Kitabı oku: «Ein Kampf um Rom», sayfa 17
SIEBZEHNTES KAPITEL
Am Morgen darauf erhob sich die schöne Kaiserin vergnügt von dem schwellenden Pfühl, dessen weiche Kissen, mit blaßgelber Seide überzogen, mit den zarten Halsfedern des pontischen Kranichs gefüllt waren.
Vor dem Bette stand ein Dreifuß mit einem silbernen Becken, den Okeanos darstellend, darin lag eine massiv goldne Kugel. Die weiche Hand der Kaiserin hob lässig die Kugel und ließ sie klingend in das Becken fallen: der helle Ton rief die syrische Sklavin in das Gemach, die im Vorzimmer schlief. Mit auf der Brust gekreuzten Armen trat sie an das Lager und schlug die schweren Vorhänge von violetter chinesischer Seide zurück. Dann ergriff sie den sanften iberischen Schwamm, der, in Eselsmilch getränkt, in kristallner Schale ruhte, und bestrich damit sorgfältig die Masse von öligem Teig, die Gesicht und Hals der Kaiserin während der Nacht bedeckte.
Dann kniete sie vor dem Bette nieder, das Haupt fast zur Erde gebeugt, und reichte die rechte Hand hinauf.
Theodora faßte diese Hand, setzte langsam den kleinen Fuß auf den Nacken der Knienden und schwang sich dann elastisch zur Erde. Die Sklavin erhob sich und warf der Herrin, die jetzt, nur mit der Untertunika von feinstem Batist bekleidet, auf dem Palmenholzrand des Bettes saß, den feinen Ankleidemantel von Rosagewebe über die Schultern.
Dann verneigte sie sich, wandte sich zur Tür, rief: »Agave!« und verschwand. Agave, eine junge, schöne Thessalierin, trat ein; sie rollte dicht vor die Herrin den mit unzähligen Büchschen und Fläschchen besetzten Waschtisch von Citrusholz und begann, ihr Gesicht, Nacken und Hände mit weichen, in verschiedene Weine und Salben getauchten Tüchern zu reiben.
»Das große Bad erst gegen Mittag!« sagte sie.
Darauf erhob sich diese vom Lager und glitt auf den bunten, mit Pardelfell überzogenen Stuhl, die Kathedra.
Da schob Agave eine ovale Wanne von Terebinthenholz heran, außen mit Schildpatt bekleidet, gefüllt mit köstlich duftendem Wasser, und hob die zierlichen, glänzend weißen Füße der Herrin hinein. Hierauf löste sie das Netz von Goldfäden, das die Nacht über die blau glänzenden Haare der Kaiserin zusammenhielt, so daß jetzt die weichen schwarzen Wellen über Schultern und Brust wallen konnten. Sie schlang ihr noch das breite Busenband von Purpur um, verneigte sich und ging mit dem Rufe: »Galatea!«
Eine betagte Sklavin löste sie ab, die Amme und Wärterin und, leider müssen wir hinzufügen, die Kupplerin Theodoras in der Zeit, da sie nur erst des Akacius, des Löwenwärters im Zirkus flitterbehängtes Töchterlein und, fast noch ein Kind, der schon tief verdorbne Liebling des großen Zirkus war. Alle Demütigungen und Triumphe, alle Laster und Listen auf der Abenteurerin wechselndem Pfad bis zum Kaiserthron hatte Galatea getreulich geteilt.
»Wie hast du geschlafen, mein Täubchen?« fragte sie, ihr in einer Bernsteinschale die aromatische Essenz reichend, welche die Stadt Adana in Cilicien für die Toilette der Kaiserin in großen Mengen als jährlichen Tribut einzusenden hatte.
»Gut, ich träumte von ihm.« — »Von Alexandros?« — »Nein, du Närrin, von dem schönen Anicius.« — »Aber der Bestellte wartet schon lange draußen in der geheimen Nische.« — »Er ist ungeduldig«, lächelte der kleine Mund, »nun, so laß ihn ein.« Und sie legte sich auf dem langen Diwan zurück, eine Decke von Purpurseide über sich ziehend; aber die feinen Knöchel der schönen Füße blieben sichtbar.
Galatea schob den Riegel vor den Haupteingang, durch welchen sie eingetreten, und ging dann quer durch das Gemach zu der Ecke gegenüber, die durch eine eherne Kolossalstatue Justinians ausgefüllt war.
Die scheinbar unbewegliche Last wich sofort zur Seite, sowie die Vertraute eine Feder berührte, und zeigte eine schmale Öffnung in der Wand, welche durch die Statue in ihrer gewöhnlichen Stellung vollständig verdeckt wurde: ein dunkler Vorhang war vor den Spalt gezogen. Galatea hob den Vorhang auf, und herein eilte Alexandros, der schöne junge Gesandte.
Er warf sich vor der Kaiserin aufs Knie, ergriff ihre schmale Hand und bedeckte sie mit glühenden Küssen.
Theodora entzog sie ihm leise. »Es ist sehr unvorsichtig, Alexandros«, sagte sie, den schönen Kopf zurücklehnend, »den Geliebten zur Ankleidung zuzulassen. Wie sagt der Dichter? ‘Alles dienet der Schönheit. Doch ist kein erfreulicher Anblick, das Entstehen zu sehn, was nur entstanden gefällt.’
Allein ich hab’ es dir bei Abreise nach Ravenna verheißen, dich einmal in meiner Morgenstunde vorzulassen. Und du hast deinen Lohn reichlich verdient. Du hast viel für mich gewagt. — Fasse die Flechten fester!« rief sie Galatea zu, die an die ihr allein zustehende Arbeit gegangen war, das prachtvolle Haar der Gebieterin zu ordnen.
»Du hast das Leben für mich gewagt.« — Und sie reichte ihm wieder zwei Finger der rechten Hand.
»O Theodora«, rief der Jüngling, »für diesen Augenblick würd’ ich zehnmal sterben.«
»Aber«, fuhr sie »warum hast du mir nicht auch von dem letzten Brief der Barbarin an Justinian Abschrift zukommen lassen?« — »Es war nicht mehr möglich, es ging zu rasch. Ich konnte von meinem Schiff keinen Boten mehr senden: kaum gelang es gestern, nach der Landung, dir sagen zu lassen, daß ihr Bild bei den Geschenken sei. Du kamst im rechten Augenblick.«
»Ja, was würde aus mir, wenn ich die Türsteher Justinians nicht doppelt so hoch besoldete als er? Aber Unvorsichtigster aller Gesandten, wie täppisch war das mit der Jahreszahl!«
»O schönste Tochter von Kypros, ich hatte dich mondenlang nicht mehr gesehen. Ich konnte an nichts denken als an dich und deine berauschende Schönheit.«
»Nun, da muß ich wohl verzeihen. Das schwarze Stirnband, Galatea! Du bist ein besserer Liebhaber als Staatsmann. Deshalb hab’ ich dich auch hierbehalten. Ja, du solltest wieder nach Ravenna. Aber ich denke, ich schicke einen älteren Gesandten und behalte den jungen für mich. Ist’s recht so?« lächelte sie, die Augen halb schließend.
Alexandros, kühner und glühender werdend, sprang auf und drückte einen Kuß auf ihre roten Lippen.
»Halt ein, Majestätsverbrecher«, schalt sie und schlug mit dem Flamingofächer leicht seine Wange. »Jetzt ist’s genug für heute. Morgen magst du wiederkommen und von jener Barbarenschönheit erzählen. Nein, du mußt jetzt gehn. Ich brauche diese Morgenstunde noch für einen andern.«
»Für einen andern!« rief Alexandros zurücktretend. »So ist es wahr, was man leise zischelt in den Gynäceen, in den Bädern von Byzanz? Du ewig Ungetreue hast —«
»Eifersüchtig darf ein Freund Theodoras nicht sein!« lachte die Kaiserin. Es war kein schönes Lachen. »Aber für diesmal sei unbesorgt — du sollst ihm selbst begegnen. Geh.«
Galatea griff ihn an der Schulter und drehte den Widerstrebenden ohne weiteres hinter die Statue und zur Türe hinaus.
Theodora setzte sich nun aufrecht, das faltige Untergewand mit dem Gürtel schließend.
ACHTZEHNTES KAPITEL
Sogleich kam Galatea wieder zum Vorschein mit einem kleinen gebückten Mann, der viel älter aussah als seine vierzig Jahre. Kluge, aber allzu scharfe Züge, das stechende Auge, der bartlose, eingekniffene Mund — alles machte den Eindruck unangenehmer Pfiffigkeit.
Theodora nickte leicht auf seine kriechende Verbeugung; Galatea begann ihr die Augenbrauen zu malen.
»Kaiserin«, hob der Alte ängstlich an, »ich staune über deine Kühnheit. Wenn man mich hier sähe! Die Klugheit von neun Jahren wäre durch einen Augenblick vereitelt.«
»Man wird dich aber nicht sehen, Petros«, sagte Theodora ruhig. »Diese Stunde ist die einzige, da ich vor der zudringlichen Zärtlichkeit Justinians sicher bin. Es ist seine Betstunde. Ich muß sie ausbeuten, so gut ich kann. Gott erhalte ihm seine Frömmigkeit! Galatea, den Frühwein. Wie? Du fürchtest doch nicht, mich mit diesem gefährlichen Verführer allein zu lassen?« Die Alte ging mit häßlichem Grinsen und kam gleich zurück, einen Henkelkrug süßen gewärmten Chierweins in der einen Hand, Becher mit Wasser und Honig in der andern.
»Ich konnte heute unsere Unterredung nicht, wie gewöhnlich, in der Kirche veranstalten, wo du in dem dunklen Beichtstuhl einem Priester täuschend ähnlich siehst. Der Kaiser wird dich noch vor der Kirchenzeit zu sich bescheiden, und du mußt zuvor genau unterrichtet sein.«
»Was ist zu tun?«
»Petros«, sagte Theodora, sich behaglich zurücklehnend und langsam das süße Getränk schlürfend, das Galatea mischte, »heute kam der Tag, der unsere langjährige Mühe und Klugheit lohnen und dich zum großen Mann machen wird.«
»Zeit wär’ es«, meinte der Rhetor.
»Nur nicht ungeduldig, Freund. (Galatea, etwas mehr Honig.) Um dich für das heutige Geschäft in die rechte Stimmung zu versetzen, wird es gut sein, dich an das Vergangene, an die Entstehungsart unserer — Freundschaft zu erinnern.«
»Was soll das? Wozu ist das nötig?« sagte der Alte unbehaglich.
»Zu mancherlei. Also. Du warst der Vetter und Anhänger meines Todfeindes Narses. Folglich auch mein Feind. Jahrelang hast du im Dienste deines Vetters mir entgegengearbeitet, mir wenig geschadet, dir selbst aber noch weniger genützt. Denn Narses, dein tugendhafter Freund, setzt seine Ehre und seine Schlauheit darein, nie etwas für seine Verwandten zu tun, daß man ihm nie, wie die andern Höflinge dieses Reiches, des Nepotismus zeihen könne.
Aus lauter Vorsicht und eitel Tugend ließ er dich unbefördert. Du darbtest und bliebst einfacher Schreiber. Aber ein feiner Kopf wie du weiß sich zu helfen. Du fälschtest, du verdoppeltest die Steuerausschreiben des Kaisers. Die Provinzen zahlten neben der von Justinian verlangten noch eine zweite Steuer, die Petros und die Steuererheber untereinander teilten. Eine Weile ging das vortrefflich. Aber einmal —«
»Kaiserin, ich bitte dich —«
»Ich bin gleich zu Ende, Freund. Aber einmal hattest du das Unglück, daß einer von den neuen Steuerboten die Gunst der Kaiserin höher anschlug als den von dir verheißnen Teil der Beute. Er ging auf deinen Antrag ein, ließ sich die Urkunde von dir fälschen und — brachte sie mir.«
»Der Elende«, murrte Petros.
»Ja, es war schlimm«, lächelte Theodora, den Becher wegstellend. »Ich konnte jetzt meinem boshaften Feind, dem Vertrauten des verhaßten Eunuchen, den schlauen Kopf vor die Füße legen, und ich muß gestehen: es lüstete mich sehr danach, sehr! Aber ich opferte die kurze Rache einem großen, dauernden Vorteil. Ich rief dich zu mir und ließ dir die Wahl, zu sterben oder mir fortan zu dienen. Du warst gütig genug, das letztere zu wählen, und so haben wir, vor der Welt nach wie vor die heftigsten Feinde, insgeheim seit Jahren zusammen gewirkt: du hast mir alle Pläne des großen Narses im Entstehen verraten, und ich hab’ es dir wohl vergolten: du bist jetzt ein reicher Mann.«
»Oh, nicht der Rede wert.«
»Bitte, Undankbarer, das weiß mein Schatzmeister besser. Du bist sehr reich.«
»Wohl, aber ohne Rang und Würde. Meine Studiengenossen sind Patrizier, Präfekten, große Herren im Morgen— und Abendland: so Cethegus in Rom, Prokopius in Byzanz.«
»Geduld. Vom heutigen Tage an wirst du die Leiter der Ehren rasch erklimmen. Ich mußte doch immer etwas zu geben behalten. Höre: du gehst morgen als Gesandter nach Ravenna.«
»Als kaiserlicher Gesandter?« rief Petros freudig.
»Durch meine Verwendung. Aber das ist nicht alles.
Du erhältst von Justinian ausführliche Anweisungen, das Gotenreich zu verderben, Belisar den Weg nach Italien zu bahnen.«
»Diese Anweisungen — befolg’ ich oder vereitl’ ich?«
»Befolgst du. Aber du erhältst noch einen Auftrag, den dir Justinian ganz besonders ans Herz legen wird: die Tochter Theoderichs um jeden Preis aus der Hand ihrer Feinde zu retten und nach Byzanz zu bringen. Hier hast du einen Brief von mir, der sie dringend einladet, an meiner Brust ein Asyl zu suchen.« —
»Gut«, sagte Petros, den Brief einsteckend, »ich bringe sie also sofort hierher.«
Da schnellte Theodora wie eine springende Schlange vom Lager auf, daß Galatea erschrocken zurückfuhr.
»Bei meinem Zorn, Petros, nein. Dich send’ ich deshalb. Sie darf nicht nach Byzanz, sie darf nicht leben!«
Bestürzt ließ Petros den Brief fallen. »O Kaiserin«, flüsterte er — »ein Mord!«
»Still, Rhetor«, sprach Theodora mit heiserer Stimme, und unheimlich funkelten ihre Augen. »Sie muß sterben.«
»Sterben? O Kaiserin, warum?«
»Warum? Das hast du nicht zu fragen. Doch halt: — du sollst es wissen, es gibt deiner Feigheit einen Sporn — wisse —« und sie faßte ihn wild am Arme und raunte ihm ins Ohr: »Justinian, der Verräter, fängt an, sie zu lieben.«
»Theodora!« rief der Rhetor erschrocken und trat einen Schritt zur Seite.
Die Kaiserin sank auf die Kline zurück.
»Aber er hat sie ja nie gesehen!« stammelte sich fassend Petros.
»Er hat ihr Bild gesehen: er träumt bereits von ihr, er glüht für dieses Bild.«
»Du hast nie eine Rivalin gehabt.«
»Ich werde darüber wachen, daß ich keine erhalte.«
»Du bist so schön.«
»Amalaswintha ist jünger.«
»Du bist so klug, bist seine Beraterin, die Vertraute seiner geheimsten Gedanken.«
»Das eben wird ihm lästig. Und« — sie ergriff wieder seinen Arm »merke wohl: sie ist eine Königstochter! Eine geborene Herrscherin, ich des Löwenwärters plebejisch Kind. Und — so wahnwitzig lächerlich es ist! — Justinian vergißt im Purpurmantel, daß er des dardanischen Ziegenhirten Sohn. Er hat den Wahnsinn der Könige geerbt, er, selbst ein Abenteurer, er faselt von angebornen Majestät, von dem Mysterium königlichen Bluts. Gegen solche Grillen hab’ ich keinen Schutz. Von allen Weibern der Erde fürchte ich nichts: aber diese Königstochter — —«
Sie sprang zürnend auf und ballte die kleine Hand.
»Hüte dich, Justinian!« sagte sie, durch das Gemach schreitend. »Theodora hat mit diesem Auge, mit dieser Hand Löwen und Tiger bezaubert und beherrscht: laß sehen, ob ich nicht diesen Fuchs im Purpur in Treue erhalten kann.« Sie setzte sich wieder.
»Kurz. Amalaswintha stirbt«, sagte sie, plötzlich wieder kalt geworden.
»Wohl«, erwiderte der Rhetor, »aber nicht durch mich. Du hast der blutgewohnten Diener genug. Sie sende; ich bin ein Mann der Rede.«
»Du bist ein Mann des Todes, wenn du nicht gehorchst. Gerade du, mein Feind mußt es tun: keiner meiner Freunde kann es ohne Verdacht.«
»Theodora«, mahnte der Rhetor, sich vergessend, »die Tochter des großen Theoderich ermorden, eine geborne Königin —«
»Ha«, lachte Theodora grimmig, »auch dich Armseligen blendet die geborne Königin. Narren sind die Männer alle, noch mehr als Schurken! Höre, Petros, an dem Tage, da die Todesnachricht aus Ravenna eintrifft, bist du Senator und Patricius.«
Wohl blitzte des Alten Auge. Aber Feigheit oder Gewissensangst waren doch mächtiger als der Ehrgeiz. »Nein«, sagte er entschlossen, »lieber lasse ich den Hof und alle Pläne.«
»Das Leben läßt du, Elender!« rief Theodora zornig. »Oh, du wähntest, du seiest frei und ungefährdet, weil ich damals vor deinen Augen die gefälschte Urkunde verbrannt? Du Tor! Es war die rechte nicht! Sieh her — hier halte ich dein Leben.«
Und sie riß aus einer Capsula voller Dokumente ein vergilbtes Pergament. Sie zeigte es dem Erschrocknen, der jetzt willenlos in die Knie brach.
»Befiehl«, stammelte er, »ich gehorche.«
Da pochte man an die Haupttüre.
»Hinweg«, rief die Kaiserin. »Hebe meinen Brief an die Gotenfürstin vom Boden auf und bedenk’ es wohl: Patricius, wenn sie stirbt, Folter und Tod, wenn sie lebt. Fort.«
Und Galatea schob den Betäubten durch den geheimen Eingang hinaus, drehte den bronzenen Justinian wieder an seine Stelle und ging, die Haupttür aufzutun.
NEUNZEHNTES KAPITEL
Herein trat ein stattliche Frau, größer und von gröberen Formen als die kleine, zierliche Kaiserin, nicht so verführerisch schön, aber jünger und blühender, mit frischen Farben und ungekünstelter Art.
»Gegrüßt, Antonina, geliebtes Schwesterherz! Komm an meine Brust!« rief die Kaiserin der tief sich Verbeugenden entgegen.
Die Gattin Belisars gehorchte schweigend.
»Wie diese Augengruben hohl werden!« dachte sie, sich wieder aufrichtend.
»Was das Soldatenweib für grobe Knöchel hat!« sagte die Kaiserin zu sich selbst, da sie die Freundin musterte.
»Blühend bist du wie Hebe«, rief sie ihr laut zu, »und wie die weiße Seide deine frischen Wangen hebt! Hast du etwas Neues mitzuteilen von — von ihm?« fragte sie und nahm gleichgültig spielend vom Waschtisch ein gefürchtetes Werkzeug, eine spitze Lanzette an einem Stäbchen von Elfenbein, mit welchem ungeschickte oder auch nur unglückliche Sklavinnen von der zürnenden Herrin oft zolltief in Schultern und Arme gestochen wurden.
»Heute nicht«, flüsterte Antonina errötend, »ich hab’ ihn gestern nicht gesehn.«
»Das glaub’ ich«, lächelte Theodora in sich hinein. »Oh, wie schmerzlich werd’ ich dich bald vermissen«, sagte sie, Antoninens vollen Arm streichelnd. »Schon in der nächsten Woche vielleicht wird Belisarius in See stechen und du, treueste aller Gattinnen, ihn begleiten. Wer von euren Freunden wird euch folgen?«
»Prokopius«, sagte Antonina, »und« — setzte sie, die Augen niederschlagend, hinzu — »die beiden Söhne des Boëthius.«
»Ach so«, lächelte die Kaiserin, »ich verstehe. In der Freiheit des Lagerlebens hoffst du dich des schönen Jünglings ungestörter zu erfreuen, und indessen Held Belisarius Schlachten schlägt und Städte gewinnt —«
»Du errätst es. Aber ich habe dabei eine Bitte an dich. Dir freilich ward es gut. Alexandros, dein schöner Freund, ist zurück: er bleibt in deiner Nähe, und er ist sein eigner Herr, ein reifer Mann. Aber Anicius, du weißt es, der Jüngling, steht unter seines ältern Bruders Severinus strenger Hut. Nie würde dieser, der nur Rache an den Barbaren sinnt und Freiheitsschlachten, diese zarte — Freundschaft dulden. Er würde unsern Verkehr tausendfach stören. Deshalb tu’ mir eine Liebe: Severinus darf uns nicht folgen. Wenn wir an Bord sind mit Anicius, halte den ältern Bruder in Byzanz zurück mit List oder Gewalt — du kannst es ja leicht — du bist die Kaiserin.«
»Nicht übel«, lächelte Theodora. »Welche Kriegslisten! Man sieht, du lernst von Belisarius.«
Da erglühte Antonina über und über.
»Oh, nenne seinen Namen nicht. Und höre nicht! Du weißt am besten, von wem ich gelernt, zu tun, worüber man erröten muß.«
Theodora schoß einen funkelnden Blick auf die Freundin.
»Der Himmel weiß«, fuhr diese fort, ohne es zu beachten, »Belisar selbst war nicht treuer als ich, bis ich an diesen Hof kam. Du warst es, Kaiserin, die mich gelehrt, daß diese selbstischen Männer, von Krieg und Staat und Ehrgeiz erfüllt, uns, wenn sie einmal unsre Eheherrn, vernachlässigen, uns nicht mehr würdigen, wenn sie uns besitzen. Du hast mich gelehrt, wie es keine Sünde, kein Unrecht sei, die unschuldige Huldigung, die schmeichelnde Verehrung, die der tyrannische Gemahl versagt, von einem noch hoffenden und deshalb noch dienenden Freunde hinzunehmen. Gott sei mein Zeuge, nichts andres als diesen süßen Weihrauch der Huldigung, den Belisar versagt, und mein eitles, schwaches Herz nicht missen kann, will ich von Anicius.«
»Zum Glück für mich wird das sehr bald langweilig für ihn«, sagte Theodora zu sich selbst.
»Und doch — schon dies ist ein Verbrechen, fürcht’ ich, an Belisar. Oh, wie ist er groß und edel und herrlich. Wenn er nur nicht allzugroß wäre für dies kleine Herz.« — Und sie bedeckte das Antlitz mit den Händen.
»Die Erbärmliche«, dachte die Kaiserin, »sie ist zu schwach zum Genuß wie zur Tugend.«
Da trat Agave, die hübsche junge Thessalierin, ins Gemach mit einem großen Strauß herrlicher Rosen.
»Von ihm«, flüsterte sie der Herrin zu. — »Von wem?« fragte diese. Aber jetzt sah Antonina auf, und Agave winkte warnend mit den Augen.
Die Kaiserin reichte Antoninen den Strauß, sie zu beschäftigen, »bitte, stell’ ihn dort in die Marmorvase.«
Während die Gattin Belisars den Rücken wendend gehorchte, flüsterte Agave: »Nun, von ihm, den du gestern den ganzen Tag hier versteckt gehalten: von dem schönen Anicius —« setzte das holde Kind errötend bei.
Aber kaum hatte sie das unvorsichtige Wort gesagt, als sie laut schreiend nach ihrem linken Arme griff. Die Kaiserin schlug sie mit der noch blutigen Lanzette ins Gesicht. »Ich will dich lehren, Augen haben, ob Männer schön oder häßlich«, flüsterte sie grimmig. »Du läßt dich in die Spinnstube sperren auf vier Wochen — sogleich — und zeigst dich nie mehr in meinen Vorzimmern. Fort!«
Weinend ging das Mädchen, ihr Haupt verhüllend.
»Was hat sie getan?« fragte Antonina sich wendend.
»Das Riechfläschchen fallen lassen«, sagte Galatea rasch, ein solches von dem Teppich aufhebend. — »Herrin, dein Haar ist fertig.«
»So laß die Ankleiderinnen ein und wer sonst im Vorsaal ist. — Willst du einstweilen in diesen Versen blättern, Antonina? Es sind die neuesten Gedichte des Arator, ‘über die Taten der Apostel’, gar erbaulich zu lesen! Zumal hier, die Steinigung des heiligen Stephanos! Aber lies und sprich sein Urteil.«
Galatea öffnete weit die Türe des Haupteingangs: ein ganzer Schwarm von Sklavinnen und Freigelassenen wogte herein. Die einen besorgten das Hinausräumen der gebrauchten Toilettegeräte, andre räucherten mit Kohlenpfännchen und sprengten aus schmalhalsigen Fläschchen Balsam durch das Gemach. Die meisten aber waren um die Person der Kaiserin beschäftigt, die jetzt ihren Anzug vollendete. Galatea nahm ihr den Rosaüberwurf ab. »Berenike«, rief sie, »die milesische Tunika mit dem Purpurstreif und der goldnen Falbel: es ist Sonntag heute.«
Während die erfahrene Alte, die allein das Haar der Kaiserin berühren durfte, die kostbare Goldnadel, mit der Venusgemme im Knopf, kunstvoll in die Knoten des Hinterhauptes schob, fragte die Kaiserin: »Was gibt es Neues in der Stadt, Delphine?«
»Du hast gesiegt, o Herrin!« antwortete die Gefragte, mit den Goldsandalen niederkniend. »Deine Farbe, die Blauen, haben gestern im Zirkus gesiegt über die Grünen zu Roß und Wagen.«
»Triumph!« frohlockte Theodora, »eine Wette von zwei Zentenaren Gold, — es ist mein. — Nachrichten? woher? aus Italien?« rief sie einer eben mit Briefen eintretenden Dienerin entgegen.
»Jawohl, Herrin, aus Florentia von der Gotenfürstin Gothelindis, ich kenne das Gorgonensiegel, und von Silverius, dem Diakon.«
»Gib«, sagte Theodora, »ich nehme sie mit in die Kirche. Den Spiegel, Elpis.« — Eine junge Sklavin trat vor mit einer ovalen drei Fuß langen Platte von glänzend poliertem Silber in einem reich mit Perlen besetzten Goldrahmen und getragen von einem starken Fuß von Elfenbein. Die arme Elpis hatte harten Dienst. Sie mußte während der Vollendung des Ankleidens die schwere Platte bei jeder Bewegung der unruhigen Herrin sofort dermaßen drehen, daß diese sich ununterbrochen darin beschauen konnte, und weh ihr, wenn sie einer Wendung zu spät nachfolgte.
»Was gibt es zu kaufen, Zephyris?« fragte die Kaiserin eine dunkelfarbige libysche Freigelassene, die ihr eben die zahme Hausschlange, die in einem Körbchen auf weichem Moose ruhte, zur Morgenliebkosung reichte.
»Ach, nicht viel Besondres«, sagte die Libyerin, »komm, Glauke«, fuhr sie fort, indem sie die blendend weiße, golddurchwirkte Chlamys aus der Kleiderpresse nahm und sorgfältig auf den Armen ausgebreitet hielt, bis die Gerufene ihr sie abnahm, mit einem Wurf der Kaiserin in den schönsten Falten über die Schulter schlug, mit dem weißen Gürtel zusammenfaßte und das eine Ende mit einer Goldspange, die einst die Taube der Venus, jetzt aber im Gegenteil den Heiligen Geist darstellte, über der weißen Achsel befestigte. Glauke, die Tochter eines athenischen Bildhauers, hatte jahrelang den Faltenwurf studiert, war deshalb von der Kaiserin um viele tausend Solidi angekauft worden und hatte den ganzen Tag über nur dies einzige Geschäft.
»Duftige Seifenkugeln aus Spanien«, berichtete Zephyris, »sind wieder frisch angekommen. Ein neues milesiches Märchen ist erschienen, und der alte Ägypter ist wieder da«, setzte sie leiser hinzu, »mit seinem Nilwasser. Er sagt, es helfe unfehlbar. Die Perserkönigin, die acht Jahre kinderlos —«
Seufzend wandte sich Theodora ab, ein Schatten flog über das glatte Gesicht. »Schick’ ihn fort«, sagte sie, »diese Hoffnung ist vorüber.«
Und es war einen Augenblick, als wollte sie in trübes Sinnen versinken.
Aber sich aufraffend trat sie, Galateen winkend, zu ihrem Lager zurück, nahm den zerdrückten Eppichkranz, der auf ihrem Kopfkissen lag, und gab ihn der Alten mit den geflüsterten Worten: »Für Anicius, schick’ es ihm zu. — Den Schmuck, Erigone!« Diese, von zwei andern Sklavinnen unterstützt, trug mühsam die schwere Kiste von Erz herbei, deren Deckel, in getriebnen Figuren die Werkstätte des Vulcanus darstellend, mit dem Siegel der Kaiserin an die Lade befestigt war. Erigone zeigte, daß das Siegel unverletzt, und schlug den Deckel auf: neugierig stellte sich da manches Mädchen auf die Fußspitzen, einen Blick von den schimmernden Schätzen zu erhaschen.»Willst du noch die Sommerringe, Herrin?« fragte Erigone. — »Nein«, sprach Theodora wählend, »die Zeit dafür ist um. Gib mir die schwereren, die Smaragden.« Erigone reichte ihr Ohrringe, Fingerring und Armband.
»Wie schön«, sagt Antonina, von ihren frommen Versen aufsehend, »steht das Weiß der Perle zu dem Grün des Steins!«
»Es ist ein Schatzstück der Kleopatra«, sagte die Kaiserin gleichgültig, »der Jude hat den Stammbaum der Perle eidlich erhärtet.«
»Aber du zögerst lange«, erinnerte Antonina, »Justinians Goldsänfte harrte schon, als ich herauf kam.«
»Ja, Herrin«, rief eine junge Sklavin ängstlich, »der Sklave vor der Sonnenuhr sagte schon die vierte Stunde an. Eile, Herrin.«
Ein Stich mit der Lanzette war die Antwort. »Willst du die Kaiserin mahnen?« Aber Antoninen flüsterte sie zu: »Man muß die Männer nicht verwöhnen: sie müssen immer auf uns warten, wir nie auf sie.
Meinen Straußenfächer, Thais. Geh, Jone, die kappadokischen Sklaven sollen an meine Sänfte treten.«
Und sie wandte sich zum Gehen. »O Theodora«, rief Antonina rasch, »vergiß meine Bitte nicht.«
»Nein«, sagte diese, plötzlich stehenbleibend, »gewiß nicht! Und damit du ganz sicher gehst«, lächelte sie, »leg’ ich’s in deine eigne Hand. Meine Wachstafel und den Stift.« Galatea brachte sie eilig. Theodora schrieb und flüsterte der Freundin zu: »Der Präfekt des Hafens ist einer meiner alten Freunde. Er gehorcht mir blind. Lies, was ich schreibe: ‘An Aristarchos, den Präfekten, Theodora, die Kaiserin.
Wenn Severius, des Boëthius Sohn, das Schiff des Belisarius besteigen will, halt’ ihn, nötigenfalls mit Gewalt, zurück und sende ihn hierher in meine Gemächer: er ist zu meinem Kämmerer ernannt.’ Ist’s recht so, liebe Schwester?« flüsterte sie.
»Tausend Dank«, sagte diese mit leuchtenden Augen.
»Aber wie«, rief die Kaiserin laut, plötzlich an ihren Hals fassend, »und die Hauptsache hätten wir vergessen? Mein Amulett, den Mercurius! Bitte, Antonina, dort liegt es.« Hastig wandte sich diese, den kleinen goldnen Merkur, den besten Geleitsmann, der an seidner Schnur an dem Bette der Kaiserin hing, zu holen. Inzwischen aber strich Theodora schnell das Wort »Severinus« mit dem Goldgriffel aus und schrieb dafür »Anicius«. Sie klappte das Täfelchen zusammen, umschnürte und siegelte es mit ihrem Venusring.
»Hier das Amulett«, sagte Antonina zurückkommend.
»Und hier der Befehl!« lächelte die Kaiserin. »Du magst ihn selbst im Augenblick der Abfahrt an Aristarchos übergeben. Und jetzt«, rief sie, »jetzt auf: in die Kirche.«