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Kitabı oku: «Alfried Krupp», sayfa 5

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V
Die erste Feuerprobe

Mit dem Jahre 1860 trat Krupp in die Periode seiner großartigsten Erfolge ein, und deren erster sollte wiederum in London seinen Schauplatz finden. Im Mittelpunkte des übermächtigen Industriestaates sollte Krupp den Sieg erringen, in einem seiner wesentlichsten und bis dahin immer noch für unerreichbar gehaltenen Produktionszweige. Es war die zweite Londoner Weltausstellung im Jahre 1862, auf welcher der durch Krupp geführten deutschen Eisen-Industrie einstimmig die erste Stelle eingeräumt werden mußte.

Die Fabrik in Essen hatte sich in diesen Jahren mächtig entwickelt, sie beschäftigte im Jahre 1860 1690, zwei Jahre später bereits 2464 Arbeiter, ihre Produktion an Gußstahl stieg auf 8 Millionen (1860) und 13 Millionen Pfund (1862). Die Organisation des Betriebes mußte wesentliche Aenderungen erfahren, um den durch Reisen häufig entfernten und durch die Inachtnahme der Einzelheiten übermäßig beanspruchten Chef zu entlasten, und die Art und Weise, wie Krupp es verstand, allmählich aus der Beschäftigung mit den Details herauszutreten, um sich ungestörter der Leitung des ganzen Werkes widmen zu können, wie er die einzelnen Zweige seiner Fabrik zu trennen, in dem erforderlichen Maaße selbständig zu machen verstand, ohne doch das gegenseitige Ineinandergreifen jemals zu beeinträchtigen, das zeugt von einem Organisationstalent, wie es umsichtiger und erfolgreicher kaum gedacht werden kann. Bis 1862 war er mit einem Prokuristen ausgekommen; alle Fäden liefen noch direkt in seine Hand, alle Einzelheiten wurden von ihm persönlich überwacht. Am 12. Juli 1862 aber begann die Kollektiv-Prokura ins Leben zu treten, welche zunächst aus 2, von 1865 aus 3, von 1867 ab aus 4 Herren bestand und bei seinem Tode sich bis zu 7 Mitgliedern vermehrt hatte. Diese bildeten ein Kollegium von gleichberechtigten Ressortchefs, und jedem war in seinem Bezirk eine gewisse Selbständigkeit bezüglich des Betriebes eingeräumt, anderseits aber für jede irgend belangreiche Maßregel die Zustimmung des Kollegiums und für jedes Schriftstück die Mitunterschrift wenigstens eines Kollegen zur Bedingung gemacht. Später, wie es scheint vom Jahre 1879 ab, erhielt die Prokura auch einen Vorsitzenden, einen Präsidenten dieses Ministeriums in Krupps Staate, für welches er mit außerordentlicher Findigkeit und Menschenkenntniß die tüchtigsten und zuverlässigsten Männer mit technischer, kaufmännischer oder juristischer Bildung zu gewinnen wußte. So löste er die schwere Aufgabe, durch allmähliche Ausgestaltung eine Verwaltungsmaschine ins Leben zu rufen, deren einzelne Theile so vortrefflich selbstthätig in einander greifen und den gemeinsamen, auf seinen eigenen Ideen beruhenden, Zwecken dienen, daß der gewöhnliche ruhige Gang der Geschäfte nur durch ganz gewaltige Störungen beeinflußt werden könnte. So sehr dieses Werk den Stempel seiner Individualität trägt, war es doch so wenig auf seine Person und die Nothwendigkeit deren Existenz zugeschnitten, daß er aus dem Leben treten konnte, ohne daß der ganze Organismus im Geringsten gestört und die Weiterentwicklung seines Werkes aufgehalten oder gar in Frage gestellt worden wäre.

Den Mittelpunkt der Krupp’schen Ausstellung in London nahm wieder ein massiver Gußstahlblock ein, dessen auf 40000 Pfund gesteigerte Masse aus nicht weniger als 600 Tiegeln gegossen war; er war aber diesesmal mittelst seines mächtigen Dampfhammers in der Mitte zerbrochen, um die Bruchfläche zu zeigen, und diese war, wie Lothar Bucher berichtete, „so eben in Farbe und Gefüge, so vollkommen frei von Aescheln und ungaren Stellen, als wenn die Masse nicht Stahl wäre, sondern Zucker oder ein anderer Stoff, den man auskochen und filtriren kann.” Daneben standen zum ersten Male mächtige Seeschiffachsen für die großen Dampfer des Norddeutschen Lloyd und hochpolirte Walzen, blank wie Diamant. Die Engländer hatten nichts, was an diese Leistungen heranreichte; sie hatten kleinere Massen von Gußstahl ausgestellt, aber sich gehütet den Bruch zu zeigen; und sie gaben eine Schiffsachse von ähnlichen Dimensionen nur um deshalb für Stahl aus, damit das englische Publikum in seinem Selbstgefühl nicht irre werde; die Sachverständigen wußten, daß sie nur aus Eisen bestand. Auch nahmen die „Times” keinen Anstand, Krupps Sieg vorurtheilsfrei anzuerkennen. Sie schlossen ihren Artikel über die „außerordentlichste und wichtigste Sammlung, derengleichen früher noch nie gesehen worden” mit den Worten: „Wir wünschen Krupp Glück zu der überragenden Stellung, die er in der Welt als Erzeuger der größesten und fehlerlosesten Massen von Gußstahl einnimmt, aber nicht zu seinem Platz in der Ausstellung. Wessen Fehler ist das? Offenbar stehen Talg, Spielwaaren und Eingemachtes sehr hoch in der Achtung der Kommissarien Ihrer Majestät.” Die stiefmütterliche Behandlung, welche bei Anweisung des Raumes die Ausstellungskommission, mißgünstig genug, Krupp zu Theil werden ließ, hatte seinen Sieg nicht hindern können, und, was der große Nationalökonom List vor mehr als 30 Jahren ersehnt und erhofft hatte, die Erzeugnisse deutscher Intelligenz, deutschen Fleißes und deutscher Beharrlichkeit mit denen der ersten Kulturstaaten der Welt den siegreichen Wettkampf eröffnen zu sehen, das begann sich zu erfüllen; mit dem Triumph auf dem Gebiete der Eisentechnik rückte das bisher unmöglich Erschienene in den Bereich des Erreichbaren, und neuer Muth ergoß sich über alle Industriezweige, Krupp nachzueifern, gleich ihm den Kampf aufzunehmen und mit gleicher Hingabe und Beharrlichkeit die Palme des Sieges zu erringen zum eigenen Gewinn und zu des Vaterlandes mächtiger Kraftentfaltung.

Unter den zahlreichen Ausstellungsgegenständen Krupps befanden sich auch fünf Hinterlader-Rohre von 3,75 bis zu 9″ Kaliber. Sie hatten aber weder Züge noch Verschluß-Vorrichtungen; ersteres um die Feinheit des Metalls an der spiegelreinen Politur der Seele zu zeigen; letzteres, um die Verschluß-Konstruktion nicht öffentlich bekannt werden zu lassen. Mit diesen Geschützen betrat nämlich Alfried Krupp den Weg der eigenen Geschütz-Konstruktion. Bisher hatte er, wie wir sahen, das Material den jedesmaligen Formen und Konstruktionsweisen der Länder angepaßt, für welche er lieferte oder ausstellte, beziehungsweise hatte er nur die rohen Rohre ohne alle Einrichtungen geliefert. So namentlich für Preußen, wo man den – bisher geheim gehaltenen – Verschluß Wahrendorff’s, den sogenannten Kolbenverschluß, angenommen hatte und in Spandau anfertigte. Die Konstruktion dieses Geschütztheiles stieß auf große Schwierigkeiten, hauptsächlich bezüglich seiner Dichtung gegen die Pulvergase, und auch der Kolbenverschluß war nicht einwandfrei. Indem nun Krupp selbst sich dieser Frage widmete, selbst einen neuen Verschluß erfand, trat er aus dem Gebiete des Material-Erzeugers, des Gußstahl-Fabrikanten heraus und versuchte seine Kräfte als Geschütz-Konstrukteur. Es ist eine neue wichtige Etappe in der Entwickelung des merkwürdigen Mannes, der für Alles, was er anfaßte, auch eine ganz spezielle Begabung, Geschicklichkeit und Erfindungskraft zu besitzen schien. Auf diesem Felde des Geschütz-Konstrukteurs waren ihm seine bedeutendsten Erfolge vorbehalten, durch welche er erst die Geschütze auf diejenige Stufe der Leistungsfähigkeit erhob, für welche seines Vaters Erfindung, der Tiegelgußstahl, bei voller Ausnützung seiner vorzüglichen Eigenschaften, die Vorbedingung bildete.

Die neue Erfindung, ein einfacher Keilverschluß, ward in London patentirt – ein halbes Jahr früher als der des Engländers Broadwell – und dem preußischen Kriegsministerium in einer Sammlung von Verschlüssen zur Prüfung vorgelegt. Es bedurfte aber einer geraumen Zeit, bevor Krupps Vorschlag zur Annahme gelangte und zwar auch dann in einer nicht unwesentlich verbesserten Gestalt. In der Zwischenzeit sollten erst die in der preußischen Armee eingeführten Gußstahl-Geschütze ihre Feuerprobe im Kriege durchmachen und eine durch die Benutzung eines unzweckmäßigen Verschlusses verursachte Krisis bestehen. Vor Schilderung dieser wichtigen Entwickelungsperiode, welche noch einmal alle Gegner des Krupp’schen Gußstahlgeschützes in Bewegung setzte, ist noch ein Punkt zu erörtern, welcher gelegentlich der Londoner Ausstellung 1862 zur Sprache kam.

Die allgemein Platz greifende Einführung leistungsfähigerer gezogener Geschütze, theils Vorder- theils Hinterlader, entwerthete ebenso die gemauerten Deckungen der Vertheidigungsgeschütze (in Kasematten) namentlich bei den Küstenbefestigungen, als sie auch eine Veränderung im Bau der Kriegsschiffe mit sich brachte. In beiden Fällen sah man sich genöthigt, zum Eisenschutz mittelst Panzerplatten zu greifen, und mit dem Beginn der sechziger Jahre wurde neben der Entwickelung des Geschützwesens auch die Konstruktion von Panzerdeckungen eingeleitet. England ging naturgemäß voran, da es einerseits seine zahlreichen Küsten- und Hafenbefestigungen gegen die neuen schweren Schiffsgeschütze sichern, anderseits seiner Kriegsflotte den Panzerschutz baldigst verschaffen mußte, um nicht in seiner Herrschaft zur See gefährdet zu werden. In den Eisenfabriken des Inselreiches ward von jetzt an die Frage der Panzerfabrikation, zunächst in Form von starken gewalzten Eisen- und Stahl-Platten emsig studirt, und auf seinen Schießplätzen folgte eine Reihe von Versuchen der anderen. Auch in Preußen begannen solche bereits im Jahr 1861. Der heftige Kampf zwischen Geschütz und Panzer nahm seinen Anfang, welcher sich bis in die neueste Zeit fortgesetzt hat und mit der Entwickelung eines neuen Geschützsystems auch eine vollständige Umwälzung des Befestigungswesens herbeigeführt hat.

Krupp’s scharfem Auge entging es nicht, welche Bedeutung das Eisen in fortifikatorischer Beziehung gewinnen werde; er war rasch entschlossen, auch auf diesem neuen Gebiet mit seinem Gußstahl den Kampf aufzunehmen und kündigte deshalb am Schluß seines Ausstellungs-Kataloges an, daß die Firma mit der Errichtung von Walzwerken zum Walzen von Gußstahlschienen und Platten beschäftigt sei, zu deren Produktion das Werk schon binnen Kurzem gerüstet sein werde. „Unter Anderem sollen mittelst 2000 Pferdekraft Walzen von 15 Fuß Bahnlänge betrieben werden, um große Platten bis zu 1 Fuß Dicke und selbst noch dicker, z. B. zur Panzerung von schwimmenden Batterien oder Festungswerken, zu walzen.” Diese Walzwerke wurden auch in dieser Zeit gebaut und gleichzeitig ein Bessemerwerk zur Ausführung gebracht, da der, allerdings dem Tiegelgußstahl in der Vollkommenheit seiner Eigenschaften nachstehende, Bessemer-Stahl für die Massenverwendung von Schienen, Blechen und Platten ein sehr gutes Material liefert. In der Folge ward auch die Fabrikation von Stahl-Eisenbahnschienen, welche mit der Eröffnung seines Schienen-Walzwerkes Krupp eigentlich erst in Deutschland einbürgerte, zu einem der bedeutendsten Fabrikationszweige. Die Stahlschienen verdrängten auf Grund ihrer viel längeren Dauer bald die gebräuchlichen Schienen aus Guß- oder Schmiedeeisen und wurden in immer größerer Zahl gearbeitet, bis die jährliche Leistung auf 150000 Tonnen gesteigert wurde. Auch das Plattenwalzwerk ward im Jahre 1864 in Betrieb gesetzt, aber auffallender Weise zur Herstellung von Panzerplatten zu Befestigungszwecken bis zum Tode Alfried Krupp’s niemals benutzt.

Erst nach diesem ist durch die Erfolge der seitdem erzeugten Krupp’schen Panzerplatten die Richtigkeit seiner Voraussetzung, daß er auch auf diesem Gebiete alle andern Fabriken schlagen werde, voll erwiesen worden; denn die Krupp’schen Platten haben trotz aller hochgradigen Anstrengungen der Ingenieure aller Staaten und trotz der vielen in diesem Zweige der Technik gemachten genialen Erfindungen, dank des auch bei dem Nachfolger Alfrieds nie rastenden Strebens nach Vervollkommnung und der auf gründlichster wissenschaftlicher Basis fortgesetzt angestellten Versuche und Prüfungen, immer wieder den Sieg davongetragen und der Fabrik auch in dieser Beziehung die erste Stelle unter allen Konkurrenten gesichert.

Es ist, wie gesagt, auffallend, daß Alfried Krupp den Gedanken, Panzerplatten anzufertigen, in der Folgezeit völlig aufgegeben zu haben scheint, daß er niemals bei irgend einer Platten-Lieferung sich betheiligt hat und erst in dem letzten Jahrzehnt seines Lebens der Aufgabe wieder näher trat, Panzerschutz-Konstruktionen zu entwerfen. Es ist um so auffallender, als in diesem Fabrikat Deutschland lediglich auf England angewiesen war, seine Panzerkonstrukteure und Ingenieure also in der Lage der oft recht hemmenden Abhängigkeit von dem Inselreiche waren. Nimmt man hinzu, daß auch die dortige Panzer-Industrie noch völlig in den Kinderschuhen steckte, daß man es 1864 noch für die höchste Leistung hielt, Platten von 300 Kgr. Gewicht zu walzen, also bei einer Stärke von 25 mm etwa 1,50 Quadratmeter, und bedenkt man, daß Krupps Massengüsse sich bereits 1862 auf Blöcke von 20000 Kgr. erhoben, daß er allein im Besitz des Geheimnisses und der Kunst war, das Material in vollwerthigster Güte bis zu solchen Massen in einheitlicher Stärke zu formen, so folgt ohne Weiteres, daß es ihm spielend leicht geworden sein müßte, alle Konkurrenz durch Herstellung großer und starker Platten zu schlagen und dem Vaterlande die erste Stelle in der Panzerkonstruktion zu sichern. Daß letzteres trotz Krupps Zurücktreten von diesem Gebiet doch der Fall war, daß gerade Deutschland trotz der hierdurch herbeigeführten Schwierigkeiten die Führung in der ganzen Entwickelung der Panzerbefestigung übernommen hat, das ist anderen Männern zu danken, Maximilian Schumann, der die genialen Ideen, und Hermann Gruson, welcher die technischen Kenntnisse dazu bot. Aber vielleicht war es eine weise Fügung, daß Krupp sich von diesem Gegenstand fern hielt, daß er auch kein Verständniß für Schumanns Ideen gehabt zu haben scheint und daß er seine zur gemeinsamen Arbeit bittend ausgestreckte Hand zurückwies. Vielleicht war dies nothwendig, damit noch andere Kräfte neben denen Krupps zur Entwickelung kämen und durch schwere Arbeit und Widerstände hindurch sich rängen, um auch anderen Ideen, anderen Materialien zur Anerkennung und zur Bethätigung ihrer Leistungsfähigkeit zu verhelfen. Vielleicht war es den höchsten Zwecken dienlicher, daß Krupp seine geniale Erfindungsgabe, seine Thatkraft und seine Mittel auf die Ausbildung lediglich der Kriegswaffe beschränkte, um das höchste ihm Erreichbare zu leisten, während die Aufgabe Anderen vorbehalten blieb, die Mittel zu finden und zu vervollkommnen, welche gegen die immer sich steigernde Wirkung der Kruppschen Geschütze einen unverwundbaren Schutz zu bieten bestimmt sind; vielleicht mußte sogar eine gewisse Beeinflussung des Verhältnisses dieser Personen zu einander, gewissermaßen der Natur ihrer sich gegenseitig befehdenden Ideen und technischen Erzeugnisse entsprechend, sich entwickeln, um beide technische Zweige die bedeutende Höhe der Entwickelung erreichen zu lassen, auf welcher angekommen, sie wohl sich vereinigen durften.

Im Jahre 1864 sollten die ersten Gußstahl-Geschütze ihre Feuerprobe vor dem Feinde bestehen. Und wie durchaus nothwendig eine solche war, um ihre größere Leistungsfähigkeit den alten glatten Geschützen gegenüber zu beweisen, ergiebt sich aus einem Blick auf die Schwierigkeiten, welche die Frage der Neubewaffnung der preußischen Feldartillerie in den vorhergehenden Jahren nur so langsam fortschreiten ließen.

Nachdem durch den Entschluß des Prinz-Regenten 1860 in jedes Feld-Artillerie-Regiment 3 Batterien zu je 8 gezogenen 9 cm Kanonen eingestellt worden waren, bestanden neben diesen noch je 9 Batterien glatter Geschütze, nämlich 6 Pfünder-, 12 Pfünder-Kanonen und 7 Pfünder-Haubitzen zu gleichen Theilen. Daß diese glatten Geschütze den Anforderungen wenig gewachsen waren, darüber war man sich wohl einig, und als die Reorganisation der Armee im Jahre 1860 in allen Waffen ein neues reges Leben und verständnißvolles Streben nach Vervollkommnung und Zusammenwirken erweckte, da konnte auch die Artillerie nicht zurückbleiben. Ein kräftiger Pulsschlag durchbebte den ganzen Organismus, wirkte auf Ausscheidung der ihm anhaftenden Mängel und auf eine Entwickelung aller Kräfte, um hinter den anderen Waffen nicht zurückzubleiben in der Schlagfertigkeit, in der Verwendbarkeit und in der Wirkungsfähigkeit. Daß man hierzu andere Geschütze brauchte, sah man ein, aber, in welcher Zahl gezogene und glatte Geschütze, in welchen Kalibern sie einzuführen seien, darüber gingen die Ansichten weit auseinander.

Man ist jetzt wohl geneigt, diese Frage sehr einfach und schnell dahin zu beantworten, wie sie nach den verschiedenen Uebergangsstadien entschieden worden ist: Natürlich nur gezogene Hinterlader, das sind ja die wirksamsten und verwendbarsten Geschütze! Aber so einfach lag die Sache nicht. Man muß sich vergegenwärtigen, daß durch die erfolgte Einführung der gezogenen Geschütze die Taktik, die ganze Fechtweise der Armee auf das einschneidendste umgestaltet worden ist, und heute würden wir die gezogenen Geschütze nicht entbehren können, weil auf ihrer Verwendung die ganze neue Taktik beruht. Die alte Fechtweise, und in dieser steckten doch die Artilleristen von 1860 noch vollständig drin, entsprach der Wirkung der glatten Geschütze, und diese war auf die kleineren Entfernungen, mit denen man zu rechnen gewohnt war, eine dem gezogenen Geschütz überlegene. Der Schrapnellschuß des letzteren war noch nicht ausgebildet, mit den Granaten hatte man auf größere Weiten eine viel bedeutendere Wirkung, aber der Kartätschschuß fehlte ihnen ganz. Und so ist es verständlich, daß man der Meinung zuneigte, beide Geschützarten seien wohl geeignet, sich gegenseitig zu ergänzen, die glatten würden dem Kampf auf nähere Entfernung am besten genügen, während die gezogenen, in möglichst stabiler Aufstellung (als Positionsgeschütze), auf weitere Distanzen von besonderem Werthe seien.

Die am 27. Dezember 1860 unter Vorsitz des Prinzen Carl eingesetzte Kommission für die Neuorganisation der Artillerie entschied sich dementsprechend dahin, daß jedem Artillerie-Regiment neben 48 gezogenen Gußstahl-Hinterladern noch 42 glatte Bronze-Kanonen (kurze 12 Pfünder) und 6 glatte Bronze-Haubitzen zuzuertheilen seien. Die gezogenen Geschütze sollten also verdoppelt werden, und auf ihre Vermehrung drängte die Einführung gezogener Vorderlader in Frankreich, wo sie bereits im Feldzug 1859 zur Verwendung gekommen waren. Zugleich brachte aber die Einführung leichterer (4 Pfünder) Kaliber in fast allen Armeen die Frage in den Vordergrund, ob neben dem 9 cm nicht auch ein leichteres Geschütz einzustellen sein würde. Dies führte zur Bestellung von 2 8cm Rohren bei Krupp, nach deren Lieferung im März 1861 eine Reihe von Versuchen begann. Am 6. Januar 1862 wurde die Einstellung von je 4 8cm Kanonen in jede Artillerie-Brigade vom Kriegsministerium verfügt, um einer einjährigen Erprobung unterworfen zu werden. Bei der Artillerie-Prüfungs-Kommission gingen aber die Urtheile ebenso auseinander, wie bei den Truppen, und der General-Inspekteur, Generallieutenant von Hahn, suchte sogar seine Ansicht zur Geltung zu bringen, daß die übereilte Einführung der Hinterlader sehr zu bedauern sei, da hierdurch die Prüfung gezogener Vorderlader ganz verhindert worden sei.

Wieder war es König Wilhelm, welcher – bereits am 1. Mai 1862 – seine Ueberzeugung und seinen festen Willen, sie zur Geltung zu bringen, in die Waagschale warf, indem er befahl, daß ein 8cm Feldgeschütz nach Abschluß der Konstruktion in die Armee eingeführt werden solle. Im Dezember 1863 waren die Versuche so weit erledigt, daß aus den bisherigen Versuchs-Geschützen eine Batterie zu 8 Kanonen und 8 Wagen gebildet und bei der Garde-Artillerie-Brigade eingestellt werden konnte. Die Einführung des nunmehr festgestellten Modells an Stelle der bisherigen Haubitzen ward am 18. April 1864 mit der Forderung der energischsten Beschleunigung befohlen. Da aber die Herstellung des Materials geraume Zeit in Anspruch nahm, konnte die Umwandlung der je drei Haubitz-Batterien in vier 8 cm Batterien zu 6 Geschützen erst bis zum Herbst 1865 ausgeführt werden.

Beim Ausbruch des dänischen Krieges war, weil die Einführung der 8 cm Kanonen noch nicht durchgeführt worden war, jedes Artillerie-Regiment mit 4 gezogenen 9 cm-, 4 kurzen 12 Pfünder-Batterien zu 6 und 3 Haubitzbatterien zu 8 Geschützen ausgerüstet; die 6 reitenden Batterien hatten kurze 12 Pfünder.

Mit einer solchen Mischung von verschiedenen Feldgeschützen trat die preußische Armee in den Feldzug ein: das kombinirte Armeekorps hatte neben 72 glatten Bronzegeschützen 30 gezogene Gußstahl 9 cm Kanonen und die erwähnte Batterie von acht 8 cm Kanonen. Das verschiedene Verhalten der glatten und gezogenen, der Bronze- und Gußstahl-Geschütze im Kampf sollte aber die Ueberlegenheit der letzteren klar vor Augen führen.

Es war bei Missunde, wo zum ersten Male die Gußstahl-Kanonen in größerer Anzahl (24) in Thätigkeit traten. Wir finden sie dann bei Ballgaard an der Alsener Föhrde, bei der Beschießung von Fridericia und beim Angriff auf die Düppelstellung. Ueberall bewiesen sie ihre große Wirksamkeit und der General von Hindersin, welcher bald nachher als zweiter General-Inspekteur der Artillerie der Waffe zu ihrem mächtigen Aufschwung verhalf, überzeugte sich durch eigenen Augenschein von der gewaltigen Ueberlegenheit der gezogenen über die glatten Geschütze. „Wenn ich in dieser Richtung nicht Alles thue,” so motivirte er später seine Bemühungen um die möglichste Vermehrung der gezogenen Geschütze, „was in meiner Macht steht, und Preußen mit drei Viertel glatter Feldgeschütze in einen großen Krieg verwickelt wird gegen eine Macht, die nur gezogene Geschütze führt, so wird es wahrscheinlich eine Hauptschlacht verlieren. Der Verlust einer Hauptschlacht aber kann die Zertrümmerung und Vernichtung des Vaterlandes herbeiführen. Wenn ich daher das Geringste in der Einführung der gezogenen Geschütze versäume, so kann durch meine Versäumniß der Untergang des Vaterlandes verschuldet werden. Dieser Gedanke liegt wie ein Alp auf mir und läßt mich nicht schlafen.”

Die Zukunft hat gelehrt, mit welchem Recht der General den gezogenen Geschützen eine so hohe Bedeutung beimaß, daß er sich ihre Einführung gewissermaßen zur Lebensaufgabe machte. Waren sich doch auch die höheren Truppenführer, welche aus Schleswig-Holstein zurückkehrten, wohl bewußt, daß dieser Feldzug nur das Vorspiel gewesen war zu weit ernsteren Kämpfen, und tönte doch durch den frohen Siegesjubel, mit dem sie in Berlin einzogen, gar deutlich die Mahnung, sich nicht einzuwiegen in Selbstzufriedenheit und Siegesgewißheit, sondern in ernster Arbeit die zu Tage getretenen Mängel zu beseitigen und sich zu rüsten zu neuen um Vieles schwierigeren Aufgaben.

Wenn man zu deren Lösung die gezogenen Geschütze als eines der wichtigsten und unentbehrlichen Mittel zu erkennen anfing, so ist es allerdings nicht der Gußstahl, welchen man in seinen vorzüglichen Eigenschaften bereits als einziges anwendbares Material erachtete. Schwere Kämpfe sollte dieser noch mit der Bronze bestehen, bevor er endlich siegreich den Nebenbuhler überwand. Es war das gezogene Geschütz zunächst als solches, der Hinterlader in seiner Konstruktion, den man als vortheilhaft erkannt hatte. Daß der Hinterlader erst durch die ausschließliche Herstellung in Krupps Gußstahl seine volle Wirksamkeit entfalten würde, davon war man noch nicht überzeugt, weil an die weitere enorme Steigerung der Kraftentfaltung noch Niemand zu denken wagte.

Hatte man doch auch gezogene Hinterlader in Bronze mit ins Feld genommen, nämlich eine größere Zahl schwerer Belagerungsgeschütze. Für solche war von Anfang an die Zweckmäßigkeit der Konstruktion anerkannt worden, während man an die Hinterlader-Feldgeschütze nur mit dem großen Bedenken herantrat, daß sie nicht einfach genug seien und schwierig zu handhaben. Bei dem Belagerungsgeschütz, das in seiner Batterie fest steht und langsam feuert, läßt man sich zeitraubende und schwierige Manipulationen eher gefallen. Es ist dieses Bedenken jetzt kaum mehr verständlich, da ja die Bedienung des Hinterladers einfacher und rascher ist, als beim glatten Geschütz. Aber die Macht der Gewohnheit, und der merkwürdige Verschluß, zu dem man kein rechtes Vertrauen fassen konnte, das stand im Wege.

Nun ist es bemerkenswerth, daß auch auf dem Gebiet der schweren Belagerungsgeschütze der Feldzug 1864 den Anstoß zum ersten Schritt auf dem Wege gab, welcher später auch hier zur ausschließlichen Annahme des Gußstahls in Preußen führte. Die bronzenen Geschütze hatten doch nicht allen Erwartungen entsprochen, und es wurden bei Krupp fünf 72 Pfünder und drei 36 Pfünder bestellt, alle im fertigen Zustande nach angegebener Konstruktion, während die Feldgeschütze noch alle in Spandau gebohrt, gezogen und mit Verschluß versehen wurden.

Die vorgeahnten kriegerischen Verwickelungen ließen nicht lange auf sich warten. Der Krieg von 1864 trug im Schooß die Keime, aus denen sich das neue deutsche Reich mächtig gestalten sollte; aber große politische Fortschritte sind auf dem Wege friedlicher Entwickelung kaum denkbar. Sie bedürfen des Bewußtseins der Kraft, und dieses Selbstvertrauen wird nur gewonnen durch deren Erprobung im Kampfe; nur durch die ihnen zum Bewußtsein gebrachte Ueberlegenheit können anderseits die widerstrebenden Nachbarmächte veranlaßt werden, Raum zu geben für größere Machtentfaltung, ihre Anerkennung dem gesteigerten Einfluß auf die Gestaltung der Weltlage nicht zu versagen. In hervorragendem Maße gilt dieses für Deutschland, dessen politisches Gefüge den auswärtigen Mächten von jeher Angriffspunkte genug geboten hatte, um den Hebel zur Lockerung des ganzen kunstvollen Bauwerkes anzusetzen. Es galt, die Einzelinteressen zu vereinigen auf einen großen Gesichtspunkt, die einzelnen Bestandtheile zusammenzuschmeißen zu dem einheitlichen Organismus, welcher allein das nothwendige Maß der Kraftentfaltung erreichen konnte, das ihm eine achtunggebietende Stellung unter den Weltmächten errang. Dazu bedurfte es heftiger Kämpfe, des blutigen Ringens mit den Verfechtern der veralteten unbrauchbaren Staatsformen, um der neuen Gruppirung der Kräfte, der Neugestaltung des Reiches Raum zu schaffen, und eines um noch Vieles ernsteren, gewaltigeren Ringens mit derjenigen Europäischen Macht, welche sich in ihrer angemaßten vorherrschenden Stellung gefährdet glaubte durch den aus langem ohnmächtigen Schlummer erwachten deutschen Riesen.

Dem Kriege von 1864 folgten mit der von dem Preußischen König ebenso wie von seinen großen Staatsmännern vorhergesehenen Nothwendigkeit die Kriege von 1866 und 1870.

König Wilhelm hatte, in einträchtiger schwerer Arbeit mit seinem Kriegsminister unentwegt das Ziel im Auge behalten, das Werkzeug zu formen und zu kräftigen, mit dem allein diese schweren Krisen überwunden werden konnten. Die Reorganisation der Armee war trotz aller Widerstände einer einseitig verrannten Mehrheit der Volksvertretung durchgeführt worden und vornehmlich auch ihrer Bewaffnung ein ernstes Interesse zugewendet worden. Mit dem Zündnadelgewehr besaß die Infanterie eine in jenen Jahren allen anderen weit überlegene Waffe und auch in den Kruppschen Gußstahl-Hinterladern Geschütze, welchen keine andere Armee gleichwerthige gegenüberstellen konnte. Und doch, so vorzüglich die ersteren sich im Kriege mit Oesterreich bewährten, soviel sie zum Siege beitrugen, um eben soviel blieben die Geschütze hinter den Erwartungen zurück. Das hatte aber seine guten Gründe.

Erst 1865 konnten die 8 cm in die Armee eingestellt werden und, dem Grundsatz folgend, stets eine starke Reserve für unbrauchbar werdende Geschütze zurückzuhalten, auch nicht die ganze Zahl, welche Krupp lieferte. Es ist Hindersin zu danken, daß er beim Ausbruch des Krieges es durchsetzte, auch die Reservegeschütze schleunigst noch einzustellen, indem er hervorhob, daß es für die zu erwartende Entscheidungsschlacht darauf ankomme, möglichst viele Hinterlader zur Verfügung zu haben. Gewannen wir diese, so brachte für die nachfolgenden kleineren Gefechte der etwaige Verlust unbrauchbar gewordener keinen Nachtheil.

Es ist aber aus der ganzen Art, wie die Beschaffung und Einstellung der gezogenen Geschütze erfolgte, zu ersehen, daß an eine gründliche Kenntniß und Beherrschung der neuen Waffe durch die Truppe und ihre Offiziere im Jahre 1866 nicht zu denken war. Gerade bei der einschneidenden Umgestaltung der Taktik, welche die gezogenen Geschütze herbeiführen mußten, ist es nur natürlich, daß dieser große Schritt nicht auf einmal in kurzer Zeit gethan werden konnte, daß eine Zeit des Ueberganges eintreten mußte, in der das alte glatte Geschütz seinen Werth verlor und das neue gezogene noch nicht seiner Natur entsprechend ausgenutzt werden konnte. Und gerade in diese Uebergangszeit fiel der Krieg von 1866. Es giebt keinen schlagenderen Beweis für die Nothwendigkeit, mit der Verwendung eines Kriegsinstrumentes die Armee bei Zeiten gründlich vertraut zu machen. Die beste Waffe erweist sich als schwächlich in der Hand des Neulings und Ignoranten.

Während die österreichische Armee mit gezogenen Geschützen, vom besten System der Vorderlader, durchweg bewaffnet war, hatte die preußische Armee neben ca. 60 Prozent Hinterladern noch 40 Prozent glatte Geschütze. In Böhmen stand sie mit 474 gezogenen, 318 glatten Kanonen gegen 776 gezogene und 34 (sächsische) glatte; auf dem westlichen Kriegsschauplatz gar mit 42 gezogenen und 36 glatten gegen 174 gezogene und 172 glatte. Auf beiden Seiten war die Enttäuschung gleich groß. Man hatte erwartet, daß die Wirkung der gezogenen Geschütze beim Kampfe großer Artilleriemassen als ein sehr bedeutsames Kampfmittel sich geltend machen, daß die Artillerie eine große Rolle in der Feldschlacht spielen werde, also genau das, was sich 1870 als vollberechtigt erweisen sollte. Aber 1866 ergab sich zwar die vollständige Ohnmacht der glatten gegen die gezogenen Geschütze; sie mußten ihnen in allen Fällen das Feld räumen und konnten vielfach gar nicht zur Verwendung kommen; – aber im Kampf gegen einander, der meist auf sehr große Entfernungen geführt wurde, thaten letztere sich außerordentlich wenig Schaden. Das lag an der mangelhaften Ausbildung des Personals und an der falschen Verwendung der Kanonen.

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Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
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