so machtvoll dröhnte nun diese Stimme, die bisher immer geschwiegen. Scheu sah er auf: dann zuckte er die Achseln:

»Ob er mir gefällt oder nicht: — ich kann ihn nicht mehr lösen!«

»Nein, das kannst du nicht,« sprach Hariowald sehr ruhig und strich seinen langen Bart; aber aus dem grauen Auge schoß ein unheildrohender Blick. »Auch der Name ›Alamannen‹ gefällt dir nicht?« fragte Adalo unwillig. »Nein, Edeling, ›Gesammtmänner‹! Ha, unsere Ahnen setzten ihren Stolz darein, für sich allein zu stehen, Gau für Gau, ja in der alten Zeit Sippe für Sippe, nicht gelehnt an andere, — aber auch nicht gebunden an sie, nicht unterwürfig dem Spruch der Mehrheit!« »Ja, das ist‘s!« lächelte der Alte grimmig. Dann sprach er laut: »Du warst in der Romburg — ich auch. Aber ich habe dort erkannt, — mit meinem einen Auge! — was du nicht gesehn. Du sahst den gleißenden Glanz ihres Prunkes — er hat dich geblendet: — ich sah durch den Glanz auf das Morsche, das Ausgelebte dahinter. Und noch ein anderes« — fügte er geheimnisvoll bei, leiser sprechend — »sie haben seit ein paar Menschenaltern kein Glück mehr mit — mit ihren eignen Göttern! — Mit den neuen, mein‘ ich. Ja, der alte, den sie früher hatten« — nicht ohne Scheu, ja mit Ehrfurcht sprach er nun — »ich meine den mit dem Blitz und dem Adler! — das war ein Schlachtengott: — fast wie der unsrige! Oft schien mir sein Adler auf ihren Schilden die Flügel zu schlagen und sein Blitzstrahl drohend zu glühen: — oft und oft hab‘ ich sie siegen sehen unter jenem bärtig-schönen Gott und seinen Söhnen Mars und Herkules. Aber jetzt haben sie sich einen Jüngling zum Gott erkoren, sanft und gar edel-weise: — aber er ist kein Krieger gewesen, sagen seine eignen Priester: — er hielt nie ein Schwert in der Faust gefaßt: — nicht von ahnenreichen Göttern ist er entstammt: — eines Handwerkers Sohn war er: — und dieser — ein Zimmerer — war aus dem längst von Rom geknechteten Volk, aus dem viele zu uns gewandert sind, den Sack auf dem krummen Rücken, Pfefferhändler und Gewürzhöker: — aber in den Reihen der Legionen sieht man ihrer nicht viele. Seit die Walen jenen sanften Lehrer sich zum Gott gekoren, der sich nicht einmal selbst seines eignen Lebens wehren wollte, — seitdem ist der Sieg gewichen von ihren Fahnen. Aber was — neben ihrem Jupiter in den Wolken — ihnen auf Erden ehemals den Sieg gesichert hatte, jahrhundertelang: — das hab‘ ich auch gelernt —: das wies mir der Gott, den vor allen ich ehre! — Wißt ihr, was ehedem der Zauber war der Römermacht und ihrer Siege? Der eine Wille, der sie alle zwang! Sie waren schon › Gesammt-Männer‹, alle für einen und einer für alle, viele hundert Winter lang, während wir noch, nach deines Herzens Wunsch und Wonne, Gau für Gau, jeder für sich, kämpften und — erlagen! Das ist deine Freiheit — die Freiheit der Zwietracht und des notwendigen Verderbens!«

Großartig schön verklärte nun der heiße Zorn der begeisterten Überzeugung des Alten edles Antlitz.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
290 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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