Kitabı oku: «Inferno Ostpreußen», sayfa 4
2. Wer den Wind sät …
2.1. Ein Täter vom Adel 83
Der einstige SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS und der Polizei Curt von Gottberg wurde am 11. Februar 1896 in Preußisch Wilten, Kreis Friedland/Ostpreußen als Sohn eines Gutsbesitzers geboren. Er besuchte das Wilhelms-Gymnasium in Königsberg/Ostpreußen bis zum Abitur im Jahre 1914. Mit 18 Jahren trat er am 2. August 1914 als Kriegsfreiwilliger in das Kürassier-Regiment „Graf Wrangel“ in Königsberg ein und wurde 1915 zum 1. Garde-Regiment zu Fuß nach Potsdam versetzt. Er selbst: „Im Jahre 1916 bestand ich auf der Feldkriegsschule in Löbau das Kriegsschulexamen mit Dispens.“ Das brachte den „Leutnant“. Bei den Kämpfen im Westen wurde er 1917 schwer verwundet und schied 1920 als Oberleutnant aus dem Heer aus.84
2.1.1. Der Betrüger und Grobian
Die Novemberrevolution beendete das Schlachten um Einflusssphären. Da steht nun ein junger Mann, der nichts als Kommandieren und Kämpfen gelernt hat. In seiner NS-Karteikarte und auf dem von ihm unterschriebenen Fragebogen vom 08. 08. 1937 hielt er für erwähnenswert, dass er zwischen 1919 und 1924 bei der Brigade Ehrhardt untergekommen sei.85 Um 1920 wäre er Adjutant bei der Kampftruppe von Kapitänleutnant Schimmelpfennig gewesen. Dieser hatte sich politisch auf Hitler orientiert, militärisch gehörte die Formation zu Ehrhardts Schwarz-Weiß-Roten. „Als solcher machte ich den 09. November 1923 in München mit.“86 Dieser zarte Hinweis auf frühe Verdienste wurde nicht belohnt. Denn er besaß weder den Blutorden für die Teilnehmer an Hitlers Putsch noch das Goldene Ehrenzeichen für Mitgliedschaft vor 1933.
Parallel dazu will er beruflich tätig gewesen sein. Seit dem Frühjahr 1919 wäre er „Inspektor auf einem größeren ostpreußischen Gut“ gewesen, hätte Ende 1919 ein Bauerngrundstück gepachtet, das er „später käuflich erwarb. 1924 verkaufte ich dasselbe, lernte Kaufmann, wurde zunächst Prokurist in einem Holzgeschäft, später Generalbevollmächtigter der v. Kalcksteinschen Besitzungen Romitten [Kreis Preußisch-Eylau] und führte zum Schluss Beispielssiedlungen als Treuhänder durch“. (Mit dem Worte „Schluss“ scheint er das Ende der Weimarer Republik zu umschreiben.)
„Während meiner Arbeit als Treuhänder konnte ich mich politisch nicht öffentlich betätigen.“87 Daher datiert sein Eintritt in die NSDAP erst vom 20. Juli 1932.88 Den Königsberger SA-Führern ist der Landwirt seit dem Jahre 1931 und „schon seit langer Zeit“ als „fanatischer Nationalsozialist“ bekannt. Er „klagte damals schon sein Leid, dass es ihm wegen seiner Stellung nicht möglich sei, in die aktive SA einzutreten. Trotzdem hat er sich an den Propagandaumzügen der damals sehr belebten Zeit beteiligt“. Er ist in die SA-Reserve eingetreten, „machte dort jeden Dienst mit und half darüber hinaus noch durch erhebliche Geldaufwendungen meinen erwerbslosen und oft hungernden SA-Männern.“89
Gottberg sei „ein hartnäckiger Kämpfer“ gewesen und führe „diesen Kampf ohne Rücksicht auf sich und seine Familie“. Der ihm im August 1933 dieses Lob austeilte, hieß Sturmbannführer Freund. Der arbeitete im Stabe der SA-Obergruppe I Königsberg und schrieb dem bewährten Sturmtruppler eine Bescheinigung des höchsten SA-Führers der Provinz aus.90
Der neue Kämpfer machte seinen Vorgesetzten in der Gauleitung der NSDAP Ostpreußen wenig Freude. Schon fünf Monate nach seinem Eintritt, Mitte Dezember 1932, leitete die ein Parteiverfahren gegen ihn ein. Er sollte aus der Partei ausgeschlossen werden.91 Zum Äußersten kam es aber nicht. Die Königsberger Kreisleitung sprach ihm im Februar 1933 eine „Verwarnung mit Funktionsverbot für 1 Jahr“ aus.92 Damit war der Kämpfer gut weggekommen. Das Urteil reichte dem Ehrgeizling nicht aus, jetzt, nach der Machtergreifung hätte der Vollzug der Strafe den Aufstieg in der NS-Hierarchie behindern können. Deshalb wandte er sich beschwerdeführend an die Reichsleitung der NSDAP. Diese forderte die Gauleitung zur Stellungnahme auf. Königsberg beschrieb im März das Wesen der Anklage. Es „werden seitens weiter Kreise der Siedler und Handwerker Ostpreußens die verschiedensten Vorwürfe bezüglich seiner Siedlungstätigkeit gemacht … Die [von ihm] durchgeführten Siedlungen sind zum Teil nicht ordnungsgemäß hergestellt, so ist … bei Durchführung einer Siedlung ein großer Teil der Handwerkerforderungen ausgefallen.“93
In gleicher Frage und zur gleichen Zeit schreibt der Vorsitzende des Gau-Untersuchungs- und Schlichtungsausschusses (Uschla) Oppermann an den Vorsitzenden des Reichsausschusses in München. Die nicht bezahlten Handwerkerforderungen mussten „durch behördliche Unterstützung ausgeglichen“ werden. Über diese Tätigkeit von Gottbergs hätten sich die Handwerkerverbände von Insterburg beim Preußischen Landtag beschwert. Sobald in der Folgezeit von Gottberg unter den Siedlern aufgetaucht sei, hätten diese „sofort“ gegen ihn „Stellung genommen“, mehr noch: „Sämtliche Behörden lehnen Pg. Curth von Gottberg wegen fachlicher Unzuverlässigkeit ab.“94
Bei solchem Verhalten kann man leicht vor Gericht kommen. In einer Verhandlung des Schöffengerichts „gegen den Siedlungsunternehmer Pg. v. Gottberg“ ging es um die Beleidigung eines Oberregierungsrates. Der hatte „seit September 1931 … eine Reihe von Berichten abgefasst, in denen er v. Gottberg Untreue und Betrug vorwarf und ihn außerdem als einen Schieber hinstellte. Durch Indiskretionen gingen diese Behauptungen an die Öffentlichkeit, wodurch eine schwere gesellschaftliche Schädigung des Ansehens Pg. v. Gottbergs erfolgte“. Durch solche Angriffe erregt, hatte von Gottberg einem Assessor gesagt: „So ein Schwein von Oberregierungsrat“, und der junge Mann hatte das seinem Vorgesetzten gemeldet. Wenige Tage danach wiederholte das von Gottberg „in einem Königsberger Lokal“. Ergebnis war eine Beleidigungsklage von Seiten des Präsidenten des Landesfinanzamtes. Das Gericht verurteilte von Gottberg zu 2 500 Reichsmark Geldstrafe, ersatzweise 100 Tage Haft, und zur Publikation des Verfahrens in den beiden größten Zeitungen der Provinz, der „Preußischen“ und der „Königsberger Allgemeinen Zeitung“.95
Hitlers Landwirtschaftsminister Walther Darré wird später an den Reichsführer SS, Heinrich Himmler, schreiben, von Gottberg „hatte sich vor 1933 in ein Siedlungsunternehmen eingelassen, welches danebenging“. In dieser Zeit sei auch eine Klage gegen von Gottberg wegen Beamtenbestechung gelaufen, die Akten wären Heydrich in Aufbewahrung gegeben worden. Nach 1933 habe von Gottberg deswegen einen Prozess gegen Darré „als Landwirtschaftsminister“ angestrengt, „obwohl alle Akten gegen ihn standen … Es gehörte eine unsagbare Mühe und Geschicklichkeit dazu, diesen Prozess so beizulegen, dass von Gottberg mit einem blauen Auge davonkam“. Darré habe sich so verhalten „aus Kameradschaftlichkeit gegenüber einem SS-Führer“ und „aus Anhänglichkeit“ gegenüber Himmler.
Darré wollte auch weiterhin nichts gegen von Gottberg unternehmen, er wollte einen von Himmlers „ersten Bataillonskommandeuren“ nicht „torpedieren“.96 Da finden wir den SS-Frischling plötzlich in einem Offiziersrang.97 Und das kam so: Die SS-Gruppe Südwest im schönen Schwabenland verfügte über „kasernierte SS-Formationen in Stärke von 800 Mann“. Zu deren Führung und Ausbildung wurde ein neuer Mann benötigt. Die Gruppe erbat sich dazu einen solchen im Oktober 1933 von Himmlers Führungsstab. Die Sache war augenscheinlich dringlich, deswegen bat der SS-Oberführer, der diesen Antrag einreichte, „um tunlichste Beschleunigung“. Die Schwaben hatten von einem tüchtigen Mann Kunde bekommen. Im 1000 Kilometer entfernten Königsberg lebte der „SS-Obertruppführer Kurth von Gottberg“. Der wurde im romantischen Ellwangen an der Jagst benötigt. Hinderlich war allerdings ein Problem: Der Mann besaß nicht den erforderlichen hohen Rang, militärisch ausgedrückt war er nur Oberfeldwebel. In den Hundertschaften dienten dagegen Sturm-, Sturmhaupt- und Sturmbannführer (Leutnante bis zu Majoren). Denen konnte man keinen Unteroffizier vor die Nase setzen. Der Antragsteller wusste einen Ausweg salomonischer Art. Er schlug vor, seinen Wunschkandidaten vor dem Eintreffen am Dienstort zum SS-Sturmbannführer zu befördern und ihn in diesem Rang im Jagsttal seinen Dienst aufnehmen zu lassen.98
Das geschah dann auch, wenn auch nicht auf Dauer. Der neue Kommandeur des Bataillons hatte bald „durch sein landsknechtsmäßiges Verhalten“ den Unwillen von Himmler erregt. Dieser wollte ihm deswegen das Bataillon wegnehmen. Darré hingegen glaubte „an einen guten Kern“, daraufhin setzte Himmler ihn vor die 49. SS-Standarte in Goslar.99
2.1.2. Der Säufer
Aber auch die Schönheit des Harzvorlandes schälte keinen guten Kern aus dem Strafversetzten heraus. Im Gegenteil: Wieder einmal fand er sich vor Gericht wieder. Dieses Mal fühlte er sich beleidigt. Die Verhandlung fand am 17. Oktober 1936 vor dem Amtsgericht in Harzburg statt. Eine Margot Fastabend hatte in anonymen Briefen neben anderem behauptet, „Herr v. Gottberg scheine sich dem Alkohol hinzugeben, er sei wohl in keiner Nacht nüchtern“. Der Richter, der nur zwei Zeugen befragen konnte, urteilte „mit hinreichender Klarheit, dass v. Gottberg im Übermaß dem Trunk huldigte“. Das Verfahren wurde zwar eingestellt, aber v. Gottberg konnte sich jetzt als gerichtsnotorischen Säufer betrachten.100
Anstoß zu dem Schreiben der Frau Fastabend mag ein Autounfall gewesen sein, den der hohe Herr zuvor nach Alkohol-„Genuss“ erlitten hatte. Der Dienstwagen war so stark beschädigt worden, „dass eine Instandsetzung nicht mehr möglich ist“.101
Der Betrunkene erlitt schwere körperliche Schäden, die eine Unterschenkelamputation notwendig machten. Daraufhin sah Himmler sich zum Eingreifen genötigt. Das SS-Personalamt dachte an einen Strengen Verweis. Der SS-Oberabschnitt Mitte sprach sich dagegen aus und bat, die Strafe nicht auszusprechen.102 Die endgültige Entscheidung fiel am 12. August 1936. In Anwesenheit des Führers des SS-Oberabschnitts Mitte SS-Obergruppenführer Jeckeln, unterschrieb sein Obersturmbannführer einen ihm vorgelegten Text: „Ich gebe hierdurch die ehrenwörtliche Erklärung ab, dass ich mich vom heutigen Tage an gerechnet 3 Jahre lang des Alkoholgenusses in jeglicher Form enthalten werde. Die Bedeutung dieser Erklärung ist mir bekannt. Braunschweig …“ Jeckeln setzt eine Aktennotiz darunter. Die Erklärung wäre „heute auf Wunsch des Reichsführers SS“ abgegeben worden. Von Gottberg hätte zum Ausdruck gebracht, „dass er die Erklärung von sich aus und aus freien Stücken abgebe“.103
Da trafen sich die Intentionen des obersten SS-Mannes mit den „freien Stücken“ seines ostpreußischen Untergebenen. Der Volksmund nennt solch ein Verfahren „freiwilliges Muss“. Anfang Januar 1937 legt das SS-Hauptamt die Sache zu den Akten, „da SS-Obersturmbannführer v. Gottberg durch seinen Unfall und [das] Alkoholverbot bereits genügend bestraft ist“.104 (sic!)
Landwirtschaftsminister Darré hatte aber immer noch seinen Narren an dem Mann gefressen. Obwohl er offen schreibt, dass der Verlust des Beines „nicht zuletzt zum wenigsten durch sein Verhalten gegenüber dem Alkohol“ eingetreten ist, besorgte er ihm eine Rehabilitationskur.105 Dort scheint er sich bewährt zu haben, denn er wird zum 1. Juli 1937 zum Chef des Rassen- und Siedlungsamtes der SS befördert. Er hat „sich dort eine starke und politisch selbständige Stellung geschaffen“. Einige Monate nach Amtsantritt muss diese, seine eigene Behörde ihn als „Schiedsmann des Großen Schiedshofes“ vorgeschlagen haben. Er scheint auch in diese Funktion eingetreten zu sein, denn am 1. August 1938, bittet der Chef des SS-Gerichtes München die Personalkanzlei beim Reichsführer SS, ihn aus dieser Funktion abzuberufen. Zum Zeitpunkt der Berufung wäre nicht bekannt gewesen, dass „von Gottberg … ein dreijähriges Alkoholverbot erhalten hatte“. Dieses gelte noch bis zum 12. 08. 1939. Ein „von einer solchen Maßnahme betroffener SS-Führer“ dürfte für die Tätigkeit als Schiedsmann „kaum geeignet sein“.106
Im gleichen Monat verabschiedete sich der Reichsminister für Ernährung in einem persönlichen Schreiben an seinen „Lieben Heini“ Himmler von seinem Schützling. Walther Darré begründete auf drei Seiten und in fünf Punkten seine Vorbehalte gegen den ehemaligen Landwirt. Er legte seine Bedenken gegen einen weiteren Einsatz im SS-Siedlungsamt dar und schloss mit der Aufforderung: „Ich beschränke mich auf diese Feststellungen und überlasse es Dir zu verhindern, dass der Fall von Gottberg Kreise zieht, die weder von Dir noch von mir gewünscht werden.“107 Von Gottberg wurde daher „wegen tatsächlicher oder angeblicher Unsauberkeiten in seiner dienstlichen Tätigkeit und privaten Lebensführung seines Amtes enthoben“. Das genaue Datum lässt sich nicht feststellen, einmal wird der 7. November 1939 mit dem Vermerk „enthoben“ genannt, an gleicher Stelle findet sich der Monat Dezember, aber auch „Anfang 1940“ kann man in den Akten lesen.108
Den Schlusspunkt unter diese Entwicklungsetappe setzte eine Woche nach dem 7. November 1939 ein Dr. med. Martin Brustmann. Er fertigte seinem Patienten ein „SS-Ärztliches Zeugnis“ aus. Von Gottberg leide „an hochgradiger Erschöpfung des Nerven- und Kreislaufsystems“, daher sei er auf 3 Monate dienstuntauglich. Der Arzt verlangte, „zu seiner Wiederherstellung und zur Vermeidung von Rückfällen ist völlige Enthaltsamkeit von Alkohol und Tabak dringend erforderlich.“109 Da ist der Drei-Jahrestermin mit Ehrenwort nur wenige Wochen überschritten und schon hat sich der zukünftige Ritterkreuzträger an Herz und Nerven ruiniert!
2.1.3. Der unschuldig schuldig gesprochene Geschäftemacher
Die Daten des Ausscheidens aus dem Rassen- und Siedlungsamt liegen um den Jahreswechsel 1939/40 herum. Das Verwirrspiel der Akten dauert an. Denn angeblich schon seit Sommer 1939 soll er in Prag herrschen. Zum SS-Oberführer gestiegen, waltete er als Chef des Bodenamts. Dieses sollte „allen jüdischen und sonst als staatsfeindlich bezeichneten landwirtschaftlichen Besitz“ übernehmen.110 Was immer ein staatsfeindlicher Besitz sein soll, aber so ist das Deutsch von Himmlers Germanen. In Prag schuf er sich „eine starke und selbständige Stellung“, denn er wollte ein vom Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums (RKF) unabhängiges Reichssiedlungskommissariat schaffen.111
Zur Jahreswende traf ihn Schlag auf Schlag. Noch im Januar entschied Himmler, dass von Gottberg „als Bewirtschafter eines Gutes im Osten eingesetzt werden soll.“ Er wurde also aus dem Dienst im Rasse- und Siedlungshauptamt mit Nachdruck entlassen. Nämlich: Ihm wurde ein Besuch des Chefs des Persönlichen Stabes Himmlers angekündigt. Der werde ihn unter vier Augen informieren, dass der Reichsführer „seine größte Zurückhaltung aus jeder Politik wünscht“.112
Aber der Mann zeigte Charakter, so wie er den verstand. Er muss sich sehr stark gefühlt haben, denn er hat Himmlers Befehl zum sofortigen Rücktritt aus diversen Siedlungsgesellschaften und -vereinen nicht ausgeführt. Es waren das nicht wenige Gruppierungen, in denen er seine ostpreußischen Erfahrungen, nunmehr nicht als kleiner Unternehmer, sondern als Vorsitzender des Aufsichtsrates, einsetzen konnte: Erste Gemeinnützige Baugesellschaft für Kleinwohnungen Wien; Allod – Eigenheim- und Kleinsiedlungs GmbH Berlin-Steglitz; Deutsche Ansiedlungsgesellschaft Berlin; Deutsche Ansiedlungsgesellschaft Potsdam-Babelsberg.113 Nunmehr tauchte im Februar 1940 bei ihm in Prag der Beauftragte aus Berlin mit Himmlers Schreiben auf. Der Chef befahl ihm, „dass Sie in Gegenwart des Überbringers dieses Befehls durch Vollzug der Unterschriften der anliegenden Rücktrittsschreiben meinen Befehl sofort ausführen“. Diese Schreiben waren dem Beauftragten „wieder auszuhändigen“.114 Hatte Heinrich Himmler den Verdacht, dass der Kerl die nicht selbst abschicken würde?
Fast hätte unser Held nach dem Prager Zwischenspiel eine gut besoldete zivile Anstellung mit einem Monatssalär von 1000,- RM erhalten. Der Vorstand der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Dessau schrieb nämlich am 7. März 1940 „An den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei“. Die Herren wollten „den Posten eines Gefolgschaftsleiters … innerhalb der Zentralverwaltung“ des Unternehmens neu besetzen. Er sollte unter den „Zehntausenden von Gefolgschaftsangehörigen … die Frage des Führernachwuchses und der Führerauslese behandeln“. Man suchte bereits längere Zeit „einen bewährten Nationalsozialisten, der die charakterlichen, persönlichen und fachlichen Voraussetzungen vereint“. Dabei wären sie auf von Gottberg gestoßen, der ihnen „in jeder Weise der geeignete Mann für die Übernahme“ der skizzierten Aufgaben zu sein schien. Die Aufgabe wäre staatspolitisch wichtig. Die Dessauer baten um Freistellung aus der hauptamtlichen Tätigkeit bei der SS. Himmler in seiner Rage über die Querelen mit seinem Mann lehnte ab und schlug einen anderen SS-Führer vor.115 Das Intermezzo sieht aus, als habe von Gottberg selbst diesen Faden eingefädelt. Wie sollen die Produzenten der berühmten Sturzkampfbomber und des Fallschirmjägertransporters Ju 52 denn erfahren haben, dass da in Prag ein tüchtiger Mensch mit allen guten Eigenschaften zur Auswahl und Entwicklung der zukünftigen Elite eines Großunternehmens sich nach einer neuen Arbeitsstelle umsieht.
Es wurde also nichts aus dem Übergang in lukrative Positionen im Rüstungsgeschäft. Erst einmal wurde im Juni ein Verfahren wegen SS-schädigenden Verhaltens eingeleitet. Deswegen wandte sich im August 1940 das SS-Gericht an seine vorgesetzte Dienststelle, immer noch das Rasse- und Siedlungs-Hauptamt. Das Gericht bat, „nunmehr auch gegen SS-Oberführer von Gottberg ein SS-Disziplinarverfahren“ durchzuführen. Im Strafvorschlag sollten mehrere Verfehlungen berücksichtigt werden.116 Schließlich soll er dort wegen mangelhafter Aufsicht (Korruption) entlassen worden sein.117
Vorher noch, im Juni, wollte Himmler seinen Plan der Überführung des Mannes in das Zivilleben durchsetzen. Er sollte „als Bewirtschafter in ein Gut in den neuen Ostgauen“ eingewiesen werden. Die Einweisung war aber von der Zustimmung Darrées abhängig. Dieser hatte „seine Stellungnahme als endgültig bezeichnet unter Hinweis darauf, dass er schon vor längerer Zeit seine ablehnende Stellungnahme“ gegenüber von Gottberg direkt sowie anderen höchsten Stellen gegenüber zum Ausdruck gebracht hatte. Himmler hatte den Höheren SS- und Polizeiführer in Danzig-Westpreußen angewiesen, bei Darré die „Einweisung“ durchzusetzen. Aber der hat „eine Lösung in der Richtung rundweg abgelehnt“.118
Da sich diese Pläne nicht verwirklichen ließen, holte Himmler den Mann, trotz laufenden Disziplinarverfahrens in die Reichshauptstadt und machte ihn zum Chef des Erfassungsamtes in seinem eigenen Stab. Die Funktion übte er vom Anfang Oktober 1940 bis zum 21. Juli 1942 aus. Der 6. April 1942 wurde ihm zu einem Glückstag. Der Reichsführer übermittelte ein Schreiben. „Ich stelle das gegen Sie eingeleitete SS-Disziplinarverfahren hiermit ein. Die umfangreichen Ermittlungen, die sich auf jeden Punkt der gegen Sie erhobenen Anschuldigungen erstreckten, haben einwandfrei ergeben, dass Ihnen in keinem Fall der Vorwurf unehrenhaften oder schuldhaft das Ansehen der SS schädigenden Verhaltens zu machen ist. Sie sind durch dieses Ergebnis der Untersuchung rehabilitiert. H. Himmler“. In einer Anlage zu dem Rehabilitierungsschreiben wird die Begründung für den Entscheid angeführt. Die Rehabilitierung gelte „in Bezug auf Ihre frühere Tätigkeit als kommissarischer Leiter des Bodenamtes Prag“. Aber, wurde hinzugefügt, es seien ihm „bei Ihrer damaligen Überlastung mit den verschiedensten verantwortungsvollen und unter besonders schwierigen Verhältnissen zu erfüllenden Aufgaben gelegentlich im einzelnen sachliche Fehler bzw. unzweckmäßige Dispositionen unterlaufen“. Er solle niemals zu seinem „persönlichen Vorteil“ gehandelt, „sondern immer das Wohl und die Förderung der Ihnen anvertrauten Sache im Auge“ gehabt haben. Die Untersuchung „habe ergeben, dass die gegen Sie … erhobenen … teilweise sehr schwerwiegenden Anschuldigungen jeder stichhaltigen Grundlage entbehren“.119