Kitabı oku: «Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43», sayfa 7
Er ergab sich in sein Schicksal, aber meine Doppelflinte betrachtend, wollte er sie genauer ansehen und begehrte, daraus zu schießen. Müde, mich mit dem Betrunkenen länger einzulassen, wandte ich ihm den Rücken, meinen Weg fortzusetzen. „Stop!“ (halt) rief er mir nach – ich achtete nicht darauf; „stop!“ rief er zum zweiten Mal, und deutlich hörte ich den Hahn seiner Büchse knacken. Blitzschnell drehte ich mich um, das Gewehr von der Achsel reißend, aber schon zu spät, denn zischend brauste seine Kugel über meinen Kopf hin, und das Echo gab schallend den scharfen Krach der Büchse wieder. Nun war aber meine Geduld zu Ende. Den fischbeinernen Ladestock aus meiner Flinte herausreißend, sprang ich dem fliehenden Yankee nach, erwischte ihn beim Kragen, rammte ihn nieder und bearbeitete ihn so lange mit dem schwachen Stocke, bis ich nur noch ein handlanges Stück Fischbein übrig behielt, während er unaufhörlich „Mörder, Mörder!“ brüllte. – Ich gestehe, dass ich einige Genugtuung fühlte, als ich den Burschen, mit Striemen bedeckt, im Schmutze liegen sah.
Den Abend wanderte ich durch Versailles, wo ich mir einen anderen Ladestock machen ließ. Aber, du lieber Gott, welche Ironie, ein solches Nest Versailles zu nennen; doch ist es eine Angewohnheit der Amerikaner, allen ihren kleinen neu angelegten Ansiedelungen hochtrabende Namen zu geben. Schon im Staate New-York war ich durch Syrakus, Babylon, Rom, Venedig, Alexandria, London und Paris gekommen, lauter kleine Flecken, aus nur sieben bis acht Häusern bestehend.
Den 11. Dezember mittags kam ich zu der Farm eines Deutschen, namens Friedmann, der sich in Indiana recht wohl befand, ein sehr fruchtbares, wenn auch nicht zu großes Stück Land und ganz herrliches Vieh hatte. Es ist dies der einzige angesiedelte Deutsche, den ich auf meinem Marsche durch Indiana getroffen habe, obgleich im Staate selbst noch sehr viele wohnen, und doppelt wohl taten dem Ohre, das die Muttersprache so lange hatte entbehren müssen, die deutschen Klänge.
Ich blieb bis zum Mittagessen da und wanderte nachher auf dem jetzt ausgezeichnet gut werdenden Wege munter meinem nächsten Ziele, „Vincennes“ am Wabasch-Fluss, zu.
Den 12. Dezember gegen Abend trat ich in ein reinliches großes Haus ein, um zu fragen, ob ich ein Nachtlager bekommen könnte, und fand da zwei deutsche Handelsjuden, die schon ganz behaglich am Kamin saßen und mich verwundert und, wie es mir wenigstens vorkam, mit nicht ganz freundlichen Augen betrachteten.
Der Hausvater, ein sehr alter Mann, dessen Großeltern von Deutschland herüber gekommen waren, und der ziemlich gut deutsch sprach, war ungemein freundlich, und wir verplauderten einen recht vergnügten Abend. Die beiden Israeliten hatten während der Zeit sehr viel zusammen geflüstert; der eine rückte jetzt ein wenig näher zu mir und richtete mehrere Fragen an mich, die ich ihm gern und artig beantwortete. Doch das Fragen hörte nicht auf, denn nach jeder Kleinigkeit erkundigte er sich. Unter anderem fragte er mich, wann ich morgen früh aufbrechen und welchen Weg ich einschlagen würde, und warum ich eine Flinte und einen Hirschfänger bei mir habe. Ich merkte jetzt wohl, dass er nicht zu den Herzhaftesten gehöre und beschloss, mir einen Spaß mit ihm zu machen.
Jetzt fing ich an zu fragen: was er für Geschäfte mache, welche Art von Waren er führe – jeder von ihnen hatte ein großes Paket bei sich –, ob er mit Goldwaren handle, wann er morgen früh aufbrechen und welchen Weg er nehmen werde, ob er lange im Walde zu gehen habe, ehe er an eine Farm käme usw. Alle diese Fragen beantwortete er ausweichend und ängstlich, ohne dass der andere darein redete. Als ich ihn aber fragte, ob er viel Geld verdient habe, fuhren beide zugleich heraus: „Mer haben gar kein Geld“, so dass ich kaum das Lachen verbeißen konnte.
Wir gingen endlich zu Bett. In der Nacht erwachte ich mehrmals durch das Gezänk der beiden Söhne Israels, die sich um den besten Platz in ihrem gemeinschaftlichen Bett stritten, und wurde nicht wenig durch die stets wiederkehrenden Namen „elender Mensch, erbärmlicher Mensch!“ mit denen sie sich titulierten, im Schlafe gestört.
Als der Tag graute, wachte ich auf und sah das Bett der beiden leer; ich blieb noch ein wenig liegen, bis es hell wurde, und ging dann zum Wirt hinunter.
Die beiden großen Warenpakete und die tapferen Israeliten waren verschwunden, und auf meine Erkundigung nach ihnen gab mir der Wirt zur Antwort, dass sie sich schon lange vor Tagesanbruch auf die Socken gemacht hätten. Ich musste laut auflachen und erzählte nun dem Alten den ganzen Spaß, der ihn sehr ergötzte.
Der Weg war jetzt größtenteils gut, aber ich hatte so schlechtes Wetter, dass, besonders als ich in das flache Land in der Umgegend von Vincennes kam, die Straßen ganz mit Wasser gefüllt lagen.
Ungefähr eine Meile von Vincennes, wo die Prärien anfangen, verlor sich der Weg in eine Wasserfläche, die spiegelglatt vor mir lag, und unmöglich würde es nach einbrechender Dunkelheit für mich gewesen sein, die Bahn da hindurch zu finden, hätten mir nicht die Lichter von Vincennes die Richtung angegeben. So aber schritt ich, oft bis über die Knie im Wasser watend, dem Lichtschimmer entgegen und erreichte ungefähr um sieben Uhr das Städtchen, das sich ebenfalls keiner großen Trockenheit rühmen konnte.
Es war Nacht, rabenschwarze Nacht, als ich mich in den von kleinen Laternen beleuchteten Gassen nach einem Nachtquartier umschaute. Ein paar einsame Ochsen standen am Wege und schienen mich, als ich dicht bei ihnen vorüberging, sehr wehmütig zu betrachten. „Seid mir gegrüßt, ihr Herren!“ rief ich ihnen mit Mephistopheles zu, und beide beantworteten meinen Gruß mit einem gemeinschaftlichen Brüllen. In geringer Entfernung von ihnen fand ich endlich ein Haus, wie ich es suchte. Es war ein Pennsylvanisch-Deutscher, der hier Wirtshaus hielt, und ich fand ein warmes, erquickendes Feuer, ein Hauptbedürfnis bei meinem damaligen Zustande.
Erst als ich mich erwärmt hatte, fing ich an, meine Umgebung ein wenig genauer zu betrachten. Lauter nüchterne Gesichter, amerikanische Gleichgültigkeit in den Physiognomien der Anwesenden, die sich auf ihren Stühlen schaukelten und nach eben beendeter Mahlzeit in ihren Zähnen stocherten. Nur ein einziges echt deutsches Gesicht strahlte mir unter ihnen entgegen und schien mich ebenfalls aufmerksam zu betrachten. Ich redete den Mann an und hatte mich nicht geirrt; es war ein deutscher Schmied und Maurermeister.
Wir blieben am Fenster sitzen und erzählten uns bis tief in die Nacht hinein. In der Hitze des Gesprächs deklamierte er auch einige selbstgemachte Gedichte. Ich hörte sie geduldig an, ich konnte nicht verlangen, dass er mich allein amüsierte. Er hatte schon lange in Amerika gelebt, daher viel erfahren und gelitten; es schien eine von den guten Seelen, die nicht imstande sind, irgendjemand zu betrügen, aber dafür von der ganzen Welt betrogen werden. Nicht uninteressante Skizzen gab er mir dabei von dem Lande selber, das nur erst halb und halb in die Zivilisation hineinzuragen schien. Darunter machte mir besonders eine Anekdote Spaß, zu der die katholische Kirche in Vincennes die Veranlassung gegeben hatte. Dieselbe hat nämlich von einem deutschen Emigranten eine gewöhnliche Drehorgel gekauft und spielte der andächtigen christlichen Gemeinde sonntags die Melodien: „Mein Schiff streicht durch die Wellen, Fridolin, Fridolin!“ oder „Heinrich schlief bei seiner Neuvermählten“, oder „Es ritten drei Reiter“ usw. vor, wonach nun die geduldigen Christen ihre Gebete absangen, obgleich ziemlich viele Deutsche dort waren, die alle diese Lieder kannten.
Die Nacht waren wieder alle Schleusen des Himmels offen, doch klärte es sich gegen Morgen auf und fing an zu frieren.
Als ich an den Fluss hinunterkam, begegneten mir einige Reiter, die von der anderen Seite desselben zurückkamen und erklärten, es sei ihnen nicht möglich gewesen, durchzukommen. Nicht allein sei das Wasser tief, sondern es liege auch noch eine dünne Eisrinde darauf, welche die Pferde, ohne sich zu verletzen, gar nicht mit der Brust durchbrechen könnten.
Einen Augenblick stand ich unschlüssig über das, was ich tun sollte, doch die Not ist eine gute Ratgeberin. In Vincennes konnte ich nicht bleiben; meine außerordentlich geringen Geldmittel erlaubten mir in keinem Falle große Ausgaben zu machen, da ich noch eine gewaltige Länderstrecke zu durchwandern hatte. Ich ging deshalb auch rasch entschlossen zur Fähre hinab, mich übersetzen zu lassen, darauf hoffend, dass solche Sachen meist übertrieben würden. An der Fähre rieten mir die Leute übrigens ebenfalls, lieber noch ein paar Tage in Vincennes zu bleiben und das Ablaufen der Wasser zu erwarten. Das konnte aber bei diesem nassen Wetter noch lange dauern, hätte es mir meine Kasse wirklich erlaubt. Ich ließ mich also unverzagt übersetzen, meinem guten Glück das weitere vertrauend.
Drüben angelangt, fand ich das Land dicht am Fluss ziemlich trocken; kaum zweihundert Schritt vom Ufer begann aber ein wirklicher See, durch den weder Bahn noch Steg zu finden war, und umsonst mühte ich mich bis gegen Mittag, eine nur halbwegs seichte Furt zu finden. Aus Sparsamkeit hatte ich dabei die letzten vierundzwanzig Stunden entsetzlich wenig zu mir genommen, immer hoffend, etwas Schiessbares am Weg zu finden; es wollte sich indes am ganzen vorigen Tag nichts zeigen, und das teure Gasthausessen konnte ich nicht bezahlen. Mit leerem Magen marschierte sich's verwünscht schlecht in kaltem Wasser.
Umsonst hatte ich eine seichte oder gar halbwegs trockene Stelle gesucht, die nächsten Häuser, die ich in dem flachen Land deutlich vor mir sehen konnte, lagen etwa eine Stunde entfernt auf höherem Boden. Von dort aus sollte ich auch, wie mir die Fährleute gesagt, trockenen Weg finden, und mit keiner Wahl mehr, als das einmal Begonnene auch durchzuführen, watete ich frisch in das kalte Wasser hinein.
Im Anfang ging mir das Wasser nicht ganz bis an die Knie, und die Wasserstiefel hielten mich trocken, aber bald stieg es höher und höher. Ich war gezwungen, meine Jagdtasche auf die Schultern zu schnallen, und watete nun bis an den Gürtel, ja oft bis unter die Arme in dem kalten Elemente, wobei ich erst noch mit dem Gewehrkolben die vor mir liegende, zwar dünne, aber scharfe Eisrinde zerbrechen musste, um mir einen Weg zu bahnen. Vier Stunden kostete es mich, die zwei englischen Meilen zurückzulegen, und nur die Überzeugung, dass ich das Eis entweder durchbrechen oder im kalten Wasser umkommen müsse, gab mir hinreichende Kraft, mein Ziel zu erreichen.
Endlich gewann ich mit Gottes Hilfe eine Fenz und mit ihr die Grenze des Wassers. Ich wollte hinübersteigen, war es aber nicht mehr imstande, da der untere Teil meines Körpers fast erstarrt war. Mit den Händen musste ich sie niederreißen, um hindurch zu kommen, und erst eine volle Stunde nachher, als ich am wärmenden Feuer der Farm aufgetaut war, gelang es mir, mich wieder frei zu bewegen.
Der Weg wurde von nun an, eine kleine Strecke ausgenommen, trockener, doch blieb ich im nächsten Haus, zu dem ich kam, über Nacht, denn ich bedurfte der Ruhe und Stärkung.
Zum ersten Mal hatte ich jetzt den Anblick der gewaltigen Prärien, die sich durch ganz Illinois hinziehen, in dieser kalten Jahreszeit aber freilich einen trübseligen Anblick boten. Das lange, gelbe, wogende Gras verlieh dem Gemälde einen gar melancholischen Anstrich, und die ungeheure strohgelbe Fläche, nur ganz in der Ferne von Wald begrenzt, war nicht gerade geeignet, das Herz heiter zu stimmen. Es hatte übrigens wieder etwas gefroren, und ich setzte meinen Weg, jetzt wenigstens trockenen Fußes, fort und wanderte scharf darauf zu. Das erste große Stück Wild, welches mir aufstieß, war ein Hirsch, der, durch mich aufgescheucht, in langen gewaltigen Sätzen durch das hohe Gras sprang, Scharen von Präriehühnern aufjagend, die in ungeheurer Masse eine Strecke über die Prärie hinzogen und dann wieder einfielen.
In dem Hause, wo ich am Abend übernachtete, reinigte ich meine Flinte von Grund auf und setzte sie wieder in guten Stand. Am anderen Morgen um acht Uhr kam ich zum Fox-Fluss, wo ein paar einzelne Häuser standen. Zu meinem Erstaunen fand ich, dass auch diese eine Stadt bildeten, die Waterton hieß. Überhaupt wird in Amerika jedes Kleeblatt von drei oder vier Häusern „Stadt“ getauft.
Eine sehr hübsche Amerikanerin, die eine Art von Wirtschaft hielt, setzte mir wilden Honig, Milch und Brot vor. Sie versuchte alles, mich zur Ansiedelung zu überreden und wo möglich noch mehr Deutsche herbeizuziehen. Die Wasserpartie war mir nur noch zu frisch im Gedächtnis, die Gegend hier besonders lieb zu gewinnen. Übrigens schien hier das Land zu sein, wo Milch und Honig fließt, denn ungeheure Herden finden in den Prärien ihre Nahrung, und wilden Honig gibt es in großer Menge. Die Speise hatte mich gestärkt, und mit raschen Schritten setzte ich meinen Wanderstab weiter.
Ich hatte mich schon der angenehmen Hoffnung hingegeben, von nun an trockenen Weg zu haben, fand mich aber gar arg betrogen, denn ich musste, da der kleine Wabasch ausgetreten war, abermals fast zwei Meilen im Wasser marschieren. Hier war indes ein etwas erhöhter Weg und auf demselben wenigstens kein Eis, während dieses gleich daneben zwischen den Bäumen den Grund wieder dicht bedeckte. Als ich diesen Wasserweg fast hinter mir hatte und das trockene Land schon wieder vor mir sehen konnte, hörte ich etwas durch das Wasser rauschen und das Eis niederbrechen; ich schaute mich um und erblickte fünf Stück Wild, die in vollen Sätzen ankamen. Ich blieb ruhig stehen und erwartete mit klopfendem Herzen ihre Ankunft. Ein prächtiger Bock mit zwei Alt- und zwei Schmaltieren wollte, kaum 50 Schritt von wir, vorbei. Ich zielte – und neun Bockschrote sausten dem Führer aufs Blatt, dass er hoch aufspringend zusammenbrach.
Kräftig musste ich arbeiten, um den Hirsch, der, halb im Wasser liegend, verendet war, auf das Trockene zu bringen, doch gelang es mir endlich. Obgleich die Hirsche in Amerika bedeutend kleiner sind, als die in Deutschland, haben sie doch immer ein ziemlich großes Gewicht, und der, den ich geschossen hatte, wog gewiss gegen 140 Pfund. Ich streifte ihn ab, schnitt einige Stücke herunter, machte aus dem Fell eine Art von Sack, die Haare nach außen gekehrt, tat dann die Keulen und den Rückenteil hinein und hängte mir das Ganze um. Den Rest band ich an den niederen Ast eines kleinen Baumes für irgendjemand, der vorbeikäme, und wanderte weiter, musste jedoch meine Last zwei Meilen schleppen, ehe ich zu dem nächsten Flecken Maysville kam. Dort verkaufte ich meine Beute, übernachtete daselbst und zog am anderen Morgen durch die an dieser Stelle 12 Meilen breite Prärie.
Ein schneidend scharfer Nordwest pfiff von den großen Seen herüber, so dass ich mich kaum durch schnelles Marschieren erwärmen konnte. Nachdem ich eine kurze Strecke durch Wald und über Hügel fortgeschritten war, kam ich wieder zu einem kleinen Städtchen namens Salem.
Am 21. Dezember hatte ich eine andere Prärie von 22 Meilen Breite vor mir, doch war es noch immer kalt, und herrlich marschierte es sich auf dem festgefrorenen Boden.
Am Abend erreichte ich den Saum eines kleinen Wäldchens, und nicht weit davon blieb ich die Nacht bei einem Farmer. Als ich an sein Haus kam, war er gerade beschäftigt, sein Pferd, das er am Zügel hatte, in die Stube zu führen. Ich würde geglaubt haben, dass es der Stall sei, hätte ich nicht Rauch aus dem Kamin aufsteigen sehen, und neugierig folgte ich dem Manne in die kleine Wohnung. Dort erklärte sich mir das Rätsel. Er hatte Holz geholt und sein Pferd an einen wohl 8 Fuß langen Klotz gespannt, um denselben ins Haus ziehen zu lassen und ihn von da in den Kamin zu rollen, der fast eine ganze Seite der einen Wand des niederen Blockhauses einnahm. Da er das Pferd der vielen Stühle, Betten und Tische wegen in der Stube nicht gut umlenken konnte, hatte er an der gegenüberliegenden Seite noch eine Tür durchgebrochen und führte das Pferd durch diese hinaus. Ich hatte am Tage mehrere Präriehühner geschossen, und sie lieferten uns eine leckere Mahlzeit.
Die Hühner sind sehr häufig in den ungeheuren Steppen, fliegen in sehr großen Völkern – ich habe Völker von 600 bis 700 Stück beisammen gesehen –, besitzen ungefähr die Größe unserer Haushühner, haben jedoch einen längeren Hals, aschgraue Farbe, einen kurzen Rebhuhnschwanz und befiederte Ständer, und sind, wenn das Wetter anfängt recht kalt zu werden, fast gar nicht scheu, so dass man sie sehr leicht erlegen kann. Das Fleisch, besonders das der Brust, ist delikat.
Nur einmal glückte es mir, einen grauen Präriewolf zu schießen, welcher bedeutend kleiner als der schwarze ist und, sobald er nur einen Menschen wittert, scheu entflieht.
Am 23. Dezember kam ich nach Libanon, einem kleinen Neste auf einem Hügel, ungefähr 20 Meilen von St.-Louis. – Libanon! – der Name rief unwillkürlich den Gedanken an die ungeheuren Zedern in mir hervor; aber ungeheure Ironie! Das höchste Holz auf dem ganzen Berge sind die Stangen der Wirtshausschilder.
Eins von diesen Schildern hat mich besonders amüsiert. Es stellte eine Meerjungfer dar, aber mit einer so niederträchtigen, breitgezogenen Galgenphysiognomie, dass das Gesicht viel besser zu einem Judas als zu einer verführerischen „Meermaid“ gepasst hätte. Dabei hatte das Ungetüm einen großen, weitzinkigen Pferdemähnenkamm in der Hand und war im Begriff, sich ihre struppigen Haare zu ordnen, während sie die andere Hand sorgsam unter den Kamm hielt, gleichsam als fürchte sie, etwas zu verlieren.
Ich hatte am nächsten Tage 32 Meilen zu marschieren. Durch den aufgeweichten und jetzt gefrorenen Boden der Prärie waren die Wege sehr rau geworden, und die Füße schmerzten mich; doch wanderte ich fort und kam am Nachmittag in das Mississipi-Tal. St.-Louis gegenüber hat dies Tal übrigens einen besonderen Namen und heißt der „American bottom“ der als das beste Land in den Vereinigten Staaten berühmt ist. Die Ackererde mag da wohl 50–60 Fuß tief sein; aber es ist auch ungesund, weil es sehr niedrig und daher sumpfig liegt. Überhaupt hörte ich überall, wo ich durch Illinois kam, vorzüglich bei den Deutschen, die ich fand, häufige und, wie es schien, begründete Klagen, dass das kalte Fieber ihnen viel zu schaffen mache. Jeden Sommer solle es wiederkehren und sie auch oft den Winter hindurch nicht verlassen. Das blasse Aussehen der Leute, vorzüglich der Kinder, bestätigte nur zu sehr diese Aussage.
Endlich, etwas nach Sonnenuntergang, erreichte ich das östliche Ufer des Mississippi und hörte zu meinem Schrecken, der Strom gehe so stark mit Eis und sei im wahrsten Sinne des Wortes so damit bedeckt, dass es zu Unmöglichkeiten gehöre, hinüberzukommen. Den Abend war nun auf keinen Fall mehr daran zu denken, und ich musste noch eine Nacht in Illinois bleiben. Da ich von dem anstrengenden Marschieren sehr ermüdet war, ging ich früh zu Bett.
In der Nacht weckte mich ein neu ankommender Schlafkamerad, der sich gerade auf mich warf. Ich rückte ein wenig auf die Seite, und er blieb in der Mitte liegen. Ich hätte nun zwar Platz genug gehabt, aber der unruhige Fremde wälzte sich und drängte mich so, dass, wenn ich mich nicht die ganze Nacht ärgern wollte, ich mir auf die eine oder die andere Art Ruhe verschaffen musste. Ich zog mich also wie ein Igel zusammen, presste meine Schulter gegen seine Seite, meine Füße gegen die Wand, und mich mit einem plötzlichen Ruck ausstreckend, sandte ich den Unruhigen mit Keilkraft auf die Dielen.
Die Sache war zu schnell gekommen, als dass er sich hätte besinnen können, und noch halb im Schlaf wollte er wieder ins Bett zurückklettern; ich erklärte ihm aber kaltblütig, unter welchen Bedingungen ich ihn nur wieder hereinlassen wollte, und er versprach alles, was ich forderte, denn die Nacht war ihm doch ein wenig zu kühl, sie in seiner leichten Kleidung außerhalb der Decken zuzubringen. Er verhielt sich auch nachher ganz ruhig.
Am nächsten Morgen stand ich sehr früh auf und hörte, dass ein kleiner Kahn die Überfahrt versuchen wolle. Um neun Uhr saß ich darinnen und führte eins der Ruder. Wir waren sechs Personen in dem kleinen Fahrzeuge, zwei an jedem Ruder, einer, der vorn die Eisschollen etwas beiseite stieß, und ein Passagier, der vor Angst fast verging.
Mit unsäglicher Mühe gelang es uns, die Mitte des Stromes zu erreichen, wo sich das Eis auf einer kleinen Insel festgesetzt hatte. Umfahren konnten wir die Stelle nicht, da wir sonst zu weit unterhalb St.-Louis gelandet wären, mussten also aussteigen, den Kahn über die Eisschollen wegziehen und ihn auf der anderen Seite wieder in den Fluss lassen. Dort ging unsere Ruderarbeit von neuem los, und wir wurden mehrere Male zwischen ungeheure Schollen so eingepresst, dass ich alle Augenblicke unser kleines Boot zerdrückt zu sehen befürchtete. Nichtsdestoweniger überwanden wir alle Schwierigkeiten und erreichten, aber halbtot von Mühe und Anstrengung, um zwölf Uhr mittags etwa das andere Ufer, unmittelbar unter St.-Louis.
Es wird zwischen St.-Louis und Deutschland ein Unterschied von ungefähr sieben Stunden in der Tageszeit sein; es war also gerade zu der Zeit, als daheim die Kinder bunt geschmückte, hell erleuchtete Tische umsprangen und im Weihnachtsentzücken aufjubelten, als ich mich mit triefender Stirn und blutendem Herzen durch die Wellen und riesigen Eisschollen des breiten Mississippi arbeitete.
Auch hier tönten die Glocken der katholischen Kirche feierlich in den jetzt vom Nebel befreiten freundlichen Christtag hinein, und mit ganz eigenen, aber nichts weniger als freudigen Gefühlen betrat ich die fremde Stadt.
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