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Kitabı oku: «Ein Kampf um Rom», sayfa 9

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NEUNTES KAPITEL

Wenige Tage darauf wurde der Hof durch einen neuen Schritt des jungen Königs zur Selbständigkeit überrascht: er selbst berief den Rat der Regentschaft, ein Recht, das bisher nur Amalaswintha geübt. Die Regentin war nicht wenig erstaunt, als ein Bote ihres Sohnes sie in dessen Gemächer beschied, wo der König bereits eine Auswahl der höchsten Beamten des Reiches um sich versammelt habe, Goten und Römer, unter diesen Cassiodor und Cethegus.

Dieser hatte zuerst beschlossen, auszubleiben, um nicht durch sein Erscheinen das Recht anzuerkennen, das sich der Knabe herausnahm: ihm ahnte nichts Gutes. Aber eben deshalb besann er sich bald eines andern. »Ich darf der Gefahr nicht den Rücken, die Stirn muß ich ihr bieten«, sprach er, als er sich zu dem verhaßten Gang anschickte. Er fand in dem Gemach des Königs alle Geladenen bereits versammelt. Nur die Regentin fehlte noch. Als sie eintrat, erhob sich Athalarich — er trug eine langfaltige Abolla von Purpur, die Zackenkrone Theoderichs glänzte auf seinem Haupt, und unter dem Mantel klirrte das Schwert — von seinem Thronsessel, der vor einer durch einen Vorhang geschlossenen Nische stand, ging ihr entgegen und führte sie zu einem zweiten höheren Stuhl, der aber zur Linken stand. Als sie sich niedergelassen, hob er an: »Meine königliche Mutter, tapfre Goten, edle Römer! Wir haben euch hierher beschieden, euch unsern Willen kundzutun. Es drohten diesem Reiche Gefahren, die nur wir, der König dieses Reiches, abwenden konnten.«

Solche Sprache hatte man aus diesem Munde noch nicht vernommen. Alle schwiegen betroffen, Cethegus aus Klugheit: er wollte den rechten Augenblick abwarten. Endlich begann Cassiodor: »Deine weise Mutter und dein getreuer Diener Cassiodor« — — »Mein getreuer Diener Cassiodor schweigt, bis sein Herr und König ihn um Rat befragt. Wir sind schlecht zufrieden, sehr schlecht, mit dem, was die Räte unsrer königlichen Mutter bisher getan und nicht getan haben. Es ist höchste Zeit, daß wir selbst zum Rechten sehn.

Wir waren dazu bisher zu jung und zu krank. Wir fühlen uns nicht mehr zu jung und nicht mehr zu krank. Wir künden euch an, daß wir demnächst die Regentschaft aufheben und die Zügel dieses Reiches selbst ergreifen werden.«

Er hielt inne. Alles schwieg. Niemand hatte Lust, nach Cassiodors Beispiel zu reden und dann zu verstummen.

Endlich fand Amalaswintha, die diese plötzliche Energie ihres Sohnes gleichsam betäubt hatte, die Sprache wieder: »Mein Sohn, dies Alter der Mündigkeit ist nach den Gesetzen der Kaiser« — — »Nach den Gesetzen der Kaiser, Mutter, mögen die Römer sich richten. Wir sind Goten und leben nach gotischem Recht. Germanische Jünglinge werden mündig, wann sie das gesammelte Volksheer waffenreif erklärt.

Wir haben deshalb beschlossen, alle Heerführer und Grafen und alle freien Männer unsres Volkes, so viele ihrer dem Rufe folgen wollen, aus allen Provinzen des Reiches zur Heeresschau zu laden nach Ravenna. Mit dem nächsten Sonnwendfest sollen sie eintreffen.«

Überrascht schwieg die Versammlung.

»Das sind nur noch vierzehn Tage«, sprach endlich Cassiodor. »Wird es möglich sein, in so kurzer Frist noch die Ladungen zu besorgen?« — »Sie sind besorgt. Hildebrand, mein alter Waffenmeister, und Graf Witichis haben sie alle bestellt.« — »Wer hat die Dekrete unterschrieben«? fragte Amalaswintha, sich ermannend. »Ich allein, liebe Mutter. Ich mußte doch den Geladenen zeigen, daß ich reif genug, allein zu handeln.«

»Und ohne mein Wissen!« sprach die Regentin. — »Und ohne dein Wissen geschah es, weil es sonst gegen deinen Willen geschehen mußte.«

Er schwieg. Alle Römer waren ratlos und wie betäubt von der plötzlich entfalteten Kraft des jungen Königs. Nur in Cethegus stand sogleich der Entschluß fest, jene Versammlung zu verhindern, um jeden Preis. Er sah den Grund all seiner Pläne wanken. Gern wär’ er mit aller Wucht seines Wortes der vor seinen Augen versinkenden Regentschaft zu Hilfe gekommen, gern hätte er schon mehrere Male in dieser Verhandlung das kühne Aufstreben des Jünglings mit seiner ruhigen Überlegenheit zu Boden gedrückt, aber ihm hielt ein seltsamer Zufall Gedanken und Zunge wie mit Zauberbanden gefesselt.

Er hatte in der Nische hinter dem Vorhang Geräusch zu vernehmen geglaubt und scharfe Blicke darauf geheftet: da bemerkte er unter dem Vorhang durch, dessen Fransen nicht ganz bis zur Erde reichten, die Füße eines Mannes.

Freilich nur bis an die Knöchel. Aber an diesen Knöcheln saßen Beinschienen von Erz eigentümlicher Arbeit. Er kannte diese Beinschienen, er wußte, daß sie zu einer vollen Rüstung gleicher Art gehörten, er wußte auch in unbestimmter Gedankenverbindung, daß der Träger dieser Rüstung ihm verhaßt und gefährlich, aber es war ihm nicht möglich, sich zu sagen, wer dieser Feind sei. Hätte er die Schienen nur bis ans Knie verfolgen können! Gegen seinen Willen mußte er die Augen immer und immer wieder auf jenen Vorhang richten und raten und raten. Und das bannte seinen Geist jetzt — jetzt, da alles auf dem Spiele stand. Er zürnte über sich selbst, aber er konnte Gedanken und Blicke nicht von der Nische losreißen. Der König jedoch fuhr, ohne Widerstand zu finden, fort: »Ferner haben wir die edeln Herzoge Thulun, Ibbas und Pitza, die grollend diesen Hof verlassen, aus Gallien und Spanien zurückgerufen. Wir finden, daß allzuviele Römer, allzuwenig Goten uns umgeben. Jene drei tapferen Krieger werden mit Graf Witichis die Wehrmacht unseres Reiches, die Festen und die Schiffe untersuchen und alle Schäden aufdecken und heilen. Sie werden nächstens eintreffen.« Sie müssen sogleich wieder fort, sagte Cethegus rasch zu sich selbst. Aber seine Gedanken fuhren fort: Nicht ohne Grund ist jener Mann da drinnen versteckt.

»Weiter«, hob der königliche Jüngling wieder an, »haben wir Mataswinthen, unsre schöne Schwester, zurückbeschieden an unsern Hof. Man hat sie nach Tarent verbannt, weil sie sich geweigert, eines betagten Römers Weib zu werden. Sie soll wiederkehren, die schönste Blume unseres Volkes, und unseren Hof verherrlichen.«

»Unmöglich!« rief Amalaswintha: »Du greifst in das Recht der Mutter wie der Königin.« — »Ich bin das Haupt der Sippe, sobald ich mündig bin.«

»Mein Sohn, du weißt, wie schwach du warst noch vor wenigen Wochen. Glaubst du wirklich, die gotischen Heermänner werden dich waffenreif erklären?«

Der König wurde rot wie sein Purpur, halb vor Scham, halb vor Zorn; eh’ er Antwort fand, rief eine rauhe Stimme an seiner Seite: »Sorge nicht darum, Frau Königin. Ich bin sein Waffenmeister gewesen: ich sage dir, er kann sich messen mit jedem Feind: und wen der alte Hildebrand wehrfähig spricht, der gilt dafür bei allen Goten.« Lauter Beifall der anwesenden Goten bestätigte sein Wort.

Wieder gedachte Cethegus einzugreifen, aber eine Bewegung hinter dem Vorhang zog seine Gedanken ab: Einer meiner größten Feinde ist es, aber wer?

»Noch eine wichtige Sache ist euch kundzutun«, begann der König wieder, mit einem flüchtigen Seitenblick nach der Nische, der dem Präfekten nicht entging.

Etwa ein Anschlag gegen mich? dachte er. Man wollte mich überraschen? Das soll nicht gelingen! —

Aber es überraschte ihn doch, als plötzlich der König mit lauter Stimme rief: »Präfekt von Rom, Cethegus Cäsarius!« Er zuckte, aber rasch gefaßt, neigte er das Haupt und sprach: »Mein Herr und König.« — »Hast du uns nichts aus Rom zu melden? Wie ist die Stimmung der Quiriten? Was denkt man dort von den Goten?«

»Man ehrt sie als das Volk Theoderichs!« — »Fürchtet man sie?« — »Man hat nicht Ursach’, sie zu fürchten.« — »Liebt man sie?« — Gern hätte Cethegus geantwortet: Man hat nicht Ursach’, sie zu lieben. Aber der König selbst fuhr fort:

»Also keine Spur von Unzufriedenheit? Kein Grund zur Sorge? Nichts Besonderes, das sich vorbereitet?«

»Ich habe dir nichts anzuzeigen.« — »Dann bist du schlecht unterrichtet, Präfekt — oder schlecht gesinnt. Muß ich, der in Ravenna kaum vom Siechbett ersteht, dir sagen, was in deinem Rom unter deinen Augen vorgeht? Die Arbeiter auf deinen Schanzen singen Spottlieder auf die Goten, auf die Regentin, auf mich, deine Legionäre führen bei ihren Waffenübungen drohende Reden. Höchst wahrscheinlich besteht bereits eine ausgebreitete Verschwörung, Senatoren, Priester an der Spitze: sie versammeln sich nachts an unbekannten Orten. Ein Mitschuldiger des Boëthius, ein Verbannter, Albinus, ist in Rom gesehen worden; und weißt du, wo? im Garten deines Hauses.« Der König stand auf. Die Augen aller Anwesenden richteten sich erstaunt, erzürnt, erschrocken auf Cethegus. Amalaswintha bebte für den Mann ihres Vertrauens. Aber dieser war jetzt wieder völlig er selbst. Ruhig, kalt, schweigend sah er dem König ins Auge.

»Rechtfertige dich!« rief ihm dieser entgegen.

»Rechtfertigen gegen einen Schatten, ein Gerücht, eine Klage sonder Kläger? Nie!« — »Man wird dich zu zwingen wissen.« Hohn zuckte um des Präfekten schmale Lippen.

»Man kann mich morden auf bloßen Verdacht, ohne Zweifel — wir haben das erfahren, wir Italier! — nicht mich verurteilen. Gegen Gewalt gibt es keine Rechtfertigung, nur gegen Gerechtigkeit.« — »Gerechtigkeit soll dir werden, zweifle nicht. Wir übertragen den hier anwesenden Römern die Untersuchung, dem Senat in Rom die Urteilsfällung. Wähle dir einen Verteidiger.« — »Ich verteidige mich selbst«, sprach Cethegus kühl. »Wie lautet die Anklage? Wer ist mein Ankläger? Wo ist er?« — »Hier«, rief der König und schlug den Vorhang zurück.

Ein gotischer Krieger in ganz schwarzer Rüstung trat hervor.

Wir kennen ihn. Es war Teja.

Dem Präfekten drückte der Haß die Wimper nieder. Jener aber sprach: »Ich, Teja, des Tagila Sohn, klage dich an, Cethegus Cäsarius, des Hochverrats an diesem Reich der Goten. Ich klage dich an, den verbannten Verräter Albinus in deinem Haus zu Rom zu bergen und hehlen. Es steht der Tod darauf. Und du willst dies Land dem Kaiser in Byzanz unterwerfen.«

»Das will ich nicht«, sprach Cethegus ruhig: »beweise deine Klage.« — »Ich habe Albinus vor vierzehn Nächten mit diesen Augen in deinen Garten treten sehen«, fuhr Teja zu den Richtern gewendet fort. »Er kam von der Via sacra her, in einen Mantel gehüllt, einen Schlapphut auf dem Kopf. Schon in zwei Nächten war die Gestalt an mir vorbeigeschlüpft; diesmal erkannt’ ich ihn. Als ich auf ihn zutrat, verschwand er, ehe ich ihn ergreifen konnte, an der Tür, die sich von innen schloß.« — »Seit wann spielt mein Amtsgenoß, der tapfere Kommandant von Rom, den nächtlichen Späher?« — »Seit er einen Cethegus zur Seite hat. Aber ob mir auch der Flüchtling entkam — diese Rolle fiel ihm aus dem Mantel: sie enthält Namen von römischen Großen und neben den Namen Zeichen einer unlösbaren Geheimschrift. Hier ist die Rolle.« Er reichte sie dem König. Dieser las: »Die Namen sind: Silvernus, Cethegus, Licinius, Scävola, Calpurnius, Pompenius. — Kannst du beschwören, daß der Vermummte Albinus war?«

»Ich will’s beschwören.« — »Wohlan, Präfekt. Graf Teja ist ein freier, unbescholtener, eidwürdiger Mann. Kannst du das leugnen?«

»Ich leugne das. Er ist nicht unbescholten: seine Eltern lebten in nichtiger blutschänderischer Ehe: sie waren Geschwisterkinder, die Kirche hat ihr Zusammensein verflucht und seine Frucht: er ist ein Bastard und kann nicht zeugen gegen mich, einen edeln Römer senatorischen Ranges.« Ein Murren des Zornes entrang sich den anwesenden Goten. Tejas blasses Antlitz wurde noch bleicher. Er zuckte. Seine Rechte fuhr ans Schwert: »So vertret’ ich mein Wort mit dem Schwert«, sprach er mit tonloser Stimme. »Ich fordere dich zum Kampf, zum Gottesgericht auf Tod und Leben.« — »Ich bin Römer und lebe nicht nach eurem blutigen Barbarenrecht. Aber auch als Gote: ich würde dem Bastard den Kampf versagen.« — »Geduld«, sprach Teja und stieß das halb gezückte Schwert leise in die Scheide zurück. »Geduld, mein Schwert. Es kommt dein Tag.« Aber die Römer im Saale atmeten auf.

Der König nahm das Wort: »Wie dem sei, die Klage ist genug begründet, die genannten Römer zu verhaften. Du, Cassiodor, wirst die Geheimschrift zu entziffern suchen. Du, Graf Witichis, eilst nach Rom und bemächtigst dich der fünf Verdächtigen, durchsuchst ihre Häuser und das des Präfekten. Hildebrand, du verhaftest den Verklagten, nimm ihm das Schwert ab.« — »Halt«, sprach Cethegus, »ich leiste Bürgschaft mit all meinem Gut, daß ich Ravenna nicht verlasse, bis dieser Streit zu Ende. Ich verlange Untersuchung auf freiem Fuß: das ist des Senators Recht.«

»Kehr’ dich nicht dran, mein Sohn«, rief der alte Hildebrand vortretend, »laß mich ihn fassen.« — »Laß«, sprach der König. »Recht soll ihm werden, strenges Recht, doch nicht Gewalt. Laß ab von ihm. Auch hat ihn die Klage überrascht. Er soll Zeit haben, sich zu verteidigen. Morgen um diese Stunde treffen wir uns wieder hier. Ich löse die Versammlung.«

Der König winkte mit dem Zepter: in höchster Aufregung eilte Amalaswintha aus dem Gemach. Die Goten traten freudig zu Teja. Die Römer drückten sich rasch an Cethegus vorbei, vermeidend, mit ihm zu sprechen. Nur Cassiodor schritt fest auf ihn zu, legte die Hand auf seine Schulter, sah ihm prüfend ins Auge und fragte dann: »Cethegus, kann ich dir helfen?« — »Nein, ich helfe mir selbst«, sprach dieser, entzog sich ihm und schritt allein und stolzen Ganges hinaus.

ZEHNTES KAPITEL

Der heftige Schlag, den der junge König so unerwartet gegen den ganzen Grundbau der Regentschaft geführt hatte, erfüllte bald den Palast und die Stadt mit Staunen, mit Schrecken oder Freude. Zu der Familie des Boëthius brachte die erste bestimmte Kunde Cassiodor, der Rusticianen zum Trost der erschütterten Regentin beschied. Mit Fragen bestürmt, erzählte er den ganzen Hergang ausführlich: und so bestürzt oder unwillig er darüber war, auch aus seinem feindlichen Bericht leuchteten die Kraft, der Mut des jungen Fürsten unverkennbar hervor. Mit Begierde lauschte Kamilla jedem seiner Worte: Stolz, stolz auf den Geliebten — der Liebe glücklichstes Gefühl — erfüllte mächtig ihre ganze Seele.

»Es ist kein Zweifel«, schloß Cassiodor mit Seufzen, »Athalarich ist unser entschiedener Gegner: er steht ganz zu der gotischen Partei, zu Hildebrand und seinen Freunden. Er wird den Präfekten verderben. Wer hätte das von ihm geglaubt! Immer muß ich daran denken, Rusticiana, wie so ganz anders er sich bei dem Prozeß deines Gatten benahm.«

Kamilla horchte hoch auf.

»Damals gewannen wir die Überzeugung, er werde zeitlebens der glühendste Freund, der eifrigste Vertreter der Römer sein.« — »Ich weiß davon nichts«, sagte Rusticiana. — »Es ward vertuscht. Das Todesurteil war gesprochen über Boëthius und seine Söhne. Vergebens hatten wir alle, Amalaswintha voran, die Gnade des Königs angerufen: sein Zorn war unauslöschlich. Als ich wieder und wieder ihn bestürmte, fuhr er zornig auf und schwur bei seiner Krone, der solle es im tiefsten Keller büßen, der ihm noch einmal mit der Fürbitte für die Verräter nahe. Da verstummten wir alle. Nur einer nicht. Nur Athalarich, der Knabe, ließ sich nicht schrecken, er weinte und flehte und hing sich an seines Großvaters Knie.«

Kamilla erbebte. Der Atem stockte ihr.

»Und nicht ließ er ab, bis Theoderich in höchstem Zorn emporfuhr, ihn mit einem Schlag in den Nacken von sich schleuderte und den Wachen übergab. Der ergrimmte König hielt seinen Eid. Athalarich ward in den Kerker des Schlosses geführt und Boëthius sofort getötet.«

Kamilla wankte und hielt sich an einer Säule des Saales.

»Aber nicht umsonst hatte Athalarich gesprochen und gelitten.

Tags darauf vermißte der König an der Tafel schwer den Liebling, den er von sich gebannt. Er gedachte, mit welch edlem Mut er, der Knabe, für seine Freunde gebeten, als die Männer in Furcht verstummten. Er stand endlich auf von seinem Abendtrunk, bei dem er lange sinnend saß, stieg selbst hinab in den Keller, öffnete die Pforte, umarmte seinen Enkel und schenkte auf seine Bitte deinen Söhnen, Rusticiana, das Leben.«

»Fort, fort zu ihm!« sprach Kamilla mit erstickter Stimme zu sich selbst und eilte aus dem Saal.

»Damals«, fuhr Cassiodor fort, »damals mochten Römer und Römerfreunde in dem künftigen König ihre beste Stütze sehen, und jetzt meine arme Herrin, arme Mutter!« und klagend schritt er hinaus.

Rusticiana saß lange wie betäubt. Sie sah alles wanken, worauf sie ihre Rachepläne gebaut: sie versank in dumpfes Brüten. Länger und länger schon fielen die Schatten der hohen, starken Türme in den Schloßhof, auf welchen sie hinausstarrte.

Da weckte sie der feste Schritt eines Mannes im Saal, erschrocken fuhr sie auf: Cethegus stand vor ihr. Sein Antlitz war kalt und finster, aber eisig ruhig.

»Cethegus!« rief die Bekümmerte und wollte seine Hand fassen, aber seine Kälte schreckte sie zurück. »Alles verloren!« seufzte sie, stehen bleibend. »Nichts ist verloren. Es gilt nur Ruhe. Und Raschheit«, setzte er, umblickend im Gemach, hinzu, Als er sich allein mit ihr sah, griff er in die Brustfalten seiner Toga. »Dein Liebestrank hat nicht geholfen, Rusticiana. Hier ist ein andrer — stärkrer. Nimm.« Und rasch drückte er ihr eine Phiole von dunklem Lavastein in die Hand. Mit banger Ahnung sah ihn die Freundin an: »Glaubst du auf einmal an Magie und Zaubertrank? Wer hat ihn gebraut?« — »Ich«, sagte er, »und meine Liebestränke wirken.« — »Du!« — es durchlief sie ein eisiges Grauen. »Frage nicht, forsche nicht, säume nicht«, sprach er herrisch. »Es muß noch heute geschehen. Hörst du? Noch heute.«

Aber Rusticiana zögerte noch und sah zweifelnd auf das Fläschchen in ihrer Hand. Da trat er heran, leise ihre Schulter berührend: »Du zauderst«, sagte er langsam. »Weißt du, was auf dem Spiele steht? Nicht nur unser ganzer Plan! Nein, blinde Mutter. Noch mehr. Kamilla liebt, liebt den König mit aller Kraft der jungen Seele. Soll die Tochter des Boëthius die Buhle des Tyrannen werden?«

Laut aufschreiend fuhr Rusticiana zurück: was in den letzten Tagen wie eine böse Ahnung in ihr aufgestiegen, ward ihr gewiß mit diesem einen Wort: noch einen Blick warf sie auf den Mann, der das Grausame gesprochen, und hinweg eilte sie, zornig die Faust um das Fläschchen geballt.

Ruhig sah ihr Cethegus nach. »Nun, Prinzlein, wollen wir sehen. Du warst rasch, ich bin rascher. — Es ist eigen«, sagte er dann, die Falten seiner Toga herabziehend, »ich glaubte längst nicht mehr, noch solche heftige Regung empfinden zu können. Jetzt hat das Leben wieder einen Reiz. Ich kann wieder streben, hoffen, fürchten. Sogar hassen. Ja, ich hasse diesen Knaben, der sich unterfängt, mit der kindischen Hand in meine Kreise zu tappen. Er will mir trotzen — meinen Gang aufhalten, er stellt sich kühn in meinen Weg: Er — mir! Wohlan, so trag’ er denn die Folgen.«

Und langsam schritt er aus dem Gemach und wandte sich nach dem Audienzsaal der Regentin, wo er sich absichtlich der versammelten Menge zeigte und durch die eigne Sicherheit den bestürzten Herzen der Hofleute einige Ruhe wiedergab. Er sorgte dafür, zahlreicher Zeugen für all seine Schritte an diesem verhängnisvollen Tage sich zu versichern. Beim Sinken der Sonne ging er mit Cassiodor und einigen andern Römern, seine Verteidigung für den nächsten Tag beratend, in den Garten, in dessen Laubgängen er sich umsonst nach Kamilla umsah.

Diese war, sowie sie Cassiodors Bericht zu Ende gehört, in den Hof des Palastes geeilt, wo sie zu dieser Stunde den König mit den andern jungen Goten seines Hofes beim Waffenspiel zu treffen hoffte. Nur sehen wollte sie ihn, doch nicht ihn sprechen und ihm zu Füßen ihr großes Unrecht abbitten. Sie hatte ihn verabscheut, von sich gestoßen, ihn als mit dem Blut ihres Vaters befleckt gehaßt — ihn, der sich für diesen Vater geopfert, der ihre Brüder gerettet hatte!

Aber sie fand ihn nicht im Hof. Die wichtigen Ereignisse des Tages hielten ihn in seinem Arbeitszimmer fest. Auch seine Waffengesellen fochten und spielten heute nicht: in dichten Gruppen beisammenstehend, priesen sie laut den Mut ihres jungen Königs.

Mit Wonne sog Kamilla dieses Lob ein: stolz errötend, selig träumend, wandelte sie in den Garten und suchte dort an allen seinen Lieblingsstätten die Spuren des Geliebten. Ja, sie liebte ihn: kühn und freudig gestand sie sich’s ein: er hatte es tausendfach um sie verdient. Was Gote, was Barbar! Er war ein edler, herrlicher Jüngling, ein König, der König ihrer Seele. Wiederholt wies sie die begleitende Daphnidion aus ihrer Nähe, daß diese nicht höre, wie sie wieder und wieder den geliebten Namen selig vor sich hinsprach. Endlich am Venustempel angelangt, versank sie in süße Träume über die Zukunft, die unklar, aber golden dämmernd, vor ihr lag. Vor allem beschloß sie, dem Präfekten und ihrer Mutter schon morgen zu erklären, nicht mehr auf ihre Mithilfe gegen den König zählen zu sollen. Dann wollte sie diesem selbst ihre Schuld abbitten mit innigen Worten und dann — dann? Sie wußte nicht, was dann werden sollte: aber sie errötete in holden Träumen.

Rote, duftige Mandelblüten fielen aus den nickenden Büschen: in dem dichten Oleander neben ihr sang die Nachtigall, eine klare Quelle glitt rieselnd an ihr vorüber nach dem blauen Meer, und die Wellen dieses Meeres rollten leise, wie ihrer Liebe huldigend, zu ihren Füßen.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
1270 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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