Kitabı oku: «Seewölfe Paket 35», sayfa 24
7.
Philip, der mit seinem Bruder und dem Moses Clint unter einem Sonnensegel saß, wo sie ein bißchen dösten, schrak plötzlich hoch.
„Den Weg zum Kaufmann können wir uns sparen“, sagte er ermuntert. „Da kreuzt er persönlich mit seinem Schreiber Arun auf.“
Die Dösigkeit war wie weggeblasen. Die Arwenacks waren schlagartig wach und sahen den beiden Männern gespannt entgegen.
„Er spricht portugiesisch?“ fragte Hasard seine Söhne.
„Ja, ein bißchen holprig und umständlich, aber man kann ihn gut verstehen. Man darf nur nicht zu schnell sprechen. Er muß dann immer erst nachdenken.“
Die beiden Männer näherten sich jetzt dem Steg und blickten auf die Schebecke. Der Kaufmann schien ein wenig zu zögern, aber der Schreiber Arun sagte etwas zu ihm, worauf er nickte und seinen Weg fortsetzte.
Vor dem Schiff verbeugte sich der Inder nach Landessitte mit über der Brust gekreuzten Händen. Sein Schreiber tat es ihm nach.
Hasard musterte den Kaufmann kurz, aber sehr aufmerksam und gründlich.
Der Mann war hochgewachsen mit nackenlangem, blauschwarzem Haar und einem sauber ausrasierten Kinnbart. Auf den ersten Blick mochte er vielleicht etwas dämonisch wirken, doch das Erscheinungsbild trog.
Er trug enge Beinhosen aus weißer Seide und eine lange helle Jacke, die mit kostbarer Stickerei verziert war.
„Mein Name ist Ginjal Chand“, sagte er auf Portugiesisch. „Ich bin Großkaufmann in Mannar. Die jungen Gentlemen kennen mich bereits.“
Er schien ein wenig darüber verblüfft zu sein, daß die jungen Gents dem älteren wie aus dem Gesicht geschnitten waren. Sie hatten alle drei die in seltsamen Kontrast zu dem schwarzen Haar stehenden eisblauen Augen. Der Riese unterschied sich noch durch eine Narbe im Gesicht und silbergraue Schläfen. Das Erscheinungsbild dieses Mannes wirkte auf den Kaufmann gefährlich. Er sah jedoch einen verbindlich lächelnden Mann vor sich.
„Willkommen“, sagte der Seewolf. „Die jungen Gents sind meine Söhne. Ich bin Philip Hasard Killigrew.“
Der Kaufmann verneigte sich erneut und ging mit seinem Schreiber an Bord.
Der Schreiber wurde ebenfalls vorgestellt.
„Ich bin hier, um Ihnen zu danken, Senhor Killigrew“, sagte der Kaufmann. „Gehe ich fehl in der Annahme, daß sie vorhatten, mich aufzusuchen?“
Die Verblüffung lag jetzt bei Hasard. Überrascht blickte er in schwarzbraune Augen.
„Das hatte ich allerdings vor, Senhor Chand. Aber wie konnten Sie das wissen?“
„Es ist eine logische Schlußfolgerung, nichts weiter.“ Die Worte wurden von einem aufrichtigen Lächeln begleitet. „Ich habe alle Vorgänge hier im Hafen natürlich genau beobachtet, möchte Ihnen ganz einfach danken und versuchen, mich zu revanchieren.“
„Ich wollte Sie tatsächlich um etwas bitten“, sagte Hasard.
„Die Bitte ist jetzt schon gewährt“, entgegnete der Kaufmann. Er saß jetzt auch im Schatten unter dem Sonnensegel neben seinem Schreiber, der sehr aufmerksam zuhörte.
„Sie kennen meine Bitte noch gar nicht.“
Hasard fühlte sich, als sei er bei einem Hellseher, der ihm die Zukunft voraussagen konnte.
„Sie möchten ein paar Elefanten“, sagte er schlicht. „Das ist ganz naheliegend und nur natürlich.“
„Ich muß gestehen, daß ich trotzdem verblüfft bin, Senhor Chand.“
Der Kaufmann lächelte wie einer, der wirklich alles wußte.
„Sie und dieses andere Schiff“, sagte er etwas ernster, „haben uns von einer ziemlich üblen Plage befreit. Spanier und Portugiesen hatten offenbar vor, sich hier niederzulassen, doch das ist zum Glück noch rechtzeitig verhindert worden. Sie wurden bereits aufdringlich und fühlten sich als die Herren schlechthin. Ihre Söhne haben mir eine Menge erzählt. Jetzt haben Sie sich das zurückgeholt, was man Ihnen gestohlen hat. Das war nichts weiter als Ihr gutes Recht. Ich konnte sie bei dieser Aktion leider nicht unterstützen, was ich hiermit tief bedaure. Aber Sie haben Ihr Eigentum noch nicht ganz zurück.“
„Es ist nicht mein Eigentum, die Ladung ist für den Sultan von Golkonda bestimmt, der sie an Akbar weiterleiten wird.“
„Auch das weiß ich von Ihren Söhnen. Der große Ischwar Singh hat sie Ihnen anvertraut. Wieviel fehlt Ihnen jetzt noch?“
„Zweiundzwanzig Kisten, vierzehn Fässer und zwölf Ballen“, zählte der Seewolf auf. „Aber das ist vermutlich bereits nach Kandy gebracht worden, wie ich annehme, oder zumindest auf den Weg dorthin.“
Der Kaufmann schüttelte sehr bestimmt den Kopf. Mit seinen Händen vollführte er eine beschwichtigende Bewegung.
„Es sollte ursprünglich nach Kandy gebracht werden, Senhor Killigrew. Doch ich habe erfahren, daß die heiligen Männer ihren Vorsatz geändert haben. Der heilige Zahn ist in Kandy nicht mehr sicher. Man wird ihn nach Anuradhapuraya bringen, einen Ort im Norden der Insel. Dorthin wird man auch das Gold transportieren. Es soll vorübergehend in das ehemalige Kloster Jetavana Dagoba gebracht werden, einstmals ein Kupferpalast und neungeschossiger Klosterbau. Dort gibt es noch heute unter den großen Steinsäulen geheime Gänge und Anlagen, die nur Eingeweihten bekannt sind.“
„Woher wissen Sie das so genau?“ fragte Hasard.
„Ich habe überall meine Zuträger, die mich immer auf dem laufenden halten. Ich weiß über so gut wie alles hier Bescheid. Der Weg ist natürlich weitaus kürzer als der nach Kandy zum Tempel des Zahns. Sie müssen wissen, Senhor Killigrew, daß dieser Weisheitszahn Buddhas das größte Heiligtum darstellt und hoch verehrt wird. Ich bin sicher, daß die heiligen Männer es nicht auf Ihr Gold und Silber abgesehen haben.“
„Sie haben sich aber so benommen“, sagte Hasard.
„Das war ihre verständliche Aufregung. Was die Reliquie betrifft, so versteht man hier keinen Spaß und würde die Frevler bedenkenlos töten. Es sind Fanatiker, und sie sind mitunter sehr unberechenbar.“
„Ja, das haben wir bemerkt“, sagte Hasard etwas erbittert.
Hasard ließ den beiden Männern Kokosmilch bringen, die auch dankbar angenommen wurde.
„Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten, Senhor Killigrew“, begann der Kaufmann, nachdem er einen kleinen Schluck getrunken hatte.
„Sie sind mir keinen Dank schuldig, Senhor Chand.“
Hasard sprach das Portugiesisch bedachtsam und so langsam, daß der Mann alles einwandfrei verstehen konnte. So gab es auch keinerlei Verständigungsschwierigkeiten.
„Ich bin Ihnen mehr Dank schuldig, als Sie glauben“, widersprach der Kaufmann. „Diese Fremden haben mich nicht nur betrogen, um enorme Summen übrigens, sie haben auch meinen Ruf geschädigt und Mißtrauen zwischen mich und andere gesät. Sie sind jetzt also bemüht, Gold und Silber zurückzuholen. Ich stelle Ihnen zehn Elefanten zur Verfügung, dazu die entsprechenden Mahauts und Männer, die den Weg genau kennen und ebenfalls über alle Geschehnisse informiert sind. Also Männer, die mit den heiligen Männern reden können, um den Sachverhalt zu klären.“
Hasard war erleichtert, daß alles so leicht zu gehen schien.
„Ich möchte das aber nicht unentgeltlich haben“, sagte er schnell. „Betrachten wir es als ein Geschäft.“
Der Inder wehrte hastig ab und wedelte mit den Händen. Dabei blitzten ein paar Steine seiner Ringe grell im Sonnenlicht auf.
„Sie wollen mich doch nicht beleidigen, Senhor.“
„Um Gottes willen, nein“, wehrte Hasard ab. „Ich bin Ihnen natürlich sehr dankbar für Ihre Hilfe.“
„Das freut mich. Sie haben mich vor unendlichem Schaden bewahrt. Ich schlage vor, daß wir heute noch aufbrechen, um den Vorsprung zu verkleinern. Die Männer haben nur zwei Elefanten dabei. Sie werden einen großen Teil der Kostbarkeiten zwangsläufig mit sich herumtragen müssen. Das hält dementsprechend auf, weil der Marsch durch den Regenwald geht. Ich halte es aber für besser, wenn wir alles klären, denn bei den Tempeln in Anuradhapuraya kann es Komplikationen geben. Die heiligen Männer dulden in ihrem Heiligtum keine Fremden.“
„Das verstehe ich“, sagte Hasard.
„Sie brauchen nicht sehr viele Ihrer Männer mitzunehmen“, sagte der hochgewachsene Ceylonese. „Ich gebe Ihnen für jeden Elefanten einen ausgebildeten Mahaut mit sowie die anderen versprochenen Leute.“
„Würde ein halbes Dutzend meiner Männer ausreichen?“ fragte der Seewolf.
„Ganz sicher. Das sind sechs Männer, nicht wahr? Das müßte wirklich genügen.“
In Hasard keimte für kurze Augenblicke Mißtrauen auf, und er schämte sich deshalb.
Dieser Kaufmann schien wirklich einer von der ehrlichen Sorte zu sein, der auf seinen guten Ruf bedacht war. Wäre er hinter dem Gold und Silber selbst hergewesen, dann hätte das nicht das geringste Problem für ihn bedeutet. Er hätte seine Elefanten nehmen und sich das Zeug unter den Nagel reißen können.
Er schob das Mißtrauen rasch beiseite.
„Ich bin einverstanden und nehme dankend an, Senhor Chand. Ich werde mich selbst bei der Suche beteiligen, meine beiden Söhne sowie drei weitere Männer mitnehmen, die ich noch auswähle. Wir sind jederzeit bereit, aufzubrechen.“
„Ja, wir sollten wirklich keine Zeit mehr verlieren“, sagte der Kaufmann. Dann wandte er sich an seinen Schreiber und sagte etwas in seiner Sprache.
Der kleinere Mann nickte eifrig. Er stand auf, verneigte sich und ging rasch davon.
„Er läßt bereits alle Vorkehrungen treffen, Senhor Killigrew, damit wir die Männer noch vor den Tempeln und Klöstern abfangen können.“
Hasard nahm noch den Profos mit, weil der einen so flehentlichen Blick drauf hatte, Ferris Tucker und Batuti, der für den Dschungel oder Regenwald der richtige Mann war.
Schon ein paar Minuten später folgten sie dem Kaufmann.
Das Haus, fast ein kleiner Palast schon, lag inmitten einer üppigen Vegetation an einem Hang. Aber das war nicht ihr Ziel.
Sie gingen links daran vorbei, wo sich Lagerhäuser und kleine Hütten befanden. Dort gab es einen riesigen Platz, wo Waren sortiert oder umgeladen wurden.
Hasard sah überall Elefanten. Es war die ceylonesische Unterart des indischen Elefanten. Nur ein paar wenige von ihnen hatten Stoßzähne.
Auf dem Platz herrschte Hektik, aber zu Hasards großem Erstaunen war schon eine Menge vorbereitet worden.
Der Kaufmann hatte damit gerechnet, daß er, Hasard, seine Hilfe in Anspruch nehmen würde und entsprechend vorgesorgt.
Über dem Platz lag ein verführerischer Duft nach Zimt, Kampfer und fruchtigem Pfeffer.
Der Schreiber Arun war eifrig beschäftigt und redete auf die Männer ein.
Ein paar wurden Hasard und den anderen Arwenacks vorgestellt, aber sie konnten die Namen unmöglich alle behalten. Es stand jedenfalls fest, daß diese Männer genau informiert waren und über alle Einzelheiten Bescheid wußten.
„Sie können jeweils zu dritt auf einem Elefanten Platz nehmen“, erläuterte der Kaufmann. „Ich wünsche, daß Sie alles zurückerhalten, was Sie an Bord hatten. Auf die Männer ist absoluter Verlaß. Ich lege für jeden einzelnen die Hand ins Feuer. Es sind auch keine Fanatiker, sondern recht nüchtern denkende Männer.“
Hasard bedankte sich bei dem Inder, der noch ein paar Anweisungen gab, sich dann verabschiedete und in sein Haus zurückkehrte.
„Mann, ging das schnell“, sagte der Profos staunend. „Eben noch Schiffsplanken unter den Beinen und jetzt auf einem Elefanten. Mit ihren großen Ohren müßten die lieben Tierchen doch eigentlich auch segeln können.“
„Wahrscheinlich hat es noch niemand probiert“, erwiderte der Seewolf lachend. „Aber du kannst es ja mal versuchen. Was die Schnelligkeit betrifft, da glaube ich, hat der Kaufmann uns gegenüber fast ein schlechtes Gewissen.“
„Traust du ihm?“
„Du nicht?“ antwortete Hasard mit einer Gegenfrage.
Carberry zögerte ein bißchen, bis er schließlich nickte.
„Doch, ich traue ihm. Schon aus dem Grund, daß er das Zeug ja auch allein hätte holen können, ohne sich bei uns blicken zu lassen.“
„Genauso sehe ich das auch, Ed.“
„Na, dann bin ich ja erleichtert.“
„Nicht nur du.“
Der Mahaut bat sie, auf den Elefanten Platz zu nehmen. Auf den mächtigen Rücken der Tiere befanden sich die sänfteähnlichen Körbe mit einem Stoffdach und langen Fransen an den Seiten.
Hasard und seine Söhne enterten auf. Die drei anderen Arwenacks bestiegen ebenfalls die großen Tiere.
Der Mahaut, der die Kolonne anführte und dem die anderen unterstanden, hatte sehr schnell bemerkt, daß die Söhne des Seewolfs etwas von seiner Sprache verstanden.
„Wir reiten auch nachts, um den Vorsprung aufzuholen“, erklärte er. „Ihr könnt beruhigt schlafen, wenn ihr müde seid. Es wird ein langer Weg durch den Regenwald, aber wir kennen ihn. Wir haben nach Ana schon oft Waren gebracht.“
Die beiden Jungmänner verklarten das Vater Hasard und dem Profos, der sich eins grinste.
„Hab noch nie auf einem Elefanten gepennt“, sagte er strahlend. „Noch nicht mal auf einem Ziegenbock.“
„Ein wirklich seltsamer Vergleich“, sagte Hasard kopfschüttelnd.
Der Mahaut trieb das vorderste Tier mit einer Holzgabel an, die er jeweils dem Elefanten hinter das Ohr drückte.
Es waren Arbeitselefanten, die sich auch gehorsam in Trab setzten und ihre Rüssel schlenkerten. Mit ihren fast menschlich wirkenden Augen wirkten sie ausgesprochen freundlich.
Etwas später nahm sie der feuchtwarme Dschungel auf. Aber es gab für die erste Strecke einen Pfad, der sich einwandfrei erkennen ließ und den auch die heiligen Männer benutzt hatten.
Die Sonne schien dunkler zu werden. Das Grün der Blätter verdeckte sie und ließ alles dämmrig erscheinen.
Die Mahauts trieben ihre Tiere unermüdlich an, und schon nach kurzer Zeit war von Mannar und dem Hafen nichts mehr zu sehen.
8.
Noch einer bewegte sich lautlos wie ein Schatten durch den Dschungel. Es war Malindi Rama, der es geschafft hatte, die Spur der Männer wieder aufzunehmen.
Er, der religiöse Fanatiker und Eiferer, dem die Arwenacks den ganzen Ärger zu verdanken hatten und der auch den Weisheitszahn Buddhas aus den heiligen Tempeln gestohlen hatte, gab nie auf.
Es war ihm gelungen, die Reliquie aus dem gesicherten Tempel zu stehlen, und so war er fest davon überzeugt, daß es ihm noch einmal gelingen würde.
Die Kerle hatten ihre Reliquie jetzt und glaubten sie in Sicherheit. Niemand rechnete mit ihm, keiner der heiligen Männer.
Hatten sie den Zahn aber erst mal im Tempel, dann war es unmöglich, ihn ein zweites Mal zu rauben. Das stand für Malindi Rama mit absoluter Sicherheit fest.
Hier im Regenwald und unter der Last ihrer Schätze würden sie nicht so aufmerksam sein.
Malindi spürte wieder die Schmerzen, die seinen Körper intervallartig durchfluteten.
Die Halunken hatten ihn, als sie ihn erkannt hatten, halbtot geprügelt und so zusammengeschlagen, daß er nur noch gebückt gehen konnte.
Da hatte er in seiner Angst, daß sie ihn ganz totschlagen würden, das Geheimnis der Schebecke verraten und dadurch für beträchtlichen Wirbel und Aufruhr gesorgt. Die Kerle hatten was von Gold und Silber gehört, und so waren sie außer Rand und Band geraten.
Bei der Gelegenheit war ihm die Flucht gelungen, und er hatte sich vor Angst und Schmerzen zunächst verkrochen, bis er einigermaßen wieder laufen konnte.
Malindi war dürr und unglaublich zäh. Auf seinem Kopf befand sich eintätowiert eine Karte, die die Tempelanlagen von Kandy zeigte. Das hatten die Kerle auf dem Schiff, die ihn von einer Insel gerettet hatten, sehr schnell herausgefunden. Weil er Läuse hatte, waren ihm von ihnen die Haare einfach abgeschoren worden.
Inzwischen bedeckten aber wieder Haare die Platte, außerdem trug er noch einen Turban zu seiner eigenen Sicherheit.
Auf seinen dürren Beinen hastete er gebückt durch den Dschungel und folgte den unübersehbaren Spuren, die die Männer mit den beiden Elefanten hinterlassen hatten.
Er war schneller als die alten Kerle, schneller und ausdauernder und vom gleichen fanatischen Eifer besessen. Außerdem bereitete es ihm nach der Prügel geradezu eine diebische Freude, die heilige Reliquie zum zweiten Male zu stehlen.
Wenn ihn der Durst überwältigte, trank er aus den kleinen Quellen des Regenwaldes, und wenn er Hunger verspürte, aß er die fleischigen Beeren der Eugeniasträucher, die hier überall wuchsen.
Als er sich gerade wieder mal ein paar Hände voll in den Mund stopfte, sah er den Leopard. Er stand nicht weit von ihm entfernt sprungbereit da und fixierte ihn aus seinen Augen.
Malindi vergaß das Kauen. Unbeweglich blieb er stehen und tastete nach seinem scharfen Messer mit der spitzzulaufenden Klinge.
Der Leopard schätzte ihn wohl als leichte Beute ein, weil er klein, dürr und ausgemergelt war.
Er sah, wie der Schweif ganz unmerklich den Boden peitschte.
Malindi bewegte sich unendlich langsam auf einen Baum in der Nähe zu und zog sehr langsam das Messer.
In diesem Augenblick sprang der Leopard.
Malindi Rama verschwand wie der Blitz hinter dem Baum und bot dem Angreifer nur noch eine Handbreite Silhouette. Diese Handbreite war sein rechter Arm mit dem Messer, das jetzt vorschnellte.
Noch im Sprung schlitzte es dem Leoparden die Unterseite auf. Das Tier warf sich fauchend und brüllend herum und hieb mit den Pranken wild um sich. Der mit Blättern und Laub bedeckte Pfad wurde rot vom Blut.
Ungerührt sah der Inder zu, wie das Tier verblutete, wie seine Bewegungen nach einer Weile schwächer wurden, und wie es schließlich nur noch zuckte.
Malindi schnitt dem Leopard das Herz heraus und aß es stückchenweise so roh, wie es war.
Den Kadaver ließ er liegen, denn es war unwahrscheinlich, daß ihm jemand folgte. So glaubte er jedenfalls.
Er fühlte sich gestärkt und eilte weiter, bis es im Dschungel zu dämmern begann und schließlich finster wurde.
Die alten Kerle würden jetzt sicher eine Rast einlegen und mit den Elefanten nicht weiterziehen.
Malindi sah nichts mehr, nur eine undurchdringliche schwarze Wand, die sich von allen Seiten um ihn herum befand. Aber er verfügte über einen ausgeprägten Tastsinn und einen wachen Instinkt.
Seine Hände verrieten ihm an abgebrochenen Zweigen, wo die Elefanten gegangen waren. Er verlor die Spur nur ein einziges Mal in der Nacht, als er eine Lichtung überqueren mußte.
Doch schon bald hatte er sie wieder und konnte seinen Weg mühsam fortsetzen.
Irgendwann in der Nacht war er endlich am Ziel. Vor ihm lag eine weitere Lichtung mit einem Flußlauf, und direkt daneben kampierten die Kerle, die ihn so jämmerlich verdroschen hatten.
Die Elefanten standen wie aus Stein gehauen da und bewegten sich so gut wie gar nicht. Die anderen Kerle lagen im Halbkreis oder lehnten schlafend ganz einfach an Baumstämmen.
In der Finsternis konnte Malindi trotzdem einiges unterscheiden. So die schlafenden Gestalten, die mächtigen Leiber der Elefanten und den Mahaut, der Wache hielt. Meist stand er unbeweglich da, aber hin und wieder drehte er doch den Kopf.
Malindi versteckte sich hinter einem Baum. Er wußte auch, wo er den heiligen Zahn zu suchen hatte. Den trug ein bärtiger Alter in demselben Lederbeutel mit sich herum, und dem Alten fehlte das linke Ohr. Dieser Alte war auch der Anführer der heiligen Männer.
Vorsichtig bewegte er sich weiter an die Schläfer heran. Er tastete zwei von ihnen ab, ohne daß sie etwas bemerkten. Von den Bäumen des Regenwaldes fiel immer mal Getier herab, und dann genügte eine reflexartige Bewegung des Schläfers, um es zu verscheuchen. Die Männer wachten davon nicht mal auf.
Schon beim vierten hatte er Glück. Es war der Alte mit seinem verfilzten Bart, und als Malindi vorsichtig nach seinem Ohr tastete, war da nur ein Loch seitlich auf der linken Kopfseite.
Seine Hand tastete weiter unter den Kopf, wo sich vermutlich der Lederbeutel mit der Reliquie befand.
Malindi hätte laut aufschreien können, doch er beherrschte sich und warf erst einen Blick auf den Mahaut, der immer noch fast regungslos am Baum stand.
Für ihn gab es jetzt zwei Möglichkeiten. Er konnte dem Alten blitzartig den Lederbeutel entreißen und damit im Dschungel verschwinden. Da konnten sie ihn lange suchen. Er konnte aber auch sehr behutsam vorgehen, obwohl das zeitraubend war.
Er entschloß sich für den behutsamen Weg, hielt immer wieder inne und lauschte.
Die nächtlichen Geräusche des Dschungels waren vielfältig. Sie übertönten auch das leise Schnarchen der Männer.
Mit unendlicher Vorsicht zog er an dem Lederbeutel. Der Alte hob die Hand, als wollte er ein lästiges Insekt verscheuchen.
Dann aber, so plötzlich, daß Malindi ein eisiger Schrecken durchfuhr, krallten sich zwei Hände mit unglaublicher Kraft um seinen Hals. Es waren dürre Hände, Knochen, die sich schlossen und nicht mehr losließen. Dabei stieß der Alte gleichzeitig einen gellenden, weithin hörbaren Schrei aus.
Die Schläfer fuhren ruckartig hoch.
Malindi geriet in Panik und tastete nach seinem Messer. Doch der Alte hatte eine so unglaubliche Kraft in seinen dürren Fingern, daß ihm die Luft wegblieb und vor seinen Augen feurige Ringe zu kreisen begannen.
Im Nu war der Mahaut zur Stelle, und die anderen Fanatiker fielen brüllend und kreischend über ihn her.
Fäuste droschen erbarmungslos auf ihn ein. Er wurde gewürgt und getreten. Man entriß ihm das Messer und schlug weiter auf ihn ein.
Er hatte keine Möglichkeit mehr, sich zu befreien, denn jetzt war auch der starke Mahaut über ihm und drosch ihm etwas über den Schädel.
Von Leibern, die sich schreiend über ihn wälzten, wurde er fast erstickt. Die feurigen Ringe wurden immer bunter.
Sie banden ihm Hände und Beine zusammen, dann wurde unter eifrigem Geschnatter ein Licht entzündet.
Der Mahaut hielt eine kurze Lanzenspitze vor sein Gesicht, und die alten, heiligen Männer näherten sich ihm, um ihn beim Schein der blakenden Ölfunzel zu betrachten.
„Wer bist du?“ fragte der Alte mit heiserer Stimme.
Malindi Rama schwieg, aber der Alte schien bereits einen Verdacht zu haben. Mit seinen dürren Fingern fuhr er ihm durch das Gesicht, hinterließ feurige Kratzspuren und riß ihm den Turban herunter.
Einer stieß die Öllampe vor und sengte ihm erbarmungslos die Haare ab, bis es knisterte und der Schmerz unerträglich zu werden begann.
„Malindi, der Frevler, der Räuber und Verräter!“ schrie der Alte mit seiner heiseren Stimme wild. „Er wollte uns die heilige Reliquie noch einmal stehlen.“
Die Empörung bei den Fanatikern war echt. Wieder droschen sie mit den Fäusten auf ihn ein, traten nach ihm, oder zerkratzten ihm das Gesicht, bis er spürte, wie ihm überall das Blut über den Körper rann.
„Er hat die Tätowierung auf dem Kopf!“ rief der Alte. Er sah aus wie der leibhaftige Satan und benahm sich auch so.
„Wir werden ihn töten, denn er hat den größten Frevel aller Zeiten begangen!“ rief der Alte.
„Ich habe euch das Gold besorgt!“ kreischte Malindi. „Dafür könnt ihr neue Tempel bauen.“
„Das Gold ist ein Nichts gegen das Heiligtum“, erklärte der Alte. „Außerdem stammt es aus den Tempeln. Wir aber wollen deinen Kopf, Malindi Rama. Bringt eine Stange.“
Ein dürrer Fanatiker kehrte gleich darauf mit einem langen Ast zurück.
„Spitze ihn an beiden Enden an“, forderte der Alte, „und ramme ihn in den Boden der Lichtung.“
„Nein!“ schrie Malindi wild und unter Schmerzen. „Das dürft ihr mir nicht antun, ich wollte nichts stehlen.“
„Du hast unsere Gottheit beleidigt und gedemütigt, als du in den Tempel einbrachst und den Zahn gestohlen hast. Jetzt wolltest du den nächsten Frevel begehen. Das Maß ist voll, du hast auf dieser Erde nichts mehr zu suchen, Malindi.“
Malindi schrie wieder wie am Spieß – laut und gellend. Doch sein Schrei verhallte im Dschungel, als der andere Mann den angespitzten Stock in den Boden rammte.
Malindi wußte nur zu gut, was das bedeutete. Die Fanatiker bestraften die Frevler immer auf die gleiche Weise.
Sie durchbohrten ihr Herz, und dann schnitten sie ihnen die Köpfe ab und steckten sie auf eine lange Stange.
Noch einmal versuchte er sich herauszureden, Lügen zu erfinden und die Männer zu beschwichtigen.
Aber sie waren so aufgebracht, daß sie nur noch seinen Tod wollten, davon hielt sie nichts mehr ab.
Der bärtige Alte ließ sich von dem Mahaut die lanzenähnliche Waffe geben. Die anderen feuerten ihn unter lautem Kreischen und Brüllen an.
Malindi begann zu wimmern und erneut um sein Leben zu flehen. Er stieß auf taube Ohren, und er wußte auch, daß sie ihn nicht verschonen würden. Dennoch schrie, flehte, drohte und bettelte er.
Die anderen hatten jetzt zwei weitere Ölfunzeln entzündet.
Malindi sah die gnadenlosen, haßerfüllten Gesichter. Sein Blick brannte sich in den kohlschwarzen Augen des Alten fest.
„Tu’s nicht!“ wimmerte er.
Der Alte grinste wie ein Teufel. Die anderen starrten ihn an, um zu sehen, wie ein Frevler starb.
Dann stieß der Alte zu, so erbarmungslos, wie er seine dürren Hände um Malindis Hals gelegt hatte.
Malindi Rama fühlte einen wilden Schmerz, der gerade noch bis in sein Gehirn drang.
Danach wurde es übergangslos schwarz um ihn herum.