Kitabı oku: «Seewölfe Paket 35», sayfa 17

Yazı tipi:

„Hierher, die jungen Herren“, sagte er leise in Hindu.

Hasard und Clinton wirbelten herum. Aber der junge Mann, der einen gelben Turban trug, lächelte auffordernd und breitete die Arme aus. Dann winkte er wieder.

„Du sprichst Portugiesisch?“ flüsterte er in derselben Sprache.

„Si“, entgegnete Philip. „Du willst uns gegen die fremden Händler helfen?“

„Ich nicht. Mein Herr will mit euch sprechen“, lautete die Antwort. „Kommt mit mir. Die Leute aus dem Dorf sollen euch nicht sehen. Noch nicht.“

„Traust du ihm?“ fragte der Moses argwöhnisch.

Hasard zuckte mit den Schultern. Der Mann trat näher und war darauf bedacht, von den Dörflern nicht gesehen zu werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Leuten hier war seine Kleidung sauber und aus teurem Stoff. Er trug keine Waffe, jedenfalls war sie nicht sichtbar. Er war nicht älter als fünfundzwanzig.

„Was will dein Herr von uns?“ fragte Philip und ging ein paar Schritte in die Richtung, in die der Singhalese deutete. „Unser Gold ist weg. Von euch geraubt.“

Der Braunhäutige schüttelte den Kopf. Beim breiten Lächeln zeigte er schneeweiße Zähne.

„Mein Herr ist der Kaufmann in dem großen Haus, über dem Hafen“, sagte er langsam, aber in gutem Portugiesisch mit einem zischenden Akzent. „Er hat alles gesehen. Von eurem Gold will er nichts. Ihm ist an Ruhe und Frieden in Mannar gelegen.“

„Uns auch“, erwiderte Hasard. „Wir sollten mitgehen. Womöglich kriegen wir etwas zwischen die Kiemen.“

„Mein Herr lädt euch ein“, sagte der Mann feierlich. Er kehrte ihnen die Handflächen zu. Seine Hände trugen keine Schwielen, die Nägel waren weder schwarz noch eingerissen. „Ich bin Schreiber Arun. Ich führe die Rechnungsbücher meines Herrn.“

„Wir kommen mit“, entgegnete Hasard.

Hinter dem Schreiber, der ungewöhnlich große Schritte ausführte, passierten sie einen schmalen Durchgang zwischen Lehmmauern, bogen nach rechts ab und trotteten eine Treppe abwärts, die aus lose verlegten Steinplatten im Lehmboden bestand. Dem Kaufmann schien wirklich daran gelegen zu sein, daß die Dorfbewohner möglichst wenig von seinen Gästen sahen. Im abnehmenden Licht des Tages, durch schwarze Schatten und meist unterhalb der Häuser oder Gartenmauern gingen sie im Gänsemarsch in Richtung auf die Bucht zu.

„Warum will dein Herr mit uns sprechen?“ fragte Hasard unterdrückt.

Der Ceylonese hob kurz die Hand, drehte den Kopf und erwiderte: „Das weiß ich nicht genau. Aber ich weiß, daß er weder die Spanier noch die Portugiesen liebt. Sie haben ihn nachweislich zweimal betrogen.“ Er stolperte über einen Haufen fauliger Gartenabfälle, aus denen zwei Ratten huschten.

Philip stieß ein scharfes Knurren aus und sagte zu Clint, der hinter ihm hertrottete: „Das höre ich gern. Sie denken, alle Eingeborenen seien blöde.“

Der Moses nickte nur und rieb seinen leeren Magen.

Der Schreiber führte die drei Seewölfe an Mauern entlang und über leere Felder. Sie schlugen einen Bogen nach Norden und gelangten zwischen den ersten Häusern und dem Gebäude, das der Kaufmann bewohnte, wieder auf die Straße zum Hafen.

„Hier wohnt der reiche Kaufmann Ginjal Chand“, erklärte der Schreiber. „Mit all seinen Dienern, Söhnen und Töchtern. Hier arbeite ich. Geht einfach hinter mir her.“

„Das tun wir schon die ganze Zeit“, brummelte Clint und sah sich um.

Schon der gemauerte Eingang zum Hof ließ deutlich erkennen, daß hier größerer Reichtum herrschte als in allen anderen Teilen Mannars. Die Ziegel waren glatt und verschiedenfarbig. Schmiedeeiserne Torflügel hingen in schweren, gefetteten Zapfen. Der ummauerte Garten war breiter als eine Kabellänge. Ein bequemer Weg aus weißem Sand führte in Schlangenlinien zur Rückfront des Hauses. Sorgfältig verschloß der Schreiber das Tor.

„Mein Herr erwartet euch“, wiederholte er und deutete zu dem Haus. Fast an jeder senkrechten Fläche rankten sich grüne und in allen Farben blühende Pflanzen in die Höhe. An einigen Stellen bildeten die Wipfel der Bäume ein zusammenhängendes Blätterdach.

„Danke. Wir sind schon neugierig“, sagte Hasard ebenso höflich wie der Schreiber.

Vögel flatterten herum, Fliegen summten in der Stille, die Schritte knirschten im Sand. Als sie sich dem Haus näherten, wurde der Geruch nach starken Gewürzen und Tee fast unerträglich. In der Mauer öffneten sich links große Eingänge.

Die drei Seewölfe blickten in einen langgestreckten Schuppen, in dem Kisten und Ballen in großen Stapeln fast bis zur Decke übereinandergetürmt waren. Aus kleinen Öffnungen dicht unter den Dachsparren drang rötliches Sonnenlicht herein und zeichnete dicke Lichtbalken in den Staub.

„Das ist der wahre Reichtum des Kaufmanns“, sagte der Schreiber fast ehrfürchtig. „Nicht ein paar Kisten geraubtes Silber.“

„Das weißt du also auch schon?“ fragte Hasard.

Arun nickte. „Die Diener haben alles gesehen und berichtet“, sagte er.

Er führte sie zu einer Treppe, die auf einer Terrasse endete. Rund um das Haus wucherten große, blühende Stauden. Die Erde in den gemauerten Trögen war vor kurzer Zeit gewässert worden. Wohin die Seewölfe auch blickten, überall herrschte die gleiche Ordnung wie auf der aufgeklarten Schebecke.

Eine weiße Tür aus dünnen Latten öffnete sich. Ein Mann in mittleren Jahren, einen Kopf größer als der Schreiber, trat auf die Terrasse und führte die Geste der Begrüßung aus.

„Kommt ins Haus, Seeleute“, sagte er in gutem Portugiesisch. „Ihr werdet Durst und Hunger haben.“

„Mehr Durst als Hunger“, sagte Philip und nannte die Namen seiner Kameraden. „Wir beide“, erklärte er dann, „sind die Söhne des Kapitäns.“

„Und ihr habt die Signale mit dem dunklen Rauch aus frischen Blättern gegeben, nicht wahr?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Der Kaufmann hatte nackenlanges, blauschwarzes Haar und einen sauber ausrasierten, weißgrauen Kinnbart. Seine Kleidung war einfach, aber aus schillernder Seide mit Säumen in kostbarer Stickerei.

„Wir dachten, ein Signal sei besser als Nichtstun“, erwiderte Hasard. „Sie wissen also über alles Bescheid, Senhor?“

„Ich weiß, daß man euch eine große Ladung gestohlen hat. Es sollen Gold und Silber in den Kisten und Ballen gewesen sein.“

Er nahm die Zwillinge an den Oberarmen und zog sie mit sich in einen kühlen Raum mit hoher Decke. Arun schob Clint hinterher. Der Boden bestand aus festgestampftem Lehm, der mit farbigen Ornamenten bemalt und glänzend poliert war.

„Ich bin Ginjal Chand, der Kaufmann von Mannar“, sagte der schlanke Ceylonese, dessen Haut eine Spur heller war als jener Dörfler, die sie gesehen hatten.

Chand klatschte in die Hände. Zwei Frauen erschienen lautlos, lächelten die Fremden scheu an und verteilten Schalen und Becher auf einem großen Tisch. Die Platte, so dick wie die Decksplanken, bestand aus schimmerndem und duftendem Teak und stand auf zwei weißen Säulenresten.

„Daß Gold, Senhor Chand“, fing Hasard an, „um die Wahrheit zu sagen, ist nicht unser Besitz. Wir haben auch nicht ein Körnchen davon irgendwo gestohlen.“

„Aber …?“ Mit einer schwungvollen Gebärde wies der Kaufmann auf die geschnitzten Hocker und den Tisch. Die Frauen zündeten kleine Lämpchen an und warteten, bis die Dochte hoch brannten. Dann stellten sie die Henkelkännchen in Mauernischen.

„Es gehört dem Padischah Ischwar Singh aus Bombay. Wir sollen es nach Madras bringen.“

Die drei Seewölfe setzten sich. Der Kaufmann stand starr da, die Farbe wich aus seinem Gesicht. Er schluckte und sagte einige Sätze in Hindu oder der Sprache dieser Insel. Auch der Schreiber führte erschreckte Bewegungen aus und war plötzlich ebenso verblüfft wie sein Herr. Ginjal setzte sich zu den drei Gästen und stützte die Ellbogen auf den Tisch.

„Ich denke, ihr sprecht die Wahrheit“, sagte er mit veränderter Stimme. „Das ist, beim heiligen Zahn, ein schlimmes Geschehen. Ich muß nachdenken.“

Er zeigte auf die Speisen.

„Eßt, trinkt“, sagte er zerstreut. „Ich habe viele Männer gezählt, die alle schwer an der Beute geschleppt haben. Zwanzig Dutzend Lasten und mehr waren es.“

„Elf Tonnen, um genau zu sein“, antwortete Philip. „Meinen Sie, Senhor, daß Sie uns einen Rat geben können? Wir haben Geschütze, wir können uns wehren, aber die größte Menge ist mit den angeblich frommen Männern auf dem Weg nach Kandy.“

„Es ist sehr weit bis nach Kandy“, murmelte Ginjal. „Sehr weit. Und wenn der Padischah alles erfährt, wird sein Heer wenig rücksichtsvoll vorgehen. Die Bewohner von Mannar leiden darunter, obwohl sie wahrscheinlich das wenigste der Beute haben oder gar nichts.“

„So ähnlich sehen wir das auch“, entgegnete Philip.

Clinton aß und trank schweigend, als hätte er seit Wochen nichts mehr zwischen den Zähnen gehabt.

Mindestens zehn große Öllampen erhellten den Raum. Das ganze Haus roch nach den duftenden Waren des Kaufmanns. Aus anderen Zimmern drang durch die dünnen Türen und die Vorhänge das Gewirr der Stimmen. Kinderstimmen schrien, Frauen lachten. Der Kaufmann schaute ihnen beim Essen zu, aber er war mit seinen Gedanken irgendwo anders. Sehr weit weg, wie es schien.

Schließlich, als fast alle Schalen und Körbchen leer waren und nur noch die Krümel der Chapattis auf dem Tisch lagen, hob Ginjal Chand den Kopf und blickte schweigend von einem zum anderen.

„Geh in mein Arbeitszimmer, Arun, und hol den Reiswein. Wie kann ich euch helfen?“

Hasard hob den Becher und lehnte sich weit vor. „Mit den beiden Schiffen, der Karavelle und der Galeone, werden wir vielleicht selbst fertig. Wenn Sie alles gesehen haben, Senhor Ginjal, dann wissen Sie, daß die Portugiesen und die Spanier eine Menge erbeutet haben. Die Kisten haben sie in ihren Laderäumen verstaut. Oder an die Crew verteilt, was weiß ich.“

„Das wäre ein Teil, sicherlich kein kleiner“, murmelte Ginjal. „Mich würde es freuen, wenn jemand diese frechen und betrügerischen Fremden bestrafen würde. Sie haben mich betrogen, um sehr viel Geld. Aber noch mehr haben sie meinen Ruf geschädigt. Zwischen Kaufleuten, die einander ein Leben lang vertrauen, ist ein guter Ruf, Ehrlichkeit, richtige Zahlen mehr wert als Goldstücke. Ich will, daß die Fremden aus Mannar verschwinden.“

„Wir auch, aber vorher müssen wir ihnen die Beute abjagen“, sagte der Moses und vollführte drohende Bewegungen.

Ginjal Chand lächelte in sich hinein.

„Im Augenblick wird sich keins der Schiffe bewegen können“, zählte der Kaufmann auf. „Ihr wart im Tempel und habt, vielleicht, die Weihgaben der singenden Kali-Verehrer gefunden. Oder irren die scharfen Augen meiner Diener und Dienerinnen?“

„Wir haben versucht, das Vermögen des Padischah zusammenzuhalten“, bekannte Hasard und lächelte.

„Das sagt mir, daß ihr ehrliche Engländer seid. Mir scheint, ihr kennt das Fahrwasser zwischen Indien und Ceylon gut?“

Philip blickte in die großen Augen des Ceylonesen. Sie wirkten fast schwarz, die Flämmchen der Lampen flackerten winzig klein darin. Ginjal Chand war eine würdige, überzeugende Erscheinung.

„Wir kennen es gar nicht gut“, gab Philip zu. „Wir wissen nur, daß wir erst in der tiefen Nacht ablegen können – wenn uns die Portugiesen und Spanier nicht daran hindern. Sie sind in der Übermacht.“

„Du magst recht haben. Aber für jede Kanone gibt es eine Abwehr, und mit List erreicht man oft mehr als mit Gewalt. Ich kann euch genau sagen und zeigen, wie ihr sicher segeln könnt. Später. Seid ihr satt geworden, ihr hungrigen Engländer?“

„Ich bin satt. Es schmeckte ausgezeichnet“, sagte Philip junior und nickte lächelnd. „Viel besser als von unseren Köchen.“

„Wirklich, danke, es war sehr gut“, sagte Hasard und sah auf, als der Schreiber den Tonkrug und die Trinkschalen brachte. „Was denken Sie, Senhor Ginjal, über die Leute, die nach Kandy unterwegs sind?“

Der Kaufmann hob die Hand und zählte an den ausgestreckten Fingern ab: „Erst mal muß jedes Schiff weiter südlich einen Hafen finden, dann führt die Straße zuerst nach Anuradhapuraya, von dort nach Sigiriya und über Dambulla nach Kandy. Oder ihr werft Anker vor Negombo und zieht von diesem Hafen zum Tempel des Zahns. Ein weiter Weg, meine Freunde.“

„Das würde bedeuten“, sagte Hasard und wiegte den Kopf, „daß auch die heiligen Männer mit Malindis Zahn und unserem Gold ziemlich lange brauchen.“

„So ist es“, erwiderte der Kaufmann. „Einen Schluck Reiswein verträgt auch ein junger Seemann. Trinkt! Die Leute in Mannar brauen ihn für mich. Nur für mich, und ich verkaufe ihn überall dort drüben.“ Er zeigte in Richtung der großen Insel. Der Reiswein floß in die Schalen und roch nach unbekannten Blüten.

„Danke.“

In den anderen Teilen des Hauses wurden der Lärm und das Tappen vieler nackter Füße auf dem Lehmboden nicht leiser. Wieder zog Essensgeruch durch die Türen. Im Garten schimpfte laut eine Frau. Der Schreiber und der Kaufmann versuchten, den drei Seewölfen die Verhältnisse rund um Mannar und in dem schwierigen Fahrwasser zu erklären.

Schließlich sagte Ginjal Chand: „Ohne euch aufhalten zu wollen – aber ihr könnt nur in der Nacht zum Schiff zurück. Wenn die Flut gestiegen ist.“

„Dürfen wir hier warten?“ fragte Clint leise.

Der Kaufmann nickte, dann hob er den Kopf und lauschte.

„Das ist Sunder“, sagte er erregt.

„Einer unserer Diener“, erklärte der Schreiber. „Er sollte sich draußen umsehen.“

„Sunder soll kommen!“ rief Ginjal und stand auf.

Der dichte Vorhang aus Holzperlen und Schnüren teilte sich klappernd, und ein kleiner, schwitzender Mann stolperte herein.

Er begrüßte keuchend seinen Herrn und sagte: „Am Waldrand, Herr, hinter der Gartenmauer am Taubenhaus, hat jemand ein Feuer entfacht. Ich bin hingeschlichen, und“, er grinste die drei Seewölfe an, „dort sitzen vier Männer. Sie sind nicht aus dem Dorf. Sie sind mit den Booten von Indien hierhergesegelt, hinter eurem Schiff, Seeleute.“

„Warum so aufgeregt?“ fragte Philip.

Der Diener sprach ein schauerliches Portugiesisch, mit spanischen Brocken durchsetzt, aber dann wechselte er in die Sprache des Landes über.

Nach einer Weile lachte der Kaufmann kurz auf und rief: „Das wird euch gefallen, meine Freunde.“

„Was? Das Feuer am Waldrand?“ fragte Clinton und hielt die Schale in die Höhe, damit der Schreiber wieder ein paar Schluck zugießen konnte.

„Die Männer, die am Feuer sitzen, haben zwischen sich eine Kiste voller Silberstangen und Goldbarren“, erklärte der Kaufmann.

Sunder zeigte mit den geöffneten Händen die Länge und Breite der Kiste an. Hasard und Philip blickten überrascht, standen zögernd auf, und ihre Augen suchten in dem Raum nach irgendwelchen Waffen.

„Haben die Kerle Waffen?“ fragte Clinton sachlich.

„Er sagt“, erwiderte der Schreiber, „daß sie nur Dolche haben. Und wahrscheinlich ein paar Knüppel. Sie braten Fleisch über dem Feuer.“

Ginjal Chand sagte nur: „Meine Diener helfen euch. Holt euch das Gold zurück. Sunder! Benachrichtige die anderen. Seid leise, aber ihr wißt ja, wie man Diebe und Räuber behandelt.“

Sunder verbeugte sich und eilte hinaus.

Ginjal Chand schlug Hasard auf die Schulter und fuhr fort: „Sunder wird euch den Weg zeigen. Kehrt bald zurück, und dann sehen wir weiter.“

„Wir sind gleich wieder da. Mit dem Gold“, versicherte Philip.

6.

Ben Brighton hob den Kopf über das Süll des Luks und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Die Buglaterne und die Laterne im Heck brannten ungewohnt schwach. Will Thorne hatte absichtlich die feinsten Dochte hervorgekramt.

Das Wasser war gestiegen, die Wellen klatschten an die Pfähle des Steges und an die Bordwand. Die Bewegungen der kleinen Boote, die noch immer in einem Halbkreis um die Schebecke lagen, erzeugten ein ununterbrochenes Knarren und Poltern.

Unter Deck bastelten Old Donegal, Al Conroy, der Kutscher und ein paar andere Arwenacks an den Teilen der „Überraschung“. Einige Hindu-Seeleute waren aus dem Dorf zurückgekehrt und schliefen zwischen den Duchten der Boote. Die Bewacher waren abgelöst worden, hatten ihre eigenen Fackeln und Öllampen auf dem Steg und dahinter aufgestellt und zeigten, daß sie ein Ablegen der Schebecke verhindern würden.

„Schön ist das alles nicht“, knurrte der Erste und enterte ein paar Sprossen weiter auf. Das Deck war leer, bis auf die wenigen Wachen. Über den Mastspitzen funkelten die Sterne klar und riesengroß.

Don Juan und Batuti saßen auf dem Achterdeck und unterhielten sich leise. Der Erste schwang sich an Deck, ging zum Backbordschanzkleid und beobachtete einige Atemzüge lang die Eingeborenen in den Booten. Jetzt wirkten sie nicht mehr wütend und gefährlich, eher müde und harmlos. Ben wechselte zur Backbordseite über und kontrollierte die Lage der Schebecke. Sie zerrte schwach an den Festmacherleinen.

Ben lehnte sich an die achterlichste Backbord-Culverine. Sie war, wie alle anderen Geschütze, eingerannt und verzurrt, aber geladen und nahezu feuerbereit. Auf nackten Sohlen tappte der Erste zu seinen Kameraden und setzte sich neben den Spanier.

Er flüsterte, obwohl die Spanier und Portugiesen hinter der schweren Läufen der Musketen nichts verstehen konnten.

„Langsam wird sogar Hasard unruhig. Wo stecken die verdammten Burschen?“ fragte er.

Don Juan zuckte mit den Schultern und gähnte mit blinzelnden Augen.

„Mir ist um die Jungens nicht bange“, erwiderte er. „Wie weit seid ihr mit dem Nachtgeschenk für unsere Belagerer?“

„In einer Stunde, sagte Al Conroy, sei das Zeug fertig. Ob es so erfolgreich sein wird, wie wir hoffen, hängt von uns allen ab.“

„Wann schlagen wir los?“ fragte der Gambiamann mit rauher Stimme. Sein Bogen und der volle Köcher waren am Schanzkleid angebändselt. „Von mir aus – jederzeit.“

„Hasard gibt den Befehl“, erwiderte Ben Brighton. „Sie dürfen uns nur nicht erwischen. Ich hasse diese verdammte Warterei.“

„Du sprichst mir aus der Seele“, brummte Don Juan. „Das muß dann alles blitzschnell vor sich gehen. Und ohne jeden Lärm.“

„Für den Lärm sorgen wir an Deck“, erklärte der Erste. „Haben wir schon abgesprochen.“

„Gut. Ich glaub’s dir“, sagte Batuti und rieb sich die Nase.

Vom Dorf her schimmerten wenige unruhige Lichter durch die Dunkelheit. Das einzeln stehende Haus mit dem großen Garten war weitaus besser beleuchtet. Hinter fast jedem Fenster brannte ein Lämpchen. Die Karavelle und die Galeone hatten nicht nur Bug- und Hecklaterne gesetzt, sondern zusätzlich Beleuchtung ausgebracht.

Auch unter den Bäumen am Tempelhügel erkannten die Seewölfe kleine Flämmchen und Lichtkreise. Im Licht der eigenen Lämpchen bildeten sich große Schleier tanzender Mücken. Die Wachen auf dem Steg wurden ebenso von den stechenden und blutsaugenden Quälgeistern umschwirrt wie die Seewölfe. Nur die Hindi in den Booten schienen die Stiche nicht zu spüren.

Die Nacht hatte keinen kühlen Wind gebracht. In dieser abgelegenen Weltecke schienen Schwüle und Feuchtigkeit auch um diese Zeit nicht zu weichen, obwohl der ablandige Wind aus dem nördlichen Sektor mehr als eine leichte Brise war.

„Den Zwillingen und unserem Moses ist die Lage wahrscheinlich nicht ruhig genug“, sagte Don Juan.

Zwischen der Kante des Stegs in ganzer Länge, dem sandigen Ufer am Bug und dem Backbordschanzkleid der Schebecke herrschte pechschwarze Finsternis. Wenn jemand an Deck enterte, das auch noch geräuschlos, würden ihn die bewaffneten Wächter nicht sehen können. Die Jakobsleiter hing längst von der Back ins Wasser.

Ben Brighton bemerkte nach einer Weile: „Jedenfalls fangen wir ohne die Jungen nicht an, sagt der Kapitän.“

„Einverstanden.“

Sunder schien nachts wie eine Katze sehen zu können. Er führte den Zug an und glitt völlig lautlos über den Pfad. Nach einiger Zeit gewöhnten sich die Augen an die Dunkelheit, und die Umgebung war schwach zu erkennen. Clint folgte dem Ceylonesen, der einen armlangen Hartholzknüppel geschultert hielt.

„Nicht laufen“, flüsterte Sambhu, der zwischen den Zwillingen dahinschlich.

Eine Kabellänge nach dem schmalen Tor im Lagerhaus des Kaufmanns spürte man nichts mehr von Ordnung und Reichtum. Durch Weiden und entlang modrig riechender Reisfelder trabten die Diener Ginjals und die Seewölfe auf den Wald zu.

Es war ungewöhnlich ruhig, nur die Zikaden und das Sirren der Stechmücken bildeten die Begleitmusik zu den Lauten der Sandalen und dem Atmen der Männer. Hasard wechselte den Griff um das Rundholz, das sie im Werkzeuglager des Kaufmanns gefunden hatten. Seine Handfläche war schweißnaß.

„Wer läuft denn?“ gab er in Hindi zurück. Er hob den Kopf und spähte nach vorn. Gorath stolperte und prallte schwer gegen ihn. Hasard hielt den gedrungenen Singhalesen fest und grinste. „Ihr habt es eiliger als wir.“

„Es ist euer Geld“, sagte Gorath und schlich weiter.

Die Stelle, an der die Räuber um das Feuer hockten, hob sich schwach gegen die Baumstämme und das Blättergewirr ab. Nur rötliche und gelbe Spiegelungen auf den Blättern verrieten den Standort der Feuerstelle. Sunder bog nach links ab und wartete auf die Gruppe, als er einen Baum erreicht hatte, einen hochgewachsenen, bizarr krummen Palmenschaft.

„Drei dorthin, Seemann“, sagte er zu Clint. „Und drei gehen mit mir.“

Er zeigte in die Dunkelheit. Der Waldrand war noch einmal reichlich zwei Kabellängen entfernt.

„Ich zeig euch den Weg“, sagte Gorath und griff nach Hasards-Handgelenk. „Keine Angst. Wir sechs, sie vier. Kein schwerer Kampf.“

„Und sie warten nicht gerade auf uns“, meinte Philip und wischte mit dem Hemdsärmel über sein Gesicht.

„Hoffentlich nicht.“

Clinton spuckte ins Gebüsch und folgte Sunder, der um den Baum herumglitt und auf den Waldrand zuging. Hinter dem Moses versuchte Philip, die Spuren des Anführers nicht zu übersehen. Sie tasteten sich durch das Dunkel davon und hörten schon nach wenigen Schritten die Geräusche nicht mehr, die von der anderen Gruppe verursacht wurden.

Der Widerschein des Feuers wurde deutlicher. Auch das Rascheln und Knistern aus dem Wald überdeckte die wenigen Geräusche der Männer. Zweige schlugen gegen ihre Arme und in die Gesichter. Jetzt hörten Sunder und Clinton schon einzelne Wortfetzen und rochen den Rauch und das verschmorte Fleisch. Hin und wieder tauchten schemenhaft die Gestalten der drei anderen Männer auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers auf. Die Büsche verdeckten die Räuber. Schritt um Schritt, unter den Zweigen geduckt, tappten die Männer näher an das Feuer heran und packten die Rundhölzer fester.

Philip hob langsam den Kopf, schob sich hinter dem Gebüsch in die Höhe und blickte genau in die rötlichen Flammen.

Vier Kerle saßen da, hielten an geschälten Zweigen Fleischbrocken über die Glut, lachten und sprachen miteinander. Einen Schritt neben dem Feuer stand eine Kiste, die Philip sofort erkannte. Deckel und eine Seitenwand waren zerbrochen, die lederne Umhüllung zerschnitten. Die Flammen spiegelten sich funkelnd in silbernen und goldenen Metallstücken.

Sunder legte seine Hand auf Philips Arm, deutete zu den Männern und gestikulierte.

In Zeichensprache gab er zu verstehen, wie sich die Angreifer verteilen und aus allen Richtungen gleichzeitig auf die Räuber losspringen sollten. Philip erkannte undeutlich, quer über die winzige Lichtung und den Rauch hindurch, das Gesicht seines Bruders.

Hasard hob sein Rundholz. Sie warteten und hielten den Atem an. Das Holz im Feuer knackte, weißglühende Funken stoben in die Höhe, und als die vier Männer zusammenzuckten und laut lachten, sprang Sunder durch die zurückschnellenden Zweige und stieß einen heiseren Schrei aus.

Clint und Philip folgten. Die Knüppel wirbelten durch die Luft. Noch ehe die Räuber begriffen, daß sie das Ziel eines nächtlichen Angriffs darstellten und aufspringen konnten, drangen die sechs Männer auf sie ein.

Auch die anderen schrien. Sunder drosch seinen Knüppel auf den Kopf des ältesten Mannes, dem es gelungen war, seinen Dolch zu packen und aus der Erde zu ziehen.

Philip duckte sich, unterlief einen ungeschickten Angriff und stieß seinem Gegner das Ende des Rundholzes unter die Rippen, dann wirbelte er das Holz herum und ließ es auf den Hinterkopf des Inders niedersausen. Mit einem leisen, gurgelnden Laut sackte der Braunhäutige zu Boden und wäre voll ins Feuer gefallen, wenn ihn nicht Philip zur Seite geschleudert hätte.

Sambhu hatte seinen Gegner mit zwei blitzschnellen Hieben besinnungslos geschlagen, und als er Hasard auswich, trat er mit vollem Körpergewicht in die Kiste, kippte sie um und fiel zurück in die Büsche. Das Metall klirrte in die warme Asche.

Gorath hatte einen Gegner, der flüchten wollte, mit zwei Sprüngen eingeholt und mit einem gezielten Schlag niedergeschmettert.

Er kehrte in den Bereich der Flammen zurück und sagte zufrieden: „Hat gut geklappt. Jetzt Gold sammeln.“

Vier zusammengekrümmte Körper lagen bewegungslos am Boden. Das Fleisch verbrannte in der Glut und stank fürchterlich. Hasard und Philip bückten sich und suchten die Trümmer der Kiste und die Metallstücke zusammen. Sunder warf trockenes Holz in die Glut und zog aus dem Gürtel ein Stück Tuch.

„Hier“, sagte er. „Machen Beutel.“

Die drei Seewölfe verteilten das schwere Metall. Fast die Hälfte hatte Platz in der halb auseinandergebrochenen Kiste.

„Danke“, sagte Hasard und sammelte so viel in das Tuch, bis es zu zerreißen drohte, als er einen Beutel daraus drehte.

„Den Rest stecken wir in die Taschen“, erklärte er und richtete sich auf.

Die vier Kerle rührten sich nicht.

„Irgendwann sollten wir zu Dad und den anderen zurückgehen“, mahnte Philip.

Die restlichen Gold- und Silberstücke wurden verteilt. Sunder stellte aus einigen Ästen, harzigen Blättern, Zweigen und Grasbüscheln zwei unförmige Fackeln her.

„Danke, Freunde“, sagte der Moses. „Jetzt haben wir fünf Kisten erbeutet. Ist das nichts?“

„Fünf von unzähligen weiteren Kisten. Wirklich nur besser als gar nichts“, sagte Hasard und grinste. „Los, gehen wir. Die Crew ist an Bord, und ich weiß, daß ihnen gegen die Portugiesen etwas einfallen wird. Wir müssen zurück.“

„Aber wir brauchen kein Wettrennen zu veranstalten“, sagte Philip. „Alles mit der nötigen Ruhe. Wie Grandad immer sagt: Aus der Ruhe wächst die Kraft.“

Sunder zündete die erste Fackel am Feuer an, schwenkte sie und sagte: „Also los. Die Räuber wachen morgen mit Kopfschmerzen, Beulen und ohne Gold auf. Wir hätten sie totschlagen sollen. Ich erzähle euch später, warum.“

Während sie im Gänsemarsch hinter der riesigen Flamme der Fackel zurückgingen, übersetzte Hasard. Sunder mit seinen Katzenaugen führte sie schnell und ohne Umwege zurück zur Hinterwand des großen Warenschuppens. Die Reste der zweiten Fackel löschte er in einem Wasserbehälter.

Der Kaufmann erwartete sie in einem anderen, weitaus prächtigeren Raum. Er lächelte, verbeugte sich und sagte: „Ihr habt also Erfolg gehabt. Auf meine Diener kann ich mich verlassen. Aber ihr habt nur ein bißchen von einer riesigen Menge wiedergefunden, nicht wahr?“

Hasard wuchtete die Kistenreste auf den Tisch.

„Ja, leider, Senhor Ginjal. Ich bedanke mich im Namen meines Vaters, des Kapitäns, für Ihre Hilfe. Wir müssen versuchen, aufs Schiff zu gelangen.“

Clinton sagte: „Wir kehren doch auf demselben Weg zur Schebecke zurück, auf dem wir abgehauen sind, nicht wahr?“

„Klar“, antwortete Hasard. „So leise und schnell wie möglich. Die Portugiesen und Dons dürfen uns nicht hören und nicht sehen.“

„Wenn wir mit den schweren Goldkisten an Deck aufentern, dann können wir gleich zwischen ihnen hindurchspazieren“, meinte Philip. „Unser Moses hat recht. Wir müssen einen Weg finden, die Kisten lautlos an Deck zu schaffen.“

„Dazu brauchen wir ein paar dünne Leinen. Oder wir verstecken die letzte Kiste bei den anderen“, sagte Hasard.

Der Schreiber Arun brachte eine leere Kiste aus soliden Brettern.

„Damit habt ihr weniger Schwierigkeiten“, erklärte der Kaufmann.

Als der Schreiber die Kiste auf den Tisch gestellt und aufgeklappt hatte, sahen die Seewölfe, daß die Silber- und Goldstücke, die von den Dienern eingesammelt worden waren, in der Kiste lagen. Ginjal Chand wurde ihnen allmählich unheimlich.

„Ich danke Ihnen, Senhor Ginjal. Wenn wir es hinter uns haben, hoffentlich mit viel Glück, wird mein Dad mit Ihnen sprechen.“

Der Kaufmann verbeugte sich und erwiderte: „In Buddhas Lehren heißt es, daß sich nur Ehrlichkeit als Garantie für eine Wiedergeburt als Edler, als wahrer Mensch auszahlen wird. Ich ziehe vor, euer Gold anzusehen, aber nicht zu nehmen. Ihr hättet mit der Ladung, mit der die halbe Welt zu kaufen ist, nach England segeln können, nicht wahr?“

Hasard und Philip nickten schweigend. Sie vertrauten Ginjal, und er hatte ihnen geholfen, ohne etwas zu verlangen. War er wirklich so ehrlich? Glaubte er an diese Gebote? Die Zwillinge bemühten sich, ihre Ratlosigkeit nicht zu zeigen. Hasard war erleichtert, als der Schreiber mit einigen aufgeschossenen Leinen erschien und sie auf den Tisch warf.

„Das könnt ihr besser“, sagte er lachend. „Ich begleite euch, ja?“

„Ich glaube, da ist Sunder besser“, sagte Clint vorwitzig. „Gehen wir? Es wird immer später.“

„Im Hafen ist alles ruhig – und unverändert“, sagte Ginjal.

„Das wird nicht so bleiben“, meinte Hasard. Mittlerweile hatten sie die Kisten sauber verzurrt. Sie hängten sich die schwere Last über die Schulten und packten die Augen der Enden.

Sunder fragte leise: „Soll ich gehen, Herr?“

„Ja. Hilf ihnen, bis sie zum Schiff schwimmen können.“

Wieder verbeugte sich der Ceylonese. Er deutete auf die Tür. Arun öffnete sie, und die Männer trotteten hintereinander hinaus. Jeder packte die Hand des Kaufmanns und schüttelte sie. Zuerst war Ginjal verblüfft, dann erwiderte er den fremdartigen Gruß.

Sunder drehte sich auf der Treppe, die neben der Terrasse in die Richtung auf die Straßengabelung führte, plötzlich um.

„Nicht Fackel“, sagte er. „Sonst sie sehen.“

₺1.689,35