Kitabı oku: «Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945», sayfa 15

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Namentlich bekannt sind zwei französischen KZ-Zwangsarbeiter, die am 29. März und 2. April 1945 im Außenkommando an Lungenentzündung starben; allerdings ist eine erheblich höhere Dunkelziffer von Todesfällen zu vermuten.28 Im Oktober 1944 zahlte die Bauleitung für zwangsrekrutierte KZ-Häftlinge 56.480,00 RM an die SS, im November 51.560,00 RM und im Folgemonat 43.152,00 RM.29


Im Ausbau befindlicher Produktionsraum unter Tage, Anlage „Gazelle“ (AVSG Brüssel)

Allein im Jahr 1944 wurden unter den Bedingungen 3,4 Millionen RM in die Bauarbeiten gesteckt, doch die Inbetriebnahme der kompletten Anlage verzögerte sich.30 Bis Ende September 1944 konnte Niemo 500 seiner Maschinen unter Tage betreiben, zunächst provisorisch auf der ersten Sohle, dann wurden sie in einen größeren Raum der zweiten Sohle umgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt sollen unter Tage bis zu 1.000 Personen für die Niemo-Werke Einzelkomponenten des gängigen Flugzeug-Kolbenmotors DB 605 hergestellt haben.31 Ab Herbst 1944 scheint es beim Fortgang der Bauarbeiten zu weiteren Schwierigkeiten gekommen zu sein. So führte das Oberbergamt Clausthal-Zellerfeld in seinem Bericht vom 9. Januar 1945 Beschwerde, dass die Fertigstellung eines zweiten Raumes sich wegen Fehlens von Betonkies stark verzögert habe, so dass im Dezember 1944 eine nennenswerte Verlagerung von Maschinen nicht mehr erfolgt sei.32 Kurz vor Einmarsch der Alliierten setzte sich die SS-Lagerführung ab, führte die Bauhäftlinge aber nicht mehr wie andernorts nach Buchenwald zurück. So waren es am 12. April 421 völlig unterernährte und geschundene Lagerinsassen, die die 9. US-Armee befreite.33


Provisorisch eingerichteter Maschinenpark, Anlage „Gazelle“ (AVSG Brüssel)

Die Verlagerung der Eltron Werk GmbH und des Flugzeugbauers Heinkel

Die dargestellten Initiativen zur Auslagerung gingen von einheimischen Rüstungsunternehmen aus. Nennenswert größere Industrieansiedlungen von außen, wie sie in Nordthüringen ab Herbst 1943 zu umwälzenden Veränderungen der Wirtschaftsstruktur führten, blieben im Gau Südhannover-Braunschweig in der Endphase des NS-Regimes nahezu völlig aus; dazu fehlten einfach schon die verfügbaren Flächen oder Gebäude. ‚Sonderfall‘ ist die 1924 gegründete Eltron Werk GmbH, die nach Zerstörung ihrer Werkstätten in Berlin-Tempelhof im Sommer 1943 ihre Produktion nach Holzminden verlegte. Hauptauftraggeber des Unternehmens war die Luftwaffe. Spätestens seit 1939 stellte Eltron Höhenleitwerke für Flugzeuge her, aber auch Sohlenheizungen für Fliegerstiefel, elektrische Verbindungskabel für MG-Bordbewaffnungen von Flugzeugen, elektrische Bombenzünder, Tragflächenbeheizungen zur Enteisung und Propeller.1 Bereits 1941 bestand bei der Firma Interesse an der Errichtung eines Zweigwerkes in Holzminden, jedoch wurde die Idee zunächst nicht weiter verfolgt. Erst nach verheerenden Luftangriffen auf die Berliner Firmenzentrale griff die Konzernleitung die alten Planungen wieder auf und entschied sich für einen Werksneubau in Holzminden.2

Beim herrschenden Mangel an Ressourcen lässt die bevorzugte Versorgung des Unternehmens mit Arbeitskräften und Baumaterialien auf die Bedeutung schließen, die das Rüstungskommando der Firma beimaß. Eltron arbeitete nämlich auch als Heeres-Zulieferer für die als V1 bezeichnete Flugbombe Fi 103, und zwar als Unterfabrikant für das VW-Werk in Fallersleben,3 später für die Mittelwerk GmbH. Im ersten Quartal 1944 war „der Werksneubau der Dr. Theodor Stiebel GmbH in Holzminden“ noch im Gange.4 Ab April 1944 stellte Eltron dann Leitwerke für die V1 her, die gepresst und mit Sprengnieten verstärkt wurden. Die Firma erfüllte die in sie gesetzten Erwartungen und erreichte im September 1944 erstmals das geforderte Soll.5 Die Leitwerke gingen zur Endmontage per Bahn ins „Mittelwerk“ in den Kohnstein bei Nordhausen. Eltron beschäftigte bis zu 2.500 Personen, darunter eine Vielzahl von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen. Zur Unterbringung von 80 Italienern hatte die Firma in unmittelbarer Nähe des Werksgeländes hinter der ‚Rohrkrämerhalle‘ eine Baracke aufgestellt. Weitere ausländische Arbeitskräfte waren im Gemeinschaftslager der Stadt an der Liebigstraße und in vergitterten Eisenbahnwaggons auf einem Nebengleis hinter dem Verwaltungsgebäude untergebracht.6

Von Bedeutung für die Region war auch die Evakuierung des Heinkel-Flugzeugwerkes aus dem polnischen Mielec nach Bad Gandersheim. Die Werkzeugfabrik Carl Bruns erhielt 1943 den Auftrag, als einer von mehreren Unterlieferanten Tragflächen für den Focke-Wulf-Nachtjäger TA 154 herzustellen. Da die Kapazitäten im Stammwerk Kreiensen nicht ausreichten, sollte auf Werkhallen in Bad Gandersheim ausgewichen werden, aber die waren erst im Bau. Arbeitskräftemangel verzögerte die Fertigstellung bis ins erste Quartal 1944 hinein. Zudem wurden die Maschinen entweder gar nicht oder nur unvollständig geliefert, so dass erst ab April 1944 auf einer Teilfläche von 40.000 qm mit der Herstellung von Flugzeugteilen begonnen werden konnte.7 Der gesamte Industriekomplex befand sich zu dem Zeitpunkt noch im Rohbau.8 Wenige Wochen nach der Produktionsaufnahme stoppte das RLM den Serienbau nach dem Absturz von zwei dieser Holzflugzeuge.9 In die damit freien Räumlichkeiten der Firma Bruns mietete sich die Ernst Heinkel AG mit ihrem aus Mielec im Generalgouvernement rückverlagerten Flugzeugwerk ein.10 Arbeitskräfte besorgte der Rüstungskonzern sich im nächstgelegenen KZ. Im Oktober 1944 richtete er ein werkseigenes Buchenwalder „Außenkommando Brunshausen, Apparatebau, Werk A“ ein.11


Rohbau der Heinkel-Niederlassung (ehemals Werkzeugfabrik Bruns) in Bad Gandersheim, im Vordergrund das KZ-Barackenlager (StadtA Gandersheim)

Am 2. Oktober 1944 traf aus Buchenwald der erste Transport mit 200 Häftlingen ein,12 unter ihnen der Franzose Robert Antelme, der seine Erinnerungen an Brunshausen nach Kriegsende zu einem erschütternden Bericht zusammengefasst hat. Das Buch ist eine der wichtigsten und bewegendsten Quellen zur Geschichte des Lagers.13 Am 18. November 1944 folgten weitere 331 Häftlinge aus Dachau und abermals 50 am 19. Dezember 1944 aus Sachsenhausen.14 Im November hatte Heinkel 84.053,90 RM für seine Gandersheimer KZ-Zwangsarbeiter nach Buchenwald zu entrichten, im Folgemonat 76.378 RM.15 Die meisten Insassen zählte das Außenkommando Brunshausen Mitte November mit 584 Personen.16 Anfang 1945 war die Zahl durch Rückführungen nach Buchenwald geringfügig auf 548 gesunken.17 Am 10. Januar überstellte die Lagerleitung erneut 10 erkrankte KZ-Zwangsarbeiter ins Revier nach Buchenwald, fast das sichere Todesurteil.18 Durchschnittlich hatten 520 bis 550 Häftlinge aus 14 Nationen in Bad Gandersheim Flugzeugrümpfe für den Nachtjäger He 219 zu produzieren.19 In den ersten vier Monaten diente die spätromanische Kirche des 1803 aufgelösten Klosters Brunshausen als KZ-Außenlager. In dem seit 1810 nicht mehr zu religiösen Zwecken genutzten, verwahrlosten Gebäude herrschten katastrophale Bedingungen. Die Häftlinge hausten im Kirchenschiff auf ausgelegten Strohsäcken. Mitten im Winter, bei klirrender Kälte bestand keine Möglichkeit, die Massenunterkunft zu beheizen.

Kloster Brunshausen, das zeitweise als Unterkunft der KZ-Häftlinge diente, April 1945 (StadtA Gandersheim)

Im Januar 1945 wurden die KZ-Arbeiter in einem eigens errichteten Barackenlager in der Nähe des Werks untergebracht, aber auch das brachte keine wesentliche Besserung, denn die neuen Quartiere waren völlig überfüllt und bald verlaust.20 Vermutlich war das ein Grund für den fortbestehend hohen Krankenstand. Am 1. Februar 1945 meldete der Kommandoführer nach Buchenwald, von den 532 Häftlingen des Außenkommandos könnten 65 wegen Krankheit und Schonung nicht eingesetzt werden.21 Im Januar 1945 starben in Bad Gandersheim fünf Gefangene, drei Franzosen, ein Belgier und ein Italiener. Weitere 14 wurden wegen allgemeiner Entkräftung, Lues, Verdacht auf TBC oder anderen „Lagererkrankungen“ nach Buchenwald zurückgeschickt. Im gesamten Zeitraum vom Dezember 1944 bis Ende März 1945 fielen 23 Lagerinsassen Fieber, Schwäche und Unterernährung zum Opfer.22 Wegen fehlender Transportmöglichkeit konnten die Leichname nicht zur Verbrennung in das Krematorium in Buchenwald geschafft werden. Daher musste die Weimarer Lagerkommandantur die Erdbestattung in Bad Gandersheim ausdrücklich genehmigen. Im Fall eines französischen Häftlings erteilte der Buchenwalder Kommandant Pister diese am 29. Oktober 1944 telegrafisch.23 Die Häftlinge leisteten für Heinkel im Oktober knapp 54.000, im November 150.260, im Dezember 161.500, im Januar des Folgejahres 155.463 und im Februar 1945 noch 113.428 Stunden Zwangsarbeit.24


Lagerzaun des KZ-Außenkommandos Gandersheim, April 1945 (StadtA Gandersheim)


Unterkunftsbaracke des KZ-Außenkommandos Gandersheim, April 1945 (StadtA Gandersheim)

Das Gelände des KZ-Außenkommandos Brunshausen, oben links die Klosteranlage, im Vordergrund die Fabrik der Heinkel-Flugzeugwerke, unten rechts die Häftlingsblocks; zwischen Werk und Klosteranlage vier Baracken für das Personal, 1951 (Schott Archiv)

Ende März 1945 kam die Produktion zum Erliegen. Kurz darauf, vermutlich am 2. April 1945, erteilte NSDAP-Gauleiter des Gaus Südhannover-Braunschweig, Hartmann Lauterbacher, dem Gandersheimer Lagerkommandanten den Befehl, das KZ-Außenlager zu räumen. Lauterbacher25 ordnete an, der Evakuierungstransport habe zu Fuß zu erfolgen, nicht marschfähige Häftlinge seien zuvor zu erschießen. Der Abmarsch wurde auf den 4. April 1945 festgesetzt.26


Gräber der in Bad Gandersheim bestatteten KZ-Häftlinge (StadtA Gandersheim)

Noch vor Tagesanbruch führten SS-Männer und Lagerkapos die 40 Revierkranken unter dem Vorwand, sie nach Bad Gandersheim ins Lazarett zu bringen, in das nahe gelegene Clus-Wäldchen und erschossen sie.27 Russische Mithäftlinge mussten die Toten verscharren. Nach Kriegsende wurden sie exhumiert und am 3. Juni 1945 vom katholischen Pastor Felix Hardt auf dem Gandersheimer Salzbergfriedhof bestattet.28

450 Heinkel-Häftlinge setzten sich am Vormittag des 4. April in Richtung Harz in Bewegung. Es war der Beginn eines mehr als dreiwöchigen Evakuierungsmarsches, der über Braunlage, Wernigerode, Quedlinburg, Bitterfeld, Dresden, Aussig und Prag nach Dachau führte, wo der Transport am 27. April 1945, zwei Tage vor der Befreiung des Lagers, ankam. Es dürften kaum mehr als 200 KZ-Arbeiter des Außenkommandos Gandersheim sein, die dort die Befreiung durch die Amerikaner erlebten oder denen unterwegs die Flucht geglückt war.29 Ein amerikanischer Bericht vom 26. November 1945 über die Vorgänge im Außenkommando Brunshausen nennt die Zahl von 180 Überlebenden.30

Die Untertageverlagerungen im Hils bei Holzen und in den Asphaltstollen in Ahlem – die Bauvorhaben „Hecht“ und „Döbel“

Anders als in Nordthüringen, wo die Flugzeugindustrie ab 1944 alles daransetzte, unterirdische Montage- und Produktionsstätten zu schaffen, kam der Untertageverlagerung in den Grenzen des heutigen Landes Niedersachsen keine große Bedeutung zu. Nach dem Beispiel ‚Doras‘ wurden in Nordthüringen ohne Rücksicht auf Menschenleben und unter Ausnutzung aller noch verbliebener Ressourcen dicht an dicht ganze Werke unter Tage angelegt. Im Zuständigkeitsbereich der Rüstungsinspektion Hannover waren es nur zwei Projekte, die in das „Mindestbauprogramm“ der vorrangig zu erstellenden Gruben- und Stollenanlagen aufgenommen wurden.

Dagegen hatten im Gebiet der Rüstungsinspektion IX (Kassel) allein zehn Projekte diese Priorität, für die 1944 ein Bauvolumen von annähernd 180 Millionen RM mit 75.000 Arbeitskräften veranschlagt war. Schwerpunkt waren die Junkers-Untertagebaustellen um Nordhausen. Bei den beiden einzigen Großbauvorhaben in Südniedersachsen handelte es sich um das oben bereits dargelegte Büssing-Verlagerungsprojekt „Gazelle“ im Kalischacht Walbeck mit veranschlagten Kosten von 3,4 Millionen RM und um ein Großbauvorhaben im Weserbergland. Hier hatte das Regime in blinder Verkennung der Lage noch in den letzten Kriegsmonaten unternommen, in der Hügelkette des Hils Hohlräume, die durch den Asphalt-Abbau bei Eschershausen entstanden waren,1 unter dem Decknamen „Hecht“ für die Aufnahme mehrerer Rüstungsunternehmen herzurichten.2 Die zum Teil stillgelegten Asphaltkalkgruben boten beste Voraussetzungen, waren sie doch ebenerdig zu begehen oder zu befahren. Schachbrettartig durchzogen die Stollen den Bergzug. Damit stand ohne größere Ausbrucharbeiten eine Fläche von bis zu 50.000 qm zur Verfügung, und sie konnte nach Bedarf der Produktion von Kriegsmaterial beliebig erweitert werden.3 Die einzelnen Grubenbereiche erhielten die Decknamen „Hecht 1 bis 3“ sowie „Hecht 5 und 6“, während das geplante Wohnlager als „Hecht 4“ getarnt war.4

Im März 1944 hatte die Rüstungsinspektion XI noch ohne festliegende Nutzungsabsicht eine Erweiterung der Gruben zur Vergabe ausgeschrieben,5 allerdings verzögerte sich das Projekt, da es erst im April eine Rangfolgenummer erhielt, die eine bevorrechtigte Zuweisung von Arbeitskräften und Baustoffen garantierte.6 Auch im April war die Verwendung der Nutzflächen noch nicht endgültig entschieden; 15.000 qm hatten das Kriegsmarinearsenal Kiel und die Continentale Gummiwerke AG (Conti) belegt, doch der Hannoveraner Reifenproduzent nutzte die ihm zugewiesenen Fläche bloß zu einem Zehntel, und nur als Lager für Gummirohprodukte und Wollfette.7 Der Jägerstab ordnete die Verwendung der Stollen neu und Conti musste weichen, um Platz für den Berliner Funkmessgerätehersteller Lorenz zu schaffen.8 Der Gummiverarbeiter, der in den unterirdischen Räumen die Einrichtung von Werkstätten angedacht hatte, protestierte ohne Erfolg, musste sein Lager für andere Rüstungsfirmen räumen.9


Stolleneingang im Hils – Bauvorhaben „Hecht“, 1945 (Gedenkstätte Buchenwald)

Neben Lorenz, den Deutschen Edelstahlwerken Hannover,10 den Hildesheimer Trillke-Werken11 und der Leipziger Maschinen- und Zahnräderfabrik G. E. Reinhardt12 meldete auch das Volkswagenwerk Anfang August 1944 „starkes Interesse an den Hecht-Bauvorhaben“ an. Es wollte sich so Ersatz für nach dem Rückzug aus Frankreich in Thil verlorene Untertageflächen verschaffen.13 Nach den schweren Bombenangriffen auf das Hauptwerk erhielt VW Anfang August wesentliche Areale der projektierten Untertageflächen zuerkannt.14 Auf diese Zusage vertrauend verlegte das Volkswagenwerk gleich im August 15 Exzenterpressen und Metallscheren nach Eschershausen, um sie vor Bombenangriffen zu schützen. Allerdings kam es selbst für den Rüstungsgroßkonzern anders als erhofft. Ebenfalls im August 1944 entschied das Rüstungsamt, Lorenz könne nun doch in Teilbereiche von „Hecht 1“ einziehen, trotz der verbindlichen Zuweisung der gesamten Anlage an VW.15 Ende August 1944 bestätigte das Rüstungsamt seine Entscheidung. Dem Volkswagenwerk blieb nur die zweite Sohle von „Hecht 1“ mit etwa 10.000 qm. Damit nicht genug. Nunmehr machte der Jägerstab auch die Vergabe von „Hecht 3“ an VW rückgängig und wies die vorgesehenen Stollen dem Zahnradproduzenten G. E. Reinhardt zu.16 Verlierer auf der ganzen Linie, plante das Volkswagenwerk daraufhin, in der Nähe von „Hecht 1“ ein oberirdisches „Waldwerk“ zu errichten; 5.500 Personen sollten dort auf einer Produktionsfläche von 18.000 qm Kriegsgerät herstellen.17 Die Standortwahl begründete das Volkswagenwerk mit dem zeitraubenden Aufwand, die schon im Berg aufgestellten Maschinen erneut umzusetzen. Die Produktion müsse an Ort und Stelle erfolgen, „da die großen Tiefziehpressen in ‚Hecht I‘ 2. Sohle zur Aufstellung gelangen sollen“.18 Die Gigantomanie der Planung und die Kriegswirklichkeit klafften weit auseinander. Bis Kriegsende stand gerade einmal die Hälfte der Hallen im Rohbau. Die Produktion war im März 1945 nur in wenigen Teilen des „Waldwerkes“ angelaufen, ein nennenswerter, gar kriegswendender Ausstoß nicht erzielt.19


Geplanter Produktionsbereich in der Grube Wintjenberg, 2006 (Sammlung Holtvoigt)


Maschinenpark im Hils bei Eschershausen, 7. April 1945 (Gedenkstätte Buchenwald)

Um den Ausbau der Stollen zu beschleunigen, hatte das Oberbergamt Clausthal schon im Juni 1944 angeregt, in einem KZ-Lager auf den ‚Ith-Wiesen‘ 1.000 ungarische Juden als weitere Arbeitskräfte unterzubringen. Am 14. September 1944 verließ ein erster Transport von 250 KZ-Häftlingen das Stammlager Buchenwald, erreichte am Folgetag Eschershausen.20 Die SS brachte sie vorübergehend in einem stacheldrahtumzäunten Zeltlager nördlich der Grube Haarmann am Greitberg unter.21 Schon Anfang Oktober 1944 überstellte das Außenkommando „Hecht“ 25 erkrankte oder auf der Baustelle verletzte Häftlinge nach Buchenwald zurück. In dem Begleitschreiben der SS-Lagerkommandantur ‚Hecht‘ heißt es, dass „die Unterbringung der Häftlinge in H.J. Zelten und die schon längere Zeit andauernde Schlechtwetterperiode den Arbeitseinsatz beeinträchtigt“ habe und mit einer Zunahme an Krankmeldungen zu rechnen sei.22 Ende November 1944 wurden weitere 253 Buchenwalder KZ-Insassen zur Zwangsarbeit in den Hils verbracht.23 Zur Jahreswende war das Lager mit 494 Personen belegt; die Zahl blieb bis Anfang März 1945 etwa auf dem Niveau.24 Wegen der beengten Unterbringung und der schlechten sanitären Verhältnisse trat im Zeltlager Anfang Oktober 1944 eine schwere Läuseplage auf. Um ihrer Herr zu werden, hoffte die örtliche SS-Leitung, die Lagerbevölkerung Mitte Oktober 1944 in das im Bau befindliche Barackenlager umzusiedeln.25 Gleichwohl waren die vier massiv gemauerten Hauptgebäude mit den Gefangenenblocks erst Anfang 1945 komplett errichtet und bezugsfähig. In zwei weiteren Baracken waren die Küche und die Toiletten untergebracht. Das Lager war zu einem Geviert angeordnet; an den Ecken standen Wachtürme.26

Die Häftlinge, zumeist französische Juden, Tschechen, Russen und Jugoslawen, waren permanenten Repressalien des skrupellosen Bewachungspersonals ausgesetzt. Es kam immer wieder zu gezielten Hinrichtungen oder zu Ermordungen von Häftlingen, neben der harten Arbeit ein weiterer Grund für die hohe Sterblichkeitsrate unter den Gefangenen.27 Im Dezember 1944 verrichteten die Häftlinge des KZ-Außenkommandos „Hecht“ 130.306 Stunden Zwangsarbeit, für die die Bauleitung der Organisation Todt 48.708 RM an die SS entrichtete.28 Neben diesem KZ-Außenkommando existierte um die Verlagerungs-Baustellen „Hecht“ ein ganzer Kranz unterschiedlichster Zwangsarbeiterlager, darunter solche für italienische Militärinternierte sowie für Strafgefangene aus den Haftanstalten Hameln und Celle.29 Anfang November 1944 sollen – das Führungspersonal mitgerechnet – etwa 2.800 Arbeitskräfte auf den Baustellen des „Hecht“-Projektes tätig gewesen sein, darunter „etwa 400 Zuchthäusler“, für die eine „hinreichende Bewachung“ fehlte.

Ende Oktober 1944 waren die Räume auf der ersten Sohle von „Hecht 1“ zu 3/4 betoniert und der Berliner Funkgerätehersteller Lorenz begann in Teilbereichen seine Maschinen aufzustellen. Die Arbeiten für die anderen Betriebsverlagerungen in den Hils kamen noch langsamer voran, insbesondere die Fertigstellung der zweiten, einzigst dem Volkswagenwerk verbliebenen Sohle von „Hecht 1“. Dabei beschleunigte das Unternehmen den Bau immer wieder durch den Einsatz eigener Arbeitskräfte und Materialien. Die Planungen der Grubenbereiche „Hecht 5“ und „Hecht 6“ wurden gar mehrfach verworfen. Zuletzt sah es so aus, als ob sie dem Braunschweiger Hersteller optischen Kriegsgeräts Voigtländer & Söhne zufallen sollten. Doch Anfang November berichtete das zuständige Bergamt Goslar-Nord dem Oberbergamt Clausthal-Zellerfeld, es ließe sich weder ein Nutzer feststellen noch sei mit Bau- oder Aufräumungsarbeiten begonnen worden.30 Um Ressourcen und Arbeitskräfte zu bündeln, konzentrierte sich ab November 1944 der Ausbau ganz auf die Vorhaben „Hecht 1 bis 3“, zum Nachteil und zur Verärgerung der Firma Voigtländer. Sie erhielt keine Förderung mehr und versuchte, die Grubenräume in Eigeninitiative herzurichten.31


Befreiter Häftling erklärt einem amerikanischen Soldaten die Funktionsweise einer Metallbiegevorrichtung in der unterirdischen Produktionsstätte Eschershausen (Gedenkstätte Buchenwald)

Nach einer erneuten Änderung der Planungen beanspruchte Lorenz im Januar 1945 eine Gesamtfläche von 20.500 qm, von denen nur 5.000 qm bis Kriegsende ausgebaut und nur zu einem Drittel mit einer Produktion belegt wurden. 220 Personen stellten dort Radio-Kleinteile für Panzer und Hochleistungsflugzeuge her. Regungen, weitere Bereiche seiner Produktion dorthin auszulagern, zeigte Lorenz in den letzten Kriegswochen nicht mehr. So beklagte das Oberbergamt Clausthal-Zellerfeld am 2. Februar 1945 in einem Bericht an das RWM, die Verlagerung der Lorenz AG – unter ihrem Decknamen Utach AG – gehe „überaus langweilig vor sich“, und es habe den Eindruck gewonnen, „als ob der Wille zur Verlagerung nicht gegeben ist“. Anders das Volkswagenwerk, bei dem auf der 2. Sohle von „Hecht 1“ die provisorische Bestückung mit Maschinen auf etwa 40 % der zugeteilten 10.000 qm in vollem Gange war. Einzelne Maschinen liefen schon im Probetrieb.32 Auch die Deutschen Edelstahlwerke Hannover hatten im Januar 1945 auf 3.000 qm mit der Aufstellung von Kurbelwellenbänken begonnen und mit 25 Personen versuchsweise den Betrieb aufgenommen.33 Bis Kriegsende kam es bei keinem dieser Unternehmen zur Serienproduktion. Dieser Größenwahn der Bereitstellung und Herrichtung unterirdischer Produktionsstätten entsprach noch nicht einmal mehr einer kriegsbedingten Notwendigkeit der Waffenherstellung. Insofern handelte es sich um ein Verrennen in illusionärem Starrsinn, das die Ausbeutung der Arbeitssklaven bis zu ihrem Tode zumindest billigend in Kauf nahm.

Ein befreiter Häftling schaut in einen Ofen in der unterirdischen Produktionsstätte

Eschershausen, 7. April 1945 (Gedenkstätte Buchenwald)

Noch wenige Wochen vor Einstellung der Arbeiten hatte die SS am 17./​18. Februar sowie am 1. März 1945 für die erwartete Betriebsaufnahme der Firma „Stein“ (Deckname für das VW-Werk) in Buchenwald weitere Facharbeiter gemustert. Im Februar wurden 574 und im März nochmals 415 Metallfacharbeiter zu Transporten zusammengestellt.34 Während der erste mit 600 Personen am 4. März 1945 noch in Eschershausen eintraf, kam der zweite dort nicht mehr an.35 Damit brachte es das Doppelkommando „Stein/​Hecht“ Anfang März 1945 auf insgesamt 1.103 Insassen, die – anders als ursprünglich geplant – nicht in der Untertageproduktion, sondern ausnahmslos mit Ausbau- oder Straßenbauarbeiten beschäftigt waren.36 Vor dem Anrücken der Alliierten wurde die Mehrzahl der entkräfteten KZ-Zwangsarbeiter am 31. März 1945 mit einem Bahntransport nach Buchenwald zurückgeschafft; am 3. April 1945 erreichte er das Weimarer Stammlager.37 Weitere 300 bis 400 KZ-Arbeitssklaven der Baustelle „Hecht“ wurden etwa eine Woche später über Kreiensen nach Salzgitter-Drütte transportiert, dort mit einem sich in Auflösung begriffenen Außenkommando des KZ Neuengamme, das zuvor bei den Reichswerken Hermann Göring eingesetzt war, vereint.

Große Drehbank zur Herstellung von Kurbelwellen unter Tage, 7. April 1945 (Gedenkstätte Buchenwald)

Zusammen mit etwa 1.200 Frauen und Mädchen aus zwei weiteren Außenlagern Neuengammes, Leinde und Salzgitter, wurden sie in der Nacht vom 7. auf den 8. April 1945 in offene Güterwagen gepfercht und die etwa 4.000 Personen abtransportiert. Am frühen Abend des 8. April 1945 geriet der Zug im Bahnhof Celle in einen amerikanischen Luftangriff. Wen die Bomben verschonten, den schossen die SS-Wachen nieder. Etwa die Hälfte der Gefangenen überlebte das Massaker und trat zu Fuß den Weg nach Bergen-Belsen an. Wer nicht mehr weiter konnte, wurde erschossen. Nur wenige Überlebende erreichten am 10. April 1945 die letzte Station ihres Leidensweges.38

Zunächst als Alternative zu den Untertageflächen im Hils, dann, als diese Conti entgangen waren, als Ersatz hatte der Hannoveraner Reifenhersteller Ende 1943 ein Asphaltstollensystem in Ahlem im Westen der Stadt als Ausweichquartier für seine Produktion erkundet.39 Er hatte die voll Wasser stehenden Stollen leer pumpen lassen und stieß auf zwei dahinterliegende Hohlgänge, die zunächst ihrer Lage nach mit „Ahlem I bis III“, ab Juli 1944 mit den Decknamen „Döbel I bis III“ bezeichnet wurden.40 Wegen der Bedeutung des Unternehmens für die Flugzeugindustrie – 60 % aller Flugzeugreifen kamen von Conti – wies Carl Krauch, Generalbevollmächtigter für Sonderfragen der chemischen Erzeugung und Zentralgestalt nationalsozialistischer Kriegsindustrie, die Firma im April 1944 geradezu an, die Verlagerung ihrer Produktion in vor Bomben geschützten Anlagen zu beschleunigen.41 Allerdings blieb es bei der nachrangigen Einstufung der Dringlichkeit und spärlicher Versorgung mit Betriebsmitteln.42 Noch einschneidender war, dass die Anfang Juli 1944 gemachte, verbindliche Zusage einer Stollenfläche von 15.000 qm in „Ahlem I und II“ nur kurz Bestand hatte.43 Die Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover (MNH) erhob ebenfalls Anspruch auf die Asphaltgruben, wollte dort Panzer-Getriebeteile herstellen.44 Der anfänglich für MNH vorgesehene Stollenabschnitt „Döbel III“ hatte sich zur Aufstellung der Maschinen als ungeeignet erwiesen, so musste Conti erneut weichen und seine bereits ausgepumpte Anlage „Döbel II“ für MNH freigeben.45

Die Fläche für die Reifenproduktion reduzierte sich damit auf etwa 9.000 qm. Bis Anfang Januar 1945 waren davon erst etwa 2.000 qm im Ausbau begriffen. Die MNH erwies bei der Erschließung von etwa 6.000 qm laut Bergamt Hannover wenig Energie.46 So übernahm die SS auf Veranlassung des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion im November 1944 die Bauleitung des Projektes „Döbel“ und konnte die Versorgung mit KZ-Häftlingen als Arbeitskräfte sicherstellen. Der zu diesem Zweck eingerichtete, Kammler unterstehende ‚SS-Führungsstab A 12‘ zog für den weiteren Ausbau der Stollen die Vereinigte Untertage- und Schachtbau AG Essen heran.47

Im November 1944 löste die SS das erst am 7. September 1944 eröffnete, Neuengamme unterstehende Conti-Außenkommando in Hannover-Stöcken unmittelbar am Werk ‚Nordhafen‘, mit 1.000 jüdischen Häftlingen auf, um sie auf der Baustelle „Döbel“ beim Stollenausbau einzusetzen. Am 30. November 1944 wurden die ungefähr 750 noch in Stöcken verbliebenen KZ-Gefangenen aus der Reifenherstellung abgezogen.48 Eine Woche vorher schon hatte die SS ein hundertköpfiges Vorauskommando zur Herrichtung eines Lagers in Sichtweite des Bauvorhabens „Döbel“ nach Ahlem abgestellt. Das Gros der Häftlinge fand die Unterkunft in desolatem Zustand vor. Ein Wasseranschluss war noch nicht vorhanden und Trinkwasser musste in Containern herangeschafft werden.49 Die Häftlinge arbeiteten beim Ausbau der unterirdischen Stollen in zentimeterhoch stehendem Wasser. Die katastrophalen Arbeitsbedingungen unter Tage, Hungerrationen und unzureichende Unterbringung, keine nennenswerte medizinische Versorgung im Lager, dazu noch ständige körperlichen Übergriffe des SS-Personals führten zu einer extrem hohen Häftlingsmortalität,50 vor allem bei längerer Aufenthaltsdauer im Lager. Waren im September 1944 ‚lediglich‘ drei Todesfälle zu verzeichnen, wurden im Oktober 16 Tote und im November 34 registriert. Im Dezember 1944 forderte das Lager gar 125 Opfer unter den ca. 850 Häftlingen. Bis zum 12. Januar erlagen weitere 74 Häftlinge den Qualen.51

Wegen der hohen Zahl völlig entkräfteter Häftlinge beantragte die örtliche Lagerleitung den Austausch eines Teils der Lagerinsassen. Daraufhin inspizierte der Lagerkommandant des KZ Neuengamme, SS-Obersturmbannführer Max Pauly, im Januar 1945 das Außenkommando Ahlem. Anschließend wurden 250 bis 350 Häftlinge ins Stammlager zurücktransportiert und ersetzt.52 Ende März 1945 traf von Hildesheim kommend ein weiterer Transport von 200 bis 250 Mann aus einem anderen Außenlager Neuengammes ein. Wenige Tage vor Auflösung des Lagers Ahlem hatte das Kommando damit wieder seine ursprüngliche Stärke von etwa 800 Häftlingen erreicht.53 Am 6. April 1945 setzte die SS einen Transport von etwa 600 gehfähigen Häftlingen in Bewegung; etwa 250 kranke Lagerinsassen ließ sie in Ahlem zurück. Am 10. April befreite eine amerikanische Militäreinheit diese zurückgelassenen Häftlinge. Die 600 „Marschfähigen“ wurden mit den Häftlingen anderer Hannoveraner KZ-Außenlager nach Bergen-Belsen getrieben.54 Trotz des Einsatzes von mehreren hundert KZ-Häftlingen kamen die Stollenausbrucharbeiten nur schleppend voran. Für den hannoverschen Reifenhersteller nahmen zwar 25 Arbeiter im Juli 1944 den Untertagebetrieb in den Asphaltgruben auf, aber zu einer größeren Produktionsverlagerung dürfte es nicht mehr gekommen sein.55

Auch im Kaliwerk Glückauf Sarstedt und im Salzbergwerk Mariaglück in Celle beanspruchte und belegte Conti Räume. Zudem lagerte der Gummiverarbeiter ab Mai 1944 in Sarstedt unter Tage 20.000 Reifendecken und Schläuche ein.56 Wenige Monate vor Kriegsende war die Barbarossahöhle im Kyffhäuser bei Sondershausen als weiteres Reifendepot auserkoren, doch zu einer Umsetzung der Planungen kam es nicht mehr.57

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