Kitabı oku: «Internationales Strafrecht», sayfa 22

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[71]

EGMR Sahin v. Deutschland, Urt. v. 8.7.2003, Nr. 30943/96, EuGRZ 2004, 707, § 105; Beyeler v. Italien, Urt. v. 28.5.2002, Nr. 33202/96, § 27.

[72]

Ungenau und missverständlich insoweit EGMR K.A. v. Finnland, Urt. v. 14.1.2003, Nr. 27751/95, § 154 („fees and expenses which relate to a complaint declared admissible“), wobei auch dieses Urteil klarmacht, dass die Beschwerde nicht nur zulässig, sondern auch begründet gewesen sein muss („to avoid, or obtain redress for, the violation found“); unmissverständlich auch § 17 PD-JS.

[73]

Vgl. zur erforderlichen Antragstellung Rn. 287, 404 ff.

[74]

EGMR Cevizovic v. Deutschland, Urt. v. 29.7.2004, Nr. 49746/99, StV 2005, 136, § 73 (1.500 €); Sadik Önder v. Türkei, Urt. v. 8.1.2004, Nr. 28520/95, § 54; Colak u. Filizer v. Türkei, Urt. v. 8.1.2004, Nr. 32578/96, § 41; Herz v. Deutschland, Urt. v. 12.6.2003, Nr. 44672/98, § 84 (jeweils 2.500 €).

[75]

Siehe etwa EGMR (GK) Jeunesse v. Niederlande, Urt. v. 3.10.2014, Nr. 12738/10, §§ 133 ff. (Hotelübernachtung anlässlich der mündlichen Verhandlung).

[76]

Näheres bei Kleine-Cosack 1987 ff.

[77]

Vgl. EGMR Otto v. Deutschland, Urt. v. 22.9.2011, Nr. 28348/09, §§ 56, 58; siehe auch Raguž v. Serbien, Urt. v. 7.4.2015, Nr. 8182/07, § 35; Drãgan v. Rumänien, Urt. v. 2.2.2015, Nr. 65158/09, § 101; Morari v. Moldawien, Urt. v. 8.3.2016, Nr. 65311/09, § 44 („detailed time-sheet“); Bulea v. Rumänien, Urt. v. 3.12.2013, Nr. 27804/10, § 69 („detailed document […] indicating the precise dates and the number of hours worked in preparing the case“); vgl. auch EGMR N.I. v. Belgien, Entsch. v. 6.9.2011, Nr. 51599/08, NVwZ 2012, 1233 m. Anm. Meyer-Ladewig/Petzold (zum materiell-rechtlichen Problem).

[78]

EGMR Goral v. Polen, Urt. v. 30.10.2003, Nr. 38654/97, § 93.

[79]

BVerfG NJW 2004, 3407, 3409, C I 2 lit. c.

[80]

Vgl. auch: BGHZ 189, 65 = NJW 2011, 2296, Tz. 15 ff.; siehe auch schon Dörr in: Grote/Marauhn, Kap. 33 Rn. 116; Cremer in: Grote/Marauhn, Kap. 32 Rn. 83.

[81]

Vgl. BGHZ 189, 65 = NJW 2011, 2296, Tz. 17.

[82]

Vgl. Maunz/Dürig/Papier GG, Art. 34, 119: Wegen der Schuldübernahme durch die Bundesrepublik muss der konkrete Amtsträger nicht bestimmt werden. Diese Last, den konkreten Amtsträger zu individualisieren, könne nicht dem Bürger zuwiesen werden, sondern sei vom Organisationsherren zu tragen.

[83]

Meyer-Ladewig/Brunozzi Art. 41, 44. Allerdings soll sich diese Unpfändbarkeit nicht direkt aus dem Konventionsrecht ergeben, siehe EGMR Ataun Rojo v. Spanien, Urt. v. 7.10.2014, Nr. 3344/13, §§ 50 ff.; Etxebarria Caballero v. Spanien, 7.10.2014, Nr. 74016/12, §§ 68 ff.; (GK) Selmouni v. Frankreich, Urt. v. 28.7.1999, Nr. 25803/94, § 133.

[84]

Vgl. zur Pfändbarkeit/Abtretbarkeit: BGH Urt. v. 24.3.2011 – IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 = NJW 2011, 2296 = EuGRZ 2011, 333 = WM 2011, 756 = ZIP 2011, 820 mit Anm. Birnbreier GWR 2011, 195; Vorinstanz: KG Urt. v. 20.8.2009 – 22 U 81/08, ZIP 2009, 1873. Siehe auch Frowein/Peukert Art. 41, 97, und Villiger 237. Zur Steuerfreiheit siehe EGMR (GK) Öneryildiz v. Türkei, 30.11.2004, Nr. 48939/99; Frowein/Peukert Art. 41, 97.

[85]

In diesem Fall wird den Verfahrensbevollmächtigten und Vertretern der Parteien der Termin der Verkündung rechtzeitig mitgeteilt (Rule 77 Abs. 2 Satz 2).

[86]

Ist es nicht möglich, die ursprüngliche Kammer zusammenzusetzen, so bildet oder ergänzt der Präsident des Gerichtshofs die Kammer durch das Los (Rule 79 Abs. 3 Satz 2).

[87]

Das Ministerkomitee (Committee of Ministers) ist ein Organ des Europarates (Art. 13 ff. der Satzung des Europarates).

[88]

Vgl. hierzu: Rules of the Committee of Ministers for the supervision of the execution of judgments and of the terms of friendly settlements v. 10.5.2006 (zuletzt geändert am 18.1.2017); Parliamentary Assembly, Recommendation 1746 (2006) – Implementation of jugdments of the European Court of Human Rights. Vgl. auch EGMR Haase v. Deutschland, Entsch. v. 12.2.2008, Nr. 34499/04: Daraus folgt u.a., dass ein Urteil, in dem der Gerichtshof eine Verletzung der Konvention oder der Protokolle dazu feststellt, den beklagten Staat rechtlich […] dazu verpflichtet, unter der Überwachung durch das Ministerkomitee allgemeine bzw. gegebenenfalls individuelle Maßnahmen in seiner innerstaatlichen Rechtsordnung zu treffen, um die vom Gerichtshof festgestellte Verletzung abzustellen und den Folgen so weit wie möglich abzuhelfen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichtshofs, zu überprüfen, ob eine Vertragspartei die ihm durch eines seiner Urteile auferlegten Verpflichtungen erfüllt hat.

[89]

Vgl. EGMR Komanický v. Slowakei, Urt. v. 1.3.2005, Nr. 13677/03; Lyons v. UK, Entsch. v. 8.7.2003, Nr. 1522/03, EuGRZ 2004, 777.

[90]

EGMR (GK) Verein gegen Tierfabriken (VgT) v. Schweiz, Urt. v. 30.6.2009, Nr. 32772/02, §§ 62 ff. (aus formalistischen Gründen abgelehntes Wiederaufnahmeverfahren).

[91]

Zur Arbeit des Ministerrates ausführlich: Jacobs & White Ovey The European Convention on Human Rights, 5th Edition 2010, § 25, S. 52 ff.

[92]

Die Anrufung soll aber nur im Ausnahmefall erfolgen, vgl. Explanatory Report zu Protokoll 14 (CETS 194) Anm. 96, 100.

[93]

Hierzu etwa EGMR S.C. Ecological Center S.A. v. Rumänien, Urt. v. 5.4.2016, Nr. 54593/11, §§ 12, 18 ff. (Regierung hätte den relevanten Umstand kennen können, wenn sie sich bei der betroffenen Gemeinde erkundigt hätte); Pennino v. Italien, Urt. v. 8.7.2014, Nr. 43892/04, §§ 10 ff., NJW 2015, 3019; Adamczuk v. Polen, Urt. v. 15.6.2010, Nr. 30523/07, § 83 (mangelnde Gelegenheit zur Stellungnahme); Nicola v. Türkei, Urt. v. 26.10.2010, Nr. 18404/91, §§ 14 ff. (zu Unrecht angenommene Eigentümerstellung); McGinley u. Egan v. Vereinigtes Königreich, Urt. 28.1.2000, Nr. 21825/93, §§ 32 ff. (vernünftigerweise aus dem ursprünglichen Verfahren bekannte Informationen). Siehe ferner EGMR Cülaz u.a. v. Türkei, Urt. v. 17.3.2015, Nr. 7524/06 u. 39046/10, §§ 7 ff.; Yalçınkaya u.a. v. Türkei, Urt. v. 9.2.2016, Nr. 25764/09 u.a.; Nicolae Augustin Rãdulescu v. Rumänien, Urt. v. 19.5.2015, Nr. 17295/10, §§ 6, 9 (in diesen Fällen legt der Gerichtshof – letztlich wohl im Sinne allgemeiner Gerechtigkeit – die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme flexibel aus).

[94]

Ist es nicht möglich, die ursprüngliche Kammer zusammenzusetzen, so bildet oder ergänzt der Präsident des Gerichtshofs die Kammer durch das Los (Rule 80 Abs. 3 Satz 2).

Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › E. Kosten des Verfahrens

E. Kosten des Verfahrens

540

Die Personal- und Sachkosten des Gerichtshofs werden vom Europarat getragen (Art. 50 EMRK). Das Verfahren vor dem EGMR selbst ist daher kostenfrei.[1] Der Bf. hat dem betroffenen Vertragsstaat auch dann keine Kosten zu erstatten, wenn die Beschwerde erfolglos bleibt – und zwar auch dann nicht, wenn der EGMR einen Missbrauch des Beschwerderechts i.S.v. Art. 35 Abs. 3 lit. a EMRK feststellen sollte.[2] Hat die Beschwerde dagegen ganz oder teilweise Erfolg, kann der Gerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Festsetzung einer gerechten Entschädigung (Art. 41 EMRK) u.a. die teilweise oder vollständige Erstattung der dem Bf. im Verfahren vor dem EGMR entstandenen Kosten durch den verurteilten Vertragsstaat aussprechen (Anwaltskosten etc., vgl. Rn. 509).

541

Nicht unerhebliche Kosten können im Laufe des Verfahrens durch die Übersetzung des Schriftverkehrs mit der Kanzlei des Gerichtshofs entstehen, wenn weder der Bf. noch der Verfahrensbevollmächtigte eine der beiden Amtssprachen des Gerichtshofs beherrscht. Diese Kosten können ebenfalls bei der gemäß Art. 41 EMRK festzusetzenden Entschädigung in angemessenem Umfang berücksichtigt werden, freilich nur, wenn die Beschwerde Erfolg hat (siehe Rn. 512).

542

Wird ein Zeuge, ein Sachverständiger oder eine andere Person auf Antrag eines Vertragsstaates zur mündlichen Verhandlung bzw. vor eine Delegation geladen (Rn. 428), so sind die für sein Erscheinen entstehenden Kosten von diesem Staat zu tragen, soweit die Kammer nicht abweichend entscheidet (Rule A5 Abs. 6 Satz 1, keinesfalls jedoch vom Bf.).

543

In den übrigen Fällen entscheidet die Kammer, ob die entstandenen Kosten vom Europarat zu tragen oder dem Bf. oder einem Drittbeteiligten anzulasten sind, auf dessen Antrag die Personen erschienen sind (Rule A5 Abs. 6 Satz 3).

544

Nach Möglichkeit sollte daher bereits vor der mündlichen Verhandlung mit dem Kammerpräsidenten bzw. mit dem Leiter einer Delegation (Head of the Delegation; Rule A4 Abs. 2) abgeklärt werden, wer die Kosten für einzelne Beweiserhebungen trägt. Die Höhe der zu erstattenden Kosten werden vom Kammerpräsidenten festgesetzt (Rule A5 Abs. 6 Satz 4).

545

Maßnahmen, die der Gerichtshof von Amts wegen trifft, sind für den Bf. stets kostenfrei. Wird eine Beschwerde im Register gestrichen (Art. 37 EMRK), so kann der Gerichtshof auch eine Entscheidung über die Verteilung der bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Kosten treffen (Rule 43 Abs. 4; vgl. hierzu Rn. 373). Bei der Vereinbarung eines Erfolgshonorars (vgl. § 49b Abs. 2 BRAO, § 4a RVG) sollte der „Erfolg“ genau klassifiziert werden und insbesondere auch den Fall umfassen, dass die Beschwerde aus dem Register gestrichen wird, weil der belangte Staat im Rahmen einer Einigung (Rn. 367) „nachgegeben“ hat.[3]

Anmerkungen

[1]

Siehe aber zu Überlegungen, Gerichtskosten einzuführen: Karpenstein/Mayer/Schäfer Art. 34, 9.

[2]

Für Verfahren der Verfassungsbeschwerde sieht § 34 Abs. 2 BVerfGG eine hiervon abweichende Regelung vor, vgl. Burhoff/Kotz/Hagmann/Oerder Teil C, Rn. 197.

[3]

Zum Hintergrund vgl. EGMR N.I. v. Belgien, Entsch. v. 6.9.2011, Nr. 51599/08, NVwZ 2012, 1233 m. Anm. Meyer-Ladewig/Petzold (zum materiell-rechtlichen Problem).

Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › F. Wiederaufnahme des nationalen Strafverfahrens

F. Wiederaufnahme des nationalen Strafverfahrens

546

Seit 1998 besteht die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens zugunsten des Verurteilten im Anschluss an einen vom EGMR festgestellten Konventionsverstoß (§ 359 Nr. 6 StPO).[1] Dieser neu geschaffene Wiederaufnahmegrund soll dem Prinzip der konventionsfreundlichen Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechts Rechnung tragen, hält aber gerade in diesem Zusammenhang nach wie vor ungelöste Fragen bereit.

547

Die der Wiederaufnahme zugänglichen Verfahren müssen durch rechtskräftige Urteile abgeschlossen sein, welche zunächst Sachurteile, nicht hingegen Prozessurteile mangels materieller Rechtskraft umfassen.[2] Die Wiederaufnahme letzterer Verfahren kann aber erforderlich sein, wenn etwa die Verwerfung eines Rechtsmittels aufgrund einer nicht eingehaltenen Frist erfolgte, die menschenrechtlich aber evident zu kurz war. Eine Wiederaufnahme gegenüber Beschlüssen ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen, jedoch ist sie entgegen der verbreiteten Ansicht in der Rechtsprechung auch auf diese zu erstrecken, wenn der Beschluss eine, dem Urteil vergleichbare, materielle Rechtskraft entfaltet.[3]

548

Eine Wiederaufnahme nach § 359 Nr. 6 StPO setzt voraus, dass der EGMR einen Verstoß auf nationaler Ebene gegen eine Bestimmung der EMRK (oder eine ihrer Zusatzprotokolle) festgestellt hat. Wegen des insoweit eindeutigen Wortlauts ist die Norm nicht einschlägig, wenn ein anderes Gericht oder eine andere Stelle sich zur Konventionswidrigkeit eines staatlichen Handelns äußert.[4]

549

Das schließt freilich nicht aus, dass die nationalen Strafgerichte – ausschließlich im Interesse des Beschuldigten und damit verfassungsrechtlich unbedenklich – eine großzügigere Auslegung und Handhabung der Norm an den Tag legen und den Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 6 StPO (z.B. unter Berücksichtigung einer zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des EGMR) trotz der sich aus den Gesetzgebungsmaterialien ergebenden Planmäßigkeit der Regelungslücke[5] auf „offensichtliche Konventionsverstöße“[6] bzw. auf Verstöße gegen das Unionsrecht[7] erstrecken.[8] Gesetzlich verpflichtet sind sie dazu allerdings nicht.

550

Umstritten ist, ob eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur für den Verurteilten möglich ist, der selbst eine vor dem EGMR erfolgreiche Individualbeschwerde eingelegt und dort eine Verurteilung der BR Deutschland erreicht hat[9], oder ob eine solche Möglichkeit auch für Mitbeschuldigte besteht, deren rechtskräftige Verurteilung (in demselben Urteil) an dem gleichen vom EGMR festgestellten Mangel leidet. Im Interesse eines effektiven Schutzes der Menschenrechte liegt es nahe, die staatliche Pflicht zur Befolgung des vom EGMR gesprochenen Urteils (Art. 46 EMRK) – sowohl was die Behebung als auch die zukünftige Vermeidung von Konventionsverstößen angeht – weit zu verstehen, um auf diese Weise innerstaatlich (Art. 20 Abs. 3 GG) alle staatlichen Stellen – namentlich die Strafgerichte – zur Umsetzung eines gegen Deutschland ergangenen Urteils zu verpflichten (Rn. 465 ff.).[10]

551

Nur konsequent ist dann die Forderung nach einer legislativen Ausweitung (de lege ferenda) des persönlichen und sachlichen Schutzbereichs von § 359 Nr. 6 StPO auf andere rechtskräftig Verurteilte, die selbst nicht den EGMR angerufen haben, deren Verurteilung aber (möglicherweise) auf dem gleichen, vom EGMR als konventionswidrig eingestuften Verfahrensmangel oder auf einer sonstigen im Zuge des Strafverfahrens aufgetretenen Konventionswidrigkeit beruht.[11] Eine unmittelbare Anwendung des § 359 Nr. 6 StPO auf andere Verurteilte bzw. auf gegen andere Vertragsstaaten ergehende Urteile, die angesichts der behandelten Problematik für das nationale Verfahren ebenfalls „entscheidungserheblich“ sind und damit ein „Beruhen“ begründen können, scheitert jedenfalls nicht am Wortlaut der Vorschrift, die sich zum Kreis der Antragsberechtigten und deren Verhältnis zu dem vom EGMR festgestellten Konventionsverstoß weder positiv noch negativ, sondern überhaupt nicht äußert.[12]

552

Wer gleichwohl unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des § 359 Nr. 6 StPO von einem der (herkömmlichen) Auslegung entgegenstehenden historischen Willen des Gesetzgebers bezüglich anderer Beschuldigter ausgeht und einer analogen Anwendung der Norm die Planmäßigkeit dieser Regelungslücke entgegenhält,[13] müsste jedenfalls eine (spezielle) konventionskonforme Auslegung der Norm nach Maßgabe der oben angesprochenen Befolgungspflicht (Art. 46 EMRK) in Betracht ziehen. Eine solche Auslegung ist nicht nur völkerrechtlich geboten, sondern auch möglich, da der entgegenstehende Wille des Gesetzgebers im Normtext nicht (eindeutig) zum Ausdruck gekommen ist.[14]

553

Ob die deutschen Gerichte sich diesem menschenrechtsfreundlichen Verständnis des § 359 Nr. 6 StPO verschreiben, scheint allerdings fraglich. Eher werden sie sich auch bei der Auslegung des § 359 Nr. 6 StPO an der vom BVerfG favorisierten engen Interpretation der staatlichen Befolgungspflicht aus Art. 46 EMRK orientieren. Der deutsche Gesetzgeber sollte daher recht bald zu der Einsicht gelangen, dass zu der vom BVerfG angemahnten völker- und menschenrechtsfreundlichen Ausgestaltung nationaler Rechtsvorschriften auch die klarstellende Ausweitung der Vorschrift des § 359 Nr. 6 StPO gehört.[15]

554

Probleme bereitet ferner die Beruhensklausel des § 359 Nr. 6 StPO („[…] und das Urteil auf dieser Verletzung beruht“). Während die Lehre überwiegend für ein weites Verständnis des Beruhens plädiert und sich an den Vorgaben des § 337 Abs. 1 StPO orientiert („möglicherweise günstiger Ausgang des Verfahrens“)[16], lässt die justizielle Wiederaufnahmepraxis keine besonders menschenrechtsfreundliche Tendenz erkennen. Nach Ansicht des BVerfG soll nicht jede vom EGMR festgestellte Konventionsverletzung eine Wiederaufnahme rechtfertigen können.[17] So soll einer solchen beispielsweise nicht stattzugeben sein, wenn der EGMR eine konventionswidrige unmenschliche Behandlung im Ermittlungsverfahren festgestellt hat, die Verurteilung jedoch auf einem Geständnis des Verurteilten in der Hauptverhandlung beruht, auf das der Verstoß gegen Art. 3 EMRK keinen Einfluss hatte.[18]

555

Stets muss das der Wiederaufnahme zugrunde liegende Urteil gerade auf der festgestellten Konventionsverletzung beruhen.[19] Insbesondere sollen Verstöße keinen Anlass zur Wiederaufnahme bieten, die sich – wegen einer „Korrektur“ im Laufe des Verfahrens oder ihrer Art nach – nicht auf die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ausgewirkt haben.[20] Ebenso wird eine Vermutung der Kausalität eines Verstoßes gegen ein Verfahrensrecht der EMRK für die Fehlerhaftigkeit der Verurteilung abgelehnt.[21]

556

Wegen dieses in der Praxis vorherrschenden restriktiven Verständnisses der Voraussetzungen des § 359 Nr. 6 StPO muss der Verteidiger in seinem Sachvortrag (§ 366 StPO) – insbesondere bei Verfahrensfehlern ohne unmittelbaren Bezug zur materiellen Strafbarkeit (Art. 6 Abs. 1 EMRK) und Verstößen gegen die von Art. 6 Abs. 3 EMRK garantierten Verteidigungsrechte (z.B. Zugang zur Verfahrensakte, Kontakt zu einem Verteidiger) – das Beruhen der Verurteilung auf dem konventionswidrigen Verfahrensgang schlüssig und vor allem detailliert darlegen. Mitzuteilen sind neben dem Urteil des EGMR, das nach Ansicht des Verteidigers Anlass zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens geben soll (zugleich Beweismittel), auch Umstände, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das angefochtene Urteil ohne den vom EGMR (im konkreten oder in einem anderen Fall, s.o.) festgestellten Konventionsverstoß für den Mandanten günstiger ausgefallen wäre.[22]

557

Die Vorschrift des § 363 StPO steht einem Wiederaufnahmeverfahren nach § 359 Nr. 6 StPO nicht entgegen, selbst wenn die innerstaatliche Behebung des vom EGMR festgestellten Konventionsverstoßes (nur) auf der Ebene der Strafzumessung erfolgen kann und der Antragsteller dies intendiert.[23]

558

Beruht das nationale Urteil im vorbeschriebenen Sinne auf dem vom EGMR festgestellten Konventionsverstoß, so ist seine (weitere) Vollstreckung wegen der völkerrechtlichen Befolgungspflicht (Art. 46 EMRK) unzulässig, unabhängig von einem (erfolgreichen) Wiederaufnahmeverfahren des Beschuldigten.[24]

559

Eine Frist, gerechnet etwa ab Endgültigkeit des EGMR-Urteils, ist für den Antrag auf Wiederaufnahme nicht vorgesehen; dies gilt gleichermaßen für alle Wiederaufnahmegründe des § 359 StPO. Formvorschriften für den Antrag bestimmt § 366 StPO. Über den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens entscheidet das nach § 140a GVG zuständige Instanzgericht (§ 367 Abs. 1 StPO); der Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens kann jedoch auch bei dem Gericht eingereicht werden, dessen Urteil angefochten wird (§ 367 Abs. 1 Satz 2 StPO).[25] Das Gericht wird meist direkt über die Begründetheit des Antrags, ohne eine gesonderte Zulässigkeitsentscheidung mit vorheriger Beweiserhebung (§ 370 Abs. 2 StPO), entscheiden können.[26]

560

Regelmäßig dürfte im Anschluss auch die Durchführung einer erneuten Hauptverhandlung entbehrlich sein (Sachentscheidung durch Beschluss, § 371 Abs. 2 StPO). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der dem vom EGMR festgestellten Konventionsverstoß – im konkreten Fall – zugrunde liegende Sachverhalt bereits vollständig aufgeklärt ist, reine Rechtsfragen zur Diskussion stehen und der vom EGMR festgestellte Mangel – nach den Grundsätzen der EMRK – auf der Strafzumessungs- oder Vollstreckungsebene kompensiert werden kann. Andernfalls sollte der Verteidiger auf die Notwendigkeit der Durchführung einer erneuten Hauptverhandlung (vorsichtshalber) in seiner Antragsschrift gesondert hinweisen.

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