Kitabı oku: «Der Geldkomplex», sayfa 5
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Schlimme Nachrichten, Maria. Meine neulichen Abendbetrachtungen waren Vorahnung. Wie ich dieses zweite Gesicht verwünsche, aber ich habe es nun einmal.
Also zuerst, was mich selbst betrifft. Ich weiß nicht, ob ich Dir erzählte, daß der Miterbe schon einmal verheiratet war. Daß er mit dieser ersten Frau denselben Kontrakt auf Erbteilung gemacht hat wie mit mir, wußte ich allerdings nicht. Sie hat sich dann schlecht bewährt, und er ließ sich von ihr scheiden. Jetzt aber, nach dem Tode des alten Herrn, ist sie wieder aus der Versenkung aufgetaucht, will ihre Ansprüche geltend machen und droht durch ihren Anwalt die Erbschaft mit Beschlag belegen zu lassen. Im besten Falle gibt es also wieder eine Verzögerung, im minder günstigen... aber ich ziehe es vor, diesen Gedanken vorläufig noch zu verdrängen. Lukas ist jetzt ganz kleinlaut und meint, daß wirklich von seiten des Schicksals rätselhafte Dinge gegen mich vorliegen müssen.
Er, der Miterbe, gedenkt nächstens zurückzukommen und will mich dann hier aufsuchen. Einstweilen hat er immer noch Formalitäten zu erfüllen.
Wenn das alles wäre, aber auch um die Petroleumsache sind wir in schweren Sorgen. Balailoff gerät immer mehr unter den Einfluß des schwarzen Idioten (der sich übrigens in letzter Zeit lauter weiße Anzüge angeschafft hat — wir waren schon unschlüssig, ob man ihn nicht umtaufen müsse) und sprach schon davon, ihn auf eine Inspektionsreise nach Rußland zu schicken, da letzthin ungünstige Berichte von dort einliefen. Es hieß, das Gebiet sei doch nicht so ergiebig, wie man anfangs angenommen und so weiter. Henry behauptet auf Grund seiner gewiß vielfältigen Erfahrungen, das passiere bei jedem derartigen Unternehmen, und man brauche einstweilen kein Gewicht darauf zu legen. Das Konsortium pflege einmal dieses und einmal jenes Gerücht auszusprengen, um Stimmung zu machen, oder was weiß ich — ich konnte seinen Auseinandersetzungen nicht recht folgen, und Balailoff versteht es sicher noch weniger als ich. Der Idiot aber will jetzt plötzlich auch über Petroleumgewinnung besser Bescheid wissen als alle anderen, nachdem er vorher nur in Heiratspapieren kompetent war. Bei jedem anderen Gespräch verstummte er und klappte ratlos mit den Kinnladen.
Einstweilen ist er hier noch unentbehrlich, denn die Heiratsangelegenheit scheint trotz all seiner Bemühungen nicht vom Fleck zu rücken. Balailoff ist manchmal sehr nervös und klagt darüber, daß die Beamtenbestechung unwahrscheinliche Summen verschlinge.
Wir anderen trauen dem schwarzen Kerl nicht über den Weg. Bei Tisch setzt er sich nach wie vor zu uns, ist auf keine Weise loszuwerden, sondern sitzt da, starrt uns an und erzählt, wenn man ihn überhaupt zu Wort kommen läßt, von seinem angeblich bewegten Leben. Anfangs brachte man ihn rasch zum Schweigen, aber wir lassen ihn jetzt manchmal gewähren, um gelegentlich eine Handhabe gegen ihn zu gewinnen. Bis jetzt haben wir aber nur festgestellt, daß er unerhört lügt und höchstens in Balailoffs Gegenwart seine Erzählungen etwas glaubhafter hält. Von uns nimmt er wohl an, daß wir alles glauben, da wir immer schweigend zuhören und nie den leisesten Zweifel äußern.
... Es scheint beinah, daß wir unserem Ziel näher kommen und eine wichtige Entdeckung gemacht haben, mittels derer wir ihn vielleicht stürzen können. Neulich abends waren wir alle in Henrys Zimmer — der Pavillon der Braut liegt nahe an unserem Separatflügel, und man hört sie allabendlich Klavier spielen, war aber so daran gewöhnt, daß man nicht weiter darauf achtete. Balailoff ist um diese Zeit nie vorhanden, sondern treibt sich allein in der Stadt herum.
An diesem Abend nun unterhielten wir uns ganz friedlich. Henry hatte Wein aus dem Bureau heraufgeschafft, und Baumann, der einen ziemlichen Schwips hatte, sagte auf einmal nachdenklich: «Hört nur, das ist wirklich merkwürdig... sie spielt ja vierhändig.» Wir schwiegen und hatten so unsere Gedanken dabei, während Baumanns Freundin ihn im tiefen Ernst zu überzeugen versuchte, daß es unmöglich sei, allein vierhändig zu spielen. Natürlich wollten wir in ihrer Gegenwart unseren Verdacht nicht äußern, aber als sie fort war, machten wir das Licht aus und warteten gespannt am Fenster, bis das Klavierspiel verstummte. Kurz nachher sahen wir denn auch den Privatsekretär vorsichtig durch den Garten schleichen.
Aber was nun? Darüber wurde lang hin und her beraten. Man kann die beiden doch nicht einfach verklatschen... es ist schließlich ihre Privatsache. Andererseits ist Balailoff, wenn er sich auch neuerdings schlecht benimmt, sozusagen unser Freund, während wir die Braut nicht ausstehen können und den Idioten los sein möchten. Sollte einer von den Männern den Ahnungslosen aufklären, was da vor sich geht... es nimmt sich eventuell doch schlecht aus, und die beiden würden zweifellos leugnen. Gott weiß, ob sie nicht auch wirklich nur zusammen Klavier spielen. Und doch, meinte Henry, wäre es beinahe Christenpflicht, ihn aufmerksam zu machen, denn wenn der Idiot ihm mit seiner Braut Hörner aufsetzt, wird er ihm auch mit dem Petroleum Hörner aufsetzen, sobald es ihm gelingt, seine Pfoten dahinein zu bekommen... und die ganze Geschichte geht für uns zum Teufel.
Zunächst haben wir also nur versucht, den Schwarzen aufs Glatteis zu führen. Ich fragte ihn gleich am nächsten Morgen in aller Harmlosigkeit, ob es bei starker musikalischer Begabung möglich sei, alleine vierhändig zu spielen. Balailoff schlug ein schallendes Gelächter an... er ahnt also nichts von den nächtlichen Konzerten... die Braut verfärbte sich... sie hat jedenfalls ein schlechtes Gewissen. Der Idiot aber behielt seine Fassung und hielt mir einen längeren Vortrag über Klaviertechnik sowie über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten.
Es war ein ausgesprochener Mißgriff, denn nun sind sie gewarnt und spielen nicht mehr zusammen.
Darauf versuchten Henry und Baumann — der Privatdozent gab sich nicht dazu her —, der Braut auf Tod und Leben die Cour zu machen, um den Idioten auszustechen. Sie reagierte in keiner Weise, und man erreichte nur, daß Balailoff noch verstimmter auf uns ist.
Nun haben wir noch einen Plan im Hinterhalt... wir wunderten uns nämlich schon lange darüber, daß weder Balailoff noch die Braut auf den Gedanken gekommen sind, die Ehe in England zu schließen. Er selbst weiß am Ende gar nichts von dieser segensreichen Einrichtung... bei einem Russen mit Spleen wäre das gar nicht so unmöglich, und sein Faktotum wird sich hüten, ihn auf den Gedanken zu bringen, da die Angelegenheit dadurch zu einem rascheren Abschluß käme. Das liegt selbstverständlich nicht in seinem Interesse.
Uns selbst geht es, offen gesagt, ebenso. Wir konnten uns nie besonders für die Heirat erwärmen und hofften immer, daß sie noch möglichst hinausgezogen würde, bis das Petroleum... Denn daran sind wir alle aufs lebhafteste interessiert und wollen mit «hineingehen», sobald eine gewisse Garantie gegeben ist. Lukas hat trotz seiner nationalökonomischen Weisheit Blut — respektive Petroleum — geleckt und möchte sein bescheidenes Kapital vermehren, Baumann mit fast gar nichts eines gewinnen und ich — nun, wenn irgend möglich — das Unglück mit dem Pflichtteil wieder gutmachen. —
Wäre nur Henry für einen Gründer nicht viel zu anständig, ich begreife allmählich, daß es eben das ist, was ihn immer wieder um den Erfolg bringt. Wie oft hätte er mit mehr Schwindel schon etwas erreichen können, aber er will nicht. Er schlägt statt dessen auf den Tisch und sagt: «Teufel, es muß auch so gehen!» Glaubst Du, er wäre auch nur imstande, einen Wechsel zu fälschen?... Aber man versteht es ja auch... Es hat etwas gegen sich, und man will nicht aus seiner Sphäre herausfallen.
So steht es nun auch wieder im Fall Idiot-Balailoff. Henry hält es für unfair, sich direkt einzumischen, und will abwarten, bis der Idiot auf Grund der göttlichen Gerechtigkeit in seine eigene Grube fällt. Ich dagegen bin überzeugt, daß das gerade diesem Typus niemals passieren wird.
Die Braut ist sehr vorsichtig geworden. Es hat den Anschein, als sei der Flirt zwischen den beiden ganz abgebrochen, sie begegnen sich nur noch mit kühler Höflichkeit. Aber es liegt auf der Hand, daß sie gegen uns intrigieren, denn Balailoff wird immer unliebenswürdiger. — — —
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Nun, inzwischen ist die Bombe geplatzt, und diesmal scheint Henry recht zu behalten, daß die gute Sache durch sich selbst siegen muß.
Die Spannung wurde immer peinlicher und der Idiot immer anmaßender. So rang man sich schließlich zu dem Standpunkt durch: er oder wir. Wir beschlossen, den einzigen Trumpf auszuspielen, der uns zur Verfügung stand, und Balailoff auf die Eheschließung in England aufmerksam zu machen. Mochte er dann in Gottes Namen heiraten, wenn es uns nur gelang, den Schwarzen zu stürzen oder wenigstens zu diskreditieren. Henry bat also Balailoff um eine Unterredung, bei der Lukas und ich ebenfalls zugegen waren. Balailoff kam und war anfangs etwas reserviert. Als Henry ihm aber die Sache mit viel Beredsamkeit vortrug, dabei erwähnte, daß wir schon vor längerer Zeit in Gegenwart seines Sekretärs über einen ähnlichen Fall gesprochen hätten... da wurde er sehr nachdenklich. Dann fragte er, warum wir ihn nicht eher darauf aufmerksam gemacht hätten? Nun, man habe sich erst vergewissern wollen, ob es wirklich so einfach sei, und sich des näheren erkundigt — Henry nahm ein Bündel Briefe aus der Tasche, schwenkte sie bedeutungsvoll und steckte sie dann wieder ein —, inzwischen sei aber jener schwarze... Herr aufgetaucht, und seit Balailoff ihm in solchem Maße sein Vertrauen geschenkt, fühle keiner von uns mehr den Wunsch, sich in seine Angelegenheiten einzumischen.
Es sei das auch jetzt nicht unsere Absicht, wir wollten ihm nur die Frage vorlegen, ob die Beamtenbestechungen und anderen Manöver seines Sekretärs wohl Aussichten hätten, schneller zum Ziel zu führen.
Der arme Balailoff — ich glaube, er ist im Grunde horndumm, aber jetzt schienen ihm doch einige Schuppen von den Augen zu fallen. Außerdem ging ihm plötzlich das Herz über, und er gestand, daß er dem Sekretär verschiedene Geldangelegenheiten übertragen habe, ohne sich weiter darum zu kümmern. Wenn der Mann, den er bisher dafür gehalten, am Ende doch nicht ganz zuverlässig sei — hier folgten einige russische Flüche, worauf er Henry bewegt umarmte, Lukas und mir die Hand schüttelte, uns alle für seine wahren Freunde erklärte und lebhaftes Verlangen nach Alkohol äußerte. So wurde nach langer Entfremdung der erneuerte Freundschaftsbund, die Eheschließung in England und daneben auch wieder einmal die Petroleumaffäre «begossen».
Seit diesem bedeutungsschweren Abend ist er also wieder unser und eifrig dabei, seine Anordnungen für die Reise nach England zu treffen. Den Sekretär wollte er nicht Hals über Kopf entlassen, um alles Aufsehen zu vermeiden, läßt ihn aber durch einen Detektiv überwachen, und es scheinen da noch allerhand Schwindeleien in größerem Maßstab herauszukommen. Aber er hat ihn vorläufig in seinem Dienst behalten und verwendet ihn nur noch für unwesentliche Kommissionen. Der Idiot ist etwas konsterniert und weiß nicht recht, was er denken soll. Er schaut immer noch dumm genug drein, aber sein Gesicht hat doch etwas mehr Ausdruck bekommen, nämlich einen gespannten. Es ist beinah, als betrachte er uns mit einer Art schmerzlicher Ironie. Die Braut ist öfters wieder am Tisch, aber man wird nicht recht aus ihr klug, sie behandelt uns nach wie vor wie Luft. Wir gehen ihr möglichst aus dem Weg, sitzen wieder in tiefem Seelenfrieden auf der Terrasse und lassen die immer noch schwülen Tage an uns vorübergehen. Abends kommen unsere Freunde, sie haben jetzt auch Balailoff kennengelernt, der sich uns immer mehr anschließt und entzückt von ihnen ist. Schauspieler und Russen sind immer entzückt voneinander.
Am zehnten August soll die Fahrt nach England angetreten werden. Er plagt uns, daß wir mitfahren sollen als Trauzeugen. Aber wir mochten weder die geschäftlichen Dinge noch unsere Privatinteressen im Stiche lassen, noch auch das Sanatorium, an dem wir wirklich mit Heimatliebe hängen. Andererseits ist ja noch zu erwägen, ob es nicht unzweckmäßig ist, ihn so ganz aus den Augen zu lassen... Er schwört zwar, er käme wieder zurück. — — —
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Der Entschluß ist uns erspart geblieben, dafür hat es einen sogenannten Skandal gegeben. Nur schade, daß wir nicht soviel Spaß daran haben können wie die anderen Patienten, die ihn in vollen Zügen genießen.
Balailoff war auf einige Tage fortgefahren und hatte die Braut mitnehmen wollen, aber sie drückte sich unter dem Vorwand, leidend zu sein. Am zweiten Morgen, nachdem er fort war, klopfte sein Diener, der uns immer das Frühstück heraufbringt, verzweifelt an sämtliche Türen. Wir waren spät aufgewesen, und niemand hatte Lust, sich schon zu ermuntern; so rief man ihm von allen Seiten zu: er möge alles in den Korridor stellen und uns schlafen lassen. Aber er bestand darauf, irgend jemand persönlich zu sprechen. Wir beschieden ihn also mit sämtlichen Frühstücken in den gemeinsamen Salon und versammelten uns in rasch improvisierter Toilette. Das Klavier stand noch offen und überall Weingläser vom vorigen Abend, es war die richtige ungemütliche Morgenstimmung mit einigem Katzenjammer.
Und nun erfuhren wir, daß die Braut über Nacht mit dem «Herrn Idioten», wie der brave Iwan sich höflich ausdrückte, davongegangen war, unter Mitnahme alles beiderseitigen Gepäcks — also anscheinend, um nicht mehr wiederzukehren. Iwan, der seinem Herrn sehr ergeben ist, war ganz außer sich. Wir setzten gleich ein Telegramm an Balailoff auf und schickten ihn damit weg.
Eine halbe Stunde später erschien der Professor, wollte wissen, was wir wüßten, und war ungemein aufgeregt. Glücklicherweise hatten wir in der Zwischenzeit aufräumen lassen und saßen ordentlich und zivilisiert jeder vor seinem Kaffee, nur Lukas hatte einen etwas sonderbaren Schlafrock an. Wir waren diesmal wirklich mehr als unschuldig, was er uns anfänglich nicht glauben wollte. Aber dann drehte Henry den Spieß um und erklärte, er habe Balailoff in diesem Punkt nie begriffen — und ebensowenig, daß man ein solches Subjekt so lange hier geduldet hätte. Dem Mann sei doch auf der Stirne geschrieben gewesen, daß er ein Schwindler war. In diese Ausführungen stimmten wir alle lebhaft ein.
Jedoch wir haben nun einmal das Pech, auf diesen verbohrten alten Professor nicht überzeugend zu wirken. Er sah sich um, als ob die Niedertracht nur so auf Stühlen und Tischen herumläge, fragte dann, ob wir mit den Zimmern zufrieden wären... es sei aber möglich, daß auch in diesem Flügel bauliche Veränderungen vorgenommen würden und wir noch einmal umziehen müßten. Auch Baumann bekam bei dieser Gelegenheit einige bissige Bemerkungen; der Chef hat irgendwie erfahren, daß er psycho-analysiert, und das hat ihn sehr unangenehm berührt. Es darf jetzt wirklich nichts Auffallendes mehr passieren.
Schließlich ging er dann wieder, und wir frühstückten nachdenklich weiter. Leider mußten wir einstimmig zugeben, daß der schwarze Idiot doch entschieden intelligenter gewesen war wie wir alle zusammen. Eine deprimierende Einsicht, aber wer weiß, vielleicht kann gerade die Begebenheit noch zum Heil der Petroleumsache ausschlagen. Henry wenigstens meint, es komme nur darauf an, Balailoff jetzt richtig anzufassen. Aber Henry ist ein Illusionist...
Nun ja... da war nicht viel richtig anzufassen. Balailoff kam auf unser Telegramm hin sofort zurück. Seine Wut war anfangs unbeschreiblich, und es blieb nichts anderes übrig, als ihn beständig unter Alkohol zu setzen, was Henry mit wahrem Löwenmut auf sich nahm. Gleichzeitig wurde nach allen Himmelsrichtungen recherchiert, und man brachte in Erfahrung, daß die Flüchtlinge sich nach England gewandt haben. Das hat ihn fast noch am meisten getroffen. Außerdem hat der Idiot es verstanden, ganz beträchtliche Summen auf Balailoffs Namen zu erheben und sie mitzunehmen. Sonst wäre es ja eigentlich nicht zu bedauern, daß die beiden spurlos verschwunden sind. Es ist viel gemütlicher ohne sie.
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Ihr müßt nicht so neugierig sein und nicht so ungeduldig, Maria. Nehmt Euch doch endlich ein Beispiel an der christlichen Ergebung, mit der ich selbst die Entwicklung der Dinge abwarte. Versteht man es nicht, mit Ausdauer und Beharrlichkeit gute Miene zum bösen Spiel zu machen, so wird man nervös. Diese schwere Kunst habe ich nun allmählich mit vieler Mühe üben gelernt, und Ihr dürft mich nicht immer darin stören.
Die Feste feiern, wie sie fallen... das Petroleumfest, das zu so schönen Erwartungen berechtigte, ist gründlich ins Wasser gefallen, und zwar gerade in dem Moment, wo man dachte, es nun ungestört feiern zu können. Der schwarze Idiot soll so ungeheuerliche Summen defraudiert haben, daß Balailoff rundweg erklärte, er müsse sein Kapital zurückziehen und seine Ländereien verkaufen. Vergebens suchte Henry ihn zu überzeugen, er könne sich durch dieses Unternehmen am besten wieder rangieren, und die Sache sei schon so weit gediehen, daß er auch im Interesse der übrigen Beteiligten nicht mehr zurücktreten dürfe. Vergebens suchten wir ihn aufzuheitern, indem wir allabendlich unsere Freunde aus der Stadt versammelten — manchmal hatten wir fast die ganze Truppe da und saßen auf Kohlen, daß der Spektakel sämtliche Patienten aufwecken möchte. Balailoff betrank sich nur, und war er wieder nüchtern, so beteuerte er immer wieder, durch die Geschichte mit seinem Sekretär habe er den Glauben an die Menschheit verloren und wolle von nichts mehr wissen, weder von Braut noch von Petroleum.
Es war nichts dabei zu machen, Henry und er haben sich schließlich endgültig überworfen. Dann beschwerte er sich bei dem Professor, daß er es nicht fertiggebracht habe, ihm das Trinken abzugewöhnen — an all seinem Unglück sei nur der Alkohol schuld. Daraufhin kamen sich die beiden auch noch in die Haare, und Balailoff hat unter Protest das Sanatorium verlassen.
Lukas meint, wir hätten es von Anfang an falsch gemacht, indem wir seiner Neigung zum Trunk Vorschub leisteten. Man hätte ihn ruhig dem Professor überlassen und nur in nüchternem Zustande mit ihm verhandeln sollen. Vielleicht wäre dann so etwas wie ein Kontrakt zustande gekommen, auf dem man jetzt fußen könnte. Baumann dagegen hält es für ein schweres Versäumnis, daß er ihn nicht analysiert hat. Auf diesem Wege wäre es sicher möglich gewesen, ihn von seinem Heiratskomplex zu heilen und die ganze Geschichte mit dem schwarzen Idioten zu vermeiden.
Henry beteiligte sich nur wenig an diesen nützlichen und erbaulichen Diskussionen. Er ist nachdenklich, aber durchaus nicht niedergebeugt durch den neuen Fehlschlag. «Vielleicht ist es besser so», sagte er mit voller Überzeugung, «man zersplittert sich so leicht, wenn man zuviel um die Ohren hat. Ich müßte jetzt abwechselnd nach Südafrika, Rußland und Norwegen fahren, wo wir demnächst...»
«Schon wieder ein neues Projekt?» fragte Lukas entsetzt.
«Bei dem sich in wenigen Jahren ein Bombengeld verdienen läßt, aber darüber reden wir ein anderes Mal...»
«Ja, bitte», murmelte Lukas mit schwacher Stimme.
Nach all diesen Aufregungen sind wir etwas marode, und es hat eine Art Sinn bekommen, daß wir in einer Nervenanstalt sind.
Darüber wird es nun allmählich Herbst, die Schauspieler sind fort... es war halt nur ein Sommertheater. So sind auch die Feste im Separatflügel eingeschlafen und wir stille Patienten geworden, ein wenig abgespannt, ein wenig reizbar, also gerade, wie es sich gehört. Der Professor behandelt uns wieder auf unsere Nerven hin, Baumann behandelt unsere Komplexe. Henry und ich sind uns längst klar darüber, daß es völlig zwecklos ist, denn der beiderseitige Geldkomplex steigert sich seit Balailoffs Verschwinden bedenklich. Wird mir hier oben die Welt zu eng, so flüchte ich zu ihm ins Bureau. Er sitzt am Schreibtisch, rechnet, rechnet, macht Überschläge und murmelt Zahlen, ich sehe die Sanatoriumsrechnungen durch, die immer mehr anwachsen, und Lukas sitzt resigniert dabei.
«Keine Nachricht von Ihrem Herrn Gemahl?»
«Gemahl?... nein... ja doch, er wird nächstens hier eintreffen.» Ich bin zu sehr in die Rechnungen vertieft und kann mich nicht gleich besinnen.
«Sie sollten sich aber doch daran gewöhnen, den betreffenden Herrn mit seinem rechtmäßigen Titel zu bezeichnen. Oder gedenken Sie ihn hier schlechthin als ‹Miterben› einzuführen?»
«Keine Ahnung, wie ich das machen soll. Wir nennen uns Sie, und ich weiß von seinem Leben so wenig wie er von meinem. Es möchte sich doch sonderbar ausnehmen, wenn wir uns bei jeder Gelegenheit erst gegenseitig darüber aufklären müssen.»
«Führen Sie ihn als Ihren Vetter ein.»
Ich fand den Vorschlag ganz gut, aber Henry war übler Laune und warf mir vor, ich wollte immer nur Filme veranstalten, und diese ganze Heirat sei schon Film genug. Sehr mit Unrecht, denn was kann ich dafür? Du weißt ja ungefähr, wie die Sache war... Er wollte heiraten, weil er fürchtete, sonst enterbt zu werden, und setzte die Hälfte seines Erbes als Preis dafür aus. Ich saß gerade in Paris und wußte nicht recht. was ich tun sollte, als gemeinsame Bekannte mir den Fall unterbreiteten und ziemlich hohe Ziffern dabei spielen ließen. Lebhaft erinnere ich mich, wie man in einem kleinen Montmartre-Café saß und beriet: Soll sie es tun?... soll sie es nicht tun?... Ich selbst wurde eigentlich kaum um meine Ansicht gefragt. Aber ich gab dann schriftlich mein Jawort und fuhr dorthin, wo mein zukünftiger Eheherr sich aufhielt. Man hatte ihn mir als degenerierten Baron geschildert, und auch das lockte mich. Aber er sah aus wie ein Seeräuber in Zivil, und seine Degeneriertheit bestand nur darin, daß er trank. Die Familie verhielt sich etwas skeptisch und wollte vor allem wissen, ob ich Vermögen hätte. Nein, aber später eines zu erwarten, was ja im Falle unserer Heirat auch der Wahrheit entsprach... Alles Weitere entwickelte sich dann merkwürdig günstig, die unwahrscheinlichsten Umstände kamen mir zu Hilfe, so daß ich kurze Zeit hindurch selbst in den Augen seines Vaters — eben des alten Herrn, der jetzt das Zeitliche gesegnet hat — mit Glück die Rolle des guten Engels spielte. An diesen Glanzpunkt meiner Laufbahn denke ich immer noch mit Wehmut zurück und muß mir selbst alle Anerkennung zubilligen, denn weder andere noch ich hätten das jemals für möglich gehalten. Es dauerte denn auch nicht lange — eben, bis es gar zu auffallend wurde, daß wir keinen gemeinsamen Haushalt gründeten, daß unsere beiderseitigen Niederlassungen sich vielmehr an entgegengesetzten Endpunkten des In- oder Auslandes befanden und, falls es gelegentlich in Frage kam, keiner über den Aufenthalt oder die Schicksale des anderen auf dem laufenden war. Schließlich kam dann auch noch die Geschichte mit dem Kontrakt auf...
Da alles mußte ich Lukas noch einmal eingehend schildern, wie auch die Persönlichkeit meines Gatten und Miterben. Wir einigten uns dahin, ihn doch lieber in der Stadt wohnen zu lassen. Der Professor hat sicher vorläufig genug von Alkoholikern, und soweit ich diesen kenne, ist er von ungemein aufrichtigem Charakter und wäre nicht imstande, den Wunsch nach einer Entziehungs- oder anderen Kur auch nur vorzutäuschen.