Kitabı oku: «Inferno Ostpreußen», sayfa 5
2.1.4. Der Schlächter
Nachdem ihm so viel Ungemach von seinen eigenen Kameraden geschehen war, scheint von Gottberg sich zurückgezogen zu haben. Jedenfalls verschweigen seine NS-Akten mehrere Monate des Jahres 1942. Im Oktober des Jahres taucht der SS-Obergruppenführer in Minsk in der Funktion eines SS- und Polizeiführers Weißruthenien auf. Die weißrussische Hauptstadt ist Zentralpunkt des Bezirks Weißruthenien, wie die NS-Verwaltung diesen Teil der Sowjetunion nennt. Hier tobt seit 1941 der Partisanenkrieg gegen die deutschen Eindringlinge. Da braucht es eine harte Hand. Von Gottberg will sie beweisen. In den Jahren 1943/44 macht er eine steile Karriere. Ab 24. März 1943 vertritt er den Höheren Polizeiführer Russland-Mitte120, und im Juli danach bereits vereint er die Gebiete Russland-Mitte und Weißruthenien als Höherer SS- und Polizeiführer (HSSPF).121
Dieser Aufstieg drückt sich auch in seinen Diensträngen aus. Im April 1942 erfolgte die Beförderung zum SS-Brigadeführer, im Juli 1943 zum SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei.122
Der Einsatz von Gottbergs war Bestandteil von Himmlers Plan zur vollständigen Vernichtung der Partisanen. „Gottberg … durch Strafe und Parteiverfahren in seiner Karriere als Höherer SS-Führer seit längerem gestoppt, brachte die Motivation mit, um sich zu rehabilitieren.“123 Sein oberster Gönner sollte sich nicht getäuscht haben. „Mit dem Wechsel der Verantwortlichkeiten … zu von Gottberg trat ein Richtungswechsel zur Verschärfung der Partisanenbekämpfung im G[eneral-] K[Kommissariat] Weißruthenien ein.“124
Welchen Polizeigeschäften der neue Kämpfer dort nachging, hat er selbst geschildert. Dienstlich dazu nicht gezwungen, schreibt er Privatbriefe an Richard Hildebrandt, der zu der Zeit als SS-Obergruppenführer und General der Polizei in Danzig amtiert, und an den Chef des SS-Personalhauptamtes, SS-Gruppenführer von Herff. Imagepflege, nennt man das heute wohl. Der Rehabilitierte bewies, dass er die Absolution verdient hat.
Und das sind seine Heldentaten. Am 26. November 1942 stellte die „Kampfgruppe Gottberg“ in ihrer Tagesmeldung fest: „Gesamtverluste bis 26.11., 12.00 Uhr a) des Feindes: 798 Banditen, 353 Bandenverdächtige, 1 826 Juden, 7 Zigeuner … Die in den Häusern oder Bunkern verbrannten Banditen, Juden usw. sind nicht gezählt worden … Das Unternehmen ‚Nürnberg‘ wird mit dem 27.11. mittags abgeschlossen.“125 Am 21. Januar des jungen Jahres berichtet er nach Danzig. „Das Ergebnis der letzten 8 Wochen meiner Tätigkeit hier ist: Feindverluste: tot 3 882, ersch. 10 520, gef. 68 – Eigene Verluste: Deutsche tot 54, verw. 57 – Fremdvölk. tot 100, verw. 38.“126 Im März unterrichtet er von Herff stolz: „Das Ergebnis der Bandenkämpfe in Weißruthenien im Februar ist folgendes: Feindverluste: Banditen: 1 289, Bandenverdächtige: 852, Gefangene: 18, Vernichtete Bandenläger: 13, Vernichtete Häuser: 189, Erfasste Arbeitskräfte: 72.“ Bei dem „Unternehmen ‚Hornung‘“ gab es „Feindverluste: Banditen: 2 219, Bandenverdächtige: 7 378, Gefangene: 65, ersch. Juden: 3 300“.127
Was besagen die teilweise abgekürzten Kategorien „tot – ersch. – gef.“? Ich deute das so: „tot“ ist, wer im Gefecht gefallen ist, „ersch.“ ergänze ich zu „erschossen“, also „ermordet“. Bei „gef.“ bieten sich zwei Lösungsmöglichkeiten an: „gefallen“ und „gefangen“. Ich gehe von letzterer aus, da die erste Bedeutung schon zweimal belegt ist. Erschossen wurde nicht im Gefecht, die Toten können also nur Zivilisten gewesen sein. Die toten „Fremdvölk.“ können als „Fremdvölkische“ aufgelöst werden. Da hat von Gottberg schon sowjetische Kriegsgefangene als Mitkämpfer gewonnen, eine Methode, auf die ich noch zurückkommen werde.
In „der Partisanenbekämpfungsaktion ‚Cottbus‘ vom 22. Juni bis 03. Juli 1943“ hatte von Gottberg „unter anderem folgende Erfolge gemeldet: Feindtote 4 500, bandenverdächtige Tote 5 000, 492 Gewehre“.
Diese Art der Kriegführung im Hinterland erregt selbst in SS-Kreisen Kritik. Sein unmittelbarer Vorgesetzter, der Generalkommissar Wilhelm Kube, resümiert am 5. Juli 1943: „Wenn bei 4 500 Feindtoten nur 492 Gewehre erbeutet wurden, dann zeigt dieser Unterschied, dass sich auch unter diesen Feindtoten zahlreiche Bauern des Landes befinden … Unter den 5 000 Bandenverdächtigen, die erschossen wurden, befinden sich zahlreiche Frauen und Kinder.“128
Kube trat auch gegen das Prügeln von Arbeitern in den Betrieben auf, mit geringem Erfolg.129 Ein Anflug von Humanität? Nichts davon, Kube brauchte Arbeiter mit hoher Produktivität, Bauern, die für Deutschland Lebensmittel produzierten und Jugendliche, die er zur Zwangsarbeit in das „Reich“ schicken konnte.130 Diese „humanere“ Haltung hat ihm nicht geholfen. Im September verliert er durch einen Anschlag sowjetischer Untergrundkämpfer sein Leben. Curth von Gottberg wird zu seinem Nachfolger ernannt.131 Schon vorher, am 7. August 1943, war ihm das Deutsche Kreuz in Gold verliehen worden.132
Durch diese Ehrungen musste sich von Gottberg in seinen Handlungen bestätigt fühlen. Sein Massenmorden setzte er im gleichen Stil fort. Da sollten Ende September 1943 drei Gettos geräumt werden. Die Insassen eines Lagers weigerten sich, nach Lublin auf Transport zu gehen, dabei wurde ein Deutscher getötet. Von Gottberg befahl einem Polizeibataillon das Getto zu vernichten, dabei sind fast alle Juden umgekommen.133
So bestätigte er mit eigener Hand, was später sowjetische Materialien über die Verbrechen der deutschen Okkupanten anklagten. „Besonders brutal hausten Polizei- und Heereseinheiten unter dem Befehl des Höheren SS- und Polizeiführers SS-Gruppenführer Curt von Gottberg im Frühjahr und Sommer 1943 in Belorussland. Sie ‚erfassten‘ nicht nur die gesamte arbeitsfähige Bevölkerung sowie alle vorgefundenen Lebensmittel, sondern brannten auch die Ortschaften nieder und ermordeten fast 16 000 Arbeitsunfähige, darunter Frauen, Kinder und Greise.“134
Zu zwei oben genannten Aktionen können wir Einzelheiten mitteilen. „Hornung“ fand im Februar 1943 südwestlich von Sluzk statt. Am 08. 02. 1943 wurde das Ghetto der Stadt mit 3 000 Menschen durch Polizeieinheiten vernichtet. Das Gebiet sollte zum Niemandsland gemacht werden. „Dieses erfolgte in der Weise, dass die Bevölkerung der in diesem Gebiet befindlichen Dörfer und Gehöfte restlos bis zum Säugling herunter niedergemacht wurde.“ Sämtliche Behausungen wurden abgebrannt. Vieh- und Lebensmittelbestände wurden erfasst und aus dem Gebiet herausgeführt. Frauen, Kinder und alte Männer wurden in die Kirche getrieben. Diese wurde angebrannt. Einigen Personen wurde das Angebot gemacht, sie könnten das eigene Leben retten, wenn sie ihre Kinder im Gebäude lassen und zur Arbeit nach Deutschland gehen würden. 12 718 Menschen wurden ermordet (das entspricht in etwa der o. g. Zahl). Arbeitskräfte wurden nicht „gewonnen“.135
Im Juni/Juli 1943 inszenierte Gottberg „Cottbus“. Dabei töteten seine Leute 9 800 Menschen, davon 6 087 angeblich im Gefecht, „erledigt“ – als Zivilisten gemordet – 3 709. Über 6 000 wurden zur Zwangsarbeit einkassiert. Tausende wurden über Felder gejagt, um sie minenfrei zu machen. Das forderte das Leben von weiteren 2 – 3 000 Landeseinwohnern. Der Autor vermutet, dass die Cottbus-Aktion mindestens 20 000 Tote gekostet hat. Die Deutschen erbeuteten dabei eine verhältnismäßig geringe Zahl von Infanteriewaffen, wenn man die mit der Zahl der Getöteten vergleicht, nämlich 1 000. Himmler ließ es sich nicht nehmen, seinen Zögling noch während der Aktion zu beglückwünschen.136
Über zwei Menschenjagden hat Gottberg geschwiegen. Der „Föhn“ (Ende: 21. 03. 1943) nordwestlich Pinsk kostete 543 Tote, 1 226 Arbeitskräfte wurden deportiert und 2 608 Stück Vieh wurden eingebracht.137 „Heinrich“ schließlich (01. – 18. 11. 1943) im Gebiet von Polozk erbrachte 5 452 Tote, 136 Gefangene, 7 916 Ostarbeiter und 7 894 Umgesiedelte, außerdem 476 Infanteriewaffen.138
Das Wüten setzt sich im Jahre 1944 fort. Nur tragen die Unternehmungen jetzt nicht die Namen von deutschen Städten. Gottberg wird romantisch. Er gestaltet vom 16. April bis zum 10. Mai ein „Frühlingsfest“, später, zwischen dem 22. Mai und dem 20. Juni lässt er einen „Kormoran“ durch Weißrusslands Wälder nördlich der Bahnlinie Minsk – Borissow fliegen. Während des „Frühlingsfestes“ werden in der Umgebung von Usatschi und Lepel 7 011 Partisanen, bzw. Helfer getötet.139 Eine andere Quelle nennt für den Zeitraum 17.04. – 12. 05. 1944 653 Tote, 6 928 Gefangene, 11 233 Arbeitskräfte, wenig Vieh, mindestens 51,5 t Getreide.140 Der „Kormoran“ schließlich soll von der Zerschlagung einer nicht genannten Zahl von Partisaneneinheiten gekrönt worden sein.141
Zusammenfassend: Auf die „in höchstem Maß brutalen Operationen ‚Nürnberg‘, ‚Hamburg‘ und ‚Erntedankfest‘ mit allein über 12 000 Toten“ konnte der Gruppenführer mit Stolz zurückblicken.142
Im Verlaufe des Jahres 1943 hatte Generalkommissar Kube ein weißrussisches Beratungsgremium geschaffen, den „Weißruthenischen Zentralrat“ (WZR). Der sollte regionale Kompetenzen für Schulwesen, Soziales, Kultur und die aus dem Osten Evakuierten einsetzen. Im Dezember 1943 übernahm von Gottberg die Führung. Eigentlich stand er „der politischen Kollaboration äußerst misstrauisch“ gegenüber. Er stützte sich dabei auf seine Erfahrungen in Heydrichs Protektorat Böhmen und Mähren.143
Obwohl die nationalsozialistische Rassentheorie die Minderwertigkeit alles Slawischen verkündete, sah Gottberg sich in seinem Wirkungsgebiet nach einheimischen Verbündeten um. Im Kampf gegen die von Moskau gesteuerte Partisanenbewegung versuchte er sich jenseits ideologischer Barrieren als Pragmatiker. So sollte seine Truppe schlagkräftiger werden. Am 01. März 1944 berichtete er im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete (Minister Alfred Rosenberg) über seine Lage. Ihm stünden 120 – 150 000 Partisanen gegenüber. Er sei sehr bemüht, Ukrainer, Kaukasier und Belorussen zum gemeinsamen Kampf gegen Stalin zu gewinnen. Er hoffe, bis Mitte April 20 000 Mann gewonnen zu haben. Ihm fehlten aber 20 000 Gewehre zu deren Bewaffnung.144 In einem nur zehn Tage älteren Befehl werden die Kräfte der „Gruppe v. Gottberg“ mit der gleichen Zahl angegeben, davon seien 3 000 Deutsche, 3 000 Kosaken, der Rest seien einheimische „Volkswehren“. Gottberg wolle noch weitere 6 000 Kosaken in seine Reihen aufnehmen.145 Diese sollten Land zur Ansiedlung in Belorussland erhalten und unter eigener Führung stehen. Gedacht war an die Rekrutierung aus sowjetischen Kriegsgefangenen, auch sie sollten hauptsächlich gegen Partisanen zum Einsatz kommen.146
Nach Gottbergs eigenem Eingeständnis wurde dieser WZR „von weitesten Bevölkerungskreisen abgelehnt“.147 Dieser Misserfolg hielt ihn nicht davon ab, Mitte Juni 1944 einen als Volksvertretung bezeichneten „Nationalkongress“ einzuberufen. Der blieb aber nicht lange im Amt. Am 03. Juli nahm die Rote Armee die Hauptstadt Weißrusslands, Minsk, ein. Die Hauptkräfte der deutschen Heeresgruppe Mitte wurden ostwärts der Stadt eingekesselt und gingen der Vernichtung entgegen. Die Mitglieder des Kongresses mussten daher wenige Tage nach seiner Konstituierung das Land verlassen. Die Mehrheit der aus den Kriegsgefangenen gepressten einheimischen Selbstschutzkorps lief zur Roten Armee über.148
Aus diesem Verhalten zog der britische Historiker Samuel J. Newland den Schluss, von Gottberg hätte als Generalkommissar die Überzeugung gewonnen, dass die NS-Slawenpolitik falsch sei, und deswegen sei er auch für eine Selbstregierung des Landes eingetreten.149 Dem Urteil kann ich mich nicht anschließen. In seiner unheilvollen Praxis hat von Gottberg eben diese Politik nachdrücklich exekutiert. Seine Suche nach einheimischen Truppen resultierte aus den spürbaren Verlusten der Wehrmacht, die ihn, jenseits aller theoretischen Prinzipien, veranlasst haben mag, mögliche Menschenreserven zur Verlängerung der Existenz des Nationalsozialismus auszuschöpfen. Wenn er so handelte, dann kämpfte er auch um die Verlängerung des eigenen Lebens. Der Gedanke an die Abrechnung nach einem Sieg der anderen Seite musste ihm die Zukunft in schwärzestem Licht erscheinen lassen.
Diese Slawenpolitik hat, nebenbei bemerkt, seiner Freundschaft zu Himmler keinen Abbruch getan. Das bezeugt kein geringerer als der General Erich von dem Bach-Zelewski.150 Er vermerkt in seinem Tagebuch, er habe sich im Sommer in Ostpreußen mehrfach mit einem Herrn Gottberg, Kommandierendem General mit Ritterkreuz, getroffen. So notiert er am 30. Juli: „Heute mit Gottberg beim RFS zu Tisch.“151 Gemeinsames Mittagessen bei Himmler lässt nicht gerade auf einen großen geistigen Abstand zu dessen Verbrechen schließen.
2.1.5. Der General
Die Rehabilitierung durch Himmler wirkte sich auch auf Gottbergs bürgerliche Existenz und sein Familienleben aus. Der langgehegte Traum erfüllte sich, seine Familie wurde auf Anordnung Himmlers „in der Gegend von Posen auf einem Gut eingewiesen“, so schreibt er an von Herff in Berlin. Aber gesundheitlich geht es ihm nicht zum Besten. Die langen weißrussischen Abende im Kreise gleichgesinnter Kameraden zeigten ihre Wirkung. Wie aber die Führung davon informieren, damit diese nicht gleich auf die naheliegenden Ursachen gestoßen wird? Jedenfalls wandte sich im April 1944 sein persönlicher Referent an einen höher gestellten Bekannten im SS-Apparat und berichtete vom miserablen Gesundheitszustand seines Vorgesetzten. Damit aber auch niemand etwas Schlechtes dabei denke, fügte er diensteifrig hinzu, „die Schwächung der Gesundheit (sei) nicht auf Alkohol- oder Nikotingenuss zurückzuführen“. Er bat zugleich, den obersten SS-Mann von dieser Lage zu informieren.
Überhaupt ist der Monat Juni 1944 für den Generalkommissar ein Glücksbringer. Er wird zur Auszeichnung mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes vorgeschlagen. Unterschrieben ist der Antrag an das Heerespersonalamt von Generalfeldmarschall Ernst Busch, dem Oberbefehlshaber der in Weißrussland vor ihrer größten Niederlage stehenden Heeresgruppe Mitte. Hätte von Gottberg das Schreiben gelesen, dann hätte er sich wie ein Schüler gefreut, dem sein Klassenlehrer ein hervorragendes Zeugnis ausstellt. Von Gottberg habe „in einer Reihe größerer und kleinerer Unternehmen mit den ihm unterstellten Verbänden erfolgreich gegen die Banden im weißruthenischen Raum gekämpft. Durch diese aktive Bandenbekämpfung erzielte er eine weitgehende Einschränkung dieses für die Durchführung aller militärischen Maßnahmen in Mittel- und Weiß-Russland beeinflussenden Unwesens“. Seine hervorragenden Führungseigenschaften zeigten sich „in den beiden letzten Großunternehmen gegen die Banden im Raum von Uschatschi und gegen das Bandenzentrum im Raum des Pelikesees … An der Spitze der aus SS- und Polizeikräften sowie für diesen Zweck unterstellten zahlreichen Verbänden des Heeres gebildeten Kampfgruppe von Gottberg hat er … Hervorragendes geleistet“. Das führte zu einer „Erleichterung für die sich anschließenden in diese Räume verlagernden Kämpfe“.152
Ich bin gezwungen, an dieser Stelle von der Beschreibung eines Lebensbildes abzuweichen, um einige Worte zur allgemeinen Geschichte des II. Weltkieges einzufügen. Anlass ist die gegenwärtig (1998) in Deutschland geführte Diskussion um die Beteiligung der Wehrmacht an dem NS-Verbrechersystem. Die Verteidiger der Wehrmacht erkennen an, dass hinter der deutschen Front Scheußlichkeiten passiert seien. Diese lasten sie aber ausschließlich den damit beauftragten SS-Einheiten an. Dieses Schreiben eines Generalfeldmarschalls beweist die aktive Beteiligung an dem nationalsozialistischen Völkermord. Ohne Umschweife wird gesagt, dass die Polizeieinsätze unter der Verantwortung der Wehrmacht verliefen, dass zahlreiche Wehrmachtseinheiten dem Polizeigeneral unterstellt und an dessen Untaten direkt beteiligt waren, die Polizeiaktionen haben sich außerdem unmittelbar auf die Lage der Wehrmacht ausgewirkt. Dafür habe sich der Verantwortliche die Auszeichnung voll verdient. Damit identifizierte sich der Generalfeldmarschall vollständig mit den Taten der himmlerschen Einheiten.
Zurück zu dem Generalkommissar mit zunehmend sich verengendem Generalkommissariat. Seit dem 30. Juni 1944 darf er sich SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS und Polizei nennen. Ich benutze bewusst dieses „er darf sich nennen“. Die Rangerhöhung, nicht Beförderung, verdankt er einem Fehler der Medien. An diesem letzten Junitag nannte ihn der Wehrmachtsbericht mit diesem Rang, obwohl er ihn nicht besaß. Daraus ergab sich ein Wust von Fernschreiben mit Anfragen beim SS-Personalamt. Das aber wusste nichts von einem derartigen Ereignis. Auf so einem Fernschreiben findet sich der anonyme handschriftliche Vermerk „v. Gottberg ist nicht befördert / Sprach- und Druckfehler in Rundfunk und Presse“. Am 16. Juli wünschte Himmler die Vorlage einer Urkunde zur Beförderung von Gottbergs. Als Datum der Ernennung sollte der letzte Junitag eingetragen werden, der „Tag, an dem SS-Obergruppenführer von Gottberg im Wehrmachtbericht genannt wurde“. Diese Festlegung wird durch ein Fernschreiben des Chefadjutanten Himmlers vom 30. Juli 1944 bestätigt. Ob hier nur der Zufall eine Rolle spielte oder ob der im Netz der Beziehungen erfahrene Herr nicht doch im Dunklen feine Fäden gezogen hat, lässt sich nicht feststellen.
Mit der vollständigen Befreiung Weißrusslands verdrängte die Rote Armee den General aus seinem Arbeitsfeld. Im Juli hielt er sich in Ostpreußen auf und traf sich dort mehrmals mit seinem Chef. Der gewiss angenehme Zustand dauerte nur kurze Zeit. Denn ab 1. August 1944 wurde in Schlesien das XII. SS-Armeekorps aufgestellt.153 Himmler ernannte von Gottberg in Hitlers Auftrag zum Chef des Korps, „das ich in Kürze wieder zum Fronteinsatz führe“. Wieso er aber hoffte, „in einigen Tagen voraussichtlich an der ostpreußischen Grenze zum erneuten Einsatz zu kommen“,154 kann nicht nachvollzogen werden. Seine Truppe lag ja weit entfernt davon. Vielleicht aber gab es Zusagen von Seiten Himmlers. Gottberg konnte das neue Amt aber nicht lange ausüben. Im Oktober 1944 berichtete der Korpsarzt des XII. SS-Armeekorps über schwere Kreislaufprobleme und Amputationsfolgen. Er schlug eine sechswöchige Kur in Marienbad vor.155 Die scheint der General auch angetreten zu haben, denn im Januar und Februar 1945 kurt er in Karlsbad.156
Dann schweigen die NS-Akten. Gerüchte sprechen von einem Selbstmord 1945 irgendwo im Westen Deutschlands.157 Eine andere Quelle meint, die Alliierten hätten ihn gefangen genommen, am 31. 05. 1945 hätte er Selbstmord begangen158 in Grundhof/Schleswig-Holstein159.
2.2. Ein bürgerlicher Held 160
2.2.1. Die Anfänge
Der Jurist Dr. Alfred Gille wurde am 15. September 1901 in der ostpreußischen Kreisstadt Insterburg geboren.161 Aus dem Militärdienst während des Ersten Weltkrieges scheidet er als Leutnant der Reserve aus.162 Er studierte Jura und promovierte in dem Fach 1928.163 Im August des gleichen Jahres wurde er zum Bürgermeister des in der Provinz wegen seiner Lage zwischen den Großen Masurischen Seen beliebten Kreiszentrums Lötzen berufen.164 Damit war er der jüngste Inhaber dieses Amtes in der Provinz.165 Was zu dieser Auszeichnung führte, ob stramme nationale Haltung oder hohes fachliches Können, konnte bisher nicht festgestellt werden.
2.2.2. Vom Scharführer zum Volksgerichtshof
1935 scheint er es für notwendig gehalten haben, sich auch äußerlich den braunen Herren anzudienen, er tritt in die SA ein.166 Sein Anschluss an die Partei erfolgte am 1. Mai 1937, nach seiner Beförderung zum SA-Scharführer.167 Er erhält die NS-Mitgliedsnummer 6 019 687.168 Der Entschluss trägt Früchte. Der Mann steigt zum Mitglied der NSDAP-Gauleitung Ostpreußen auf, er wird also engster Mitkämpfer des Gauleiters Erich Koch. Der macht ihn auch zum Beisitzer im Volksgerichtshof der Provinz.169 Diese Tätigkeit mit schwersten Urteilen bis hin zur Todesstrafe, oft wegen Lappalien, aber auch wegen Widerstandes gegen den NS-Staat, ist vorläufig im Schatten der Archive verborgen.