Kitabı oku: «Amerika Saga», sayfa 2
Woher Spuyten Duyvil seinen Namen hat
Eine Saga aus New York
Jenes Flussbett, das die äußerste Grenze von Manhattan Island bildet, ist hierzulande unter dem Namen »Spittin' Divvle«, bekannt. Die richtige Bezeichnung hingegen lautet eigentlich »Spuyten Duyvil« und leitet sich von einer Prahlrede her, die ein gewisser Anthony van Colaer zur Zeit der holländischen Kolonie tat.
Dieser furchterregende Ehrenmann, berühmt für seinen buschigen und wildgezwirbelten Schnurrbart, war Trompeter der Garnison von Neu-Amsterdam, das seine Leute gerade für vierundzwanzig Dollar gekauft hatten. Und so laut und schrill stieß er ins Horn, dass bei dem Kampf zwischen Holländern und Indianern in der der Pfirsichplantage an der Dey Street seine Trompetenstöße die Indianer mehr erschreckten als die Flintenschüsse seiner Kameraden. So fanden die Holländer, dass Manhattan wohl allein von Anthony und seiner Trompete bewacht werden könne, denn, so sagten sie sich, solange er zur Stelle war, müsse jedes heranrückende Regiment der Engländer durch den frenetischen Klang seiner Trompete in Taubheit versetzt werden.
Peter Stuyvesant, der Gouverneur von Neu-Amsterdam, bezeugte seine Vorliebe für den Trompeter damit, dass er ihn zum Esquire (also in den niedrigen Adelsstand) erheben ließ. Als der Gouverneur nun die Nachricht vom Heranrücken einer englischen Streitmacht erhielt, die seine unbefestigte Stadt einnehmen wollte, befahl er Anthony, eilig mit seiner Trompete in allen Dörfern am Hudson Kriegsalarm zu blasen. Der neu ernannte Edelmann nahm Hals über Kopf Abschied von den sechs oder acht Damen, die sich seiner Gunst erfreuten, und brach auf: die Trompete auf der einen Seite, eine steinerne Flasche von weit größerem Gewicht auf der anderen Seite
Es war ein stürmischer Abend, und als er am Ende der Insel ankam, lief er eine Weile wütend auf und ab, tat dann einen kräftigen Schluck aus seiner Steinflasche, um sich Mut zu machen, und schwor mit Nachdruck und Pathos, er werde über den Strom schwimmen … dem Teufel zum Trotz.
Er sprang ins Wasser und hatte die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als der Leibhaftige, den man niemals herausfordern soll, in der Gestalt eines riesigen Fisches erschien, der kochendes Wasser ausspuckte und wild mit der Schwanzflosse um sich schlug. Der furchtbare Fisch packte Anthony beim Bein, aber zuvor konnte der Trompeter noch einmal sein Instrument an die Lippen setzen und gleichsam seinen letzten tiefen Seufzer in das Horn hauchen.
Lang und heulend klang der Ton über den Fluss und durch die Wälder. Dann wurde der arme Anthony von dem Seeungeheuer in die Tiefe gezogen. Ein paar Monate soll man noch das Leuchten seiner roten Nase gesehen haben, dann hatte ihn der Teufel für seinen Vorwitz endgültig in die Hölle auf dem Meeresboden verbannt.
Da er nun aber nicht die Männer aus den Dörfern am Hudson mit seiner Trompete herbeirufen konnte, wurden die Holländer in Amerika geschlagen. Die Engländer gewannen Neu-Amsterdam ohne Blutvergießen, und bald flatterte von jenen Türmen, von denen Anthony der untergehenden Sonne sein Trompetensignal nachgeschickt hatte, die Fahne mit dem Kreuz des heiligen Georg.
Die Geschichte von Peter Rugg
Eine Geistergeschichte aus New England
Ich, Jonathan Dunwell, reiste im Jahre 1820 von New York nach Boston. Ich nahm das Paketboot bis Providence, und als ich dort ankam, erfuhr ich, dass alle Plätze in der Kutsche nach Boston schon besetzt waren. Da ich es eilig hatte und nicht warten wollte, nahm ich das Angebot des Kutschers an, neben ihn auf dem Bock mitzufahren. Als wir etwa zwölf Meilen zurückgelegt hatten, legten die Pferde plötzlich ihre Ohren flach an den Kopf und der Kutscher fragte:
»Haben Sie einen Regenmantel mit?«
»Nein«, antwortete ich, »warum auch?«
»Sie werden ihn bald brauchen«, sagte der Kutscher, »haben sie nicht gesehen, wie die Pferde die Ohren anlegten?«
»Freilich«, antwortete ich, »aber ...?« – Ich verstand die Anspielung nicht, denn während wir sprachen, war auch nicht ein einziges Wölkchen am Himmel zu sehen, und die Sonne schien.
Kurz darauf entdeckte ich in der Ferne einen schwarzen Punkt, der schnell näherkam.
»Da, sehen Sie«, sagte der Kutscher, »das ist er ... der Windmacher. Er schleppt immer eine Wolke schottischen Nebels hinter sich her. Ich kenne das schon, bin ihm oft begegnet, und noch jedes Mal bin ich bis auf die Knochen nass geworden.«
In eben diesem Augenblick kam uns ein Wagen entgegen, der von einem schwarzen Pferd gezogen wurde. Auf dem Wagen saßen in einem breiten alten Stuhl ein Mann und ein Kind.
Offenbar hatte der Mann es sehr eilig, denn er trieb das Pferd mit der Peitsche an, und bald war das Fahrzeug hinter uns am Horizont verschwunden. Da aber hoben die Pferde wieder ihre Ohren und liefen ruhig und sicher.
»Wer ist dieser Mann?«, fragte ich den Kutscher, »er fährt ja, als ob der Teufel hinter ihm her sei.«.
»Niemand kennt ihn«, sagte der Kutscher, »aber ich habe ihn und das Kind oft gesehen. Wahrhaftig, mehr als hundertmal bin ich ihm schon begegnet, und immer hat er mich nach dem Weg nach Boston gefragt, selbst wenn er offensichtlich gerade aus Richtung Boston kam. Schließlich ist es mir zu dumm geworden. Ich spreche nicht mehr mit ihm. Deswegen hat er mich auch so sonderbar angeschaut.«
»Hält er denn nirgends an?«
»Immer nur, um nach dem Weg nach Boston zu fragen. Und es mag sein, wo es will, immer wird er hinzufügen, er habe es sehr eilig, denn er müsse noch vor Einbruch der Nacht in Boston sein.«
Die Kutsche fuhr nun den steilen Weg nach Walpole hinauf, und man konnte weit über das Land hinsehen. Immer noch war das Wetter schön, aber der Kutscher meinte:
»Schauen Sie einmal dort hinüber. Ja, in die Richtung, aus der er gekommen ist. Der Windmacher zieht die Stürme hinter sich her. Sie kommen ihm nie entgegen.«
Auf der Höhe angelangt, deutete der Kutscher nach Osten.
»Sehen Sie da die schwarze Wolke. Da braut sich der Sturm zusammen. Vielleicht kommen wir noch bis zu Polleys Rasthaus, ehe es Regen gibt.«
Die schwarze Wolke kam schnell näher, und als sie über uns stand, wurde sie größer und größer, und bald zuckten auch Blitze aus der Wolke hervor. Der Kutscher erklärte mir, wenn man genau hinsehen würde, könne man in jedem Blitz ganz deutlich den Mann auf dem Wagen mit dem schwarzen Pferd erkennen, aber ich hielt das für ein Hirngespinst. Den Blitzen folgten die ersten Regentropfen, und bis wir in Polleys Rasthaus waren, goss es in Strömen. Doch bald war das Gewitter vorüber, und die Regenwolken zogen in Richtung auf Providence ab;
Einige Minuten später fuhr ein gut gekleideter Mann in einem offenen Zweisitzer beim Rasthaus vor, und die anderen Passagiere der Kutsche fragten ihn sogleich, ob er auch dem Mann auf dem Wagen begegnet sei. Er war dem unheimlichen Gefährt begegnet, und der Mann mit dem Kind hatte ihn nach dem Weg nach Boston gefragt.
»Im Augenblick, als er wieder anfuhr«; erklärte der Mann in der Chaise, »war es, als sei sein Wagen gerade von einem Blitzschlag getroffen worden. Ich wollte ihm zu Hilfe eilen, aber sein Pferd machte nur einen gewaltigen Satz und preschte dann mit noch größerer Geschwindigkeit los.«
Während man sich noch unterhielt, kam ein Händler dazu, der mit einem Wagen voll Zinngeschirr umherreiste. Auch ihn fragten die Reisenden, ob er den Mann mit dem Kind und dem schwarzen Pferd getroffen habe.
»Ja«, sagte der Händler, in den letzten vierzehn Tagen sei er ihm in vier verschiedenen Staaten begegnet. Jedes Mal habe er sich nach dem Weg nach Boston erkundigt und immer sei dann ein Gewitterregen gekommen, der seine Waren fast vom Karren gespült habe. Das Sonderbarste aber sei, dass, lange ehe er den Mann mit dem Wagen getroffen habe, sein Pferd sich nicht mehr von der Stelle gerührt habe und zitternd mit angelegten Ohren mitten auf der Straße stehen geblieben sei. »Alles in allem«, sagte der Händler, »habe ich nicht die mindeste Lust, diesem Burschen noch einmal zu begegnen. Er und sein Gespann sind mir nicht recht geheuer.«
Das war alles, was ich über den Mann mit dem schwarzen Pferd in Erfahrung bringen konnte.
Drei Jahre später aber hielt ich mich in Hartford auf und wohnte im Bennet-Hotel. Da hörte ich einen Mann neben mir sagen:
»Da geht Peter Rugg mit seinem Kind. Der Arme ist ganz durchnässt und weiter fort von Boston als je zuvor.«
»Peter Rugg!«, sagte ich, »wer ist Peter Rugg?«
»Ja«, sagte der Mann neben mir, »wenn man das so genau wüsste. Er ist ein berühmter Reisender. Die Wirte aber sehen ihn nicht allzu gern, denn er hält nie an, um zu essen oder zu trinken. Ich frage mich, warum ihn die Regierung nicht als Postreiter beschäftigt.«
»Ha«, sagte ein anderer Mann, der dabeistand, »das hört sich gut an, aber wie lange würde wohl ein Brief nach Boston brauchen, wenn man ihn Peter Rugg mitgeben würde! Seit zwanzig Jahren ist er nach Boston unterwegs!«
»Aber«, so fragte ich wieder verwundert, »macht dieser Mann denn nirgends Rast? Spricht er nie mit jemandem? Ich bin ihm schon einmal vor drei Jahren in der Nähe von Providence begegnet und hörte schon damals allerlei seltsame Geschichten über ihn. Bitte mein Herr, sagen Sie mir, was sie von ihm wissen.«
»Sir«, antwortete der Mann, »wer über diesen Fall etwas weiß, der schweigt … aus Respekt. Ich kann Ihnen nur soviel sagen: Auf diesem Mann ruht ein Fluch des Himmels. Ich bedauere ihn.«
»Sie sprechen sehr verständnisvoll«, sagte ich, »aber wenn Sie ihn schon so lange kennen, so sagen Sie mir doch bitte wenigstens, ob sich sein Aussehen in all den Jahren verändert hat?«
»Nun ja. Er sieht verhungert aus, und sein Kind sieht fast älter aus als er selbst. Man könnte auch sagen, er sieht aus wie ein Stück Ewigkeit oder als ob es ihn sehr nach einem ruhigen Ort verlange, wo er sein müdes Haupt zur ruhe betten kann.«
»Und wie sieht sein Pferd aus?«
»Es ist besser in Schuss. Es wirkt lustiger und zeigt mehr Feuer und Lebhaftigkeit als vor zwanzig Jahren. Das letzte Mal, als ich mit Rugg sprach, fragte er mich, wie weit es nach Boston sei. Ich antwortete ihm, es seien genau hundert Meilen. ›Ach‹, antwortete er mir, ›warum lügen Sie? Es ist grausam, einen Reisenden hinter das Licht zu führen. Bitte sagen Sie mir den nächsten Weg nach Boston!‹
Ich wiederholte, es seien hundert Meilen. ›Wie kann das sein‹, sagte er? Ich habe gestern Abend gefragt, und da waren es nur fünfzig Meilen. Ich bin die ganze Nacht gereist, und nun sollen es hundert sein?« – ›Ja‹, sagte ich, ›Sie sind in die falsche Richtung gereist. Sie müssen umkehren.‹ – ›Ach‹, sagte er, ›immer umkehren. Boston fährt um wie der Wind. Mal liegt es hier und mal dort auf dem Kompass. Einer sagt mir, es liege im Osten, ein anderer sagt mir, es liege im Westen, und selbst die Wegweiser sind alle falsch.‹ – ›Aber wollen sie nicht rasten‹, fragte ich ihn, ›Sie müssen doch müde sein, und durchnässt sind sie auch!‹ – ›Ja‹, sagte er, ›seitdem ich von zu Hause fort bin, war immer schlechtes Wetter.‹ – ›Dann warten Sie doch, und ruhen Sie sich aus‹ – ›Ich kann nicht. Ich muss noch vor Einbruch der Nacht daheim sein. Ich bin sicher, Sie irren sich, wenn Sie sagen, es sind noch hundert Meilen.‹ Dann gab er seinem Pferd die Zügel und war im Augenblick verschwunden.«
»Ist Peter Rugg sein richtiger Name oder hat er ihn nur angenommen?«, fragte ich.
»Ich glaube, es ist sein richtiger Name. Warum sollte er seinen wahren Namen verleugnen? Wenn Sie ihn das nächste Mal sehen, können Sie ihn ja fragen.«
Und nun geschah das Allerunheimlichste. Ich drehte mich um, und was sah ich? Über die Straße fuhr ein Wagen, gezogen von einem schwarzen Pferd, und er wäre wohl eilig weitergefahren, hätte ich nicht mich ihm in den Weg gestellt und gesagt:
»Sir, darf ich Sie ansprechen! Ich glaube, Ihr Name ist Peter Rugg. Wir sind uns schon mehrere Male begegnet, und gerade habe ich mich mit einem anderen Herren über Sie unterhalten … und nun kommen Sie plötzlich selbst daher.«
»Mein Name ist Peter Rugg«, antwortete der Mann auf seinem Wagen geistesabwesend, »ich habe mich verirrt. Ich bin müde und meine Kleider sind durchnässt. Würden Sie die Freundlichkeit haben, mir zu sagen, wie ich auf dem schnellsten weg nach Boston komme?«
»Wohnen Sie in Boston? In welcher Straße, bitte?«
»In der Middle Street«
»Wie lange sind Sie schon aus Boston fort?«
»Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Jedenfalls ist es lange her.«
»Aber wie kommt es, dass Sie und das Kind ganz nasse Kleider haben? Es hat hier den ganzen Tag keinen Tropfen geregnet!«
»Aber flussaufwärts regnet es stark. Jetzt muss ich weiter. Wenn ich mich noch länger aufhalten lasse, komme ich heute nicht mehr nach Boston. Was würden Sie mir raten … soll ich die alte Straße fahren oder die Chaussee?«
»Nun, über die alte Straße sind es 117 Meilen, auf der Chaussee aber nur 97.«
»Das stimmt nicht. Ich weiß genau, es sind nur 40 Meilen von Newburyport nach Boston.«
»Aber wir sind hier nicht in Newburyport, sondern in Hartford.«
»Lügen Sie nicht. Dies hier ist Newburyport, und der Fluss, dem ich gefolgt bin, ist der Merrimac.«
»Keineswegs. Wir sind in Hartford, und der Fluss hier ist der Connecticut.«
Er sah mich ungläubig an und sagte dann:
»Nun verändert man auch noch den Lauf der Flüsse. Die Städte stehen schon längst nicht mehr, wo sie einst gestanden haben. Aber sehen Sie doch, im Süden ziehen Wolken auf. Wir werden heute Nacht Regen bekommen. Ach, dieser furchtbare Eid.«
Es hielt ihn nicht länger. Er trieb das schwarze Pferd an, und im Hui war er davon.
Es wird verständlich erscheinen, dass mich nun das Geheimnis des Peter Rugg nicht mehr losließ. Bei meinem nächsten Besuch in Boston beschloss ich, weitere Erkundigungen einzuziehen. Mrs. Croft, eine alte Dame, die in der Middle Street wohnt, erzählte mir:
»Im letzten Sommer hielt gegen Abend vor der Tür der verstorbenen Mrs. Rugg ein Wagen, der von einem schwarzen Pferd gezogen wurde. Auf dem Bock saß ein Fremder, der ein Kind bei sich hatte. Der Fremde fragte mich nach Mrs. Rugg, und ich sagte ihm, diese Dame sei vor zwanzig Jahren gestorben. Der Fremde entgegnete, das sei nicht möglich. Ich solle ihn nicht täuschen und Mrs. Rugg herausrufen. Ich versicherte ihm noch einmal, dass Mrs. Rugg nun an die neunzehn Jahre tot sei und in diesem Haus niemand außer mir selbst lebe. Der Fremde schwieg eine Weile, sah sich um und meinte dann, es habe sich in der Straße manches verändert, aber dies sei das Haus, das er suche. Dann fragte er mich, ob ein gewisser John Foy von See zurückgekommen sei. Das sei ein Verwandter, der vielleicht sagen könne, was aus Mrs. Rugg geworden sei. Ich fragte den Fremden, wo denn dieser Mr. Foy wohne, und er nannte mir den Namen einer Straße, die es überhaupt nicht gibt. Wir redeten dann noch eine Weile und immer wieder nannte der Fremde Namen von Straßen und Plätzen, die ich nie zuvor gehört hatte. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, wurde er ganz verwirrt, dachte einen Augenblick nach und sagte dann, er müsse sich wohl getäuscht haben. Dies sei gar nicht die Stadt Boston. Er murmelte dann noch etwas wie ›wieder keine Ruhe heute Nacht‹ und fuhr davon.«
Das war alles, was Mrs. Croft wusste, aber sie verwies mich an einen älteren Mann, der Mr. James Feit hieß. Er wohnte nur ein paar Häuser entfernt und war dafür bekannt, sich an alle Ereignisse, die in den letzten fünfzig Jahren in der Nachbarschaft passiert waren, genau erinnern zu können.
Mr. Feit erzählte mir, er habe Rugg in seiner Jugend gekannt, ja, und sein Verschwinden damals habe einiges Aufsehen erregt, aber schließlich sei es auch wiederum nicht so ungewöhnlich, dass Männer einfach weglaufen. Entweder, weil sie mit sich selbst nicht zu Rande kommen, oder aber, weil sie mit irgendeinem anderen Menschen nicht länger zusammenleben wollen, manchmal auch, weil sie Schulden haben. Aber Rugg habe ja sein Kind mitgenommen, sein eigenes Pferd und einen breiten Stuhl, auch könne nicht die Rede davon sein, dass er etwa von seinen Gläubigern bedrängt worden sei.
»Ja«, sagte Mr. Feit, »das. ist schon recht sonderbar. Aber wissen Sie, zu meinen Zeiten passierten noch ganz andere Dinge, ohne dass man je in der Zeitung ein Wort darüber gelesen hätte.«
»Mein Herr«, sagte ich erregt, »Peter Rugg lebt. Ich habe ihn selbst mit Pferd, Stuhl, Kind und Wagen gesehen. Deshalb bitte ich Sie, mir alles zu erzählen,was Sie wissen.«
»Nun, mein Freund«, sagte James Feit, »dass Peter Rugg noch lebt, will ich nicht leugnen, aber dass Sie Peter Rugg, mit seinem Kind zusammen gesehen haben, halte ich für ausgeschlossen, wenn Sie dabei an ein kleines Kind denken. Denn: Jenny Rugg, lassen Sie mich nachdenken ... nun, sie wird damals etwa zehn Jahre alt gewesen sein. Wenn sie heute noch lebte, wäre sie sechzig. Peter Rugg aber wäre dann neunzig. Er war zehn Jahre jünger als ich.«
Mehr wusste nun auch der gute Mr. Feit nicht zu sagen. Ich verabschiedete mich und lief zum Malborough-Hotel zurück, wo ich Quartier bezogen hatte.
Wenn Peter Rugg seit dreißig Jahren reiste, so überlegte ich mir, warum sollte er nicht bis zum Ende aller Zeiten reisen. Wenn die gegenwärtig lebende Generation wenig von ihm wusste, so sagte ich mir weiter, so würde schon die nächste Generation nichts mehr über ihn wissen. Was würde dann aus dem armen Peter und seinem Kind werden?
Am Abend erzählte ich im Freundeskreis mein Abenteuer in der Middle Street.
»Ha!«, sagte einer der Männer aus der Runde, »glauben Sie wirklich Peter Rugg gesehen zu haben? Ich habe meinen Großvater von diesem Mann erzählen hören.«
»Gut«, sagte ich, »dann lassen Sie uns die Geschichte, die Sie von Ihrem Großvater wissen, einmal hören, damit ich sie mit meinen eigenen Erlebnissen und Erkundigungen vergleichen kann.«
»Peter Rugg«, so begann er, »lebte, wenn man meinem Großvater glauben darf, in dieser Stadt in der Middle Street. Er war wohlhabend, hatte Frau und Kinder, und sein Lebenswandel war einwandfrei. Nur spielte ihm von Zeit zu Zeit sein aufbrausendes Temperament einen Streich. Dann fluchte er, schimpfte und hätte am liebsten Türen und Fenster zertrümmert. Ja man sagt sogar, dass ihm bei solchen Zornesausbrüchen die Haare zu Berge standen, so sehr konnte er sich erregen. Überkam ihn ein solcher Wutanfall, so hatte er vor nichts Respekt, er verhöhnte dann alles auf der Erde und im Himmel. Von dieser Eigenart abgesehen wär er ein guter und rechtschaffener Mann.
Es war spät im Herbst, als eines Tages Rugg mit seiner Tochter in einem Wagen über Land fuhr. Auf dem Rückweg wurde er von einem furchtbaren Sturm überrascht. Er hielt in West Cambridge an und suchte dort einen alten Freund, einen gewissen Mr. Cutter, auf, der ihn einlud, doch über Nacht da zu bleiben. Aber Rugg lehnte dieses Angebot ab. Mr. Cutter drängte ihn. Er sagte: ›Sehen Sie doch, wie es stürmt, es ist schon dunkel, Ihre Tochter wird sich fürchten, und das Unwetter wird immer schlimmer.‹ – ›Mag es noch schlimmer werden‹, sagte Rugg zornig, ›ich komme heim, trotz des Gewitters. Das wäre ja gelacht. Wollen doch sehen, ob mich das Wetter daran hindern kann. Entweder ich schaffe es auch bei diesem Gewitter, oder ich will nie mehr heimkommen.‹ Bei diesen Worten schlug er mit der Peitsche auf das Pferd ein und war im nächsten Augenblick in der Dunkelheit verschwunden. Aber er kam nicht zu Hause an, weder in dieser Nacht noch in der nächsten, noch wurde von ihm, als man ihn zu suchen begann, irgendeine Spur gefunden. Lange Zeit hörte seine Frau in stürmischen Nächten Peitschengeknall und das Rattern von Wagenrädern vor dem Fenster. Auch die Nachbarn hörten solche Geräusche, und so kam es dahin, dass sie nachts aufpassten und mit Laternen hinaus rannten. Und was sahen sie? Peter Rugg, neben sich das Kind, fuhr mit seinem Wagen in rasender Fahrt an seinem eigenen Haus vorbei und vergeblich versuchte er das Pferd vor dem Wagen zu zügeln! Am nächsten Tag zogen Freunde der Familie aus, um den verlorengegangenen Mann zu suchen. Sie fragten in allen Schänken und in allen Ställen der Stadt, fanden aber nirgends eine Spur. Mit der Zeit wurde Rugg mit seinem Kind, dem Stuhl und dem schwarzen Pferd vergessen. Erst als wieder Gerüchte aufkamen, man habe Rugg mit seinem Gefährt auf der Straße zwischen Suffield und Hartford gesehen, stellten seine Freunde weitere Nachforschungen an. Aber je mehr sie suchten, fragten und forschten, um so mehr verwirrte sich die ganze Geschichte. Einmal sollte Rugg in Connecticut gesehen worden sein, den nächsten Tag wieder in New Hampshire, wieder ein anderes Mal hatte in Rhode Island ein Mann mit einem Kind nach dem Weg nach Boston gefragt. Was aber die Angelegenheit endgültig in ein geheimnisvolles Licht tauchte, war der Vorfall bei Charlestown Bridge.
Der Zolleinnehmer berichtete, dass dort in sehr dunklen und stürmischen Nächten, in denen man die Hand vor den Augen nicht erkennen konnte, ein Gespann in rasender Fahrt, ohne anzuhalten, über die Brücke rollte. Das geschah so häufig, dass der Zolleinnehmer der Sache auf den Grund zu gehen beschloss. Er versteckte sich gegen Mitternacht hinter einem Pfeiler etwa in der Mitte der Brücke, und tatsächlich hörte er bald ein klapperndes Gefährt in großer Geschwindigkeit über die Brücke fahren. Als es heran war, sprang er aus seinem Versteck hervor und warf einen dreibeinigen Schemel nach dem Pferd, aber nichts geschah. Nur das Aufschlagen des Schemels auf das gegenüberliegende Brückengeländer war zu hören. Der Zolleinnehmer glaubt sicher sagen zu können, dass der Schemel durch den Körper des Pferdes hindurch geflogen ist. Ob Peter Rugg auf diesem Gefährt saß, vermochte der Zolleinnehmer nicht mit Sicherheit auszumachen, und immer, wenn ihn jemand fragte, winkte er bald ab und wollte nicht mehr davon reden. So aber bleibt Peter Rugg, sein Kind, sein Pferd und sein Wägen ein Geheimnis bis auf unsere Tage.«
Dies war es, was einer der Männer aus der Runde zu sagen wusste, und mehr habe auch ich über den geheimnisvollen Peter Rugg aus Boston nicht in Erfahrung bringen können.