Kitabı oku: «Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43», sayfa 6
Das Wetter diente auch gerade nicht dazu, den Aufenthalt im Freien angenehm zu machen; ich war noch zu kurze Zeit daran gewöhnt. Dann und wann traf ich allerdings mit Landsleuten zusammen, bei denen ich übernachtete. Die Beschreibung, die mir aber diese von einem kanadischen Winter gaben, war ebenfalls nicht verlockend, und ich beschloss, ehe ich am Ende hier oben festschneite, diesem auszuweichen.
Diesen Entschluss auszuführen, schlug ich eine südliche Richtung ein, dem Ontariosee wieder zu, wo ich, wie mir gesagt wurde, die Straße nach Buffalo erreichen würde.
Hier im Walde sollte ich auch ein für mich mit keinem Erfolg gekröntes Abenteuer haben. Ich sah nämlich, meiner Richtung in einem kleinen Fuß- oder Kuhpfad folgend, plötzlich sieben Wölfe in einer Entfernung von ungefähr 70 Schritten vor mir stehen. Ohne mich zu besinnen, drückte ich mich leise in den Schnee, um eine Kugel in den einen Lauf meines Gewehres zu laden, da ich fürchtete, mit bloßem Schrot nichts auszurichten; doch als ich aufstand, hatten die Wölfe sich empfohlen und ließen mir das leere Nachsehen. Ich war außer mir.
Da sie südöstlich entflohen waren, hatte ich Lust, ihnen nachzugehen, um den Skalp eines solchen Raubtieres – die Regierung hatte 5 Dollars Prämie auf einen Wolfsskalp gesetzt – zu erlangen; wie sich die Sonne aber dem Untergange zuneigte, gab ich die Verfolgung auf.
Die Kanadier behaupten, dass die dortigen Wölfe, als zuerst von den Ansiedlern Schafe eingeführt wurden, sich vor diesen so gefürchtet hätten, dass sie ihnen gar nicht in die Nähe gekommen wären. Nur erst mit der Zeit gewöhnten sie sich an die neuen, wunderlichen Tiere, aber freilich sehr zu deren Schaden, denn kaum hatten sie das erste von ihnen gekostet, als ihnen das Fleisch ausgezeichnet schmeckte und sie nun nicht unbedeutende Verwüstungen in den Herden anrichteten.
Außerdem wird noch dem kanadischen Wolf – ich weiß nicht ob mit Recht oder Unrecht – nacherzählt, dass sein Biss schon tödlich sei, und angerissene Schafe oder Hunde, selbst wenn die Verwundung sonst keineswegs tödlich wäre, derselben erliegen müssten.
Den Tag über hatte ich wohl mehrere Hirsche gesehen, war aber nicht imstande gewesen, an einen in Schussnähe anzuschleichen, und musste mich zuletzt mit einem mir über den Weg laufenden Kaninchen begnügen.
An das Auffinden eines Hauses war übrigens diesen Abend nicht mehr zu denken, da ich mich nicht einmal mehr auf einem Waldwege, sondern im wahren Sinne des Wortes „im Holze“ befand. Ich schleppte daher vor einbrechender Dunkelheit so viel Holz, wie ich nur in der Nähe finden konnte, zusammen, räumte den Schnee vor einem trockenen, umgestürzten Stamme hinweg und zündete unter demselben ein Feuer an, das bald fröhlich in die Höhe flackerte.
Als ich mich gehörig erwärmt hatte, machte ich mich daran, mein Häschen auszuweiden und zu braten, was mit gar wenigen Umständen verknüpft war. Ich reinigte es mit Schnee, so gut ich konnte, und steckte es auf einen Stock, gerade zum Feuer, indem ich ein Stück Baumrinde unterlegte, um das ausbratende Fett aufzufangen und wieder überzugießen. Zwar vermisste ich Salz und Brot sehr, aber der Hunger ist ein gar vorzüglicher Koch. Die beiden Hinterkeulen, die ich zum Frühstück bestimmt hatte, abgerechnet, verspeiste ich den ganzen Braten. Als dies überstanden war, vergrößerte ich mein Feuer, und den Jagdranzen unter dem Kopfe, die Pelzmütze über die Ohren gezogen und die Füße dem Feuer zugekehrt, bereitete ich mich, in Amerika zum ersten Mal eine Nacht im Freien zuzubringen.
Ich schlief gar bald ein, und zwar so fest, dass mich erst die scharfe Morgenluft erweckte. Mein Feuer war niedergebrannt, und der Frost schüttelte mir die erstarrten Glieder. Kaum konnte ich das Feuer wieder anblasen, so zitterte ich; endlich gelang es, und nach und nach tauten meine starren Glieder wieder auf.
Die Morgensonne fand mich schon in die Betrachtung meiner beiden Hasenkeulen vertieft, die ich so lange beschaute, bis ich die Knochen derselben sehen konnte.
Als ich mich gehörig gepflegt hatte, setzte ich, neu gestärkt, meinen Marsch gen Süden fort, und ungefähr gegen zehn Uhr zeigte mir das Krähen eines Haushahnes an, dass ich mich nicht weit von einer menschlichen Wohnung befinden müsse. – Mit langen Schritten marschierte ich darauf zu, und bald begrüßte mich das Gebell einer Meute Hunde.
Der Besitzer des Hauses war im Walde, um Holz zu hauen und „Fenzriegel zu reißen“.
(Fenzriegel sind die langen Stangen, die aufeinander gelegt werden, um die Felder einzuzäunen. Die Einfriedigung selber wird Fenz genannt.)
Die Frau, eine nette Amerikanerin, setzte mir freundlich Milch und Brot vor und versicherte mir, ich könne höchstens 20 Meilen von der Straße nach Buffalo entfernt sein und würde, käme ich etwas weiter südlich, ziemlich viele Farmhäuser antreffen. Geld wollte sie auf keinen Fall für die Erfrischung annehmen, und mit einem herzlichen Dank mich durch die Legion Hunde durcharbeitend, wanderte ich fröhlich weiter, dass der kanadische Wald von deutschen Liedern erschallte.
Am anderen Morgen erreichte ich endlich die gebahnte, von einer Art Postkutsche befahrene Straße nach Buffalo, die sich fortwährend durch Farmen hinzog. Ich war wieder in den kultivierten Teil des Landes zurückgekehrt. Der Landmann baut hier sehr viel Weizen, der vorzüglich gerät, auch Hafer und Gerste, besonders aber Welschkorn, das jedoch im Norden nicht die Vollkommenheit erreichen soll als im Süden. Die Kolben waren klein, und das meiste, welches ich sah, hatte gelbe Körner.
Ungefähr 30 Meilen vor der Stadt holte ich einen Viehhändler aus den Vereinigten Staaten ein, der wieder dahin zurückkehrte. Er war ein freundlicher Mann, und ich beschloss, der Geselligkeit wegen, die dreißig Meilen bis Buffalo mit ihm zurückzulegen. Wir wurden auch sehr bald bekannt mit einander. Er trieb zwei ungeheuer fette Ochsen aus Kanada heim nach den Vereinigten Staaten und ritt dabei ein schrecklich mageres Pferd. Nichtsdestoweniger lud er mich sehr gastlich ein, seine Rosinante abwechselnd mit ihm zu teilen, da er selber gern ein wenig gehen wolle.
Das Reiten wäre nun schon nicht übel gewesen, denn es regnete fein und durchdringend und die Wege waren sehr schlüpfrig geworden, wenn nur der gute Mann nicht das Pferd, auf dem ich ritt, jedem ihm Begegnenden angeboten hätte und sogar willens gewesen wäre, es für zwei Kühe in Tausch zu geben. Es muss wirklich manchmal komisch genug ausgesehen haben, wenn das traurige Tier, auf dem ich ritt, solcher Art den Vorüberziehenden oder uns Begegnenden „spottbillig“ angeboten wurde.
Wenn er sich müde gelaufen hatte, stieg er auf, und ich ging. Er hatte dabei ein Buch mit irgendeinem ungemein rührenden Trauerspiel in der Tasche, und jedes Mal, wenn er sich in seinem Sattel festgesetzt hatte, nahm er es heraus und fing an zu deklamieren, indem er mit der linken Hand das Buch hielt und mit der rechten, in der er zugleich die lange Ochsenpeitsche führte, gewaltig gestikulierte. Bei jeder etwas starken Bewegung, welche die Kraftstellen des Trauerspiels mit sich brachten, die er mit dem rechten Arme und dadurch mit der für die Ochsen so unheilbringenden Peitsche machte, wichen diese, welche die Geißel immer im Auge behielten, scheu zurück, und nur ein den pathetischen Ton öfters sehr prosaisch unterbrechendes „Schü Bock – Oh! Oh!“ brachte die gehörnten „Zuhörer wider Willen“ zu ihrer Pflicht zurück.
Den 11. November abends kam ich zum zweiten Mal zum Niagarafall und konnte seine Pracht und Größe nun auch von der kanadischen Seite bewundern.
Von da wand sich der Weg am Niagaraflusse hinauf dem Eriesee zu. Herrlich ist dieser Weg zu reisen; die Straße schön und trocken, links der prächtige breite, durch den dunkeln Urwald beschattete Niagarafluss, rechts eine blühende Farm neben der anderen mit den schönsten Apfelgärten – es ist ein Anblick zum Bezaubern. Die Strecke, die wir auf diese Art zurücklegten, kam mir nur wie wenige Schritte vor. Einige Meilen von Buffalo entfernt, setzten wir auf einer von Pferden getriebenen Fähre über den Niagara und waren wieder in den United States.
Was ich von Kanada gesehen habe, zeigte mir, dass es, wenigstens in diesen Teilen, ein schönes, fruchtbares Land von gesundem, wenngleich sehr kaltem Klima sei. Eben dieser strengen Kälte wegen möchte ich aber auch Kanada, nicht einmal das am südlichsten gelegene Oberkanada, nie zum Wohnsitze wählen.
Das Land bringt herrliches Getreide hervor, doch ist mit der Schaf- und Schweinezucht in den nicht dicht bewohnten Gegenden wenig zu machen, da die zahlreichen Wölfe dem Vieh sehr nachstellen, wenn sich die Farmer eben nicht dazu bequemen, etwas mehr auf ihr Vieh acht zu haben, als es nur draußen im Freien herumlaufen zu lassen.
Es war Sonntagnachmittag, als ich in die Gaststube des „William Tell“ in Buffalo eintrat und mich, um etwas auszuruhen, in einen Winkel setzte. Die Augen der achtbaren deutschen Handwerker, die gerade im hitzigsten Politisieren begriffen waren, richteten sich zwar im Anfange erstaunt auf den bewaffneten Fremdling, doch bald wieder eifrig ihr Thema verfolgend, vergaßen die Leute bald alle Zuhörer, und ich glaube, es wäre nach deutscher Sitte zu „Schemelbeinen“ gekommen, wenn nicht der Wirt, eine kleine runde Gestalt, sich zwischen sie gerollt und den Frieden mit den versöhnenden Worten: „Ihr seid alle miteinander so dumm wie die Stockfische“ wieder hergestellt hätte. In diesen Worten schien die Gleichheit der Personen anerkannt, und die Gemüter beruhigten sich.
Es war aber auch keine Kleinigkeit, um die sie sich stritten, denn der eine Gast, ein ehrbarer Schuhmacher, wollte auf keinen Fall zugeben, dass „der Engländer“, wegen der damals schon gärenden Unruhen in Kanada, Militär über den Ozean schicken könne, da „der Russe“ ihm so hart auf dem Halse sitze. Ein Schreiner, der ihm gegenüber saß, behauptete dagegen, dass Russland viel zu weit von England entfernt sei, um mit ihm so schnell Krieg anfangen zu können. Da kam er aber schön an, denn der Schumacher bewies ihm haarklein, dass Russland dicht an England grenze – von oben, im Norden – und nur eine breite Strecke Sand zwischen beiden „Fürstentümern“ liege, so dass der Schreiner, vor lauter Verwunderung über seinen gelehrten Widersacher, still schwieg. Doch gab der Schuhmacher zu, dass der Marsch von Russland nach England sehr beschwerlich wäre, da die Soldaten oft bis unter die Arme im Sande waten müssten.
Was der gute Mann für Begriffe von einem solchen Marsche im Sande hatte, oder von woher überhaupt seine geographischen Kenntnisse stammten, kann ich nicht sagen, doch amüsierte mich der Streit sehr. Als mich daher der Schuhmacher um meine Meinung fragte, gab ich ihm natürlich recht, erzählte ihm auch, dass der Russe beabsichtige, Bärenfelle über den Sand zu breiten, um seiner Armee den Übergang zu erleichtern, worüber er ganz erstaunt äußerte: „Es sind doch verzweifelte Kerls!“ – Darüber sind jetzt achtzehn Jahre verflossen.
Den anderen Morgen war ich früh auf den Beinen und beschaute die Stadt ein wenig. Es ist schon ein recht hübscher Platz, wo sehr viele Deutsche wohnen, und muss einst, was es teilweise schon jetzt ist, der Mittelpunkt des nordischen Binnenhandels werden. Eisenbahnen, Kanäle, Dampfboote und Segelschiffe wetteifern miteinander, die Waren und Erzeugnisse zu bringen oder zu holen.
Gegen Mittag ging das Dampfboot „NORTH AMERICA“ nach Cleveland in Ohio ab und ich mit ihm. Eine ungeheure Menge von Passagieren stopfte den „sterage room“, und kaum war es möglich darin auszuhalten, da besonders noch eine Anzahl irländischer und amerikanischer alter Frauen ihre kleinen Pfeifenstummel im Munde hatten und mit den Männern um die Wette qualmten. Aber, lieber Gott, was nahm das für ein schmähliches und rasches Ende!
Der Eriesee, von einem frischen Winde gepeitscht, warf gewaltige Wellen, und das Dampfboot fing bedeutend an zu schwanken. Eine Pfeife nach der anderen wurde da schweigend weggelegt, und die Gesichter verlängerten sich und erblässten auf eine gar verdächtige Weise. Ich bemerkte mit Entsetzen diese Veränderung und flüchtete in einen der obersten Schlafräume – es waren derer drei übereinander –, um außer Schussweite zu sein. Der Erfolg lehrte denn auch, wie richtig ich gerechnet, denn kaum hatte ich mein hohes Lager eingenommen, so ging die Geschichte unten los und artete bald in richtige Seekrankheit aus. So komisch es anzusehen war, so ekelhaft war es, doch lag ich wenigstens in Sicherheit. Ganz besonderen Spaß machte mir ein Liebespärchen, das gleich vom Anfang der Reise mit einander gekost und geherzt hatte. Plötzlich wurde ihr schlecht und ihm nicht viel besser. Sie setzte sich darauf ihm auf den schoss und lehnte ihr Haupt an seine Stirn, und sein Gesicht wurde immer blasser, immer länger, seine Nase spitzer, seine Augen glasiger, bis von beiden fast zugleich der furchtbare Ausbruch erfolgte. Dicht vor ihnen hatte dabei eine Irländerin aus der untersten Volksklasse, den Pfeifenstummel im Munde und mit einem gewissen trotzigen devil may care Zug um den Mund, gesessen und die Gruppen um sich her etwa mit einem Gesicht angesehen, als ob sie hätte sagen wollen: „Untersteht ‘s euch und werdet seekrank, erbärmliches Volk, das ihr seid!“ Sie hielt dabei ein kleines Kind auf dem Schoße; dies forderte indessen plötzlich ihre ganze Aufmerksamkeit, und sie hatte das kleine Persönchen eben wieder vollständig gereinigt und sauber poliert, als der vorerwähnte Ausbruch dem kleinen Staatsbürger von unbewachter Seite wieder alles – und zwar ohne dessen Verschulden – verdarb. Der Grimm der Alten war furchtbar.
Den 14. November endlich, abends, erreichten wir Cleveland. Es war stockfinster, und ich stand in der Tat etwas verlegen am Ufer, da ich nicht wusste, wo ich für die Nacht ein Unterkommen finden sollte. Ein junger Deutscher, der mich beim Schein einer Laterne an den Kleidern für einen Landsmann erkannte, fragte mich, ob ich die Nacht über bei Deutschen bleiben wolle. Auf meine Bejahung führte er mich einige hundert Schritte weit in ein deutsches Gasthaus, wo ich sehr bald zu Bette ging.
Die Betten in Amerika sind fast alle zweischläfrig, d. h. so breit, dass drei Mann sehr bequem darin Platz haben; ich habe auch schon als der vierte in solchem Bette geschlafen.
Es ist das nämlich eine höchst fatale Gewohnheit der amerikanischen Gasthäuser, ihre Fremdenbetten immer gleich auf wenigstens zwei Schläfer berechnet zu haben, und man wird da, selbst in den besseren, sehr häufig mit Leuten zusammengeworfen, deren so unmittelbare Nähe einem gerade nichts weniger als angenehm ist. Man gewöhnt sich zuletzt freilich an alles.
In diesen „Tummelplatz des Traumes“, wie es einige Amerikaner nennen, wies mich ein kleiner buckliger Junge, und auf meine Frage, ob ich „allein darin schlafen“ würde, erwiderte er mir, dass wohl noch ein Fremder mit der Postkutsche kommen könnte.
Gegen Mitternacht ungefähr weckte mich Geräusch. Ich dachte bei mir: „Aha, da kommt dein Fremder“, und da ich mich noch nicht an diese amerikanische Sitte gewöhnt hatte, interessierte es mich doch ein wenig, zu sehen, wer denn eigentlich mein Schlafkamerad sein würde.
Den Kopf wendend, hatte ich indes die ungeheure Freude zu bemerken, dass ein Schwarzer, ein pechschwarzer Kerl, sich eben fertig machte, seine Ebenholzglieder zu mir ins Bett zu legen. Ich rückte auf die äußerste Bettkante und ließ dem Sohne der Finsternis zwei Dritteile des breiten Ruhelagers.
Ich war damals noch zu unbekannt mit den amerikanischen Gebräuchen; wäre mir dieses Abenteuer aber später passiert, so hätte der gute Wirt keinen ganzen Knochen im Leibe behalten.
So sehr ich nämlich auch diesem amerikanischen Vorurteil, die Schwarzen als eine vollkommen untergeordnete Rasse zu betrachten, entgegen bin, so war es doch von dem Wirt, der die Landessitte kannte, eine nichtswürdige Frechheit, mir solchen Schlafkameraden zu schicken, und er hatte es auch jedenfalls nur getan, weil er gemerkt haben mochte, dass ich erst ganz kürzlich von Deutschland gekommen war, und dabei voraussetzte, ich kenne die hiesigen Vorurteile und Sitten noch nicht.
Von Cleveland aus wanderte ich ein Stück Wegs am Kanal hinunter, der bis Portsmouth am Ohio-Fluss geht, nach einem kleinen Städtchen Canton, um dort meinen Schiffskameraden, den Apotheker Vogel, aufzusuchen.
Ich schoss diesen Tag im Kanal mehrere wilde Enten, auch einige Kaninchen am Wege, und blieb die Nacht über bei Amerikanern, die mich freundlich aufnahmen.
Gar sehr amüsierte mich dort ein deutsches Mädchen, das bei den Amerikanern diente, aber erst wenige Monate in der neuen Heimat war und noch sehr wenig Englisch verstand. Doch sprach sie Plattdeutsch und die Amerikaner Englisch, so dass beide Teile einander genug verstanden, um wenigstens zu wissen, was sie eigentlich voneinander wollten, und sich vortrefflich vertrugen.
Am 17. November erreichte ich endlich die kleine Stadt Canton, einen freundlichen Flecken mitten im Holze mit einigen recht hübschen und geschmackvollen Gebäuden.
Meinen Freund fand ich zwar nicht, hörte jedoch, dass er sich in Cincinnati aufhalte, und da ich ohnehin Cincinnati gern sehen wollte, beschloss ich, ihn dort aufzusuchen. Da ich weiter keine Geschäfte in Canton hatte, setzte ich noch denselben Abend meinen Wanderstab weiter. Was lag daran, wohin ich zog?
Ich hatte jetzt den Staat Ohio betreten und fand mich gleich vom ersten Tag an in einem weit mehr angebauten Lande als Kanada. Fast den ganzen Tag marschierte ich zwischen eingefenzten und bebauten Feldern hin, und fast jede halbe Stunde fand ich ein bald größeres, bald kleineres Farmhaus. An vielen Stellen verriet sich auch sehr deutlich deutscher Fleiß, und viele von meinen Landsleuten, die zum Teil schon sehr lange in Amerika waren, traf ich unterwegs.
Was ich dabei über das Land hörte, gereichte ihm überall fast nur zum Vorteil. Diese Leute, die sich hier allerdings mit saurem Schweiß ihr Brot verdienen mussten, waren zufrieden und rieten mir auch überall, zu bleiben und mich zwischen ihnen niederzulassen. Wenn ich fleißig sein wolle, garantierten sie mir mein Fortkommen. Damit war mir aber für jetzt noch nicht gedient, ich hatte meine Wanderung nur eben erst begonnen und noch einen langen Weg vor mir, ehe ich sie zu Ende führte.
Wohin der Weg? Ich wusste es selber nicht, kümmerte mich auch nicht darum. Vor der Hand lag mein Ziel in Cincinnati, und hatte ich das erst einmal erreicht, fand sich das andere auch schon weiter.
Ohne irgendwelche Fährlichkeit erreichte ich am 26. November Cincinnati, die größte Stadt Ohios, am Ohio-Fluss. Dort fand ich glücklicherweise den Apotheker Vogel und in der Freude, die er bei meiner Ankunft zeigte, auch reichliche Belohnung für meine Mühe, ihn aufzusuchen. Ich verlebte dort einige recht frohe Tage in seiner Gesellschaft.
Cincinnati ist unstreitig die schönste und blühendste Stadt des Westens, St.-Louis kaum ausgenommen, und wird nicht mit Unrecht von den Amerikanern – allerdings etwas unpassend für eine Republik – die Königin des Westens genannt. Sie ist der Mittelpunkt des ganzen westlichen Handels. Durch Dampfboote und Eisenbahnen mit den östlichen Städten, jetzt auch durch diese mit dem Norden, Westen und Süden, durch einen Kanal mit dem Eriesee, durch den Ohio und Mississippi noch außerdem mit allen wichtigen Handelsplätzen des ganzen westlichen Gebiets bis nach New-Orleans hinunter verbunden, rechtfertigte sich schon damals vollkommen ihr rasend schnelles Steigen, und sie muss später einmal eine Stadt werden, die ihre Einwohner nach Hunderttausenden zählt.
Deutsche hatten sich besonders viele dort niedergelassen, und ich fand selbst außer Vogel noch einige Schiffskameraden dort. Da ich aber später wieder nach Cincinnati zurück und dann ausführlicher darauf zu sprechen komme, will ich mich jetzt nicht zu lange dabei aufhalten und meinen Streifzug durch die Staaten weiter verfolgen.
In Cincinnati hatte ich bis dahin geglaubt, den Westen der Vereinigten Staaten erreicht zu haben, fand aber hier zu meinem Erstaunen, dass die „Königin des Westens“ trotz ihres Namens schon mit zum Osten gezählt wurde und der eigentliche Westen noch viel, viel weiter dahinten lag. Zum Westen wollte ich aber, die sogenannten Backwoods hatte ich mir fest vorgenommen aufzusuchen, und da man mir sagte, dass die eigentlichen Backwoods erst westlich vom Mississippi begönnen, so beschloss ich eben westlich vom Mississippi zu gehen und den eigentlichen Westen unter jeder Bedingung kennen zu lernen.
Am 6. Dezember sagte ich deshalb dem freundlichen Cincinnati Lebewohl. Am Abend desselben Tages kam ich an die Grenze dieses Staates, die der kleine Fluss Miami bildet, übernachtete dort und setzte am anderen Morgen nach Indiana über.
Zwei Meilen weiter gelangte ich in die kleine, am Ohio gelegene Stadt Lawrencebourg und erkundigte mich da nach dem nächsten Wege nach St.-Louis; aber keine Seele konnte mir diesen angeben, da, wie sie sagten, ihres Wissens noch kein Fußgänger nach der Hunderte von Meilen entfernten Stadt gegangen sei, wohin man auch wohl nur mit Dampfbooten gelangen könne. Mit Mühe und Not erfuhr ich die ungefähre Richtung und machte mich auf den Weg. Ich war während der Zeit ziemlich hungrig geworden; ein armes Kaninchen, für das mir ein Farmer eine reichliche Mahlzeit gab, musste die Zeche bezahlen. Die Nacht schlief ich in einem einsam stehenden Hause bei recht guten Leuten.
Den 8. Dezember hatte ich einen herrlichen Tag zum Marschieren, und auch der Abend brach warm und freundlich herein. Rasch wanderte ich vorwärts, als mir ein Farmer, an dessen Hause ich vorbeiging, sagte, dass ich sechs bis sieben Meilen weiter eine Mühle finden würde, wo ich über Nacht bleiben könnte; denn schon stand die Sonne nicht mehr hoch.
Immer dunkler wurde es. Der Weg zog sich fortwährend durch dichten Wald, und noch zeigte sich keine Mühle; glücklicherweise ging der Mond bald darauf, wenn auch hinter Wolken, auf. Es wurde etwas heller, und ich hatte nun wenigstens nicht zu befürchten, dass ich mich verirren würde. Überdies war die Temperatur angenehm, und musste ich die Nacht im Walde bleiben, ließ es sich auch ertragen.
Endlich sah ich ein Licht von fern durch die Zweige schimmern, und die Hoffnung auf ein gutes Bett und eine Tasse warmen Kaffee wirkte gar angenehm auf den solcher Genüsse noch nicht ganz entwöhnten Europäer. Die Lichter wurden jedoch beim Vorwärtsschreiten zahlreicher und größer, und ich wusste nicht recht, was ich davon denken sollte. War eine Stadt oder ein indianisches Lager vor mir? Meiner Ungewissheit ein Ende zu machen, ging ich rasch darauf zu, da mich zum Überfluss auch mein Weg in gerader Richtung zu den Feuern führte, und bald stand ich vor einem brennenden Stück Wald, das majestätisch durch die dunkle Nacht leuchtete und bei dem schwarzen Hintergrunde und den schauerlich grell beleuchteten Seitenpartien einen eigenen, fast gespenstischen Anblick bot. Dies neue Schauspiel war mir zu wunderbar großartig, als dass ich hätte schnell daran vorbeigehen können; ich ließ mich daher an einem der umgestürzten, glühenden Stämme nieder, mich des großartigen Anblickes herzinnig erfreuend.
Ich mochte wohl eine halbe Stunde so dagelegen und zugeschaut haben, als plötzlich, ungefähr zwanzig Schritt von mir, eine flammende Eiche mit dumpfem Krachen unter tausend sprühenden Funken niederstürzte, so dass glühende Kohlen und brennende Äste überall umherflogen. Solcher Gefahr wollte ich mich denn doch nicht aussetzen und machte mich deshalb wieder auf den Weg, der mir, durch das lange in die Flammen schauen jetzt um so viel dunkler vorkam. Aber der Wald wollte kein Ende nehmen, und ich glaubte daher, dass die Mühle bloß in der Einbildung des guten Farmers bestanden habe. Endlich hörte ich in der Entfernung, zu meiner Rechten, Wasser rauschen und zugleich das schwache Brüllen einer Kuh; sogleich verließ ich in der Richtung des Schalles den gebahnten Weg, gebrauchte aber die Vorsicht, ein Feuer an der rechten Seite desselben anzuzünden, damit ich, im Fall ich mich geirrt hätte, den Pfad und mit ihm die rechte Richtung wiederfinden könnte.
Eine halbe Meile davon leuchtete mir wirklich das helle Dach einer Wohnung entgegen. Näher gekommen, erkannte ich den Mühlendamm, und mehrere Kühe, die die Einzäunung umstanden, begrüßten den Kommenden durch ihr langgezogenes Gebrüll. Dass das Haus bewohnt sei, bewies mir der Lärm drinnen, wo man Tische und Stühle zu rücken schien, und fröhlich den Staub von den Füßen schüttelnd, klopfte ich an die niedere Tür.
Plötzlich war alles still wie im Grabe. Ich klopfte noch einmal – nichts rührte sich, keine Stimme rief mir ein trauliches „come in“ entgegen. Ich habe die Angewohnheit, nach dreimaligem Klopfen jede Tür zu öffnen, und auch hier stieß ich sie etwas ärgerlich auf. – Totenstille herrschte in dem von keiner menschlichen Seele bewohnten Hause; ein paar Sterne schauten trübe durch die fehlenden Schindeln im Dache, der Kamin war eingestürzt, und die Ratten oder sonstigen Nachtwandler, die den Lärm, den ich gehört hatte, mit einigen Überresten von Stühlen und einem alten Tische gemacht hatten, waren in ihre Schlupfwinkel geflüchtet.
Es ist ein schauerliches Gefühl, einen Ort, den man von tätigen Menschen bewohnt zu finden erwartet, öde und verlassen anzutreffen, und sonderbar fröstelnd lief es mir den Rücken hinunter. Ich schloss die Tür und sprang über die Fenz zurück, das verlassene Gebäude seiner eigenen schauerlichen Einsamkeit überlassend.
Mein Feuer war unterdessen fast ganz niedergebrannt, doch fand ich es wieder und verfolgte nun rüstig den früheren Weg. Nach einer Stunde Wanderung hörte ich das Anschlagen von Hunden, und dieser sicheren Bürgschaft für das Nahesein einer menschlichen Wohnung mit vergnügtem Herzen vertrauend, schritt ich rasch auf die endlich gefundene Mühle zu. Hunde bellten, ein Mühlrad rauschte, ein helles Licht strahlte durch alle Ritzen der Blockhütte, und alles zeigte mir, dass ich ein Nachtlager finden würde. Bald saß ich behaglich am prasselnden Kaminfeuer.
Mein Wirt war ein freundlicher Mann, der schon lange Jahre in Indiana lebte, eine Mühle gebaut hatte und sich wohl dabei befand. Nach einem schmackhaften Abendessen führte er mich aus dem Hause, um mir etwas zu zeigen, wobei er sagte: „Ich will Ihnen jetzt einen kleinen Burschen vorführen, wie Sie wohl noch nie einen gesehen haben.“ Er hielt Wort – unter einem umgestürzten Fasse saß ein graues Tier, ungefähr von der Größe einer Hauskatze, aber viel stärker im Leibe, mit kurzen Füßen, durch Kopf und Schnauze einem Fuchse oder noch mehr einer kolossalen Ratte ähnlich, mit hässlich fingerartigen Klauen und einem kahlen, etwa einen Fuß langen Schwanze. Das Tier war ein Opossum (Beuteltier), das den Hühnern unablässig nachstellt und in den Farmen öfters bedeutenden Schaden anrichtet. Die Amerikaner, sowie auch häufig die eingewanderten Deutschen, essen das Fleisch desselben, das eine Delikatesse sein soll, und auch der Müller machte keine Umstände mit seinem Gefangenen. Er warf ihn auf den Boden, schlachtete ihn, schnitt ihm den Schwanz und die Klauen ab, häutete dann das Tier, wusch es aus und machte es ganz appetitlich zurecht, indem er versicherte, dass es ein delikates Frühstück geben solle. Mir wollte aber der Gedanke nicht in den Kopf, an dem rattenähnlichen Geschöpfe zu kauen. Allerdings regnete es die Nacht durch, was nur vom Himmel wollte, und das war schlechter Trost für meine morgige Fußwanderung; doch stand ich früh auf und empfahl mich dem Müller, nur um dem „delikaten Frühstück“ zu entgehen.
Die Straße war schlüpfrig und bodenlos geworden, und nicht ohne Grund befürchtete ich, die Bergströme angeschwollen zu finden; doch vertraute ich meinem guten Glück und wanderte fröhlich fort. Gegen zehn Uhr fing es wieder an tüchtig zu regnen, und nachmittags kam ich an einen stürmenden brausenden Bergstrom, der, gewaltige Baumstämme mit sich fortreißend, dem Ohio zustürzte. Hier war guter Rat teuer, denn durchzuschwimmen wäre wohl möglich, aber auf jeden Fall höchst unangenehm gewesen, da ich außer der Kleidung, welche ich trug, keine andere mit hatte und das Wasser bedeutend kälter war als die Luft.
Nachdem ich meilenweit am Fluss hinauf- und hinuntergegangen war, einen Ausgangspunkt zu entdecken, überraschte mich die Nacht, und ich war genötigt, mein Lager im Walde aufzuschlagen. Ich schlief, von dem Brausen des Wassers eingelullt, sanft bei einem guten Feuer, doch nicht ohne dann und wann aufzuwachen, da ich nicht ganz sicher war, ob mir nicht irgend ein wildes Tier einen Besuch abstatten werde. Am anderen Morgen machte ich mich früh auf und untersuchte den Strom. Er war, wie alle diese Bergwässer, die sehr schnell steigen, über Nacht bedeutend gefallen, und ich hatte schon die Absicht, den Durchgang zu versuchen, als ich zwei Reiter den Berg herunterkommen sah. Nun war ich außer aller Sorge. Sie kamen näher; der eine von ihnen nahm mich hinter sich aufs Pferd, und trocken gelangte ich ans andere Ufer.
Ich wanderte auf dem etwas abschüssigen Wege, bald tief in den Schmutz einsinkend, bald ausrutschend und alle Regengüsse und amerikanischen Straßen vermaledeiend, weiter, als ich plötzlich, nicht weit von dem kleinen Städtchen Versailles, einen Mann mit Büchse und Kugeltasche mir entgegen den Berg herabkommen sah. Er schien im Gehen eben nicht die geradeste Linie zu treffen, und als er näher kam, fand ich auch bald, dass ich mich nicht geirrt hatte, sondern dass er ordentlich betrunken war. Bei mir angelangt, reichte er mir mit verklärten Augen seine Hand entgegen und schüttelte die meine herzlich. Der Anfang war gut, doch: trau, schau, wem! Mit den Augen eines Falken hatte er meine kleine Schnapsflasche entdeckt und suchte sie mit einem schnellen Griff an sich zu reißen; aber schneller noch als er, und fest, wie der Bär seine Jungen verteidigt, hatte ich sie seinen Händen wieder entrissen, steckte sie mit der gleichgültigsten Miene von der Welt in die andere Tasche und erwiderte ihm trocken: „Das ist nichts für euch.“