Kitabı oku: «Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945», sayfa 16

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Die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte als Beleg unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklung zweier Regionen – ein statistischer Überblick

Die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung im Gau Südhannover-Braunschweig und in Nordthüringen lässt sich ebenso an der zahlenmäßigen Entwicklung des Einsatzes ausländischer Arbeitskräfte in den Jahren 1940 bis 1943 ablesen. Die Zunahme der Rüstungsaufträge seit 1935 und die dadurch ausgelöste Belebung der Wirtschaft führte auch in Nordthüringen zu einer deutlichen Steigerung der Belegschaftszahlen. Bis Ende 1937 lag die Zahl der Erwerbslosen weiterhin um Einiges über dem Reichsdurchschnitt. Ende Dezember 1935 war etwa die Hälfte der im Arbeitsamtsbezirk Heiligenstadt registrierten 4.644 Arbeitskräfte erwerbslos,1 zwei Jahre später waren es noch immer 1.959 Personen, eine Arbeitslosenquote von knapp über 20 %. Im Bezirk Mühlhausen waren es Ende 1935 über 40 % (4.895 Arbeitslose), im Dezember 1937 immerhin noch 12,5 % (1.520 Arbeitslose). Das Arbeitsamt Nordhausen registrierte 1935 etwa 4.000 Arbeitslose, 1937 lag ihre Zahl bei 1.350.2 Die wenigsten Erwerbslosen hatte die Stadt Nordhausen selbst; der Oberbürgermeister gab Ende März 1936 knapp über 400 und im Folgejahr nur 140 Personen als arbeitssuchend an.3

So stand den Rüstungsunternehmen Nordthüringens bis weit in das Jahr 1941 hinein – selbst unter Kriegsbedingungen – ein erhebliches Reservoir deutscher Arbeitskräfte zur Verfügung; eine Notwendigkeit, in größerem Umfang ausländische Arbeitskräfte zu beschäftigen, bestand nicht.4 Im benachbarten Rüstungskommando Braunschweig zeigte sich hingegen eine ganz andere Entwicklung. Frühzeitig wurden ausländische Arbeitskräfte für die Kriegsproduktion eingesetzt, zunächst noch freiwillige und entlohnte, ab Ende 1940 zunehmend Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Bereits Ende 1937 hatten sich hier erste Anzeichen eines drohenden Arbeitskräftemangels gezeigt, so dass der Vorstandsvorsitzende der Reichswerke, Paul Pleiger, sich im Frühjahr 1938 sogar gegen die Ansiedlung des Werkes für den KdF-Wagen als zweites großes Industrieunternehmen im Großraum Braunschweig wandte.5

Die Ausweitung der Rüstungsaufträge zum Krieg hin ließ den Arbeitskräftebedarf im Braunschweiger Land weiter anwachsen. Diese Situation veranlasste das Rüstungskommando Braunschweig, bei der übergeordneten Rüstungsinspektion Hannover am 19. März 1940 Klage zu führen, dass seit Kriegsbeginn ein „sehr erheblicher Mangel an Arbeitskräften (Facharbeiter, angelernte Arbeiter, ungelernte Arbeiter und Frauen)“ bestehe und ungeklärt sei, ob und wie die Bedarfsdeckung künftig erfolgen solle.6 Die Rüstungsaufträge abwickelnden Betriebe deckten ihren steigenden Personalbedarf durch die vermehrte Hereinnahme ausländischer Arbeitskräfte. Schon Ende 1940 lag deren Anteil, bezogen auf die Zahl der in Kriegsrüstung und ihrer Zulieferindustrie Beschäftigten, bei über 11 % (4.372 Fremdarbeiter und 618 Kriegsgefangene).7 Im Juli 1942 waren allein im Arbeitsamtsbezirk Braunschweig nahezu 22.000 Ausländer registriert, vorwiegend in der Rüstungsindustrie, aber auch in der Landwirtschaft. Selbst der Arbeitsamtsbezirk Goslar, Anfang der 1930er Jahre noch als strukturschwach geltend, verzeichnete nach einem deutlichen Aufschwung durch die Neugründung von Chemiebetrieben und die Ausweitung des Bergbaus 8.893 ausländische Zwangsarbeiter. Weit dahinter lagen die Arbeitsamtsbezirke Göttingen und Northeim mit nur 1.870 bzw. 6.801 ausländischen Arbeitskräften.8 Ein Jahr später war ihre Zahl in den Arbeitsamtsbezirken Braunschweig und Goslar auf 32.334 und 11.188,9 im letzten Kriegsjahr auf 42.609 (27.124 Männer/​15.485 Frauen) und 15.044 (9.501 Männer/​5.543 Frauen) geklettert. Zu diesem Zeitpunkt waren es in Göttingen 8.673 – davon allein 3.318 Ostarbeiter/​innen – und in Northeim 19.058.10

Die teils schon von der Reichswehr in den 1920er vorbereitete staatliche Aufrüstungskonjunktur hatte im Land Braunschweig den Arbeitsmarkt bereits 1938 faktisch leergefegt; an qualifizierten Arbeitskräften für den Aufbau der ‚Vierjahresplanindustrien‘ herrschte im Salzgitter-Gebiet Mangel. Bis Kriegsende kämpften die Reichswerke wie auch die anderen Großbetriebe der Rüstungsindustrie, Handwerker und Fachpersonal anzuwerben. Zur Abhilfe waren die Hermann-Göring-Werke und das Volkswagenwerk in Wolfsburg bei ihrem Aufbau andere Wege gegangen als die ortsansässigen Industrien, indem sie schon vor Kriegsbeginn entlohnte ausländische Arbeitskräfte rekrutierten. Im September 1938 waren nämlich allein für den Bau des HGW-Hüttenwerkes 37 Firmen mit rund 5.000 Arbeitskräften tätig. Ende des Jahres beschäftigten dort 54 Firmen auf 74 Baustellen zwischen 6.000 und 6.700 Personen. Im Jahr darauf waren es 130 Bau- und Montagefirmen mit einer Belegschaft von 11.000 bis 12.000 Arbeitskräften, von denen bis zu 75 % aus dem Ausland kamen.11 Am 15. August 1941 hatte das Landesarbeitsamt Niedersachsen 810.000 Personen registriert, darunter 144.000 Fremd- und Zwangsarbeiter sowie 39.000 Kriegsgefangene, so dass im Ergebnis 22 % der Gesamtbeschäftigten ausländischer Herkunft waren. Von den 144.000 Ausländern waren allein 42.000 bei den Reichswerken tätig, was einem Anteil von 29 % entsprach. Damit arbeiteten im Sommer 1941 zweieinhalb Mal mehr Zwangsarbeiter im Einzugsbereich der Reichswerke als in der Industriestadt Braunschweig und ein Drittel mehr als in Hannover.12

Im Gebiet des Rüstungskommandos Braunschweig werkten im September 1942 so 57.276 Personen für die Kriegsmaschinerie,13 darunter 14.427 Zwangsarbeiter und 4.223 Kriegsgefangene. Ihr Ausländeranteil von 32 % lag deutlich über dem Reichsdurchschnitt.14 Zum Jahresende war die Zahl der im Braunschweiger Rüstungskommando ausschließlich in der Kriegsindustrie tätigen Ausländer auf 23.612 (18.605 Fremdarbeiter und 5.007 Kriegsgefangene) gestiegen, eine Quote von 38,1 %. Bis Juni 1943 blieb die absolute Zahl der Zwangsarbeiter etwa auf dem Niveau, allerdings verringerte sie sich durch einen allgemeinen Anstieg der Zahl der Arbeitskräfte prozentual geringfügig auf 35,5 %; bald sollte der Anteil wieder auf über 40 % steigen. 1944 hatte sich die Zahl auf ca. 22.000 ausländische Fabrikarbeiter und weiterer 8.000 Kriegsgefangene eingependelt.15 Im Arbeitsamtsbezirk Braunschweig beschäftigten Büssing (Flugmotorenwerk Querum 4.565 und Werk Braunschweig 3.149), die MIAG (2.519), Voigtländer (909) und die Luther-Werke (823) die meisten ausländischen Arbeitskräfte.16


Blick in den Speiseraum des Schickert-Lagers Lauterberg (Sammlung Kampa)


Gesamtansicht des „Gemeinschaftslagers“ der Schickert-Werke Lauterberg für ausländische Arbeitskräfte (Sammlung Kampa)


Außenansicht des Arbeitslagers des Sprengstoffwerkes „Tanne“ (Sammlung Baranowski)


Aufenthaltsraum des DAG-Arbeitslagers in Clausthal (Sammlung Baranowski)

Weitaus mehr ausländische Zwangsarbeiter standen in den Verzeichnissen des eigens eingerichteten Arbeitsamtsbezirks der Reichswerke Hermann Göring. Ende 1943 waren es knapp über 40.000 Ausländer (21.730 Männer/​5.806 Frauen), die in den Betrieben des NS-Konzerns schufteten, 54,3 % sämtlicher dort registrierten 73.458 Beschäftigten.17 Im Jahr darauf war die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte geringfügig, die der Inländer durch weitere Einziehungen zur Wehrmacht dagegen drastisch abgesackt. Von nun an standen 21.322 deutsche Arbeitskräfte 38.360 Fremdarbeitern gegenüber. Ende 1944 betrug der Ausländeranteil 64,3 %, der in Einzelwerken des Konzerns oftmals sogar noch übertroffen wurde; in der Paul-Pleiger Hütte lag er Ende Dezember 1944 unter Berücksichtigung von Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen bei 70,8 %, in der Stahlwerke Braunschweig GmbH sogar bei 76,1 %.18

Für das Rüstungskommando Hannover liegt erst für den Zeitraum ab Dezember 1942 verlässliches Zahlenmaterial vor. Zu dem Zeitpunkt waren dort etwa 100.000 Menschen in der Rüstungsproduktion tätig, davon annähernd 34.000 Fremd- und Zwangsarbeiter; 17 % von ihnen waren russischer Herkunft. Rechnet man die etwa 6.000 zwangsrekrutierten Kriegsgefangenen hinzu, so lag der Ausländeranteil in der hannoverschen Rüstungsproduktion bei über 33 %.19 Bis September 1944 hatte im Rüstungskommando Hannover nicht nur die Kriegsindustrie zugelegt und mit ihr die Gesamtzahl der darin Beschäftigten auf 135.000, sondern überproportional auch die Zahl der meist zwangsrekrutierten Ausländer. Ende 1943 betrug er durchschnittlich 39,2 %, Ende Juli 1944 dann 40,5 %, und 42,32 % im Herbst 1944.20 Die größeren Industriebetriebe der Region übertrafen diese Quote teils erheblich. So weist das Kriegstagebuch des Rüstungskommandos Hannover im zweiten Quartal 1944 für das Metallwerk Odertal in Bad Lauterberg einen Ausländeranteil von 63,3 % aus. Für Herzberg nennt die Quelle beim Werk „Kiefer“ der Dynamit-Nobel AG 55,7 %, beim Eisenwerk Pleißner 66,3 %, bei Kellermann 65,4 %, und in Bodenwerder bei der Arminiuswerft 69,4 %.21 Die ab Ende 1943 zu verzeichnende Zunahme von Ausländern in der Rüstungsproduktion der Region beruht auf den gestiegenem Anteil ins Reich deportierter Russen; Ende September 1944 machten sie fast 60 % sämtlicher ausländischen Zwangsarbeiter aus.22

Der völkerrechtswidrige Einsatz Kriegsgefangener in der Kriegsproduktion im Rüstungskommando Hannover hatte zahlenmäßig nur geringe Bedeutung. Ihr Anteil an der Belegschaft sämtlicher einschlägiger Betriebe betrug bis September 1943 knapp über fünf Prozent. Nach dem Sturz Mussolinis sowie dem Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten bekam das Rüstungskommando Hannover eine größere Zahl italienischer Militärinternierter mit Kriegsgefangenenstatus zugewiesen.23 Die Quote der in der Rüstung kriegsgefangenen Rüstungsarbeiter erhöhte sich dadurch auf 7,77 % im ersten Quartal 1944, im Folgequartal auf 8,5 %.24 Im zweiten Halbjahr 1944 wurden 4.934 Italiener in den Zivilarbeiterstatus überführt; dadurch sank die Zahl der Kriegsgefangenen in den Rüstungsschmieden wieder auf die ursprünglichen Werte.25 Zu dem Zeitpunkt waren etwa 40 % aller Beschäftigten ausländischer Herkunft. Im dritten Quartal 1944 erhielt die Rüstungsindustrie nochmals 6.875 zumeist russische Zwangsarbeiter zugewiesen; der Ausländeranteil erhöhte sich dadurch nochmals geringfügig auf 42 %. In einigen Betrieben lag der Ausländeranteil mit mehr als 60 % noch erheblich drüber; eine Spitzenstellung erreichte die Sprengstoff-Fabrik Eibia, bei der weniger als 25 % deutsches Personal beschäftigt war.

Das RAD-Lager im Pfingstanger vor den Toren des DAG-Werkes „Kiefer“, später Unterkunft für ausländische Arbeitskräfte des Rüstungsbetriebes (Sammlung Baranowski)

In Thüringen blieb der Ausländeranteil weit hinter diesen Zahlen zurück. Systematische Aufstellungen wie in den Rüstungskommandos Braunschweig und Hannover ließen sich bislang für Thüringen nicht ausfindig machen. Die Quartalsberichte der für Nordthüringen zuständigen Rüstungskommandos Kassel und Weimar sind wenig aussagekräftig; konkrete Zahlen zur Belegschaftsentwicklung bieten sie nicht. Flächendeckende Beschäftigtenmeldungen, wie sie für die Monate Dezember 1944 und Januar 1945 bei der Rüstungsinspektion XIa (Hannover) vorliegen, fehlen.26 Nachfolgende Ausführungen stützen sich daher vor allem auf Erhebungen des Gauarbeitsamtes Thüringen zum Ausländereinsatz. Sie erfassen allerdings nur die einzelnen Wirtschaftszweige, nicht speziell die reinen Rüstungsbetriebe.27 Gleichwohl lassen sie die Relation des Zwangsarbeitereinsatzes zur Gesamtbeschäftigung erkennen.

Ende Januar 1941 lag der Ausländeranteil im Gau Thüringen mit 27.879 Personen weit unter zehn Prozent, und daran änderte sich bis weit in das Folgejahr auch nichts. Im Januar 1942 waren – Kriegsgefangenen nicht eingerechnet – 47.652 aller in Thüringen Erwerbstätigen ausländische Arbeitskräfte. 1942 verdoppelten sich diese allgemeinen Beschäftigtenzahlen fast von 434.884 zu Jahresbeginn auf 783.465 am Ende. Entsprechend nahm die Zahl der beschäftigten Ausländer zu. Im Dezember 1942 waren im Gau Thüringen 112.615 Fremdarbeiter, darunter 45.607 männliche und 18.220 weibliche „zivile“ Ausländer sowie 18.069 Ostarbeiter und 30.719 Ostarbeiterinnen zur Zwangsarbeit aufgeboten; die bis Kriegsende konstante Zahl weiterer 36.991 Kriegsgefangener ist hinzuzurechnen.28 Damit waren Ende 1942 etwa 19,1 % aller Beschäftigten im Gau Thüringen Ausländer. Trotz dieses rasanten Anstiegs lag der Ausländereinsatz weit hinter dem im Gau Südhannover-Braunschweig zurück; im Bereich des Rüstungskommandos Hannover waren zum gleichen Zeitpunkt 33,3 %, im Rüstungskommando Braunschweig 38,1 % Fremd- und Zwangsarbeiter mit der Herstellung von Rüstungsgütern beschäftigt.29


Ausländische Arbeitskräfte, nach Landesarbeitsamtsbezirken erfasst, September 1941; das LAA Niedersachsen zählte 246.700 Ausländer und stand so an zweiter Stelle (Der Arbeitseinsatz im Deutschen Reich)

Die vermehrte Einbeziehung thüringischer Unternehmen in die Kriegsrüstung bewirkte zunächst nur einen langsamen Anstieg der Beschäftigung von Ausländern. Im Juni 1943 lag ihr Anteil im Gau Thüringen bei 21 %; 173.910 Zwangsarbeiter, davon 33.499 Kriegsgefangene. Ein deutlicher Anstieg landesweit ist erst ab dem vierten Quartal 1943 als Folge der verstärkten Inanspruchnahme Thüringens als Rückzugsgebiet von Verlagerungsbetrieben, vornehmlich der Luftwaffe, zu verzeichnen. Im November 1944 war die Zahl der statistisch erfassten Ausländer auf 221.866 Zwangsarbeiter, davon 26.192 Kriegsgefangene, angestiegen. Bei 850.424 Gesamtbeschäftigten rechnerisch ein Ausländeranteil von 26 %. Allerdings finden die in diesem letzten Kriegsjahr zahlreichen im Stollenausbruch und in den SS-Produktionskommandos geknechteten KZ-Häftlinge in den Aufstellungen des Gauarbeitsamtes keinen Niederschlag. Sie stellten das Gros der Arbeitssklaven auf den neuen Verlagerungsbaustellen und in den ausgelagerten Produktionsstätten. Unter Einbeziehung dieser Zwangsarbeiter mit KZ-Status dürfte der Ausländeranteil vorsichtig geschätzt mit etwa 40 % anzusetzen sein.

Im Arbeitsamtsbezirk Nordhausen zeigt sich ein von der übrigen Entwicklung im Gau Thüringen abweichendes Bild. Anfang Mai 1941 waren im Landkreis Grafschaft Hohenstein, zu dem damals der heutige Landkreis Nordhausen gehörte, etwa 2.000 ausländische Arbeitskräfte gemeldet; 500 hatte allein die Deutsche Arbeitsfront (DAF) in ihrem Gemeinschaftslager in Niedersachswerfen untergebracht. Sie waren unter anderem bei der Wifo, dem Ammoniakwerk sowie der Firma Hoch- und Tiefbau beschäftigt.30 In den folgenden Monaten stieg die Zahl der Fremdarbeiter bis zu ihrem vorläufigen Höchststand Anfang März 1942 auf 3.421 Personen, darunter allein 2.400 Polen. Die Zahlen lagen zwar noch immer weit unter dem reichsweiten Trend, aber neben größeren Lagern mit mehr als 40 Insassen etwa auf dem Gelände der Kaliwerke Bleicherode und Sollstedt griffen auch mittelständische und kleinere Handwerksbetriebe bereitwillig auf ausländische Arbeitskräfte zurück. Die Holzwarenfabrik Beneckenstein, die Bleicheröder Baumwollweberei Vogel, das Rabewerk Ellrich und die Südharzer Fassfabrik Wiegersdorf unterhielten betriebseigene Lager.31 Etwa 15 % der im Herbst 1942 in der Grafschaft Hohenstein tätigen Ausländer waren russische Zwangsarbeiter mit dem diskriminierende Abzeichen „Ost“ auf der Kleidung. Eine Aufstellung vom September 1942 nennt insgesamt 16 Ostarbeiterlager, die mit 330 Männern und 167 Frauen belegt waren. Bewacht wurden sie zumeist von Beschäftigten der jeweiligen Betriebe.32

Mitte August 1943 hatte sich die Zahl der im Arbeitsamtsbezirk Nordhausen verschleppten ausländischen Arbeitskräfte auf 13.653 erhöht, von denen 6.130 in der Landwirtschaft,33 2.081 im Maschinenbau, 160 in der Elektroindustrie und 346 bei der Reichsbahn eingesetzt waren.34 3.227 Kriegsgefangene im Arbeitseinsatz sind als Zwangsarbeiter hinzuzurechnen, 1.431 in der Landwirtschaft, 550 im Bergbau.35 Bis Ende März 1944 stieg die Ausländerzahl auf 15.489 euphemistisch als „zivile“ bezeichnete Arbeitskräfte und 4.723 Kriegsgefangene. 5.995 „Zivile“ kamen aus der Sowjetunion (38,7 %), 3.489 aus Polen (22,5 %), 1.979 aus Frankreich (12,8 %), 336 aus Belgien (2,2 %) und 220 aus Italien (1,4 %).36 Zwangsarbeitende Kriegsgefangene waren 1.871 Italiener (39,7 %), was deren landesweiten Anteil von 37,1 % (insgesamt 15.635) entsprach. Die zweitstärkste Gruppe Kriegsgefangener waren Franzosen; 1.202 waren im Arbeitsamtsbezirk Nordhausen (25,4 %) und 14.775 (35 %) im gesamten Gau Thüringen registriert. An dritter Stelle rangierten die russischen Kriegsgefangenen mit 687 beim Arbeitsamt Nordhausen (14,5 %) und 5.296 im Land (12,6 %).

Teilansicht des Junkers-Zwangsarbeiterlagers in der Boelcke-Kaserne (Sammlung Baranowski)

Eine große Gruppe stellten ebenfalls die jugoslawischen Kriegsgefangenen; 543 (11,5 %) bzw. landesweit 4.515 (10,7 %).37 Mitte September 1944 war der amtlich ausgewiesene Ausländeranteil auf über 30 % gestiegen, ohne dass die zwangsarbeitenden KZ-Häftlinge in die Zählung eingingen. Offiziell waren zu dem Zeitpunkt 16.631 Fremdarbeiter und 4.776 Kriegsgefangene im Arbeitsamtsbezirk Nordhausen registriert. Im vierten Quartal 1944 verringerte sich die Zahl der Militärgefangenen auf 2.462; die als „zivil“ bezeichneten verschleppten Arbeiter zählten 19.060.38

Für die Stad Nordhausen ergänzt eine Bevölkerungsübersicht vom März 1945 das Bild. Annähernd 11.500 ausländische „Zivil“arbeiter lebten in der Stadt, die meisten in Barackenlagern, nur 879 in Privatquartieren. Mehr als die Hälfte, 6.082, arbeiteten für Junkers im Kohnstein. Der Flugzeugbauer hatte sein Zwangsarbeiterlager in der Boelcke-Kaserne im Süden der Stadt eingerichtet.39 Die anderen Zivilarbeiter waren in der örtlichen Industrie, der Landwirtschaft, bei der Stadtverwaltung und der Reichsbahn eingesetzt. Eine undatierte Aufstellung der in Lagern untergebrachten ausländischen Arbeitskräfte nennt 31 Einsatzorte; mehr als 150 „Zivil“-Zwangsarbeiter waren für die Firmen Dannert (164 Personen), Grimm & Triepel (227 Personen), Hanewacker (362 Personen), Maschinen- und Apparatebau AG (208 Personen), Maschinenbau & Bahnbedarf AG (940 Personen), Schmidt, Kranz & Co. (632 Personen) und die Reichsbahn (524 Personen) tätig. Etwa 40 % waren Russen, als „Ostarbeiter“ registriert.

Zusammen ein Drittel machten die polnischen und italienischen Zwangsarbeiter aus. Andere Nationalitäten waren eine kleine Minderheit.40 Im Zeitraum von Dezember 1944 bis Februar 1945 starben 28 der nach Nordhausen verschleppten ausländischen „Zivil“arbeitskräfte.41

Im Arbeitsamtsbezirk Mühlhausen waren im Februar 1942 – wiederum ohne die in Arbeit gezwungenen Kriegsgefangenen – 1.733 ausländische Arbeitskräfte registriert, bereits im August waren es 4.436 – innerhalb weniger Monate doppelt so viele. Im August 1943 hatte das Arbeitsamt Mühlhausen 5.492 Ausländer in seinen Listen, im Februar 1944 gar 5.811. Schon im Folgemonat kamen weitere verschleppte Arbeitssklaven hinzu, so dass im Mai 1944 6.587 und im Juni 6.781 gezählt wurden. Ab spätestens 1944 stellten „Ostarbeiter“ – Fremdarbeiter aus der Sowjetunion – etwa die Hälfte. Im März 1944 waren sie 2.991, 818 Männer und 2.173 Frauen; ihr Anteil an der Gesamtausländerzahl betrug 51,1 %. Für Mai 1944 sind 3.112 Russen (865 Männer/​2.247 Frauen) erfasst; im darauf folgenden Monat 3.254 (932 Männer/​2.322 Frauen). Trotz dieses Anstiegs in absoluten Zahlen war ihr Anteil wegen der allgemeinen Ausweitung der Zwangsarbeit von Ausländern geringfügig auf 47,3 bzw. 48,1 % gesunken. Etwa ein Viertel der Zwangsarbeiter waren aus Polen verschleppt. Im März 1944 stammten 1.647 Arbeitskräfte (995 Männer/​652 Frauen) aus dem Generalgouvernement. Unter den Westeuropäern waren 380 Franzosen (356 Männer/​24 Frauen), 50 Belgier (42 Männer/​8 Frauen) und 26 Italiener ohne Kriegsgefangenenstatus (23 Männer/​3 Frauen).

Ebenfalls hatte das Arbeitsamt Mühlhausen zwangsarbeitende Kriegsgefangene erfasst, zwischen Februar 1942 und Mai 1944 im Schnitt etwa 1.450. Im August 1943 zählte es 1.100 in Lagern untergebrachte Kriegsgefangene, von denen allein 906 in der Landwirtschaft tätig waren. Mitte November 1943 hatte sich die Zahl in Lagern untergebrachter Zwangsarbeiter auf 1.225 erhöht; 952 waren außerhalb der Rüstungsindustrie beschäftigt. Für Februar 1944 hält die Statistik 1.635 Kriegsgefangene fest, für Mai geringfügig weniger (1.620). Mitte August 1944 war die Zahl auf 1.554 gesunken, darunter 686 Franzosen (44 %) und 442 italienische Militärinternierte; 261 waren „Ostarbeiter“ und 165 kamen aus Jugoslawien.42

Ein Großteil der in der Mühlhäuser Industrie tätigen ausländischen Arbeitskräfte war in den elf Baracken des Gemeinschaftslager der DAF untergebracht, das Anfang 1943 in der Damaschkestraße errichtet worden war.43 Eine Vielzahl weiterer Lager wurde von den Firmen selbst errichtet, die die Arbeit der Kriegsgefangenen in Anspruch nahmen.44 Zudem betrieben das Arbeitsamt, die Stadtverwaltung und das Überlandwerk Nordthüringen eigene Ausländerunterkünfte.45 Weiterhin bestand seit Juli 1942 ein großes Lager mit 800 bis 1.000 Kriegsgefangenen in der Mühlhäuser Schlossbrauerei.46 Kurz zuvor, im Frühsommer 1942, hatte auch die Deutsche Reichsbahn die Baugenehmigung für ein mit Stacheldraht gesichertes Lager beantragt, um etwa 30 russische Kriegsgefangene bei der Be- und Entladung von Eisenbahnwaggons einzusetzen. Im Juli 1942 erklärte sich der Oberbürgermeister mit dem Umbau des ehemaligen Schilling’schen Steinbearbeitungswerkes in der Thomas-Müntzer-Str. einverstanden und empfahl, bis zur Fertigstellung zunächst das zentrale Kriegsgefangenenlager in der Schlossbrauerei zu nutzen. Diese ursprüngliche Übergangslösung sagte der Deutschen Reichsbahn offenbar zu, so dass sie die eigenen Baumaßnahmen fallen ließ.47

Zur Verpflegung sämtlicher in Mühlhausen tätigen ausländischen Arbeitskräfte und Kriegsgefangenen hatte die Firma Karl Schreiber im Oktober 1942 am Obermarkt 14 eine „Fernküche“ in Betrieb genommen. Sie belieferte vermutlich das Gemeinschaftslager der DAF und das Kriegsgefangenenlager in der Schlossbrauerei.48 Schreibers Kapazitäten dürften allerdings nicht ausgereicht haben, denn im August 1942 genehmigte die Ordnungsbehörde dem Gastwirt Richard Lutze (Gaststätte Deutsches Eck) den Bau einer weiteren Küche zur Verpflegung ausländischer Arbeitskräfte. Am 20. Januar 1944 bestätigte die Kreisgruppe der Reichsgruppe Fremdenverkehr, dass Lutze „die Verpflegung für kriegsgefangene und ausländische Arbeitskräfte auftragsgemäß“ ausführe, und befürwortete den Ausbau eines zweiten Kellers zur Lagerung von Lebensmitteln.49

Eine Ausnahme stellen die Personalunterlagen der Mühlhäuser Gerätebau GmbH dar; sie sind nahezu vollständig erhalten und damit eine wichtige Quelle. Der Zünderhersteller beschäftigte im März 1942 erstmals knapp über 50 verschleppte Ausländerinnen.50 Anfang Juni 1944 setzte er inzwischen 571 Zwangsarbeiterinnen ein, 468 aus der Sowjetunion, 44 aus Serbien, 53 aus Kroatien und sieben aus Slowenien. Ihr Anteil an der Gesamtbelegschaft betrug 15 %; im Folgejahr wurden es knapp 19 % (623 Personen). Die Gesamtzahl der Werksangehörigen belief sich im April 1943 auf 3.482, im März 1944 knapp 3.300 Arbeitskräfte, davon 1.837 bzw. 1.710 Frauen.51 Der Geschäftsbericht der Gerätebau GmbH in Mühlhausen für das Geschäftsjahr 1942/​1943 verdeutlicht die Personalnot: „Die Zuweisung von Arbeitskräften war auch im Betriebsjahr ungenügend; es mussten im zunehmenden Maße ausländische Arbeitskräfte, vor allem Ostarbeiterinnen, eingesetzt werden. Die Einberufungen zum Wehrdienst wirkten sich besonders fühlbar aus, weil es sich bei den Einberufenen meistens um Fach- und Spezialkräfte handelte“.52 Um dem dauerhaft abzuhelfen, rekrutierte die Gerätebau ab September 1944 Buchenwald-Häftlinge. Den Einsatz von Jüdinnen und die Errichtung eines KZ-Lagers auf dem Firmengelände hatte das zuständige Landesarbeitsamt Erfurt dem Zünderhersteller bereits im Dezember 1939 vorgeschlagen. Scheinbar konnte oder wollte die Firma die an die Unterbringung gestellten Voraussetzungen zunächst nicht erfüllen.53 Im Herbst 1944 kam der Zünderproduzent auf den Vorschlag zurück, richtete ein firmeneigenes Außenkommando mit im Schnitt 700 polnischen und ungarischen Jüdinnen ein.54

Eine Sonderstellung bei der Beschäftigung ausländischer Zwangsarbeiter nahm im Gau Thüringen das schon mehrfach genannte Rheinmetall-Werk in Sömmerda ein; unter seinen 13.000 bis 14.000 Arbeitskräften waren Tausende verschleppter Arbeitssklaven. Die bevorzugte Versorgung mit Zwangsarbeitenden mag mit der Tradition des Rüstungsbetriebes zusammenhängen. Seit 1921 produzierte das Unternehmen wieder Zünder, war einer der nach dem Versailler Vertrag zugelassenen Betriebe, was ihn nicht hinderte, schon 1926 zu einem Pfeiler der heimlichen Wiederaufrüstung der Reichswehr und von ihr finanziert zu werden. Der Beschäftigtenzahl nach war Rheinmetall Sömmerda mit Abstand das größte Unternehmen des Gaus, zudem noch Zweigbetrieb eines reichsweit operierenden Rüstungskonzerns. Frühzeitig und in entsprechend großen Stil nahm Rheinmetall Sömmerda ausländische Arbeitskräfte und Zwangsarbeiter aller Art in Anspruch. Von den etwa 13.000 Betriebsangehörigen im April 1944 waren 4.137 aus eroberten Gebieten Verschleppte oder Kriegsgefangene. Im Juli 1944 arbeiteten 761 „Ostarbeiter“ und 1.821 „Ostarbeiterinnen“, sowie 739 und 366 ausländische Fremd- und Zwangsarbeiter sowie 291 russische Kriegsgefangene und 344 anderer Nationalität in Sömmerda.55 Im Oktober 1944 machten allein „Ostarbeiter/​innen“ und russische Kriegsgefangene die Hälfte der zu dem Zeitpunkt etwa 5.000 ausländischen Arbeitskräfte aus.

Ab 20. September 1944 wurden bis zu 1.250 weibliche KZ-Häftlinge aus Buchenwald in die Sömmerdaer Rheinmetall-Produktion gesteckt.56 Daraufhin verringerte das Werk die Zahl seiner Ostarbeiterinnen von 1.796 im Oktober auf 1.149 im November 1944.57 Sein KZ-Außenkommando errichtete Rheinmetall im „Ostarbeiterlager“, zwölf umgebauten Pferdeställen in der Warschauer Straße.58 Soweit nicht Russen, kamen die Zwangsarbeiter mehrheitlich aus Belgien, den Niederlanden, Italien und Polen.59 Eine Aufstellung der Militärkommandantur und des Bürgermeisters der Stadt vom 20. Mai 1946 stellt fest, dass insgesamt 161 der Zwangsarbeiter in Sömmerda ums Leben kamen; „Ostarbeiter/​innen“ und russische Kriegsgefangene waren mit 123 Personen überproportional betroffen, ein Zeichen ihrer besonders schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen.60

Im Arbeitsamtsbezirk Heiligenstadt kam es wegen der geringen Industriedichte zu keinem nennenswerten Ausländereinsatz in der Rüstungsproduktion. Mitte August waren gerade einmal fünf Prozent der registrierten 3.337 Zwangsarbeiter in Gewerbebetrieben tätig, 143 im Maschinenbau und 28 bei der Reichsbahn. Der überwiegende Teil war in der Landwirtschaft eingesetzt. Dies trifft ebenso für 723 der 1.143 Kriegsgefangenen zu dem Zeitpunkt zu. Insgesamt waren mehr als 75 % aller im August 1943 im Arbeitsamtsbezirk Heiligenstadt gezählten Ausländer in der Landwirtschaft beschäftigt, ein weiterer Beweis der Strukturschwäche des Eichfeldes. An der umwälzenden Entwicklung nach 1943 in und um das nahe Nordhausen hatte es bis Kriegsende keinen Anteil.61 Die Zahlen der Ausländerbeschäftigung blieben beim Arbeitsamt Heiligenstadt bis November 1944 gleichbleibend niedrig und unterlagen nur geringen Schwankungen. Auf die Zahl der Gesamtbeschäftigten bezogen lag der Ausländeranteil ständig bei 18 bis 21 %.62 Neben der Heiligenstädter Nadelfabrik Rudolf Engelmann war es die Heeresmunitionsanstalt Bernterode, die eine gewisse Anzahl von Zwangsarbeitern beschäftigte.

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