Kitabı oku: «Seewölfe Paket 35», sayfa 20

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Jetzt stiegen nur noch grauweiße Qualmwolken auf, die alles vernebelten. Die Schebecke verschwand wie ein Schemen im schwarzblauen Wasser und bewegte sich wie von Geisterhänden geschoben.

Nach ein paar Minuten verschmolz sie mit der Dunkelheit und war nicht mehr zu sehen.

Im Hafen war allerdings noch immer der Teufel los.

Sie sahen es von einer erhöhten Position aus, wie Boote herumtrieben und Männer verzweifelt versuchten, wieder an Land zu gelangen. Der dunkle Qualm verbarg jedoch fast alles vor ihren Blicken. Hin und wieder sahen sie nur rötlichen Feuerschein mit dunstigem Nebel und hörten weit entfernt leise Schreie.

Fast eine Stunde verharrten sie noch auf ihrem Platz, um zu beobachten.

Es ging jetzt schon fast auf den frühen Morgen zu. Erkennen ließ sich auch kaum noch etwas. Nur vom Wasser her waren wieder Sterne zu sehen und tiefschwarzes Wasser mit winzigen Schaumkronen darauf.

Ein paar andere von der Fleute näherten sich ihnen und wollten wissen, was da passiert sei.

Aber van der Koop konnte das nicht beantworten, weil er nichts darüber wußte, und so ergingen sich alle in Vermutungen. Man nahm an, daß Piraten sich eingeschlichen und das Chaos verursacht hätten.

Eine knappe Stunde vor Morgengrauen wollten sie endlich an Bord gehen, doch da gab es nochmals eine Überraschung.

Van der Koop hatte sich ein Spektiv bringen lassen und suchte damit die See ab.

Die Optik zeigte ihm kurz darauf zu seiner großen Überraschung die Schebecke, die von See her auf den Hafen zuhielt. Diesmal lief sie unter vollen Segeln.

„Das darf doch nicht wahr sein“, sagte er verblüfft. „Die Kerle tauchen schon wieder auf. Godverdomme, sind die hartnäckig und mutig. Die scheinen den Begriff Angst überhaupt nicht zu kennen. Sie wagen sich noch mal in die Höhle des Löwen.“

Die anderen sahen gebannt zu und verfolgten jede Einzelheit. Einige der Wassergeusen hielten vor Überraschung den Atem an und stierten sich die Augen aus.

Die Dons und die Portugiesen merkten noch nichts. Vor ihren Schiffen lagen feine Dunstwolken aus Qualm und Rauch, und so konnten sie das Wasser nicht einsehen.

Die Schebecke segelte ziemlich schnell heran und stieß wie ein Habicht auf den Portugiesen zu, der für sie am günstigsten lag. Alle Rohre waren ausgerannt.

Jetzt erst bemerkten die Portugiesen, daß da etwas nicht stimmte.

Heisere Warnschreie waren zu hören, doch die gingen in einem gewaltigen Krachen unter. Jede Reaktion erfolgte zu spät.

Auf der Schebecke blitzte es grell auf. Durch Dunkelheit und diffuses Zwielicht stach ein rötlicher Blitz. Der Donner folgte ein paar Augenblicke später.

Der Blitz war noch nicht erloschen, als die Schebecke auch schon abdrehte.

Auf der Karavelle war abermals die Hölle los. Ein Vollgeschoß traf den Großmast und zersplitterte ihn. Das Krachen und Bersten war überdeutlich zu hören. Laufendes und stehendes Gut brach. Der Mast platzte auseinander. Eine Wolke halbaufgetuchter Segel löste sich und begrub das Deck unter sich. Wie ein Leichentuch senkte sich das Zeug nieder. Ein paar Männer, die nicht mehr rechtzeitig entwischen konnten, wurden ebenfalls unter den Segeln begraben.

Van der Koops nächstes „Godverdomme“ war fällig. Diesmal sprach er es mit leuchtenden Augen und flüsternd, fast andächtig.

„Den Kerl möchte ich kennenlernen“, sagte er. „Der hat verdammt viel Dampf drauf, und frech ist er noch dazu.“

Die Schebecke hatte zugebissen und nahm jetzt wieder Kurs aufs offene Meer, bis sie als kleiner Schatten in dem diesigen Grau verschwand.

An Deck des Portugiesen aber herrschte Chaos. Männer wühlten sich brüllend durch die Trümmer, andere ließen die Stückpforten hochgehen und rannten die Kanonen aus.

Aber sie sahen keinen Gegner. Der war längst außer Reichweite und für sie verschwunden.

Die Dons auf der Galeone wurden ebenfalls sehr nervös und trafen alle Vorbereitungen zu einem Gefecht.

Van der Koop lachte laut und schadenfroh, ehe er sich abwandte, um auf sein Schiff zurückzukehren.

2.

„Das war wahrhaftig ein Meisterschuß, Al“, sagte der Seewolf zu seinem Stückmeister, nachdem der Treffer registriert worden war und sie abgedreht hatten. „Daran werden die Portus eine ganze Weile zu kauen haben. Ihr Großmast ist beim Teufel.“

Al Conroy warf einen Blick zurück auf das Chaos, das sie den Portugiesen beschert hatten und nickte dann. Ben Brighton reichte ihm das Spektiv.

„Ja, ein guter Treffer“, gab er zu. „Zumindest ist die Karavelle für eine Weile flügellahm und nur schwer manövrierfähig.“

Durch das Spektiv konnte er deutlich die Trümmer erkennen, die auf die Decks niedergegangen waren. Es war ein einziges Chaos aus Tauwerk, Splitterholz und Segeltuch. Eine Rah stand hochkant an den zersplitterten Mast gelehnt und drohte jeden Augenblick umzufallen.

Unter dem herabgefallenen Segeltuch bewegten sich kriechende Gestalten, die verzweifelt versuchten, sich von dem schweren Zeug zu befreien. Andere Portugiesen rannten sinnlos von vorn nach achtern und wußten nicht, wie sie sich verhalten wollten.

Aber es gab auch einige Besonnene, die rasch handelten.

Mit dem letzten Blick durch das Spektiv sah der Stückmeister, daß auf der Karavelle Rohre ausgerannt wurden.

„Sie machen gefechtsklar“, sagte er spöttisch. „Allerdings dürfte es jetzt ein bißchen zu spät sein.“

Hasard lachte leise.

„Immerhin war die Überraschung gelungen. Ich bedaure nur, daß der Spanier so ungünstig liegt. Bei ihm hätte ich gern für eine ebenfalls gelungene Überraschung gesorgt.“

Sie drehten ab und törnten in südwestlicher Richtung weiter, bis sie den Hafen nicht mehr sehen konnten. Im Zwielicht des beginnenden neuen Morgens war nur noch leichter Dunst zu bemerken.

„Ein zweites Mal dürfte es keine Überraschung mehr geben“, meinte der Spanier Don Juan de Alcazar. „Sie werden jetzt aufpassen und auf der Hut sein. Wir müssen aber das Gold zurückholen. Hast du schon eine Idee, Sir?“

Der Seewolf schüttelte den Kopf.

„Noch nicht. Aber da das Gold für den großen Akbar bestimmt ist und nicht uns gehört, werde ich alles dransetzen, es zurückzuholen. Bisher haben wir uns nur einen winzigen Teil beschaffen können. Es fehlen noch ein paar hundert Kisten.“

„Die Spanier und Portus haben den größten Teil an Bord“, sagte Dan O’Flynn grimmig. „Und der Rest wird bald in alle Winde zerstreut sein. Etliche Kerle, die sich heilige Männer nennen, haben einen Großteil unserer Ladung ins Landesinnere abtransportiert. Ich bezweifle, daß wir noch alles zusammenkriegen.“

„Seit wann bist du unter die Pessimisten gegangen?“ fragte der Seewolf. „Dieser Malindi Rama hat uns eine böse Suppe eingebrockt, die uns fast das Leben gekostet hätte. Aber ich bin sicher, daß wir diesen Bastard wieder aufspüren und auch die heiligen Männer finden, die den Weisheitszahn Buddhas und unser Gold ins Landesinnere gebracht haben. Bevor wir hier gründlich aufräumen, will ich mir jedoch Gewißheit verschaffen, ob wir es nicht mit noch einem weiteren Gegner zu tun haben.“

„Du meinst den Holländer, Sir?“

„Ja, das Schiff, das etwas weiter südlich versteckt in einer Bucht liegt, und dem wir Rauch- und Feuerzeichen gegeben haben. Bisher hat sich noch keiner der Holländer blicken lassen. Ich bin aber sicher, daß ihnen die Szenerie am Hafen nicht entgangen ist. Sicher haben sie uns beobachtet.“

„Wenn sich der Holländer auch noch gegen uns stellt, haben wir hier nicht mehr viel zu melden“, sagte Dan, der heute offenbar wirklich seinen pessimistischen Tag hatte.

„Hätten wir nur diesen windigen Halunken nie an Bord genommen“, sagte Ben Brighton. „Aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter. Ich schlage vor, daß wir den Kurs wechseln und ganz dicht unter die Küste gehen. Wir könnten dem Holländer einen kleinen Besuch abstatten.“

„Genau das habe ich vor“, erwiderte Hasard. „Wir besuchen ihn, aber so, daß wir dabei ungesehen bleiben. Meine Söhne und ich werden das übernehmen.“

Pete Ballie hielt auf die Küste zu, die dicht mit Mangroven bewachsen war. Hohe Stelzwurzeln bildeten einen fast undurchdringlichen, mörderischen Verhau. In den seichten Lagunen gab es Salzwasserkrokodile von beachtlicher Größe und Gefährlichkeit.

Jung Hasard zeigte mit der Hand voraus.

„Etwa eine Meile weiter liegt der Holländer. Er hat sich so gut versteckt, daß nicht mal seine Masten zu sehen sind.“

„Falls er überhaupt noch da ist“, entgegnete Hasard. „Vielleicht ist er heute nacht noch losgesegelt.“

Dan O’Flynn hielt selbst Ausschau, denn er war der Mann mit den Adleraugen, denen nichts entging.

Aber so sehr er auch suchte, in jener der Küste vorgelagerten Wildnis aus Mangroven und hohen Kokospalmen war nichts zu entdecken.

„Noch zwei Landzungen weiter“, sagte Philip. „Ich kann mich an die Stelle gut erinnern. Dort vorn muß die Fleute liegen.“

„Dann gehen wir in dieser Lagune vor Anker, wenn ihr euch eurer Sache so sicher seid. Den Rest der Strecke legen wir mit der Jolle zurück, und dann pirschen wir uns durch den Verhau an.“

Die Jolle hing noch außenbords und brauchte nicht erst abgefiert zu werden. Die Bucht wurde angesteuert, eine flache Lagune, die von zwei dichtbewachsenen Landzungen eingerahmt war.

Falls der Holländer wirklich noch da lag, war es auch ihm unmöglich, die Schebecke zu sehen.

Zum Glück gab es in dieser Lagune keine Seevögel, die kreischend aufstoben und die Anwesenheit von Menschen dadurch verrieten. Lediglich zwei große Leistenkrokodile lagen träge im fauligen Wasser. Das eine hatte das Maul mit den furchteinflößenden Zähnen weit aufgesperrt. Das andere lag dicht daneben und döste. Das Schiff brachte sie nicht aus der Ruhe. Sie schenkten ihm keine Aufmerksamkeit.

In der Lagune wehte nur noch ein schwaches Lüftchen, das die Segel kaum blähte. Obwohl es noch sehr früh am Morgen war, brannte die Sonne bereits heiß herab. Sie schien grell und gleißend auf das flache Wasser und ließ es wie flüssiges Silber gleißen. Der Blick auf das Wasser tat den Augen weh.

„Gefechtsbereitschaft bleibt bestehen“, sagte Hasard. „Ich bin auf weitere Überraschungen nicht mehr scharf. Wenn wir in etwa zwei Stunden nicht zurück sind, liegt es in deinem Ermessen, zu handeln, Ben.“

Hasard wartete erst keine Antwort ab. Er wußte, daß er sich auf seine Arwenacks verlassen konnte.

Er überprüfte seinen Radschloßdrehling und steckte ihn wieder ein. Auch die Zwillinge waren nur mit Pistolen bewaffnet. Alle anderen Waffen wären in dem undurchdringlichen Gestrüpp nur hinderlich gewesen.

Sie enterten in die Jolle und legten ab. Lautlos pullten sie bis zur bewaldeten Landspitze.

„Seid ihr sicher, daß ihr euch nicht geirrt habt?“ fragte Hasard, nach dem sie einen Blick durch die Mangroven in die andere Bucht geworfen hatten. Sie war leer. Von dem Holländer waren noch nicht mal die Mastspitzen zu sehen.

„In der nächsten Bucht liegt sie“, versicherte Jung Hasard noch einmal.

Auch Philip bestätigte das unmißverständlich.

„Kein Zweifel, Dad, Sir, falls sie nicht ausgelaufen sind. Aber das glaube ich nicht. Die Burschen haben sich nur gut getarnt.“

Lautlos pullten sie weiter. In dem flachen Wasser der lagunenartigen Bucht konnten sie den Grund sehen, er bestand aus feinem, weißem Sand, der hell heraufschimmerte.

Die Jolle lief zwischen einer riesigen Mangrovenansammlung auf Grund. Es ging nicht mehr weiter, Stelzwurzeln mit ihren tausend Verästelungen hielten sie fest.

Philip schlang die Leine um eine der Wurzeln. Er warf einen Blick zurück und stellte fest, daß selbst die Schebecke aus dieser kurzen Distanz nicht mehr zu sehen war. Der Mangrovendschungel hatte sie geschluckt und unsichtbar werden lassen.

Sie mußten etliche Yards mühsam durch brackigen Sumpf waten. Unmengen winziger Fliegen umschwirrten sie. Die Plagegeister abzuwehren, schien unmöglich zu sein.

Hier war die Hitze noch schlimmer. Der Boden war brühwarm und roch nach Moder und Fäulnis. Hin und wieder zerplatzten kleine Blasen in dem sumpfigen Gelände, und dann gab es jedesmal einen schmatzenden Knall.

Durch manche der Stelzwurzeln mußten sie sich regelrecht hindurchzwängen. Andere bildeten torähnliche Bögen.

Mehrmals rutschten sie aus, und als Hasard einmal nach einer Wurzel über seinem Kopf griff, um sich festzuhalten, glotzte ihn eine lange, giftige Schlange mit plattem Kopf ausdruckslos an.

Er blieb stehen wie festgenagelt und starrte auf den platten Schädel. Eine gespaltene Zunge fuhr heraus, der Schädel begann langsam hin und her zu pendeln.

Die Zwillinge drehten sich um und bemerkten die Schlange ebenfalls.

Ihr Vater hatte noch den linken Arm erhoben und war in dieser Stellung vorübergehend wie erstarrt. Die Signalfarbe verriet ihm, daß die Schlange giftig war, und so wollte er sie nicht erschrecken.

Jung Hasard löste das Problem auf seine Weise. Er griff so blitzschnell zu, daß Vater Hasard nicht mal die Handbewegung sah. Mit sicherem Griff packte er die Schlange direkt hinter den platten Schädel.

Das giftige Reptil ringelte sich zusammen, aber da flog es bereits durch die Luft.

Jung Hasard schlenkerte nur einmal mit der Hand, dann befand sich die Schlange auch schon im Wasser.

„Alter Schlangengriff“, raunte er lässig. „Haben wir bei der Gauklertruppe Kalibans gelernt. Man muß nur schnell sein.“

„Ja“, sagte der Seewolf, „eben darauf kommt es oft an. Vielen Dank, Söhnchen.“

Das Söhnchen grinste nur verwegen. Die Angelegenheit war damit für ihn erledigt.

In dem Mangrovenverhau wurde es jetzt dämmrig, als sich die Stelzwurzeln über ihnen wie ein Dach schlossen. Ein fast geisterhaftes Zwielicht herrschte.

Das Vorwärtskommen wurde zur Qual, zumal sie darauf achteten, keine Geräusche zu verursachen, um die Holländer nicht zu warnen.

Nur sehr mühsam kämpften sie sich weiter, geplagt von unzähligen winzigen Geistern, die ihnen die Hölle bereiteten. Auch die Luft wurde immer stickiger und dumpfer und ließ das Atmen zur Qual werden.

Nach einer Ewigkeit konnten sie einen Blick in die andere Bucht werfen. Hasard hielt unwillkürlich die Luft an, als er das Bild sah.

Die Bucht hatte einen schmalen Einschnitt, eine winzige Passage, die sich nach knapp hundert Yards verbreiterte und ihrerseits nochmals eine kleine Bucht aufwies.

Dort lag der Holländer vor Anker. Es war eine dreimastige Fleute mit dem Namen „Eendragt“.

„Tatsächlich, da liegt das Schiff“, sagte Hasard. „Jetzt aber vorsichtig und lautlos, damit sie uns nicht bemerken.“

„Und die Arme schön nach oben“, sagte eine Stimme in hartem Englisch, das sich wie das Knarren von Windmühlenflügel anhörte. „Sonst habt ihr alle drei ein Loch im Kopf.“

Hasard war fassungslos, so überrumpelt zu werden. Er wollte noch nach seinem Radschloßdrehling greifen, doch er sah genau in den Lauf einer Muskete, die von schräg oben auf ihn gerichtet war.

In einem Mangrovengestrüpp hockte ein scharfgesichtiger Mann mit blonden Haaren und harten Augen.

Einen weiteren mit einem dunkelblonden Vollbart entdeckte er etwa fünf Yards vor sich. Auch er hielt eine Muskete im Anschlag auf sie gerichtet.

Weiter hinten bewegte sich ein dritter Musketenträger, der bis an die Hüften im Sumpf stand und hart grinste.

„Verdammt noch mal!“ entfuhr es dem Seewolf. „Und wir haben nichts gesehen.“

„Aber wir haben euch gesehen“, sagte der Holländer mit seinem rollenden Akzent. „Und das ist für uns viel wichtiger als umgekehrt. Los, dort drüben geht es weiter. Und laßt die Arme oben, bis wir auf festem Untergrund sind.“

Den drei Seewölfen blieb nichts anderes übrig, als der freundlichen Aufforderung zu folgen. Der Teufel mochte wissen, wie viele von den Kerlen hier im Verhau steckten.

Der Rest der Strecke war jetzt schnell geschafft. Sie standen wieder auf festem Grund und wurden von den Männern umringt.

Zwei weitere näherten sich vom Boot her. Sie hatten nur Pistolen in den Fäusten.

Der eine, ein Mann mit gerader Nase und scharfgeschnittenem Gesicht, blieb ein paar Yards vor den Arwenacks stehen. Er starrte völlig verblüfft von einem zum anderen und sagte dann nicht gerade sehr geistreich: „Godverdomme!“

Hasard kam dieses Gesicht bekannt vor, sehr bekannt sogar, und auch der andere Mann war ihm nicht fremd, der die drei ebenso erstaunt einer Musterung unterzog.

„Teufel auch, der Seewolf“, sagte der Holländer. „Nein, drei Seewölfe, einer wie der andere. Das gibt es doch nicht.“

Zwei Musketen senkten sich, zwei Kerlen klappte glatt der Unterkiefer weg. Der eine wußte nicht, ob er grinsen oder einfach nur staunen sollte.

In Hasards Kopf überschlugen sich die Gedanken. Längst vergangene Ereignisse zogen blitzschnell an ihm vorüber, und dann hatte er das Bild aus einer fernen Vergangenheit klar und deutlich vor Augen.

„Die Wasser-Geusen“, sagte er heiser. „Willem van der Koop, Pit de Haas, Frans Kuiper und wie ihr Kerle alle noch heißt. Oder unterliege ich da einem Irrtum?“

Van der Koop begann breit zu grinsen. Er griff in die Tasche und holte eine Münze hervor, die er dem Seewolf reichte.

„Es ist immer noch dieselbe, Seewolf“, sagte er. „Ich habe sie dir schon einmal gezeigt. Das war vor einigen Jahren an der afrikanischen Sklavenküste. Da habt ihr uns aus einer bösen Patsche geholfen. Erinnerst du dich?“

Hasard betrachtete die Münze. Sie war aus Gold und hatte eine länglichovale Form. Auf ihrer Rückseite befand sich das Bild von Seiner Allerkatholischsten Majestät, Philipp II. von Spanien. Die Prägung zeigte das Jahr 1566.

Es war der Geusenpfennig, das Abzeichen der im Geusenbund vereinigten Niederländer im Kampf gegen Spanien.

Hasard gab die schon abgegriffene Münze mit einem Lachen zurück.

„Ja, ich erinnere mich, Geuse. Wir kämpften damals gegen den verrückten Kerl, der sich El Corsario nannte, und reparierten euer Schiff und euch wollte man hängen.“

„Was ihr verhindern konntet.“

Jetzt senkte sich auch die letzte Muskete, und es gab eine stürmische Begrüßung.

„Sind das deine Söhne, Sir?“ wollte van der Koop wissen. „Sie müssen es sein, denn sie sind dir wie aus dem Gesicht geschnitten.“

„Ja, meine Söhne. Sie haben euch in der vergangenen Nacht Rauchzeichen gegeben.“

„Jetzt verstehe ich. Ja, wir haben das Feuer gesehen, aber wir wußten nicht, wem die Zeichen galten und ließen es damit auf sich beruhen. Wir haben euch aber beobachtet. Segelst du jetzt eine Schebecke, Seewolf?“

„Ja, aber die ‚Isabella‘ gibt es auch noch. Du hast ebenfalls ein anderes Schiff. Früher war es ein Zweimaster.“

„Es ist schon das fünfte Schiff, die anderen hat der Teufel im Kampf gegen die Dons geholt. Ich glaube, wir haben uns eine Menge zu erzählen. Nehmt die Jolle und holt euer Schiff her. Hier ist ein gutes Versteck gegen neugierige Augen. Einer meiner Männer kann deine Söhne begleiten.“

Frans Kuiper schlug dem Seewolf auf die Schulter.

„Ihr habt heute nacht die Hölle losgelassen“, sagte er bewundernd. „Aber das scheint wohl eine längere Geschichte zu sein?“

„Allerdings“, sagte Hasard, „ich werde sie nachher kurz erzählen.“

Einer der Holländer und die Zwillinge enterten in die Jolle. Zusammen pullten sie zu der Fleute hinüber. Dann wurde die Jolle weitergepullt, damit sie die Schebecke holen konnten.

Die Geusen hatten quer über Deck Sonnensegel gespannt und hockten im Schatten.

Van der Koop ließ kühlen Pfefferminztee bringen, der in Krügen außenbords hing. Er bot auch Wein und Genever an, aber Hasard und auch die anderen zogen wegen der extremen Hitze den kühlen Tee vor.

Zunächst sah sich der Seewolf die Fleute an. Bei den Geusen war alles sauber. Es gab kein morsches Tauwerk, keinen Dreck und keine Nachlässigkeit. Das Schiff war in bester Ordnung, und armiert waren die Geusen bis an die Zähne.

„Was treibt euch in diesen abgelegenen Teil der Welt?“ fragte Hasard nach einem Schluck kühlen Tees. „Es ist doch ungewöhnlich, daß hier Holländer auftauchen.“

„Das gleiche könnte ich dich fragen, Seewolf“, erwiderte van der Koop. „Nun, wir sind hier, um uns ein wenig umzusehen. Die Portugiesen haben hier eine Vormachtstellung, die sie rücksichtslos immer weiter ausbauen. Und natürlich sind auch unsere ganz speziellen Freunde, die Dons, nicht untätig. Denen wollen wir das Feld aber keineswegs überlassen. Wir führen immer noch erbitterten Krieg gegen sie, obwohl diesen blutrünstigen Herzog Alba längst der Teufel geholt hat und auch ein neuer König Spanien regiert. Wir dachten daran, hier Handel zu treiben und eventuell eine holländische Niederlassung zu gründen. Das ist jedoch erst ein Versuch, der noch in den Anfängen steckt. Zwischendurch bringen wir Spanier auf und sind auf Kaperfahrt.“

„Etwas Ähnliches haben auch wir vor“, sagte Hasard ehrlich. „Das Handelsmonopol der Portus muß gebrochen werden, und aus diesem Grund haben wir nach vielen anfänglichen Schwierigkeiten Handelskontakte anknüpfen können. In Bombay ist das endlich gelungen, aber seitdem verfolgt uns das Pech auf Schritt und Tritt.“

„Ärger, Mister Killigrew, Sir?“

„Jede Menge Ärger, Mijnheer. Der Herrscher von Bombay, Ischwar Singh, dessen Söhnchen wir vor Haien gerettet haben, und der ein sehr umgänglicher und offener Mann ist, bat uns, elf Tonnen Gold und Silber nach Madras zu bringen. Die Ladung ist für den großen Akbar bestimmt und soll vom Sultan von Golkonda übernommen werden. Wir konnten dafür beträchtliche Konzessionen einhandeln. Aber dann geriet uns ein Verrückter in die Quere, ein Inder, der den Weisheitszahn Buddhas gestohlen hatte. Und dieser Kerl brachte uns in Schwierigkeiten, wie sie größer nicht sein können. Er hetzte uns religiöse Fanatiker auf den Hals, dazu noch Dons und Portus, und die plünderten uns restlos aus.“

„Die ganze Schiffsladung ist weg?“ fragte van der Koop ungläubig.

„So ist es. Einen winzigen Bruchteil haben wir wieder, aber damit kann ich mich vor dem Sultan nicht sehen lassen. Jetzt haben ein paar dieser Fanatiker das Gold und Silber bereits ins Landesinnere gebracht, weil sie annahmen, wir hätten es zusammen mit dem verdammten Zahn aus den Tempeln gestohlen.“

„Und das restliche Gold?“

„Einen Großteil davon hat der Portugiese, den anderen haben sie auf die spanische Galeone gebracht, die im Hafen liegt.“

„Jetzt verstehe ich auch das nächtliche Intermezzo“, sagte van der Koop nickend. „Ihr wolltet eure Ladung zurückhaben. Deshalb habt ihr den Portugiesen außer Gefecht gesetzt, ihm den Großmast weggeschossen und Feuer unter den Achtersteven gelegt.“

„So ist es. Der Don liegt leider so ungünstig, daß wir zwischen zwei Feuer geraten, wenn wir angreifen. Außerdem sind da noch die Inder, die zu ihnen halten.“

„Und warum habt ihr uns gesucht?“

„Wir wollten uns vergewissern, daß wir nicht noch einen dritten Gegner im Rücken haben, wenn wir etwas unternehmen.“

„Was willst du denn jetzt unternehmen, Seewolf? Dir dein Gold und Silber zurückholen?“

„Natürlich. Deshalb haben wir den Portugiesen ja auch nicht gleich mit einer Breitseite versenkt, obwohl das nicht unmöglich gewesen wäre. Ich will ihn nur daran hindern, wenigstens vorerst, auszulaufen und mit der Beute zu verschwinden.“

„Eine gute Taktik“, lobte der Holländer. „Was hältst du davon, wenn wir diese Raid gemeinsam durchführen? Ihr habt uns damals geholfen, und jetzt ist die Gelegenheit endlich da, unseren Dank in der Form abzustatten, daß wir euch helfen.“

„Na klar!“ rief der Bootsmann Pit de Haas begeistert. „Das sind wir den Lords einfach schuldig. Wir helfen kräftig mit beim Aufräumen. Schließlich sind wir alle Spanienfresser, und da ist es nicht mehr als recht und billig, gemeinsam vorzugehen.“

Arie van Diep, Fleet und der Bestmann fielen sofort begeistert in den Chor mit ein und konnten es kaum erwarten, gegen die im Hafen liegenden Schiffe loszuschlagen.

„Ich danke für eure Hilfe“, sagte Hasard, „und ich weiß die Geste auch sehr zu schätzen. Aber ich möchte nicht, daß euch hier ein gleiches lausiges Schicksal widerfährt wie an der afrikanischen Sklavenküste.“

„Dann ist das also klar“, sagte van der Koop trocken, „und wir brauchen nicht mehr darüber zu reden, höchstens über die kleinen Einzelheiten der Taktik. Pit, hol mal die Buddel!“

Jetzt kam also doch die Geneverbuddel an die Reihe, die bei den Holländern so unvermeidlich wie bei den Arwenacks der Rum war.

„Gut, dann ist das klar“, sagte auch Hasard. Es war zwecklos, van der Koop etwas ausreden zu wollen, was der sich in den Schädel gesetzt hatte. Da war er genauso stur wie Old O’Flynn, der auch immer mit dem Kopf durch die Wand mußte.

„Wann schlagen wir los?“ fragte der Mijnheer begierig. „Ich meine, wir sollten nicht so lange warten, sonst segelt der Don auf und davon, und ihr seid euer Gold los.“

Hasard lachte leise.

Er kannte den ungebremsten Eifer der Wassergeusen, die es immer furchtbar eilig hatten, den Dons an den Kragen zu gehen, wo immer sie den Gegner auch erwischten. Spanien – das war ein Fanal für sie, eine brennende Fackel, die sie nicht schnell genug löschen konnten.

„Wir werden nicht mehr lange warten, mein Freund. Aber erst mal muß unser Schiff hier sein, damit wir es mit den anderen besprechen können.“

„Ist dieser Kerl mit dem Rammkinn noch an Bord, der Profos?“ erkundigte sich Frans Kuiper.

„Ja, der ist so gut wie unverwüstlich.“

„Und der Alte mit dem Holzbein – lebt der auch noch?“

„Der ist noch unverwüstlicher. Wir haben sogar einen echten Spanier an Bord.“

Van der Koop verschluckte sich prompt an seinem Genever und blies eine feine Dunstwolke aus.

„Das kann nicht dein Ernst sein, Seewolf“, prustete er. „Oder habt ihr ihn in Ketten gelegt?“

„Nein, er darf sich frei an Deck bewegen“, sagte Hasard mit einem kleinen Grinsen.

„Na, ich weiß nicht“, mokierte sich der Geuse. „Ich hätte den Kerl längst über Bord geworfen, gerade weil er ein Don ist. Nimm dich in acht vor ihm, Seewolf.“

„Er war mal mein Todfeind“, erklärte Hasard, „ein Mann der Krone im Rang eines Generalkapitäns, der mich erbarmungslos jagte. Wir haben ja noch etwas Zeit, bis die anderen hier sind. Ich werde euch inzwischen die Geschichte des Spaniers Don Juan de Alcazar erzählen.“

Die Geusen lauschten gespannt der Erzählung.

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