Kitabı oku: «Ein Kampf um Rom», sayfa 16
VIERZEHNTES KAPITEL
Der Angeredete verbannte rasch von seinen Lippen ein kaltes Lächeln, das ihm die Moralpolitik des Juristen erweckt, und richtete sich auf.
Er war ein verkrüppeltes Männchen, noch bedeutend kleiner als Justinian, weshalb dieser im Gespräch mit ihm den Kopf noch viel mehr als nötig gewesen wäre, herabsenkte. Er war kahlköpfig, die Wangen von krankhaftem Wachsgelb, die rechte Schulter höher als die linke, und er hinkte etwas auf dem linken Fuß, weshalb er sich auf einen schwarzen Krückstock mit goldnem Gabelgriff stützte. Aber das durchdringende Auge war so adlergewaltig, daß es von dieser unansehnlichen Gestalt den Eindruck des Widrigen fernhielt, dem fast häßlichen Gesicht die Weihe geistiger Größe verlieh: und der Zug schmerzlicher Entsagung und kühler Überlegenheit um den feinen Mund hatte sogar einen fesselnden Reiz. »Imperator«, sagte er mit scharfer bestimmter Stimme, »ich widerrate diesen Krieg — für jetzt.«
Unwillig zuckte des Kaisers Auge: »Auch aus Gründen der Gerechtigkeit?« fragte er, fast höhnisch. — »Ich sagte für jetzt.« — »Und warum?« — »Weil das Notwendige dem Angenehmen vorgeht. Wer sein Haus zu verteidigen hat, soll nicht in fremde Häuser einbrechen.« — »Was soll das heißen?« — »Das soll heißen: vom Westen, von den Goten droht diesem Reiche keine Gefahr. Der Feind, der dieses Reich verderben kann, vielleicht verderben wird, kommt vom Osten.«
»Die Perser!« rief Justinian verächtlich.
»Seit wann«, sprach Belisar dazwischen, »seit wann fürchtet Narses, mein großer Nebenbuhler, die Perser?«
»Narses fürchtet niemand«, sagte dieser, ohne seinen Gegner anzusehn, »weder die Perser, die er geschlagen hat, noch dich, den die Perser geschlagen haben. Aber er kennt den Orient. Sind es die Perser nicht, so sind es andre, die nach ihnen kommen. Das Gewitter, das Byzanz bedroht, steigt vom Tigris auf, nicht vom Tiber.«
»Nun, und was soll das bedeuten?«
»Das soll bedeuten, daß es schimpflich ist für dich, o Kaiser, für den Römernamen, den wir noch immer führen, Jahr für Jahr von Chosroes, dem Perserkhan, den Frieden um viele Zentner Goldes zu erkaufen.«
Flammende Röte überflog des Kaisers Antlitz: »Wie kannst du Geschenke, Hilfsgelder also deuten!«
»Geschenke! Und wenn sie ausbleiben, eine Woche nur über den Zahltag, verbrennt Chosroes, des Cabades Sohn, deine Dörfer. Hilfsgelder! Und er besoldet damit Hunnen und Sarazenen, deiner Grenze gefährlichste Feinde.«
Justinian machte einen raschen Gang durchs Zimmer. »Was also rätst du?« fragte er, hart vor Narses stehenbleibend. »Nicht die Goten anzugreifen ohne Not, ohne Grund, wenn man sich der Perser kaum erwehrt. Alle Kräfte deines Reiches aufzubieten, um diese schimpflichen Tribute abzustellen, die schmählichen Verheerungen deiner Grenzen zu verhindern, die verbrannten Städte Antiochia, Dara, Edessa wieder aufzubauen, die Provinzen wieder zu gewinnen, die du im nahen Osten — trotz Belisars tapfrem Schwert — verloren, deine Grenzen durch einen siebenfachen Gürtel von Festungen vom Euphrat bis zum Araxes zu schirmen. Und hast du dies Notwendige alles vollbracht — und ich fürchte sehr, du kannst es nicht vollbringen! —, dann magst du versuchen, wozu der Ruhm dich lockt.«
Justinianus schüttelte leicht das Haupt. »Du bist mir nicht erfreulich, Narses«, sagte er bitter.
»Das weiß ich längst«, sprach dieser ruhig.
»Und nicht unentbehrlich!« rief Belisar stolz. »Kehre dich nicht, mein großer Kaiser, an diese kleinen Zweifler! Gib mir die dreißigtausend, und ich wette meine rechte Hand, ich erobre dir Italien.«
»Und ich wette meinen Kopf«, sagte Narses, »was mehr ist, daß Belisar Italien nicht erobern wird, nicht mit dreißig—, nicht mit sechzig—, nicht mit hunderttausend Mann.«
»Nun«, fragte Justinian, »und wer soll’s dann können und mit welcher Macht?«
»Ich«, sagte Narses, »mit achtzigtausend.«
Belisar erglühte vor Zorn: er schwieg, weil er keine Antwort fand.
»Du hast dich doch bei allem Selbstgefühl sonst nie so hoch über deinen Gegner gestellt«, sprach der Jurist.
»Und tu’s auch jetzt nicht, Tribonian. Sieh, der Unterschied ist der: Belisarius ist ein großer Held, der bin ich nicht. Aber ich bin ein großer Feldherr — und siehe, das ist Belisarius nicht. Die Goten aber wird nur ein großer Feldherr überwinden.«
Belisarius richtete sich in seiner ganzen stolzen Höhe auf und preßte die Faust krampfhaft um seinen Schwertknauf. Es war, als wolle er dem Krüppel neben ihm den Kopf zerdrücken. Der Kaiser sprach für ihn: »Belisar kein großer Feldherr! Der Neid verblendet dich, Narses.«
»Ich beneide Belisar um nichts, nicht einmal«, seufzte er leise, »um seine Gesundheit. Er wäre ein großer Feldherr, wenn er nicht ein so großer Held wäre. Er hat noch jede Schlacht, die er verlor, aus zu viel Heldentum verloren.«
»Das kann man von dir nicht sagen, Narses«, warf Belisar bitter ein.
»Nein, Belisarius, denn ich habe noch nie eine Schlacht verloren.«
Eine ungeduldige Antwort Belisars ward abgeschnitten durch den Velarius, der, den Vorhang aufhebend, meldete:
»Alexandros, den du nach Ravenna gesendet, o Herr, ist seit einer Stunde gelandet und fragt —«
»Herein mit ihm, herein!« rief der Kaiser, hastig von seiner Kline aufspringend. Ungeduldig winkte er dem Gesandten, von seiner Proskynesis sich zu erheben: »Nun, Alexandros, du kommst allein zurück?«
Der Gesandte, ein schöner, noch junger Mann, wiederholte: »Allein.«
»Es verlautete doch — dein letzter Bericht — wie verließest du das Gotenreich?«
»In großer Verwirrung. Ich schrieb dir in meinem letzten Bericht, die Königin habe beschlossen, sich ihrer drei hochmütigsten Feinde zu entledigen. Sollte der Anschlag mißlingen, so war sie in Italien nicht mehr sicher und bat sich in diesem Falle aus, daß sie auf meinem Schiff nach Epidamnus, dann hierher nach Byzanz flüchten dürfe.«
»Was ich mit Freuden bewilligte. Nur, und der Anschlag?«
»Ist geglückt. Die drei Herzoge sind nicht mehr.
Aber nach Ravenna kam das Gerücht, der gefährlichste unter ihnen, Herzog Thulun, sei nur verwundet. Dies bewog die Regentin, da ohnehin die Goten in der Stadt sich drohend vor dem Palaste scharten, auf mein Schiff zu flüchten. Wir lichteten die Anker, aber bald nachdem wir den Hafen verlassen, schon auf der Höhe von Arimunum, holte uns Graf Witichis mit Übermacht ein, kam an Bord und forderte Amalaswinthen auf, zurückzukehren, indem er sich für ihre Sicherheit bis zur feierlichen Untersuchung vor der Volksversammlung verbürgte. Da sie von ihm erfuhr, daß jetzt auch Herzog Thulun seinen Wunden erlegen, und aus seinem Anerbieten sah, daß er und seine mächtigen Freunde noch nicht an ihre Schuld glaubten, da überdies Gewalt zu fürchten war, willigte sie darein, mit ihm umzukehren nach Ravenna. Zuvor aber schrieb sie noch an Bord der Sophia diesen Brief an dich und sendet dir aus ihrem Schatze diese Geschenke.«
»Davon später, sprich weiter, wie stehn die Dinge jetzt in Italien?«
»Gut für dich, o großer Kaiser. Das vergrößerte Gerücht von dem Aufstand der Goten in Ravenna, von der Flucht der Regentin nach Byzanz durchflog das ganze Land. Vielfach kam es schon zum Zusammenstoß zwischen Römern und Barbaren. In Rom selbst wollten die Patrioten losschlagen, im Senat einen Diktator wählen, deine Hilfe anrufen. Aber alles wäre verfrüht gewesen, nachdem die Regentin in den Händen des Witichis: nur das geniale Haupt der Katakombenmänner hat es verhindert.«
»Der Präfekt von Rom?« fragte Justinian.
»Cethegus. Er mißtraute dem Gerücht. Die Verschworenen wollten die Goten überfallen, dich zum Kaiser Italiens ausrufen, ihn einstweilen zum Diktator wählen. Aber er ließ sich in der Kurie buchstäblich die Dolche auf die Brust setzen und sagte: nein.«
»Ein mutiger Mann!« rief Belisar.
»Ein gefährlicher Mann!« sagte Narses.
»Eine Stunde darauf kam die Nachricht von der Rückkehr Amalaswinthens, und alles blieb beim alten. Der schwarze Teja aber hatte geschworen, Rom zu einer Viehweide zu machen, wenn es einen Tropfen Gotenblut vergossen. All das hab’ ich auf meiner absichtlich zögernden Küstenfahrt bis nach Brundisium erfahren. Aber noch Besseres hab’ ich zu melden. Nicht nur unter den Römern, unter den Goten selbst hab’ ich eifrige Freunde von Byzanz gefunden, ja unter den Gliedern des Königshauses.«
»Das wäre!« rief Justinian. »Wen meinst du?«
»In Tuscien lebt, reichbegütert, Fürst Theodahad, Amalaswinthens Vetter.«
»Jawohl, der letzte Mann im Haus der Amalungen, nicht wahr?«
»Der letzte. Er und noch viel mehr Gothelindis, sein kluges, aber böses Gemahl, die stolze Baltentochter, hassen aufs gründlichste die Regentin. Er, weil sie seiner maßlosen Habsucht, mit der er all seiner Nachbarn Grundbesitz an sich zu reißen sucht, entgegentritt: sie, aus Gründen, die ich nicht entdecken konnte, ich glaube, sie reichen in die Mädchenzeit der beiden Fürstinnen zurück — genug, ihr Haß ist tödlich. Diese beiden nun haben mir zugesagt, dir in jeder Weise Italien zurückgewinnen helfen zu wollen; ihr genügt es, scheint’s, die Todfeindin vom Thron zu stürzen, er freilich fordert reichen Lohn.«
»Der soll ihm werden.«
»Seine Hilfe ist deshalb wichtig, weil er schon halb Tuscien besitzt — das Adelsgeschlecht der Wölsungen hat den andere Teil — und spielend in unsre Hände bringen kann, dann aber, weil er, wenn Amalaswintha fällt, ihr auf den Thron zu folgen Aussicht hat. Hier sind Briefe von ihm und von Gothelindis. Aber lies vor allem das Schreiben der Regentin — ich glaube, es ist sehr wichtig.«
FÜNFZEHNTES KAPITEL
Der Kaiser zerschnitt die Purpurschnüre der Wachstafel und las: »An Justinian, den Imperator der Römer, Amalaswintha, der Goten und Italier Königin!«
»Der Italier Königin«, lachte Justinian, »welch verrückter Titel!«
»Durch Alexandros, deinen Gesandten, wirst du erfahren, wie Eris und Ate in diesem Lande hausen. Ich gleiche der einsamen Palme, die von widerstreitenden Winden zerrissen wird. Die Barbaren werden mir täglich feindseliger, ich ihnen täglich fremder, die Römer aber, soviel ich mich ihnen nähere, werden mir nie vergessen, daß ich germanischen Stammes. Bis jetzt habe ich entschlossenen Geistes allen Gefahren getrotzt: jedoch ich kann es nicht länger, wenn nicht wenigstens mein Palast, meine fürstliche Person vor der Überraschung drängender Gewalt sicher ist. Ich kann mich aber auf keine der Parteien hier im Lande unbedingt verlassen.
So ruf ich dich, als meinen Bruder in der königlichen Würde, zu Hilfe. Es ist die Majestät aller Könige, die Ruhe Italiens, dies es zu beschirmen gilt.
Schicke mir, ich bitte dich, eine zuverlässige Schar, eine Leibwache« der Kaiser warf einen bedeutsamen Blick auf Belisar —, »eine Schar von einigen tausend Mann mit einem mir unbedingt ergebenen Anführer: sie sollen den Palast von Ravenna besetzen, er ist eine Festung für sich. Was Rom betrifft, so müssen jene Scharen mir vor allem den Präfekten Cethegus, der ebenso mächtig als zweideutig ist und mich in der Gefahr, in die er mich geführt, plötzlich verlassen hat, fernhalten, nötigenfalls vernichten. Habe ich meine Feinde niedergeworfen und mein Reich befestigt, wie ich zum Himmel und der eignen Kraft vertraue, so werd’ ich die Truppen und Führer mit reichen Geschenken und reicherem Dank zurücksenden. Vale.«
Justinian drückte krampfhaft die Wachstafel in seiner Faust: leuchtenden Auges sah er vor sich hin, seine nicht schönen Züge vereitelten sich im Ausdruck hoher geistiger Macht, und dieser Augenblick zeigte, daß in dem Manne neben vielen Schwächen und Kleinheiten eine Stärke, eine Größe lebte: die Größe eines diplomatischen Genies.
»In diesem Brief«, rief er endlich strahlenden Blickes, »halt’ ich Italien und das Gotenreich.« Und in mächtiger Bewegung durchschnitt er das Gemach mit großen Schritten, jetzt sogar die Verbeugung vor dem Kreuz vergessend.
»Eine Leibwache — sie soll sie haben! Aber nicht ein paar tausend Mann, viele Tausende, mehr als ihr lieb sein wird, und du, Belisarius, sollst sie führen.«
»Sieh auch die Geschenke«, mahnte Alexandros und wies auf einen köstlichen Schrein von Thuienholz mit Gold eingelegt, den der Velarius hinter ihm niedergestellt hatte. »Hier ist der Schlüssel.« Er überreichte ein kleines Büchschen von Schildpatt, das mit der Regentin Siegel geschlossen war.
»Es ist ihr Bild dabei«, sagte er, wie zufällig mit lauterer Stimme.
In dem Augenblick, da der Gesandte die Stimme kräftiger erhoben, steckte sich, leise und unbemerkt von allen außer ihm, der Kopf eines Weibes durch den Vorhang, und zwei funkelnde schwarze Augen sahen scharf auf den Kaiser. Dieser öffnete den Schrein, schob rasch alle Kostbarkeiten beiseite und griff hastig nach einem unscheinbaren Täfelchen von geglättetem Buchs mit einem schmalen Goldrahmen. Ein Ruf des Staunens entflog unwillkürlich seinen Lippen, sein Auge blitzte, er zeigte das Bild Belisar: »Ein herrliches Weib, welche Majestät der Stirn! Ja, man sieht die geborene Herrscherin, die Königstochter!« Und bewundernd sah er auf die edeln Züge.
Da rauschte der Vorhang, und die Lauscherin trat ein.
Es war Theodora, die Kaiserin: ein verführerisches Weib. Alle Künste weiblichen Erfindungsgeistes in einer Zeit des äußersten Luxus und alle Mittel eines Kaiserreichs wurden täglich stundenlang aufgeboten, diese an sich ausgezeichnete, aber durch ein zügelloses Sinnenleben früh angegriffene Schönheit frisch und blendend zu erhalten.
Goldstaub lieh ihrem dunkelblauschwarzen Haar metallischen Glanz: es war am Nacken mit aller Sorgfalt gegen den Wirbel hinaufgekämmt, den schönen Bau des Hinterkopfs, den feinen Ansatz des Halses zu zeigen.
Augenbrauen und Wimpern waren mit arabischem Stimmi glänzend schwarz gefärbt: und so kunstvoll war das Rot der Lippen aufgetragen, daß selbst Justinian, der diese Lippen küßte, nie an eine Unterstützung der Natur durch phönikischen Purpur dachte. Jedes Härchen an den alabasterweißen Armen war sorgfältig ausgetilgt, und das zarte Rosa der Fingernägel beschäftigte täglich eine besondere Sklavin lange Zeit.
Und doch hätte Theodora, damals noch nicht vierzig Jahre alt, auch ohne all diese Künste für ein ganz auffallend schönes Weib gelten müssen.
Edel freilich war dieses Antlitz nicht: kein großer, ja kein stolzer Gedanke sprach aus diesen angestrengten, unheimlich glänzenden Augen, um die Lippen schwebte ein zur Gewohnheit gewordenes Lächeln, das die Stelle der ersten künftigen Falte ahnen ließ: und die Wangen zeigten in der Nähe der Augen Spuren müder Erschöpfung.
Aber wie sie jetzt mit ihrem süßesten Lächeln auf Justinian zuschwebte, das schwere Faltenkleid von dunkelgelber Seide zierlich mit der Linken aufhebend, übte die ganze Erscheinung einen betäubenden Zauber, ähnlich dem süßen, einlullenden Geruch von indischem Balsam, der von ihr duftete.
»Was erfreut meinen kaiserlichen Herrn so sehr? Darf ich seine Freude teilen?« fragte sie mit süßer, einschmeichelnder Stimme. Die Anwesenden warfen sich vor der Kaiserin zur Erde, kaum minder ehrerbietig als vor Justinian.
Dieser aber schrak bei ihrem Anblick, wie auf einer Schuld ertappt, zusammen und wollte das Bild in der Busenfalte seiner Chlamys verbergen. Aber zu spät. Schon haftete der Kaiserin scharfer Blick darauf.
»Wir bewunderten«, sagte er verlegen, »die — die schöne Goldarbeit des Rahmens.« Und er reichte ihr errötend das Bild.
»Nun, an dem Rahmen«, lächelte Theodora, »ist beim besten Willen nicht viel zu bewundern. Aber das Bild ist nicht übel. Gewiß die Gotenfürstin?« Der Gesandte nickte. »Nicht übel, wie gesagt. Aber barbarisch, streng, unweiblich. Wie alt mag sie sein, Alexandros?«
»Etwa fünfundvierzig.«
Justinian blickte fragend auf das Bild, dann auf den Gesandten. »Das Bild ist vor fünfzehn Jahren gemacht«, sagte Alexandros wie erklärend.
»Nein«, sprach der Kaiser, »du irrst; hier steht die Jahreszahl nach Indiktion und Konsul und ihrem Regierungsantritt: es ist von diesem Jahr.«
Eine peinliche Pause entstand.
»Nun«, stammelte der Gesandte, »dann schmeicheln die Maler wie —« — »Wie die Höflinge«, schloß der Kaiser. Aber Theodora kam ihm zu Hilfe.
»Was plaudern wir von Bildern und dem Alter fremder Weiber, wo es sich um das Reich handelt. Welche Nachrichten bringt Alexandros? Bist du entschlossen, Justinianus?« — »Beinahe bin ich es. Nur deine Stimme wollte ich noch hören, und du, das weiß ich, bist für den Krieg.«
Da sagte Narses ruhig: »Warum, Herr, hast du uns nicht gleich gesagt, daß die Kaiserin den Krieg will? Wir hätten unsre Worte sparen können.« — »Wie? Willst du damit sagen, daß ich der Sklave meines Weibes bin?« — »Hüte besser deine Zunge«, sagte Theodora zornig, »schon manchen, der sonst unverwundbar schien, hat die eigne spitze Zunge erstochen.«
»Du bist sehr unvorsichtig, Narses«, warnte Justinian.
»Imperator«, sagte dieser ruhig, »die Vorsicht hab’ ich längst aufgegeben. Wir leben in einer Zeit, in einem Reich, an einem Hof, wo man um jedes mögliche Wort, das man gesprochen oder nicht gesprochen hat, in Ungnade fallen, zugrunde gehen kann. Da mir nun jedes Wort den Tod bringen kann, will ich wenigstens an solchen Worten sterben, die mir selbst gefallen.«
Der Kaiser lächelte: »Du mußt gestehn, Patricius, daß ich viel Freimut ertrage.«
Narses trat auf ihn zu: »Du bist groß von Natur, o Justinianus, und ein geborner Herrscher: sonst würde Narses dir nicht dienen. Aber Omphale hat selbst Herkules klein gemacht.«
Die Augen der Kaiserin sprühten tödlichen Haß. Justinian ward ängstlich.
»Geht«, sagte er, »ich will mit der Kaiserin allein beraten. Morgen vernehmt ihr meinen Entschluß.«
SECHZEHNTES KAPITEL
Sowie sie draußen waren, schritt Justinian auf seine Gattin zu und drückte einen Kuß auf ihre weiße niedre Stirn. »Vergib ihm«, sagte er, »er meint es gut.«
»Ich weiß es«, sagte sie, seinen Kuß erwidernd. »Darum, und weil er unentbehrlich ist gegen Belisar, darum lebt er noch.« — »Du hast recht, wie immer.« Und er schlang den Arm um sie. »Was hat er Besondres vor?« dachte Theodora. »Diese Zärtlichkeit deutet auf ein schlechtes Gewissen.«
»Du hast recht«, wiederholte er, mit ihr im Gemach auf und nieder schreitend. »Gott hat mir den Geist versagt, der die Schlachten entscheidet, aber mir dafür diese beiden Männer des Sieges gegeben — und zum Glück ihrer zwei. Die Eifersucht dieser beiden sichert meine Herrschaft besser als ihre Treue: jeder dieser Feldherren allein wäre eine stete Reichsgefahr, an dem Tage, da sie Freunde würden, wankte mein Thron. Du schürst doch ihren Haß?«
»Er ist leicht zu schüren: zwischen ihnen ist eine natürliche Feindschaft wie zwischen Feuer und Wasser. Und jede Bosheit des Verschnittenen erzähl’ ich mit großer Entrüstung meiner Freundin Antonina, des Helden Belisar Weib und Gebieterin.« — »Und jede Grobheit des Helden Belisar bericht’ ich treulich dem reizbaren Krüppel. Aber zu unsrer Beratung. Ich bin, nach dem Bericht des Alexandros, so gut wie entschlossen zu dem Zug nach Italien.«
»Wen willst du senden?« — »Natürlich Belisar. Er verheißt, mit dreißigtausend zu vollbringen, was Narses kaum mit achtzigtausend übernehmen will.«
»Glaubst du, daß jene kleine Macht genügen wird?«
»Nein. Aber Belisars Ehre ist verpfändet: er wird all seine Kraft aufbieten, und es wird ihm doch nicht ganz gelingen.« — »Und das wird ihm sehr heilsam sein. Denn seit dem Vandalensieg ist sein Stolz nicht mehr zu ertragen.« — »Aber er wird drei Viertel der Arbeit tun. Dann rufe ich ihn ab, breche selbst mit sechzigtausend auf, nehme Narses mit, vollende im Spiel das letzte Viertel und bin dann auch ein Feldherr und ein Sieger.«
»Fein gedacht«, sagte Theodora in aufrichtiger Bewunderung seiner Schlauheit: »dein Plan ist reif.«
»Freilich«, sagte Justinian seufzend stehenbleibend. »Narses hat recht, im geheimen Grund des Herzens muß ich’s zugestehen. Es wäre dem Reiche heilsamer, die Perser abwehren, als die Goten angreifen. Es wäre mehr sichere, weisere Politik. Denn vom Osten kommt einst das Verderben.«
»Laß es kommen! Das kann noch Jahrhunderte anstehn, wenn von Justinian nur noch der Ruhm auf Erden lebt, wie Afrika, so Italien zurückgewonnen zu haben. Hast du für die Ewigkeit zu bauen? Die nach dir kommen, mögen für ihre Gegenwart sorgen: sorge du für die deine.« — »Wenn man aber dann sprechen wird: hätte Justinian verteidigt, statt zu erobern, so stünd’ es besser? Wenn man sagen wird: Justinians Siege haben sein Reich zerstört?« — »So wird niemand sprechen. Die Menschen blendet der Glanz des Ruhms. Und noch eins« — und hier verdrängte der Ernst der tiefsten Überzeugung den Ausdruck listiger Beschwatzung von ihren schmeichelnden Zügen.
»Ich ahn’ es, doch vollende.«
»Du bist nicht nur Kaiser, du bist ein Mensch.
Höher als das Reich muß dir deiner Seele Seligkeit stehen. Auf deinem, auf unsrem Pfad zur Herrschaft, zu dem Glanz dieser Herrschaft mußte mancher blut’ge Schritt geschehn: manches Harte mußte getan werden: Leben und Schätze so manchen gefährlichen Feindes mußten — genug.
Wohl bauen wir mit einem Teil dieser Schätze der heiligen, der christlichen Weisheit jenen Siegestempel, der allein schon unsern Namen unsterblich machen wird auf Erden. Aber für den Himmel — wer weiß, ob es genügt!
Laß uns« — und ihr Auge erglühte von unheimlichem Feuer — »laß uns die Ungläubigen vertilgen und über die Leichen der Feinde Christi hin den Weg zur Gnade suchen.« Justinian drückte ihre Hand. »Auch die Perser sind Feinde Christi, sind sogar Heiden.« — »Hast du vergessen, was der Patriarch gelehrt? Ketzer sind siebenmal schlimmer als Heiden! Ihnen ward der rechte Glaube gebracht, und sie haben ihn verschmäht. Das ist die Sünde wider den heiligen Geist, die nie vergeben wird — auf Erden und im Himmel. Du aber bist das Schwert, das diese gottverfluchten Arianer schlagen soll: sie sind Christi verhaßteste Feinde: sie kennen ihn und leugnen dennoch, daß er Gott. Schon hast du in Afrika die ketzerischen Vandalen niedergeworfen und den Irrwahn dort in Blut und Feuer erstickt: jetzt ruft dich Italien, Rom, die Stätte, wo der Apostelfürsten Blut geflossen, die heil’ge Stadt: nicht länger darf sie diesen Ketzern dienen. Justinian, gib sie dem wahren Glauben wieder.«
Sie hielt inne. Der Kaiser blickte schwer aufatmend zu dem Goldkreuz empor. »Du deckst die letzten Tiefen meines Herzens auf: das ist es ja, was, noch mächtiger als Ruhm und Siegesehre, mich zu diesen Kriegen treibt. Aber bin ich fähig, bin ich würdig, so Großes, so Heiliges zu Gottes Ehre zu vollenden? Will er durch meine sünd’ge Hand so Großes vollführen? Ich zweifle, ich schwanke. Und der Traum, der mir in dieser Nacht geworden, war er von Gott gesendet? Und was soll er bedeuten? Treibt er zum Angriff, oder mahnt er ab? Nun hatte deine Mutter Komito, die Wahrsagerin von Kypros, große Weisheit, Ahnungen und Träume zu deuten.« —
»Und du weißt, die Gabe ist erblich. Habe ich dir nicht auch den Ausgang des Vandalenkrieges aus deinem Traume gedeutet?«
»Du sollst mir auch diesen Traum erklären. Du weißt, ich werde irre an dem besten Plan, wenn ein Omen dawider spricht. Höre denn. Aber« — und er warf einen ängstlichen Blick auf sein Weib —, »aber bedenke, daß es ein Traum war und kein Mensch für seine Träume kann.«
»Natürlich, sie sendet Gott.« — »Was werd’ ich vernehmen?« sagte sie zu sich selbst.
»Ich war gestern nacht eingeschlafen, erwägend den letzten Bericht über Amala — über Italien. Da träumte mir, ich ging durch eine Landschaft mit sieben Hügeln. Dort ruhte unter einem Lorbeer das schönste Weib, das ich je gesehen. Ich stand vor ihr und betrachtete sie mit Wohlgefallen. Plötzlich brach aus dem Busch zur Rechten ein brüllender Bär, aus dem Gestein zur Linken eine zischende Schlange gegen die Schlummernde hervor. Aufwachend rief sie meinen Namen. Rasch ergriff ich sie, drückte sie an meine Brust und floh mit ihr: rückblickend sah ich, wie der Bär die Schlange zerriß und die Schlange den Bären zu Tode biß.«
»Nun, und das Weib?«
»Das Weib drückte einen flüchtigen Kuß auf meine Stirn und war plötzlich wieder verschwunden, und ich erwachte, vergebens die Arme nach ihr ausstreckend. Das Weib«, fuhr er rasch fort, ehe Theodora nachsinnen sollte, »ist natürlich Italien.«
»Jawohl«, sagte die Kaiserin ruhig. Aber ihr Busen wogte. »Der Traum ist der glücklichste. Bär und Schlange sind Barbaren und Italier, die um die Siebenhügelstadt ringen. Du entreißest sie beiden und läßt sie sich gegenseitig vernichten.
»Aber sie entschwindet mir wieder — sie bleibt mir nicht.«
»Doch. Sie küßt dich und verschwindet in deinen Armen. So wird Italien aufgehn in deinem Reich.«
»Du hast recht«, rief Justinian aufspringend. »Sei bedankt, mein kluges Weib. Du bist die Leuchte meiner Seele. Es sei gewagt: Belisar soll ziehn.«
Und er wollte den Velarius rufen. Doch hielt er plötzlich an. »Aber noch eins.« Und die Augen niederschlagend, faßte er ihre Hand.
»Ah«, dachte Theodora, »jetzt kommt’s.«
»Wenn wir nun das Gotenreich zerstört und in die Hofburg von Ravenna mit Hilfe der Königin selbst eingezogen sind — was — was soll dann mir ihr, der Fürstin, werden?«
»Nun«, sagte Theodora völlig unbefangen, »was mit ihr werden soll? Was mit dem entthronten Vandalenkönig geworden. Sie soll hierher, nach Byzanz.«
Justinian atmete hoch auf. »Mich freut es, daß du das Richtige fandest.«
Und in wirklicher Freude drückte er ihr die schmale, weiße, wunderzierliche Hand.
»Mehr als das«, fuhr Theodora fort. »Sie wird um so leichter auf unsre Pläne eingehen, je sicherer sie einer ehrenvollen Aufnahme hier entgegensieht. So will ich selbst ihr ein schwesterliches Schreiben senden, sie einzuladen. Sie soll im Fall der Not stets ein Asyl an meinem Herzen finden.«
»Du weißt gar nicht«, fiel Justinian eifrig ein, »wie sehr du dadurch unsern Sieg erleichterst. Die Tochter Theoderichs muß völlig von ihrem Volk hinweg zu uns gezogen werden. Sie selbst soll uns nach Ravenna führen.«
»Dann kannst du aber nicht gleich Belisar mit einem Heere senden. Das würde sie nur argwöhnisch machen und widerspenstig. Sie muß völlig in unsern Händen, das Barbarenreich von innen heraus gebrochen sein, ehe das Schwert Belisars aus der Scheide fährt.«
»Aber in der Nähe muß er von jetzt an stehen.«
»Wohl, etwa auf Sizilien. Die Unruhen in Afrika geben den besten Vorwand, eine Flotte in jene Gewässer zu senden. Und sowie das Netz gelegt, muß Belisars Arm es zuziehn.«
»Aber wer soll es legen?«
Theodora dachte eine Weile nach; dann sagte sie:
»Der geistgewaltigste Mann des Abendlands: Cethegus Cäsarius, der Präfekt von Rom, mein Jugendfreund.«
»Recht. Aber nicht er allein. Er ist ein Römer, nicht mein Untertan, mir nicht völlig sicher. Wen soll ich senden. Noch einmal Alexandros?«
»Nein«, rief Theodora rasch, »er ist zu jung für ein solches Geschäft, nein.« Und sie schwieg nachdenklich. »Justinian«, sprach sie endlich, »auf daß du siehst, wie ich persönlichen Haß vergessen kann, wo es das Reich gilt und der rechte Mann gewählt werden muß, schlage ich dir selber meinen Feind vor: Petros, des Narses Vetter, des Präfekten Studiengenossen, den schlauen Rhetor — ihn sende.«
»Theodora« — rief der Kaiser erfreut, sie umarmend, »du bist mir wirklich von Gott geschenkt. Cethegus — Petros — Belisar: Barbaren, ihr seid verloren!«