Kitabı oku: «Hexen Wahn-Sinn», sayfa 2

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Wien, Mittwoch, 6. November 2019

Alois geht angespannt ins Büro, schnappt sich die Akten bzw. fertigt davon Kopien an, per Mail durfte er nichts an Fremde schicken, aber die Kopien nimmt er sich öfters mit nach Hause, obwohl das eigentlich nicht gerne gesehen wird. In diesem Fall gibt es immensen Druck von oben und da hat er gewisse Freiheiten - zumindest sieht das Alois so.

Er sagt seiner Sekretärin, dass er sich morgen Nachmittag die neuen Räume im Innenministerium anschauen wird und ab Freitag sie beide dort ihr neues Büro haben werden. Am Freitag um neun Uhr ist auch die erste Team-Besprechung der SOKO und sie soll bitte an alle Mitglieder, die er sich ausgesucht hat, eine Nachricht schicken über Ort und Zeitpunkt des Treffens. Die Liste der Mitglieder findet sie in ihrer Mail. Inzwischen hat er einiges zu recherchieren und fährt dazu ins Stift Kremsmünster. Er freut sich sogar irgendwie, wieder mal ins Stift zu kommen. Das war der Ort, wo er 8 Jahre lang das Stiftsgymnasium und Internat besuchte und maturiert hat. P. Martin ist sein Schulkollege, mittlerweile ein guter Lehrer - Professor nennen sie das im Stift - und Pfarrer geworden. Er ist ein wandelndes historisches Lexikon. Und er ist auch so etwas wie sein Haus- und Hofseelsorger; hat ihn getraut, seine Kinder getauft, seine Eltern begraben und war ihm vor vier Jahren zur Seite gestanden, als sich seine Frau von ihm scheiden ließ. Er freut sich auf den Besuch und ihre Whiskyverkostung, obwohl er auch weiß, dass es dieses Mal viel Dienstliches zu besprechen gibt, wo ihm Martin dabei behilflich sein kann.

Bevor er sich aber auf den Weg nach Kremsmünster macht, macht er schnell einen Abstecher nach Pressburg in sein Lieblings-Whisky Geschäft: „The White Mouse - The whisky for connoisseur" - um einen passenden Whisky für seinen Freund zu besorgen. Seit 2015 gibt es in Pressburg Anfang April immer ein Whisky-Festival und da hat er das Geschäft entdeckt, sich mit dem Besitzer angefreundet und dessen Sohn, der in Schottland studiert hat. Seither bekommt er dort jeden Whisky, den er haben will.

Es geht sich alles so gut aus, dass er zum Ein-Uhr-Glockenschlag auf den Parkplatz des Klosters vorfährt.

Kremsmünster, Mittwoch, 6. November 2019

P. Martin sitzt bis knapp vor drei Uhr früh in der Bibliothek. Er sucht sich alles, was er zum Thema Hexen findet zusammen - das brauchte er eh auch dann für Hannas Matura. Es graust ihm etwas, wenn er daran denkt, was seine Kirche, die er so sehr liebt, da angerichtet hat. Dass sie den Menschen im sogenannten düsteren Mittelalter ihre Ängste nicht genommen hat, sondern die Menschen in ihrem Hexen-Wahn sogar noch unterstützte und bestärkte. Das ist für P. Martin die Ursache von allem Bösen: Angst - vor Neuem, dem Unbekannten, vor was auch immer.

Die alten Dokumente über die Hexen packt er sorgsam auf einen freien Schreibtisch - neuere Dokumente scannt er einfach ein und hat sie dann digital auf seinem Laptop. Die neuen Zeiten haben so manche Vorteile, und doch vermisst er es, so wie früher nur in Büchern zu blättern, das Gewicht der Geschichte zu spüren und alte Codices zu entziffern, anstatt einfach alles am Bildschirm oder über das Internet herzuholen. Apropos Internet: die Unterlagen, die nicht in der Stiftsbibliothek lagernd sind, die muss er sich von Bibliotheken besorgen, wo sie längst digitalisiert wurden. Das kann er aber auch daheim erledigen und fährt - ziemlich geschafft - heim in seinen Pfarrhof, um zumindest 4 Stunden zu schlafen bevor er seine pfarrlichen Termine wahrnehmen muss. Um halb eins macht er sich wieder auf den Weg ins Stift.

Er denkt gerne an Lois. Einer der wenigen Freunde, die er im Internat hatte.

In den Arkaden, die zum Tötenhengst und zu den Stufen, die vom Kloster hinab in den Markt führen, treffen sie einander. Freudig umarmen sie sich fest. Über ein halbes Jahr haben sie sich nicht mehr gesehen.

„Komm mit in die Schenke, zuerst essen wir - dann wird gearbeitet! - Keine Widerrede" sagt Martin Lois bestimmt.

Lois greift in seine Tasche und überreicht Martin als Gastgeschenk einen Whisky. Martin muss innerlich schmunzeln, wenn er sich erinnerte, wie Lois und er die Liebe zum Whisky entdeckt haben. Damals - September 1991 - als sie gemeinsam für einen Monat durch Schottland trampten, bevor Martin seine Studien am Missionary Institute in London aufnahm, um für sich zu klären, ob er nicht doch in einem Missionsorden besser aufgehoben wäre als bei den Benediktinern. Und beide hatten eine Leidenschaft entwickelt, möglichst viel über Whisky zu erfahren und sie zu sammeln. Zweimal waren sie danach noch für jeweils zehn Tage nach Schottland gefahren, Martin hatte Alois in Irland besucht, als er dort eine Ausbildung für Interpol machte und Alois war bei Martin, als dieser in den USA studierte. So hatten sie sich nach und nach die wichtigsten Whisky-Regionen er-„arbeitet". Seit Jahren redeten sie auch von einer Kanada-Reise. Deshalb hatte sich mit der Zeit eine ganz eigene Form der Kommunikation zwischen ihnen entwickelt, die kaum Worte brauchte, und die Auswahl des Whiskys zeigte dem anderen, was wirklich in ihm vorging. Alois hat einen Schweizer Whisky ausgewählt, von denen gab es nicht wirklich viele. Erst in den letzten Jahren hatten einige wenige Bauern in den Alpen begonnen, auch aus ihrem Gersten-Malz Whisky zu destillieren. Einen „Bergsturz" hatte Lois gewählt und will ihm damit sagen, dass er Angst hat, dass ein Berg über ihm einstürzen wird und hofft, dass Martin ihm dabei hilft, den Berg vorm Einsturz zu retten.

Bevor sich Martin aber damit beschäftigte, soll es ein gescheites Essen geben. Sie hatten noch viel Zeit, um sich mit Alois´ Problem auseinanderzusetzen.

Martin bestellt eine Grillplatte für zwei Personen. Die haben sie früher immer gegessen, als der Pater, der die Firmvorbereitung leitete, zum Abschluss alle zu einem großen Essen einlud. Das ist eine gute Unterlage für den Whisky und von dem würden sie einigen brauchen, fürchtet Martin. Nein, er fürchtet sich nicht wirklich, er freut sich auf eine Art und Weise auf die gemeinsame Zechnacht und vor allem war er neugierig, was Lois wohl so große Sorgen bereitet. Während des Essens schweigen sie beide, was ziemlich ungewöhnlich ist, weil sie sonst gerne in Erinnerungen an die gemeinsame Internatszeit im Stift schwelgen oder was ihnen alles an Whiskys in letzter Zeit untergekommen ist. Martin erkundigt sich nur, wie es der Familie geht, er hatte ihn vor 15 Jahren getraut, ihre Tochter getauft, später bei zwei Flaschen Whisky erfahren, dass die Ulli, seine erste Frau, einfach mit den Anstrengungen von Lois Beruf nicht mehr zurechtkam und die Scheidung wollte. Vor knapp vier Jahren hatte Lois die Andrea gefunden oder eher umgekehrt sie ihn bei einem Kulturfestival in Wien. Sie kamen sich bald näher und heirateten. Martin hat für die beiden eine Segensfeier gemacht und ihr Kind getauft, das vor knapp 2 Jahren auf die Welt kam. Lois erzählt auch, dass ein zweites im Kommen war und Hannes freut sich jetzt schon auf die schöne Taufe, die es dann wieder geben wird.

Als sie fertig gegessen haben, gehen sie in die Bibliothek, holen alle Unterlagen, die Martin bereitgelegt hat, und fahren gemeinsam in Martins Pfarrhof nach Rohr, um zu arbeiten.

Rohr im Kremstal, Mittwoch, 6. November 2019

Im Pfarrhof angekommen, breiten sie alle Unterlagen auf dem großen Arbeitstisch aus. Martin fordert Lois auf, einen passenden Whisky für die beiden auszuwählen. Insgeheim fragt er sich, welchen er wohl wählen wird. So wie Lois aussah, ist sich Martin sicher, er wird zu einem Islay greifen. In der Rauchigkeit der Islay Whiskys haben sie schon manches Mal ihre Sorgen versenkt wie in den Mooren des Islays. Meist ging es um Dinge, die man am Liebsten einfach nur vergessen will. Man redet noch einmal darüber, versenkt sie im Moor und sie kamen nie wieder an die Oberfläche. Oder, was besser war, indem sie miteinander redeten, lichteten sich die Nebel des Moores und es war wieder eine Zukunft zu sehen. Martin hat Recht. Lois stellt einen Bruichladdich, die Sherry Variante, und zwei Gläser auf den Tisch.

Innerlich muss Martin lächeln, denn wenn Lois einen Whisky will, der in Sherry-fässern herangereift ist, dann hat sein Problem mit Frauen zu tun. Die Sherry Fässer sind den Frauen zugeordnet, die traditionellen Eichenfässer den Männern. Bruichladdich ist die westlichste Destillerie auf der Insel Islay, wo der Atlantik einen natürlichen Hafen bildet, aber mitunter sich auch heftige Strudel bilden oder die Stürme, die sich dort gefangen haben, lange im Kreis drehen. Martin hofft nur, dass sich Lois Beziehung mit Andrea nicht im Kreis dreht. Das ist aber eher unwahrscheinlich, weil als sich Martin zuvor nach der Familie erkundigt hat, schien alles perfekt zu sein. Martin gießt den Whisky in zwei Gläser und sie prosten sich mit einem Slàinte mhath! zu. Genüsslich nehmen sie einen Schluck. Martin reißt dann doch der Geduldsfaden und sagte: „Lois, sag endlich, was dich bedrückt!"

„Martin, ich bin heute bei dir, damit du mir bitte sagst, dass ich dumm bin und es im 21. Jahrhundert nicht noch Menschen, nein Bestien gibt, die Hexen verbrennen. Wir haben drei Fälle, in denen jemand - Gott weiß, welch krankes Hirn - Frauen, die er für Hexen hält, sucht, sie auskundschaftet und sich die Zeit nimmt, sie bei vollem Bewusstsein als Hexen zu brandmarken und sie nachher dann bei lebendigem Leib zu verbrennen. Dafür scheint er oder sie in ganz Österreich unterwegs zu sein: wir wissen bisher von wahrscheinlich drei Frauen, eine aus Vorarlberg, eine aus Oberösterreich und eine aus Wien, wo die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass sie auf die gleiche grausame Weise als Hexen zu Tode kamen. Martin, sag mir bitte, was du denkst und was du über Hexen weißt. Ich, nein wir alle bei der Polizei, sind ratlos bei diesem Fall!" Mit einem kräftigen Schluck trinkt Lois daraufhin sein Whiskyglas leer und legt das Bild vom Körper der Frau auf den Tisch und daneben drei Detailaufnahmen der Abdrücke auf den Brüsten und der Scham. Daneben zwei Bilder der anderen Frauen. „Wir vermuten, dass mit ihnen dasselbe angestellt wurde. Eine war eine Prostituierte, eine Heilpraktikerin und Kinesiologin und die dritte, von der die Bilder der Abdrücke stammen, Mentaltrainerin und Kräuterpädagogin.

Eine ist am 30. April, eine am 21. Juni und die letzte am 31. Oktober verbrannt."

Martin schweigt kurz, er sieht sich die Bilder an. Er ist davon schockiert, aber er sagt nichts oder gibt sich ruhiger und gefasster als er wirklich ist. Er ordnet seine Gedanken. Er fängt dann einfach an, vor sich hin zu reden in der Hoffnung, Lois etwas Nützliches[ii] mitteilen zu können.

„Hexen bzw. die Verfolgung von Hexen gibt es so ab dem Jahr 1000. In den deutschsprachigen Ländern stieß der Hexenglaube zuerst auf Ablehnung. Bis der Inquisitor Heinrich Kramer deswegen den Papst um Hilfe bat. Papst Innozenz VIII erließ 1484 die sogenannte Hexenbulle, mit der er die Verbreitung der Hexensekte stoppen wollte und den Adel um Mithilfe dabei bat. Mithilfe des Buchdrucks wurde die Hexenbulle vervielfältigt und fand weiteste Verbreitung und Beachtung. Dieses machten sich der Dominikanermönch Jacob Sprenger und Heinrich Kramer, zunutze. Sie hefteten dem Machtwort des Papstes ihr dreiteiliges Werk bei, das sie 1487 unter dem Titel „Malleus Maleficarum" - deutsch: „Der Hexenhammer" - veröffentlichten. Es war fortan Entscheidungsgrundlage bei Hexenprozessen.

Darin führt Kramer an, dass Frauen besonders geeignet sind, dem Teufel zu verfallen und nennt 5 Kennzeichen für eine Hexe:

1. Teufelspakt: die Hexe geht einen Pakt mit dem Teufel ein und bekommt dafür als Gegenleistung besondere Fähigkeiten oder Wissen im Umgang mit Kräutern und Giften.

2. Teufelsbuhlschaft: die Hexe verkehrt mit dem Teufel in sexueller Weise: sie lernt dadurch, wie sie Männer verführen kann bzw. sie sich hörig macht und so zu Handlungen bringt, die sie eigentlich ablehnen, aber dem Treiben des Teufels dienen.

3. Flug durch die Luft: Hexen können durch die Luft fliegen.

4. Hexensabbat: regelmäßige, geheime, nächtliche, festartigen Treffen der Hexen mit dem Teufel, wo sie ihn auch anbeten und mit ihm tanzen bzw. sich ihm hingeben.

5. Schadenszauber: im Wesentlichen reden wir hier von Zauberei, die einer Person Schaden zufügt, einen Menschen sterben oder krank werden lässt oder Wetterzauber, wo Ernte vernichtet wird oder die Pest erzeugt wird.

Martin schaut sich noch einmal die Bilder an und erklärt Lois dann: „Die Teufelsdarstellung im Pentagramm erinnert mich an das Baphomet-Siegel, das die Kirche Satans verwendet, die 1966 in San Francisco gegründet wurde. Ob es wirklich genau dieses Symbol ist, muss ich aber noch recherchieren. Ich weiß - jetzt im Moment - auch nicht, ob und vom wem genau diese Darstellung früher verwendet wurde. Auf jeden Fall weist es darauf hin, dass die Frau nach Ansicht des Mörders einen Pakt mit dem Teufel gemacht hat. Kein Schmerzempfinden an den Brüsten galt als sicheres Hexenzeichen im Mittelalter. Das Brandzeichen auf der Scham weist auf ihre Buhlschaft mit dem Teufel hin. Im katholischen Verständnis war lange Zeit als Form für den Geschlechtsverkehr einzig die Missionarsstellung erlaubt, weil davon wenig Lust ausging, vor allem für die Frau. Der Geschlechtsakt diente alleine der Fortpflanzung. Lustgewinn wurde als teuflisch angesehen. Angeblich neigen nach Heinrich Kramer, dem Autor des Hexenhammers, Frauen eher zu geschlechtlichen Ausschweifungen als Männer und das führe zur Teufelsbuhlschaft. Der Teufel wird auch von Grund auf nur männlich gedacht, deswegen sei der Geschlechtsverkehr des Teufels eben nur mit Frauen möglich.

Wenn deine Toten sich mit Energie, Kräutern, Heilmitteln und Giften auskannten, kommen sie leicht in den Verdacht der Hexerei. Auch ihre Schönheit trotz ihres Alters hat eine große Bedeutung, um sie als Hexe anzusehen. - Martin hatte sie alle mindestens 5 Jahre jünger geschätzt, als Lois ihm ihr Alter nannte. Eine Prostituierte, eine Frau, die mit mehr als einem Mann in ihrem Leben Sex hat, galt als „Mannstoll". Dann hieß es gleich, sie verführt die Männer, die tun das, weil sie unter dem Bann der Hexe stehen und nicht freiwillig. Eigentlich sind sie alle brav und gottesfürchtig, aber in Gegenwart der Hexe müssen sie dann tun, was sie will und verfallen ihr. Also die formalen Kriterien für eine Hexe sind erfüllt - wir leben nur nicht mehr im Mittelalter, sondern im 21. Jahrhundert. Wer glaubt, heute Hexen jagen, foltern und schließlich verbrennen zu müssen, kann ich dir auch nicht sagen.

Noch etwas: du hast gesagt, die Brände waren am 30. April, am 21. Juni und am 31. Oktober. Alle drei Daten kann man mit Hexen in Beziehung bringen: der 30. April ist die Walpurgisnacht - klassisch die Nacht der Hexen, wo sie sich versammeln. Der 21. Juni ist Sommersonnenwende, eine Nacht, wo große Feuer abgebrannt werden und wo es auch heißt, dass die Hexen sich treffen, gerne über diese Feuer fliegen und drumherum tanzen. Der 31. Oktober, Samhain, die wörtliche Bedeutung von Samhain ist „Summers End", also das Ende des Sommers und der Beginn des neuen Jahres im keltischen Kalender. Nach keltischem Verständnis´ ist das eine Nacht, wo die Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits eine sehr dünne ist, somit haben die Teufel es leicht, in unsere Welt zu kommen und sich mit den Hexen zu treffen. Das sind zwar etwas weit hergeholte Vermutungen, aber du hast ja gefragt, was mir dazu einfällt. Theoretisch könnte jeden Freitagabend/Nacht eine Hexennacht sein. Es gibt ja den Begriff des Hexensabbats [iii].

Für wahrscheinlicher halte ich es aber, dass ihr mit dem nächsten Mord in der Thomasnacht (Nacht vom 21. auf den 22. Dezember = Wintersonnenwende) rechnen müsst. Also habt ihr - nach meiner persönlichen Einschätzung - noch ein wenig Zeit, um zu suchen, auch wenn ich nicht weiß, wo ihr da beginnen sollt und was genau ihr suchen sollt."

Martin steht auf und holt einen anderen Whisky aus seiner Sammlung und auch eine frische Karaffe Wasser. Alois muss lächeln, als er die Flasche sieht und staunt wieder einmal über Martins Whiskykenntnisse, denn einen Passenderen gibt es wohl kaum:

Aberlour - nicht wirklich so ein besonderer Whisky, aber er wird zweifach gelagert: zuerst in Eichenfässern - und danach in Sherry-Fässern, die Schotten nennen das Double Cask - das gilt als die Verbindung von Mann und Frau. Martin hielt also klar einen Mann für den Täter.

Die Destillerie Aberlour in den Highlands ist Ende des 19. Jahrhunderts einmal durch ein Feuer völlig zerstört worden und nach dem Wiederaufbau durch ein erneutes Feuer schwer beschädigt worden. Martin will ihm mit der Auswahl des Whiskys sagen: Einmal wurde schon alles durch Feuer vernichtet - Lois dachte da an die drei Frauenleichen - und es wird weitere Brände geben - doch am Ende wird aus den Ruinen Neues entstehen, zwar gezeichnet vom Unglück, aber akzeptabel. Lois hofft inständig, dass sich das als richtig erweisen wird, als er Martin stumm, aber dankbar zuprostet.

Damit lassen sie den Fall liegen und widmen sich ihren Jugenderzählungen, um auf andere Gedanken zu kommen. Leicht angetrunken und sehr müde fallen sie um zwei Uhr morgens ins Bett.

Burg-Kloster Finstermünz
Freitag, 29. Juni 2018
Fest der Apostelfürsten Peter und Paul

Seit 800 Jahren existieren Teile der Burg Finstermünz, durch die P. Gregor schreitet. Schon zur Römerzeit führte hier die römische Via Claudia Augusta als einer der wichtigsten Alpenübergänge an Finstermünz vorbei.

Er geht zur Brücke hinunter und schaut lächelnd in den Inn. Endlich hat er sein lang ersehntes Ziel erreicht. Eben haben ihn seine Mitbrüder zum Abt gewählt. Er ist sich sicher, er wird dem Namen, den er sich beim Ordenseintritt vor 30 Jahren gewählt hat, alle Ehre machen. So wie Papst Gregor VII als „Zuchtrute Gottes" und als „Heiliger Satan", die Kirche im 11. Jahrhundert reformiert hat, wird er nun diesen - seinen - Orden reformieren. Das Kloster wird wieder seiner Aufgabe nachkommen, die der letzte Herr dieser Burg, Baron Gregor von Finstermünz, in seinem Nachlass bestimmt hat und weswegen er seine Burg und Besitztümer dem Orden schenkte.

Wie riesig diese Burg[iv] in Wirklichkeit ist, weiß kaum jemand. Denn Finstermünz ist eine Höhlenburg, wo Mönche tief in den Felsen große, teils geheime Räume geschlagen und später gesprengt haben. Gregor ist jetzt Abt des Ordens, der im Jahr 1559 die Burg und alle damit verbundenen Rechte vom letzten Baron von Finstermünz übertragen bekam. Diesem letzten Baron, Gregor von Finstermünz, war im Jahr 1527, als er noch im besten Mannesalter war, von einer alten Frau in Nauders prophezeit worden, dass er der letzte Finstermünz sein wird und sein Geschlecht mit ihm (aus)sterben wird. Damals war gerade sein zweiter Sohn geboren worden und die Taufe wurde auf der Burg groß gefeiert, als die alte Frau ihre Weissagung beim Festmahl verkündete. Zwei Jahre später waren sowohl seine Frau als auch seine beiden Söhne innerhalb kürzester Zeit - ganz plötzlich - gestorben. Baron Gregor von Finstermünz beschuldigte die Frau der Hexerei. Sie landete auf dem Scheiterhaufen, aber der Baron von Finstermünz fand trotzdem keine Ruhe. Seine zweite Frau gebar ihm keine Kinder mehr und so nach und nach kam ihm die Erkenntnis, dass die Frau, obwohl als Hexe verbrannt, Recht behalten hat. Er bat deshalb die heilige Inquisition, ihm Ordensmänner zu schicken, denen er seine Burg und Liegenschaften schenken würde, wenn sie im Gegenzug dafür sorgen würden, dass niemand mehr sein Schicksal erleiden musste. Die heilige Inquisition nutzte diese Gelegenheit, um eine lang gehegte Idee in die Tat umzusetzen.

1540 wurden die ersten ausgesuchten Mönche diesem Orden zugewiesen. Sie nannten sich Bonifici - die, die Gutes tun - aber eigentlich war es der Gegenbegriff zu Malefica - Hexe.

Um in den Orden der Bonifici aufgenommen zu werden, musste ein Mann in einem Waisenhaus aufgewachsen sein oder schon in sehr jungen Jahren von seiner Mutter verstoßen worden sein. Damit war sichergestellt, dass er möglichst wenig Zeit im Einflussbereich von Frauen verbracht hatte. Die Mönche nahmen sich dann um den kleinen Buben an und erzogen ihn ganz in ihrem Sinn. Im Wesentlichen lebten die Mönche nach den Regeln des heiligen Augustinus, hatten jedoch von der heiligen Inquisition ihre eigenen Regel-Ergänzungen bekommen. Frauen waren für sie das Abbild des Bösen und Gesandte von Satan. Die Frauen hatten sich schon im Paradies mit der Schlange verbündet und waren somit für die Vertreibung aus dem Paradies verantwortlich. Jedem Mönch war die Berührung einer Frau außer zur Folter oder Schändung verboten. Die Kinderjahre wurden größtenteils der Bildung gewidmet. Hatte ein Bub das Mannesalter erreicht, lebte er drei Jahre in der äußeren Gemeinschaft des Ordens und erlernte dort einen für die Gemeinschaft nützlichen Beruf. Am Ende der drei Jahre konnte er sich entscheiden, ob er der Gemeinschaft beitreten wollte oder nur mit seinem Beruf dienlich sein wollte. Nach weiteren 5 Jahren stand es den Männern frei, die Gemeinschaft ganz zu verlassen oder sich für immer an den Orden zu binden. Damit wurde er in den inneren Zirkel der Gemeinschaft aufgenommen und bekam auch eine eigene Zelle in den Tiefen der Höhlenburg zugeteilt. Diese ewige Entscheidung wurde mit der Kastration des Mönches besiegelt. Der Orden hatte nie wirkliche Nachwuchsprobleme. Die umliegenden Bergbauern überließen den Mönchen gerne einen Buben, wenn die Kinderzahl allzu groß war und es Schwierigkeiten gab, sie zu ernähren. Auch die Mägde, die ungewollt schwanger wurden, gaben ihre Buben gerne nach dem Abstillen im Kloster ab, um fortan wieder ohne uneheliches Kind ihren Dienst an einem neuen Ort antreten zu können. Die Bonifici hatten in all den Jahrhunderten ihrer Existenz nie weniger als 30 Brüder im inneren Kreis gezählt, in den besten Zeiten waren es über 150. Sie waren dafür bekannt, dass sie Talente in den Burschen erkennen und in den verschiedensten Handwerksberufen eine solide Ausbildung anboten. Jedes Jahr suchten sie in den Waisenhäusern, mittlerweile auch in den Schulen des Umlandes drei bis fünf halbwüchsige Jungen aus, für die sie die Ausbildung übernahmen. Der Orden, der derzeit knapp 80 Personen umfasste, davon 57 im inneren Zirkel, legte seitdem großen Wert auf eine gute Ausbildung [v].

Als die Hexenverfolgung nicht mehr ins Bild der Zeit passte, war Bildung-Ausbildung auch der Schwerpunkt des Klosters geworden. Im Jahr 1784 hatte der damalige Abt Gunther sogar mit der Tradition der feierlichen Kastration bei der ewigen Profess gebrochen. Ab dann fand sie nur mehr bei denen statt, die es ausdrücklich wünschten. Abt Gregor war einer von nur zehn Mönchen in der inneren Gemeinschaft, die ihre Profess nach den alten überlieferten Ordensregeln geleistet hatten. Er hatte sich bei seiner Profess für die feierliche Kastration entschieden, weil er so seinen Auftrag besser erfüllen kann. Damit ist sichergestellt, dass Hexen keine Möglichkeit haben, ihn in ihren Bann zu ziehen.

Nach Abt Gregors Überzeugung hat sich der Orden in den letzten drei Jahrhunderten zu sehr von seiner eigentlichen Bestimmung entfernt, für die er gegründet worden war. Abt Gregor ist sich sicher, unter ihm als Abt wird sich das Alles jetzt ändern. Dafür musste er aber noch einige Vorbereitungen treffen. Er blickt in sich gekehrt, sich mit Gott besonders verbunden fühlend von der Steinbrücke hinab in den Inn und betet inbrünstig, dass Gott - ER, der Allmächtige - ihm die Kraft gibt, den Orden wieder zur alten Bestimmung zurück zu führen.

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