Kitabı oku: «Seewölfe Paket 35», sayfa 23
6.
Hasard verfuhr ähnlich wie die Geusen.
Auch hier mußten die Dons antreten, genauso wie sie es zuvor getan hatten, als die Seewölfe zum Anpacken gezwungen worden waren.
Es war eine ganze Menge, was sich in den Laderäumen befand, aber es war noch nicht alles, selbst wenn man die Ladung des Portugiesen hinzurechnete. Die „heiligen Männer“ hatten mittlerweile einen Teil des Schatzes ins Landesinnere geschafft.
Kiste um Kiste wurde nach oben gebracht und verschwand in den Laderäumen der Schebecke, wo alles ordentlich und seefest gestaut wurde.
„Bin gespannt, wieviel sich die Portus unter den Nagel gerissen haben“, sagte Ben Brighton. „Wir haben das in der Eile gar nicht genau feststellen können.“
Hasard nickte. Es berührte ihn unangenehm, wenn er daran dachte, daß zum Schluß ein paar Kisten fehlen könnten und er mit einer unvollständigen Ladung in Madras aufkreuzte. Würde der Sultan von Golkonda nicht denken, daß sie ein bißchen daran gedreht hatten?
Gold und Silber waren immerhin sehr verlockende Dinge.
„Wir müssen jedenfalls alles zurückkriegen, alles bis auf den letzten Gold- oder Silberbarren“, sagte er.
Er blickte Ben dabei nicht an, sondern sah zu der Karavelle hinüber, bei der die Fleute längsseits lag und die Holländer eifrig dabei waren, die Kisten an Deck zu stauen.
Dabei bemerkte er auch, daß van der Koop nach achtern verschwand und erst nach einer geraumen Weile wieder an Deck erschien. Er schleppte eine Kiste an und gleich darauf eine weitere.
„Sieh an“, sagte Don Juan überrascht. „Der Geuse scheint ein ganz ausgekochter Kerl zu sein. Der ist in der achteren Kammer noch einmal fündig geworden. Offenbar hat der Kapitän dort noch etwas für sich ganz privat versteckt.“
„Sieht ganz danach aus“, murmelte der Seewolf und winkte Ferris Tucker zu sich heran.
„Nimm dir ein paar Leute, soviel wie du brauchst“, sagte er zu dem rothaarigen Schiffszimmermann. „Drüben haben sie zwei Kisten offenbar in einem Versteck in der Kapitäns- oder Offizierskammer gefunden. Vielleicht hat dieser ehrenwerte Señor den gleichen Gedanken gehabt. Du weißt, nach was du suchen mußt.“
„Nach geheimen Verstecken“, sagte Ferris. „Keine Sorge, bevor der Kahn auf Tiefe geht, stellen wir ihn noch einmal gründlich auf den Kopf. Ich lasse nichts aus, Sir.“
„Nein, das weiß ich.“
Hasard befragte den spanischen Kapitän, ob er Gold- oder Silberkisten für sich abgezweigt habe.
„Nein, Señor“, versicherte der eine Spur zu hastig. „Nur aas, was hier in den Räumen liegt.“
„Sehr gut. Meine Leute werden jetzt deine Kammer durchsuchen, Freundchen, und zwar nach allen Regeln der Kunst. Solltest du auch nur eine Kiste versteckt haben, sage es lieber gleich und jetzt. Falls wir etwas finden, ziehe ich dir den Hals lang. Das ist mein voller Ernst. Ich lasse dich vor versammelter Mannschaft aufknüpfen.“
Sein Gesicht war so kantig, hart und kalt, daß der Spanier verzweifelt zu schlucken begann. Er sah auch, daß sich mehr als ein halbes Dutzend Leute nach achtern begeben wollten. Einer von ihnen, ein rothaariger Kleiderschrank, schleppte eine riesige Axt mit sich herum. Vermutlich würde der Kerl achtern alles kurz und klein schlagen.
„Nein – äh, doch. Jetzt fällt es mir wieder ein“, sagte er hastig. „Ich wollte eine Kiste überprüfen lassen. Äh – man hat sie nach achtern in meine Kammer gebracht.“
„Was wolltest du denn überprüfen lassen?“ fragte Hasard sanft. „Ihr habt doch genau gewußt, was sich in den Kisten und Fässern befindet.“
„Na ja, nur so, ich wollte mal nachsehen.“
„Nur eine Kiste?“
„Nur eine, Señor, mein Wort darauf.“
Dem Señor standen dicke Schweißperlen auf der Stirn, und seine Kürbishosen schienen zu flattern.
„Wo ist sie?“
Der Hakennasige gab den genauen Standort an.
Ferris hörte aufmerksam zu und nickte schließlich.
„Auch ein kleines Geheimtürchen“, sagte er grinsend. „Na ja, so was hat schließlich fast jeder an Bord. Ich werde mich aber trotzdem mal etwas genauer umsehen.“
„Ja, tu das.“
Ferris, der Profos und ein paar andere sahen sich in der Kammer um und entdeckten auch sofort das Versteck. Es befand sich hinter einer Koje, wie der Don gesagt hatte, und dahinter stand auch die Kiste.
Carberry zog sie hervor, während Ferris sorgfältig die Kammerwände abklopfte und alles vermaß.
Er fummelte gerade an einer Wandtäfelung herum, als er es hinter sich gluckern hörte.
„Wird Zeit“, sagte er. „Der Kahn zieht ganz schön Wasser. Der hält sich auch nicht mehr lange.“
„Das war ich“, gestand Edwin Carberry, „ich habe hier nämlich eine Labung gefunden.“
Der Profos stand vor einem offenen Schapp und gluckerte einen weg. „Wäre doch schade, wenn er mit absäuft“, sagte er trocken. „So was Gutes darf man nicht umkommen lassen. Ist übrigens ein sehr guter Valdepeñas. Aber der liebe Señor hat auch noch Priorato und Cradowein, Manzanilla und Jeréz. Er scheint ein gewaltiger Säufer vor dem Herrn zu sein.“
„Ja, ich kenne auch noch einen“, erklärte Ferris. Aber er nahm trotzdem einen kräftigen Schluck, und auch die anderen zierten sich nicht länger.
Ferris fand schließlich ein Geheimfach, nachdem er den Boden dicht oberhalb der Zierleisten abgeklopft hatte.
„Falls da noch eine Kiste versteckt ist“, sagte er mit hochgezogenen Brauen, „dann läßt der Sir es sich wirklich nicht nehmen, den Hakennasigen ein bißchen aufzuhängen.“
Da die Suche nach dem verborgenen Mechanismus zu lange dauern würde, half Ferris mit der Axt etwas nach.
In dem Versteck gab es allerdings keine Goldkisten. Aber sie fanden Roteiros, die von den Spaniern geheimgehaltenen Seekarten, die sie so ängstlich wie ihre Augäpfel hüteten und lieber vernichteten, als sie jemanden in die Hände fallen zu lassen.
Ferris nahm sie heraus und reichte sie an Dan O’Flynn weiter.
„Dein Spezialgebiet“, erklärte er. „Karten sind ja dein Steckenpferd. Vielleicht können wir damit etwas anfangen.“
Es waren auch Logbücher dabei, wie Dan feststellte. Um die Karten würde er sich später kümmern. Jetzt hatten sie anderes zu tun, als das Material zu sichten.
Ferris untersuchte noch ein paar Ecken, weil sie den Don nicht über den Weg trauten, doch sie fanden nichts weiter als das, was der Spanier angegeben hatte. Das war auch sein Glück.
Die anderen Räume wurden durchstöbert, aber da wurde auch nichts entdeckt, außer einer Menge Kakerlaken, die sich nicht mal in den Ritzen verkrochen. Die Tierchen schienen sehr anhänglich zu sein und kannten keine Furcht.
Als sie die Kombüse inspizierten, hielt der Profos unwillkürlich den Atem an.
„Heiliger Florian“, sagte er andächtig. „Wenn das Mac und der Kutscher sehen könnten! Die würden aber staunen. Hier traut sich ja nicht mal ein Schlotfeger rein.“
Die Kombüse war schwarz wie die Nacht. Von der Decke hingen, Stalaktiten verblüffend ähnlich, dicke Tropfen herab.
Der Profos berührte einen mit dem Finger und hatte eine dicke und fette Schmiere in der Hand, die er angeekelt an der anderen Wand abwischte. Aber dadurch wurde die Schmiere nur noch dicker und fettiger.
„Wenn die hier Gold versteckt haben, verzichten wir freiwillig auf ein oder zwei Kisten“, erklärte er. „Dann legen wir lieber ein paar von unseren Schätzen dazu. Dieser Koch muß ein erbärmliches Ferkel sein.“
Die Töpfe, Pfannen und Tiegel sahen nicht besser aus, und der gemauerte Herd war ein pechschwarzes und klebriges Ding, vor dem der Kutscher oder Mac mit lauten Entsetzensschreien geflüchtet wären.
In einer Ecke bewegte sich ein schmutzstarrender Lappen, und als der Profos ihn zur Seite trat, quietschte eine Ratte fast vorwurfsvoll los. Sie sah die Männer aus ihren Knopfaugen an und spazierte dann gemütlich und ohne Eile durch ein Loch über dem Boden.
„Der Kochgehilfe wahrscheinlich“, sagte der Profos, auf die Ratte deutend. „Die scheinen sich hier alle dicke angefreundet zu haben.“
Ferris öffnete mit dem Axtstiel die Proviantlast, wo der Koch einen Teil seiner Vorräte aufbewahrte.
Von eisernen Haken baumelten Hartwürste und Schinken, aber die Hartwürste waren angebissen und der Schinken auch. Im Speck befanden sich ebenfalls große Löcher.
Der „Kochgehilfe“ schien es sich hier drin gutgehen zu lassen, seine anderen Kameraden ebenfalls.
Angewidert gingen sie weiter und brachten die Kiste an Deck.
Inzwischen war alles umgestaut und umgeladen worden. Diese Kiste war die letzte.
„Nichts weiter gefunden, Sir“, sagte Ferris. „Ein kleines Geheimfach noch, vollgestopft mit Roteiros und Logbüchern.“
„Die hiermit konfisziert sind“, sagte Hasard trocken.
„Das sind uralte Roteiros!“ rief der Kapitän. „Damit können Sie gar nichts anfangen, und die Logbücher sind noch älter.“
„Ihr könnt damit auch nichts mehr anfangen“, entgegnete der Seewolf. „Seien Sie froh, daß Sie keine weiteren Kisten mehr versteckt haben, sonst hätte es jetzt eine Menge Ärger gegeben.“
Die Fleute hielt in spitzem Winkel auf sie zu. An Deck standen eine Menge Kisten.
Die Geusen legten mit Schwung an. Van der Koop flankte mit einem schnellen Satz auf das Deck der Schebecke.
„Alles abgeräumt, Seewolf“, sagte er. „Es war uns wirklich ein Vergnügen. Ich fand beim Stöbern noch zwei Kisten in der Kapitänskammer. Du solltest hier auch noch mal nachsehen. Manche dieser Bastard-Kapitäne haben unglaublich klebrige Pfoten.“
„Das habe ich bereits festgestellt, nachdem wir euren Erfolg gesehen haben. Wir fanden auch eine Kiste, die der ehrenwerte Señor heimlich beiseite geschafft hat.“
„Diese verdammten Dons sollte man alle …“
Van der Koop brach ab. „Die meisten, meine ich, nicht alle“, sagte er dann mit einem schnellen Blick auf Don Juan, der jedoch gelassen grinste.
„Sprich dich nur aus, Geuse“, sagte er augenzwinkernd. „Ich bin ja nicht umsonst zum Hochverräter geworden.“
Van der Koop klopfte dem Spanier auf die Schulter. Dann kramte er in seiner Hosentasche und brachte den Lederbeutel zum Vorschein.
„Da ist noch etwas, Seewolf. Der Beutel ist voller Perlen, ich fand ihn neben deinen versteckten Goldkisten. Gehört er dir oder auch zur Ladung für den Sultan?“
„Ganz sicher nicht. Es war keine einzige Perle dabei. Betrachte ihn als Kriegsbeute.“
Der Geuse grinste jetzt bis an die Ohren.
„Genau das habe ich auch zu dem Bastard gesagt. Ich habe ihm aber noch eine der Perlen zwischen die Kiemen gestopft. War ja ein toller Raid, der sich voll und ganz gelohnt hat. Jetzt teilen wir aber erst.“
Frans Kuiper hielt schon grinsend ein rotkariertes Schnupftuch in der Hand, in das van der Koop die Hälfte der Perlen hineinschütten wollte.
Der Geuse ist ein durch und durch ehrlicher Bursche, dachte Hasard. Der haut keinen über das Ohr, den er kennt.
„Halt“, sagte der Seewolf. „Geteilt wird auf gar keinen Fall. Die Perlen behaltet ihr, ihr habt sie schließlich auch gefunden. Mich interessiert nur das, was zur Ladung gehört und Eigentum des Sultans ist. Perlen haben wir selbst genug, wenn auch nicht jetzt an Bord. Behaltet es für eure Bemühungen und als Dank für die Hilfe. Ohne euch hätten wir ziemlich schlecht dagestanden, Geuse.“
Der Geuse wollte aber partout teilen, bis Hasard ihm den Beutel samt Schnupftuch nachdrücklich in die Hand gab.
„Kein Bedarf“, erklärte er. „Du behältst es als Kriegsbeute, wie ich schon sagte. Vergessen wir das Thema. Trinken wir auf den Erfolg lieber einen Schluck.“
„Na gut, einverstanden. Dann wird einer gebechert. Wir haben ganz erlesene Weine an Bord.“
„Ich denke, ihr trinkt Genever?“
„Portugiesischer Wein tut’s auch“, erwiderte van der Koop. „Besonders wenn er gerade erbeutet wurde, schmeckt er gut.“
Seine letzten Worte wurden von einem Ächzen unterbrochen. Danach gab es einen höllischen Krach im Hafen.
Alle blickten hinüber zur Karavelle.
Sie hauchte gerade ihre Seele aus, ein Wrack, das nicht mehr auf dem Wasser schwimmen wollte. An der Seite barsten weitere Planken durch den Wasserdruck, sie neigte sich mit ihren häßlichen Maststümpfen langsam zur Seite.
Zwei Festmacher brachen mit peitschendem Knall.
„Das Muttchen blubbert ab“, sagte der Geuse. „Sie kann wahrscheinlich ihren verklauten Kapitän nicht mehr sehen und verschwindet lieber. Solche Strolche will sie nicht an Bord haben.“
Fünf oder sechs Mann waren noch an Bord, darunter auch der portugiesische Kapitän. Der nahm jetzt zusammen mit den anderen Kerlen die Beine in die Hand und rannte los.
Die letzten beiden Leinen brachen, kaum daß die Kerle auf der verkohlten und teilweise zusammengebrochenen Pier standen. Mit den letzten beiden Leinen wurden auch die Pierpoller wie faule Zähne herausgebrochen. Knirschend gaben sie nach.
Die Karavelle richtete sich noch einmal auf, als sie von dem Druck befreit wurde, aber es war ein letztes Aufbäumen.
Gleich darauf legte sie sich schwer auf die Seite.
Da drang einer der Kerle wie ein Wilder ins Wasser. Zwischen den Zähnen hatte er ein scharfes Messer.
Er schwamm auf die Jolle zu, die noch an der Karavelle hing und durchtrennte mit schnellen Schnitten die Vorleine, damit die Jolle nicht ebenfalls mit auf Tiefe ging.
Er hätte sich die Mühe ersparen können.
Aus der Karavelle erklang ein stöhnendes Geräusch. Am Rumpf sprudelten Luftblasen hoch und zerplatzten an der Oberfläche.
Sie neigte sich noch weiter und ging dann, mit Steuerbordlage, langsam auf Tiefe.
Aber sie sank nicht sehr tief. Sie setzte auf und drehte sich dabei wieder ein kleines Stück in ihre ursprüngliche Lage zurück.
Es knirschte einmal laut, und dieses Knirschen und Aufsetzen glaubten die Arwenacks sogar durch das Holz ihrer Schebecke zu spüren. Etwas später lag die Karavelle endgültig fest. Sie lag so auf dem Grund des Hafens, daß ihre Decks gerade noch vom Wasser überspült wurden. Die zersplitterten Masten stachen wie ausgefranste Pinsel von der Wasseroberfläche ab.
Die Jolle wäre also nicht untergegangen.
Der Mann mit dem Messer, der die Leinen gekappt hatte, zog sich jetzt in die Jolle und pullte mit ihr zurück.
Drüben drohten die Portugiesen mit den Fäusten und schrien wilde Flüche herüber.
Der Geuse hielt die Weinbuddel hoch und prostete ihnen fröhlich und unbekümmert zu.
„Muß schlimm sein, so ohne Schiff“, sagte er heuchlerisch-bedauernd. „Deshalb soll man sich in der weiten Welt auch immer friedlich verhalten und das Maul nicht zu weit aufreißen.“
Den Spaniern auf der Galeone gefror beim Anblick der Karavelle das Blut in den Adern. Sie wußten, daß ihrem Schiff das gleiche Schicksal bevorstand.
Das Blubbern und Rauschen wurde noch lauter, und hin und wieder war auch ein scharfes Zischen zu hören.
Der Kapitän rang verzweifelt die Hände. Er fragte Hasard, ob sie wenigstens die Jollen abfieren dürften, das einzige, was ihnen jetzt noch blieb.
Er wollte ein bißchen Mitleid heischen, doch der Seewolf konnte beim besten Willen kein Mitleid aufbringen. Schließlich hatten die Dons den Ärger vom Zaun gebrochen und sie wie den letzten Dreck behandelt.
„Keine Einwände“, sagte er kühl. „Ich empfehle euch sogar, die Jollen möglichst schnell auszusetzen, um ebenso möglichst schnell damit zu verschwinden. Für euch wäre es am besten, ihr segelt zum indischen Festland hinüber.“
„Und keine Tricks“, warnte der Geuse auf Spanisch. „Wenn ihr euch bei Nacht und Nebel anpirschen wollt, geht es euch Bastarden endgültig an den Kragen. Wir passen scharf auf und werden Wachen aufstellen. Nehmt eure Kumpane von da drüben am besten gleich mit.“
Sie lösten die Leinen und drückten sich von der Galeone ab, damit die Dons ihre Jollen noch aussetzen konnten.
„Ich werde sie später ein bißchen vor uns hertreiben“, sagte van der Koop. „Ich denke, daß wir so gegen Nachmittag auslaufen können. Oder braucht ihr unsere Hilfe noch, Seewolf?“
„Die haben wir schon genug in Anspruch genommen.“
„Wieviel fehlt euch denn noch an der Ladung?“
„Zweiundzwanzig Kisten fehlen insgesamt, aber die werden wir uns auf dem Landweg zurückholen.“
„Wollt ihr die etwa schleppen?“
„Wenn es sein muß – ja. Aber ich werde den Kaufmann hier am Ort fragen, ob er uns gegen Bezahlung ein paar Elefanten zur Verfügung stellen kann. Meine Söhne haben seine Bekanntschaft bereits geschlossen. Er kann die Dons und Portus auch nicht leiden, weil sie ihn bei Geschäften übervorteilt haben.“
„Sollen wir euch dabei nicht helfen?“
Hasard wehrte abermals dankend ab.
„Wirklich nicht nötig. Wenn wir Glück haben, werden wir mit den Singhalesen ohne lange Kämpfe einig. Ihnen geht es mehr um die Reliquie, den heiligen Zahn Buddhas, als um das Gold. Sie nahmen wohl an, wir hätten das Gold aus ihren Tempeln gestohlen. Jedenfalls warf man uns das vor. Wenn dieser Irrtum aufgeklärt ist, wird voraussichtlich alles in Ordnung sein.“
„Um einen angeblich heiligen Zahn gab es so viel Ärger?“ fragte der Geuse verwundert.
„Um Reliquien sind schon Kriege vom Zaun gebrochen worden.“
„Das stimmt allerdings.“
Die Dons fierten ihre Jollen ab und besetzten sie. Sehr zögernd taten das auch die Portugiesen, und noch zögernder kehrten einige wieder zurück, die zuvor ins Landesinnere geflüchtet waren.
Schebecke und Fleute legten sich an die Holzpier, die noch heil war.
Im Hafen war um diese Zeit kein einziger Inder mehr zu sehen. Mannar lag wie ausgestorben da. Die Leute hatten Angst, aber sie beobachteten aus sicherer Entfernung alles, was hier vorging.
Die Stimmung bei den Dons und den Portus war gedrückt, was nach den Umständen allerdings nicht verwunderlich war.
Insgesamt fünf Jollen krebsten jetzt im Hafen herum. Alle waren vollbesetzt.
Geusen und Arwenacks lenzten auch noch die restlichen Flaschen, was die Portus mit wüsten Flüchen quittierten.
Von der Galeone wurden noch Proviant und kleine Fässer in die Jollen verstaut.
„Die verschwinden wahrhaftig“, sagte Gary Andrews. „Dann sind wir diese Strauchritter endgültig los.“
„Ich werde dafür sorgen, daß sie verschwinden“, sagte der Geuse mit Nachdruck. „Wenn sie draußen auf See sind, segeln wir los und treiben die Schäfchen zum Festland hinüber. Ich glaube auch nicht, daß sie noch etwas unternehmen. Sie sind zermürbt und haben jetzt den Rest gekriegt. Die Kerle sind froh, wenn sie verschwinden können.“
Hasard war das nur recht, und so nickte er.
Die spanische Galeone gab jetzt auch ihren Geist auf. Aber sie legte sich nicht auf die Seite. Sie ging still unter. Immer mehr Wasser drang in ihre Räume und ließ sie langsam, aber sicher absacken.
Drüben war der Hafen noch flacher als an der Stelle, wo die Karavelle untergegangen war.
Nach einer knappen halben Stunde saß das Wrack im Schlick des Hafens fest und rührte sich nicht mehr. Die Decks waren noch zu erkennen, zerstört, verwüstet, mit herausragenden Planken, die anklagend wie Leichenfinger zum Himmel wiesen.
„Die Ceylonesen räumen das Holz sicherlich ab“, meinte Ferris Tucker. „In spätestens einer Woche dürfte von den beiden Schiffen keine Spur mehr zu sehen sein.“
Nach dem Untergang ihrer Galeone zogen die Jollen ab. Es gab kein Geschrei mehr. Stumm und verbittert pullten die Kerle aus dem Hafen und setzten draußen die Segel. Sie drehten sich auch kein einziges Mal um. Die Lektion war für sie sehr bitter gewesen.
Der Geuse sah ihnen aus schmalen Augen nach, wie sie auf nordwestlichen Kurs gingen.
„Muß für sie eine höllische Pleite gewesen sein“, sagte er sinnend. „Gold und Silber an Bord, und kurze Zeit später nicht mal mehr ein Schiff unter dem Achtersteven. So schnell geht das.“
Als die Segel der Jollen kleiner wurden, verabschiedeten sich die Geusen stürmisch von den Arwenacks, um weiterhin auf Kaperfahrt zu gehen und die Dons zu rupfen, die sich hier herumtrieben.
Die Arwenacks sahen ihnen nach. Sie winkten, und die Wassergeusen winkten zurück, bis sie aus dem Hafen waren.
„Feine Kerle“, murmelte Ben Brighton halblaut. „Bin gespannt, ob wir sie einmal wiedersehen.“
„Beim nächsten Mal sind wir wieder dran, um ihnen aus der Patsche zu helfen“, erwiderte der Seewolf mit einem Lächeln. „Aber sie haben uns wirklich unerwartete Hilfe gebracht.“
Weit draußen auf See hielt die Fleute auf die fünf Jollen zu. Die Geusen setzten sich hinter den Pulk wie ein Wolf, der in einer Herde einbrechen will.
Von hier sah es allerdings so aus, als gehörten alle friedlich zusammen.
Eine Stunde später war der Pulk nur noch verschwommen unter der Kimm zu sehen wie kleine helle Wölkchen, die sich im Sonnenlicht nach und nach auflösten.
„Nach dem Mittagsessen suchen wir den Kaufmann auf“, sagte Hasard. „Meine Söhne und Clint werden mich begleiten. Ihr kennt den Mann ja bereits.“
„Er ist sehr freundlich und zuvorkommend“, bestätigte Philip. „Und ich glaube, er hat hier auch einen sehr großen Einfluß.“
„Nach dem Mittagessen“, wiederholte Paddy Rogers andächtig. „Was gibt es denn heute?“
„Dir geht es doch nicht darum, was es gibt, sondern wieviel es gibt“, sagte Mac Pellew mit leicht verdrossenem Unterton in der Stimme. „Aber wenn du es genau wissen willst: Es gibt Fischgericht: Muscheln, Hummer, Krebse, Garnelen und Muscheln. Alles, was hier so herumkriecht.“
„Muscheln hast du schon mal aufgezählt“, berichtigte Paddy.
„Dann gibt es eben zwei Muscheln für jeden.“
„Serviert von einer Miesmuschel“, tönte der Profos lachend.
Aber Mac war heute nicht zu Späßen aufgelegt.
„Wenn du mit mir rumstänkern willst, Mister Carberry, dann kann es passieren, daß dir eine Bratpfanne an die Rübe fliegt und du so abgetakelt wirst wie die beiden Schiffe.“
„Aber Mäckileinchen“, sagte der Profos betroffen.
„Ich bin nicht dein Mäckileinchen, verdammt noch mal. Merk dir das endlich, du abgelaichter Tranfisch.“
„Manchmal ist Mac nicht in der richtigen Stimmung“, sagte der Kutscher. „Da geht es ihm wie Old Donegal, und man läßt ihn am besten in Ruhe.“
Old Donegal war heute auch so ein Fall für sich. Er lehnte am Schanzkleid und starrte mißmutig mal zu dem portugiesischen Wrack, dann wieder auf die Überreste der spanischen Galeone. Wenn er des Starrens überdrüssig war, spie er ins Hafenwasser oder stierte die Planken an.
Der Profos fühlte sich verpflichtet, sich auch um Old O’Flynn zu kümmern, denn er selbst freute sich, daß alles so glatt abgelaufen war. Da wollte er die beiden Miesmuscheln ein bißchen aufheitern.
„Ist dir auch ein Prielwurm über die Leber gelaufen?“ fragte er. „Du siehst heute so zerknittert aus.“
Der Admiral stierte weiterhin auf die Planken.
„Ich hab was geträumt“, sagte er schließlich brummig.
„Was Gutes?“
„Was Schlechtes.“
„Du träumst nie was Gutes. Was war es denn?“
„Weiß ich nicht, war alles voller Nebel. Aber hinter dem Nebel lauerte eine schreckliche Gefahr.“
„Für uns?“
„Weiß ich nicht“, wiederholte der Admiral. „Kannst du vielleicht durch den Nebel glotzen?“
„Weiß doch nicht, was du kannst“, motzte Carberry. „Aber wenn man von Nebel träumt, kann das ja nicht besonders schlimm sein. Dann gibt’s eben welchen. Das nennt man dann nebulös, oder so. Hast du weiter nichts erkennen können?“
„Doch, eine Menge Nebel.“
Der Profos gab es auf. Der Admiral schien heute seinen grantigen Tag zu haben, und da war mit ihm eben nicht zu reden. Aber hinter seinen seltsamen Träumen steckte meist etwas, und gerade darüber hätte der Profos gern mehr erfahren.
Der Kutscher und Mac brachten das Essen an Deck. Das blonde Bürschchen Clint mit dem Langschädel, der Stupsnase und den lebhaften grauen Augen half kräftig mit und packte immer dort zu, wo man ihn brauchen konnte.
Sie aßen auf der Gräting, den Niedergängen oder ganz einfach im Schneidersitz an Deck, wo es am schattigsten war, und sie langten auch kräftig zu, obwohl es heiß und stickig war.
Aber der Fisch war scharf gewürzt, das Hummerfleisch knackig und die Muscheln mit einer scharfen Soße aus Tomaten, Öl und Knoblauch überzogen.
Als Nachtisch und Höhepunkt servierte der Kutscher ein paar gebratene und kandierte Melonenscheiben, die ihm buchstäblich aus den Händen gerissen wurden. Als erfrischendes Getränk bot er Thambili an, einen Kokosnußsaft, den er und Mac zubereitet hatten.
Im Hafen rührte sich immer noch nichts. Das wurde erst anders, als das Mittagessen längst vorüber war und der Seewolf sich vornahm, den Kaufmann aufzusuchen.