Kitabı oku: «Alfried Krupp», sayfa 6
Für die Artillerie-Truppe ergab sich mithin aus den Erfahrungen dieses Krieges die Nothwendigkeit einer gründlicheren Ausbildung einerseits, einer weiteren Prüfung der schlecht bewährten Waffe aber anderseits. Die glatten Feldgeschütze mußten als ganz unbrauchbar allerdings beseitigt werden, aber eine ernste Krisis folgte auch für die Kruppschen Hinterlader. Und zwar war es nicht nur das System, für welches ja Krupp keine Verantwortung traf, sondern auch scheinbar das Material, dessen Güte in Frage gestellt wurde. Von den 8 cm-Rohren mit Keilverschluß waren nämlich mehrere ohne vorherige Anzeichen und ohne nachweisbare Fehler des Materials besessen zu haben, gesprungen. Damit war der Glaube an die Haltbarkeit des Gußstahls ernstlich erschüttert, seine Gegner schlugen daraus Kapital zu Gunsten der Bronze und erreichten, daß in Preußen aufs Neue Versuche mit einem bronzenen 9 cm-Rohr angestellt wurden; seine Konkurrenten wußten die Unglücksfälle geschäftig in ihrem Interesse zu verwerthen und das Mißtrauen zu Krupps Fabrikaten immer aufs Neue dadurch anzuregen, sodaß er sich noch im Jahre 1879 gezwungen sah, den übertriebenen Behauptungen in einem Schriftstück entgegenzutreten, das er am 11. Februar an alle Mitglieder des englischen Unterhauses versandte. Er legte hierin klar, daß von fast 18000 gelieferten Geschützen bisher nur 22 gesprungen seien, hiervon entfielen aber 17 auf die Geschütze alten Systems, welches 1870 verlassen wurde, und nur 5 Fälle auf die 11600 seitdem angefertigten Geschütze.
Zunächst war es aber eine Lebensfrage für die Geschützfabrikation des Gußstahlwerkes, die Ursachen zu ergründen für die im Kriege 1866 vorgekommenen Unglücksfälle. Krupp glaubte sie in dem wenig zweckmäßigen Verschluß, dem Wesener’schen Doppelkeil-Verschluß, welchen die Rohre in Spandau erhalten hatten, gefunden zu haben, und da es trotz aller Versuche nicht gelang, die hiermit versehenen Rohre zu verbessern, entschloß er sich zu dem großen Opfer, die sämmtlichen vor 2 Jahren gelieferten 8cm-Rohre zurückzunehmen und durch 300 neue Rohre mit geänderter Verschluß-Konstruktion zu ersetzen. Dies war geboten durch das Geschäftsinteresse, denn die mangelhafte Einrichtung konnte bei jedem dieser Geschütze ein Springen veranlassen. Jeder weitere derartige Unglücksfall konnte aber seinen Kredit wesentlich schädigen. Bei der Ausdehnung, welche die Geschützlieferungen bereits angenommen hatten und bei den hiermit verbundenen Kapitalopfern für die nothwendigen Werkanlagen war ein Rückgang der Geschützlieferungen mit hohen Gefahren für die Fabrik verbunden, ganz abgesehen von der Enttäuschung, welche Krupp persönlich in seinen auf eine weitere Entwickelung gerade dieses Industriezweiges gesetzten Erwartungen getroffen hätte.
Zu einer bedeutenden Vergrößerung seiner Fabrik war Krupp in den Jahren 1863–64 namentlich durch die umfassenden Bestellungen der russischen Regierung veranlaßt worden. Sie hatte mit dem 1859 eingeführten bronzenen Vorderlader-Feldgeschütz schlechte Erfahrungen gemacht und wandte sich 1863 dem Gußstahl zu, indem sie 88 Stück achtzöllige und 16 Stück neunzöllige gezogene Vorderlader, 1864 aber 234 Hinterlader in allen Kalibern probeweise bestellte. Die Geschützfabrikation stieg dank dieser und der Lieferungen für deutsche Staaten 1864 auf 817, im Jahre 1866 aber erreichte sie gar die Zahl von 1562, weil Rußland die Krupp’schen Feldgeschütze mit dem von ihm konstruirten Rundkeilverschluß angenommen hatte. Es muß wohl, wenigstens theilweise, auf das durch die Unglücksfälle im Kriege veranlaßte Mißtrauen zurückgeführt werden, daß in den folgenden Jahren sich ein sehr fühlbarer Rückgang bemerklich machte. Die Bestellungen betrugen 1867 720, 1868 588, 1869 nur 205 Stück, und begannen erst nach 1870 (427 Stück) mit Einführung einer veränderten Rohrkonstruktion mächtig zu steigen.
Die Erweiterung des Betriebes hatte aber auch den Wunsch nahe gelegt, mit der Rohmaterialienbeschaffung sich unabhängig zu machen von auswärtigen Lieferanten; und da zur Errichtung von Hohöfen die Lage der Fabrik bei Essen wenig geeignet war, so ergriff Alfried Krupp die sich ihm bietende Gelegenheit, vom preußischen Bergfiskus die Sayner Hütte zu erwerben. Er kam damit wieder einen wichtigen Schritt weiter in der prinzipiellen Ausbildung des Selbstfabrikations-Systems, das er unentwegt im Auge behielt.
Die Erweiterungen und Neuanlagen der Fabrik, sowie der Ankauf der Hütte waren aber mit großen Geldopfern verbunden, so daß es wohlverständlich ist, daß Krupp bei dem Hereinbrechen der kritischen Jahre nach 1866 nicht nur den Entschluß faßte, die an Preußen gelieferten 300 8cm-Rohre zurückzunehmen, sondern daß er auch alles daran setzte, durch weitere technische Fortschritte dem Gußstahl seine Stellung zu wahren. Er selbst war nicht irre geworden an dessen Vorzüglichkeit und glaubte seine Eigenschaften noch lange nicht hinreichend ausgenutzt. Es mußte aber eine neue Bahn beschritten werden, um das gesteckte Ziel zu erreichen, das hatten die Unglücksfälle von 1866 ihm klar gezeigt.
VI
Kampf und Sieg
Die Mißerfolge der gezogenen Geschütze auf dem Schlachtfelde riefen die maßlosesten Angriffe gegen diese hervor und namentlich wurden die Hinterlader einer heftigen Kritik unterzogen. Aber die maßgebenden Personen ließen sich ebensowenig wie die Artillerie-Waffe hierdurch beirren. Noch im Jahre 1866, am 6. Oktober verfügte König Wilhelm die Bewaffnung der reitenden Batterien mit den gezogenen 8cm-Kanonen, und binnen Kurzem waren sämmtliche glatte Geschütze nicht nur aus der preußischen, sondern aus allen Armeen Deutschlands verschwunden. Die Artillerie aber hatte zu deutlich empfunden, daß das glatte Geschütz dem gezogenen gegenüber gänzlich entwerthet, daß die erwartete Wirkung auf geringe Entfernungen eine Illusion gewesen sei, den modernen weitschießenden Gewehren gegenüber. Sie suchte mit Recht die Gründe für die Mißerfolge der Waffe in deren ungenügender Kenntniß und Ausnutzung, vor allem in der falschen Verwendung auf dem Schlachtfelde. Ihr ganzes eifriges Streben ging darauf hinaus, die Natur und Leistungsfähigkeit des neuen Geschützes zu studiren und sich im richtigen Gebrauch rastlos zu üben. Wie recht sie damit hatte und wie zielbewußt sie ihre Pflicht erfaßte, zeigen die glänzenden und überraschenden Erfolge des nächsten Krieges.
Daß die Unglücksfälle von 1866 das Vertrauen in das System der Hinterlader nicht zu erschüttern brauchte, hatte man aus dem eigenthümlichen Umstande gefolgert, daß nicht ein einziges 9cm-Rohr, sondern nur 8cm-Rohre gesprungen waren, weshalb wohl die Unzweckmäßigkeit des bei diesem veränderten Verschlusses die Schuld tragen mußte. Mit diesem theoretischen Nachweis war aber das Mißtrauen in der Truppe nicht zu überwinden, welcher die Gußstahl-Rohre unheimlich erschienen, da sie ohne irgend ein vorhergehendes Merkmal der Mangelhaftigkeit zerspringen könnten. Man deutete immer wieder auf den Vorzug der Bronze hin, deren Rohre zwar auch bersten und zerreißen könnten, aber niemals plötzlich und unvorhergesehen, sondern immer nach vorangehenden deutlichen Anzeichen.
Hierdurch sah sich die General-Inspektion der Artillerie veranlaßt, mit pflichtmäßiger Gewissenhaftigkeit einen neuen Versuch zu machen, ob ein leistungsfähiges Hinterlade-Feldgeschütz aus Bronze sich herstellen lasse. Sie ließ ein 9cm-Rohr konstruiren, das nach Möglichkeit dem Gewicht des Gußstahlrohrs und seiner Laffete entsprechen sollte. Und siehe: Die Schießergebnisse, welche seit 1867 mit diesem Geschütz erreicht wurden, waren günstig. Die Versuche, nun auch mit 8cm-Rohren, wurden fortgesetzt und es vollzog sich allmählich eine vollständige Wandlung zu Gunsten der Bronze. Eigenthümlich, daß zur selben Zeit, wo in Folge dessen Preußen nahe daran war, Krupps Gußstahl den Rücken zu wenden, in Oesterreich die umgekehrte Ansicht zur Geltung kam, daß die bronzenen Feldgeschütze abgeschafft werden müßten, weil Gußstahl unzweifelhaft der Bronze vorzuziehen sei.
Die Gefahr, nicht durch die Beschaffenheit des Materials, sondern durch eine fehlerhafte Konstruktion, ohne Krupps Verschulden hervorgerufen, war sehr groß, daß man auf einen falschen Weg gerieth, daß man sich der werthvollsten Kriegswaffe beraubte und ihren genialen Erzeuger, der sein ganzes Vermögen und Können in dieser Zeit an die Vervollkommnung der Waffe gesetzt hatte, in eine äußerst schwierige Lage brachte. Der Ausbruch des Krieges 1870/71 wandte die Gefahr ab.
Gleich in den ersten Gefechten machte sich die Ueberlegenheit des französischen Chassepot-Gewehrs geltend. Unsere Infanterie, die in lobenswerther aber schlecht angebrachter Tapferkeit ihre Angriffe in gleicher Weise wie 1866 ohne Vorbereitung durch die Artillerie zu machen versuchte, erlitt enorme Verluste und mußte jeden Sieg über die Feinde, welche in schönen Stellungen sie empfingen, mit Strömen von Blut erkaufen. Aber ebenso scharf trat von Anfang an die Ueberlegenheit der deutschen über die französische Artillerie hervor. Die Verhältnisse von 1866 erschienen geradezu umgekehrt. Binnen Kurzem war es die starke Hilfe der Artillerie, ohne welche die Infanterie keine Erfolge erringen konnte, war es ihre in die Wagschale geworfene Kraft, welche den Charakter der meisten Schlachten bestimmte.
Und es basirte dieses Uebergewicht nicht allein in dem Zahlenunterschied – die deutsche Armee verfügte im August über 1260 gegen 924 Geschütze – , sondern vorwiegend in deren Leistungsfähigkeit und der Geschicklichkeit, mit der die Artilleristen sie zu verwenden verstanden. Die Taktik der modernen Feldartillerie hat auf den französischen Schlachtfeldern ihre Erprobung und ihre weitere Entwickelung gefunden. Es wird von Interesse sein, einige Zeugnisse aus beiden Heerlagern einander gegenüber zu stellen, um einen Begriff zu bekommen von dem großartigen Erfolg und von dem überwältigenden moralischen Eindruck, welchen die Wirkung der deutschen Gußstahl-Kanonen hervorriefen.
Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen, damals Kommandeur der Artillerie des Gardekorps, berichtet in einem Briefe über das Eingreifen seiner Batterien bei St. Privat: „Eine dichte Masse feindlicher Infanterie kam mit Energie von der Gegend von Amanvillers auf uns zu. Als sie über die Höhe auftauchte, erreichten sie die Probeschüsse mit 1900 Schritt und die 30 Geschütze machten Schnellfeuer. Ein dichter Pulverqualm, von den platzenden Granaten erzeugt, hüllte die feindliche Infanterie ein. Aber nach kurzer Zeit tauchten die Waffen mit den Rothhosen diesseits daraus hervor und kamen näher. Das Feuer ward eingestellt. Ein Probeschuß mit 1700 Schritt bezeichnete den Punkt, auf den man sie heranmarschiren ließ, und so ging es weiter auf 1500, 1300, 1100 und 900 Schritt. Trotz der entsetzlichen Verheerungen, welche die Granaten unter ihnen anrichteten, blieben diese braven Truppen im Avanciren. Aber auf 900 Schritt war die Wirkung gar zu mörderisch, sie wandten sich zur Flucht, von unseren Granaten begleitet, so weit wir sie sehen konnten. Hier haben wir es mit einem Infanterieangriff zu thun, der durch bloßes Artillerie-Feuer abgewiesen ist. Ich habe einige Jahre später einen Adjutanten des Generals Ladmirault gesprochen, der den Befehl zu diesem Gegenstoß gebracht und den Angriff mitgemacht hatte. Es waren zwei Infanterie-Regimenter dazu beordert. Der französische Offizier sagte nur: „Il était impossible de réussir. Vous n’avez pas idée qu’est-ce que cela veut dire, que de devoir avancer dans le feu de votre artillerie.” Die Infanterieangriffe wiederholten sich aus derselben Richtung her. Es haben im Ganzen deren drei stattgefunden, die letzten beiden wurden aber nicht mit solcher Energie unternommen, wie der erste. Sie erstarben schon auf 1500 Schritt von uns. Auch eine Kavalleriemasse war vor diesen Infanterie-Angriffen aufgetaucht, um den Vertheidigern von St. Privat Luft zu schaffen. Sobald einige Probeschüsse die Entfernung gemessen hatten, sprengten die massenhaft einschlagenden Granaten unseres Schnellfeuers die Kavallerie auseinander und sie verschwand dahin, wo sie hergekommen war.”
Noch bezeichnender sind die Berichte desselben Generals über die Schlacht bei Sedan: „Eine feindliche Batterie,” so erzählt er, „ganz mit Schimmeln bespannt, trabte von Fond de Givonne her auf Givonne zu und wollte zwischen diesem Dorfe und dem bois de la Garonne Stellung nehmen. Sobald sie auf der Höhe sichtbar war, richteten die drei Batterien der 1. Garde-Infanterie-Division ihre Geschütze dahin. Die Batterie brach vollständig zusammen, die Trümmer blieben liegen. Sie that keinen Schuß. Einer zweiten und dritten Batterie ging es ebenso. In einer bald nach dem Feldzuge erschienenen französischen Broschüre las ich: „l’Empereur lui-même essaya de placer trois batteries au sortir du Fond de Givonne. Elles furent écrasées sans coup férir…” Je länger man auf derselben Stelle stand, desto sicherer traf man. Einmal sah man Bewegung oben rechts im Ardenner Walde. Die Ferngläser ließen Kavallerie erkennen, welche nach Verdun zu über eine Lichtung des Waldgebirges zu zweien ritt. Die Batterien schossen sich darauf ein. Mit Aufsatz von mehr als 4000 Schritt glaubte man zu treffen. Bei der großen Entfernung zweifelte ich an einer ersprießlichen Wirkung und wollte das Feuer inhibiren, aber die sichtbare Unruhe bei der feindlichen Kavallerie zeigte, daß wir getroffen hatten… Daß mit der Wegnahme des Bois de la Garonne die vollkommene Niederwerfung des feindlichen Heeres besiegelt sein werde, war klar ersichtlich. Aber der Angriff mußte erst vorbereitet werden. Zu diesem Zwecke theilte ich die ganze vor uns liegende Waldlisière in Abschnitte und wies jeder Batterie ihr Theil zu. Sie mußte dann immer mit dem ersten Geschütz den vorderen Waldesrand treffen und jedes folgende Geschütz mußte mit derselben Richtung, aber mit je 100 Schritt Elevation mehr, feuern. So wurde die ganze Waldlisière und der Wald bis in einer Tiefe von 500 Schritt mit Granaten übersät. Die Sprengstücke gingen noch weiter. Ließ sich aber irgend etwas vom Feinde außerhalb des Waldes sehen, so richteten sich alle Geschütze mit vernichtender Wirkung dagegen. Unsere Ueberlegenheit über den Feind war in dieser Periode der Schlacht an dieser Stelle so erdrückend, daß wir gar keine Verluste mehr hatten. Die Batterien schossen wie auf dem Schießplatze nach der Scheibe. Endlich schien der Moment zum Angriff gekommen, die Angriffsbefehle waren ertheilt, eine Salve aus sämmtlichen Geschützen sollte das Signal zur Ausführung sein. Die Salve krachte Punkt 2½ Uhr, die Infanterie stieg den Berg hinan. Mit fieberhafter Spannung richteten wir unsere Blicke nach dem Walde, ob dessen Rand wieder so viele Opfer kosten werde, wie die Lisière von St. Privat. Aber der Widerstand war hier fast Null. An den meisten Stellen kamen die völlig entmuthigten Franzosen unseren Truppen mit dem Rufe entgegen: „„pitié, pitié, nous ne pouvons plus, nous sommes écrasés par le feu de votre artillerie.””
Und nun diesen Schilderungen eines preußischen Artilleristen gegenüber die Aeußerung eines Generals des Mac Mahon’schen Korps: „Was aber das Schlimmste ist, daß unsere Artillerie in beklagenswerther Weise derjenigen der Preußen, sowohl was das Kaliber, als was die Zahl betrifft, nicht gewachsen ist. Unsere 4pfündigen Geschütze, hübsche Spielzeuge in einer Ausstellung, haben nirgends auch nur einen Augenblick vor den 12 Pfündern (es sind die 9 cm-Kanonen gemeint) der Preußen Stand halten können; Tragfähigkeit, Sicherheit und Schnelligkeit des Schusses, Alles ohne Vergleich, ist bei unsern Feinden überlegen. Während unsere Artillerie sich nie halten konnte, verließ die preußische ihre Stellungen nur, um zu avanciren; sie schien von der unseren nie getroffen zu werden und bewegte sich mit derselben Kaltblütigkeit und derselben Präcision, wie auf dem Exerzierplatze.”
Diese Leistungen der deutschen Artillerie hatten das unbedingte Vertrauen zu ihrer Feuerwaffe zur Voraussetzung. Und in der That hatte nicht nur diese allen Erwartungen bezüglich der Konstruktion entsprochen, sondern auch das Verhalten des Materials hatte bei einer bisher noch beispiellosen Beanspruchung alle Befürchtungen auf das glänzendste widerlegt. Von den 9cm, die theilweise seit 1861 im Gebrauch waren, hatten einzelne schon über 2000 scharfe Schüsse gethan; aber völlig unbrauchbar waren nur zwei Rohre durch starke Ausbrennungen geworden; eine zeitweise Unbrauchbarkeit hatten Verletzungen am Verschlusse bei 16 Rohren herbeigeführt. An den 8cm-Rohren, die meist zwischen 400 und 500 Schüssen gethan hatten, waren 25 durch Ausbrennung am Verschlußtheil völlig unbrauchbar, 57 zeitweise unbrauchbar geworden. Aber gesprungen – und das hatte man ja in erster Linie gefürchtet – war kein einziges Rohr. Hiermit war für Deutschlands Feldartillerie die Materialfrage endgültig entschieden. Der Gußstahl hatte sich so glänzend bewährt, daß von der Verwendung der Bronze ferner ganz abgesehen wurde. Auf diesem Gebiet waren alle Hindernisse beseitigt, sodaß Krupp freien Raum erhielt, seine neuen Vervollkommnungen zur Geltung zu bringen.
Bevor wir dem Meister auf dem neuen Wege folgen, müssen wir einen Augenblick verweilen, um noch einmal rückwärts zu schauen auf die letzten Jahre der Entwickelung. Denn Manches hat sich verändert und manches wichtige Ereigniß ist nicht ohne Folge geblieben auf ihn selbst, seine Lebensführung und seine Eigenart.
Nachdem Krupp im Jahre 1860 seine bescheidene Wohnung mit dem „Gartenhaus”, einem in Villenstil innerhalb der Fabrik errichteten Gebäude vertauscht hatte, entschloß er sich im Jahre 1864, dem geräuschvollen Treiben sich und seine Familie zu entziehen. Er hatte ein kleines Landbesitzthum an der Ruhr erworben und das auf einem waldumkränzten Hügel gelegene Bauernhaus zu einem Wohnhaus umgebaut. Erst später trat an dessen Stelle die herrschaftliche Villa, welche, in weithin das Flußthal beherrschender Lage, zum würdigen Wohnsitz der Krupp’schen Familie gestaltet wurde, den ersten bescheidenen Namen „Hügel” aber bis heutigen Tages behielt. Wenige Tage vor dem Umzug auf den Hügel, am 28. Oktober 1864, ward Krupp noch ein bemerkenswerther Besuch zu Theil. Der preußische Ministerpräsident, Herr von Bismarck, hatte vom 7. bis 24. Oktober eine Reihe „glücklich unbeschäftigte” Tage in Biarritz zugebracht, war am 25. in Paris gewesen und auf der Heimreise einer Einladung Krupps gefolgt, in dessen „Gartenhaus” er einen Abend in heiterster Stimmung verbrachte, um andern Tages nach Berlin weiter zu fahren.
Die folgenden Jahre hatten weitere hohe Besuche gebracht, von denen die des Kronprinzen Friedrich Wilhelm am 17. April und des Königs Wilhelm am 16. Oktober 1865 hervorzuheben sind. Der König wurde auf der im selben Jahre eröffneten eigenen Eisenbahn der Fabrik von Borbeck aus nach dem festlich geschmückten und illuminirten Etablissement gebracht und übernachtete in dem nun für hohe Gäste eingerichteten „Gartenhaus”. Der gütige Monarch pflegte niemals mit leerer Hand zu kommen, und so suchte er dieses Mal seinem Wirth durch Verleihung des Kronenordens II. Klasse ein Zeichen seiner Huld und Anerkennung zu geben. Wenige Tage darauf, am 20. Oktober, langte der Kronprinz zum zweiten Male in Essen an, führte dieses Mal aber auch die Kronprinzessin und die anderen Tages eingetroffene Königin Augusta durch die Räume der Fabrik. Das Jahr 1865 brachte auch einen Besuch des Prinzen Alexander, welcher im Jahre 1867 und 1868 wiederholt wurde. 1866 waren Prinz Adalbert, 1867 Prinz Karl von Preußen, beide in Begleitung ihrer Gemahlinnen in der Gußstahlfabrik. Letztere trafen aber deren Besitzer nicht an; er war in Nizza.
Im Winter von 1866 zu 67 machten sich bei Alfried Krupp zum ersten Male die Einwirkungen der körperlichen und geistigen Ueberanstrengung geltend, denen er seit seinem vierzehnten Lebensjahre unausgesetzt sich nicht entziehen konnte. Von diesen vierzig Jahren hatte er fünfundzwanzig in Noth und Sorge, im Kampf und Ringen um seine und seiner Familie Existenz verbringen müssen; und als der erste durchschlagende Erfolg ihn freier in die Zukunft schauen ließ, als die körperliche Anstrengung sich verminderte, da kam eine Periode des emsigsten Schaffens auf geistigem Gebiete, da mußten immer neue Unternehmungen gewagt, neue Verwendungen des Materials ersonnen und erprobt, immer neue Widerstände und Mißerfolge überwunden werden, erst auf dem Felde der Friedenserzeugnisse, dann der Kriegswaffen. Und als das Ziel, das Krupp mit diesen verfolgte, erreicht zu sein schien, als seine Geschütze in Preußen endlich zur Einführung gelangt waren, da kam der Krieg von 1866 mit seinem artilleristischen Mißerfolg. Wie niederschmetternd mußten diese Kritiken, welche seine Geschütze nicht nur bezüglich der Konstruktion, sondern auch bezüglich des Materials auf das heftigste angriffen, auf den Mann wirken, der in diesem Zweige seiner Industrie, in diesem mit Liebe und allen Opfern gepflegten Kinde seiner Thätigkeit seine höchste Lebensaufgabe erblickt hatte. Dieses Material, von dessen stetig vorzüglicher Güte er so überzeugt war, sollte unbrauchbar, sollte unzuverlässig sein! Krupp hatte die höchste Idee von dem Erbe seines Vaters, er stellte es von vornherein über jedes andere Erzeugniß der Metallurgie, und nur dieser unerschütterliche Glauben an seinen Gußstahl und an die Mission, welche ihn mit dessen Ausbeutung betraut hatte, war der Halt und das Fundament gewesen, mit und auf welchem er sein Leben diese 40 Jahre hindurch aufgebaut hatte, ein festgefügtes Gebäude. Und nun sollte dieser Grund unsicher, diese Stütze unhaltbar sein, nun sollte der ganze Bau zusammenstürzen, ohne die erhoffte und mit Zuversicht erwartete Weiterentwickelung zu finden? Wie schrecklich, wie kaum auszudenken war dieser Gedanke für einen Mann wie Alfried Krupp. Sein ganzes Selbstbewußtsein, sein Stolz, seine Kenntnisse, seine Ueberzeugung bäumten sich dagegen auf und riefen ihm zu: „Nein! Sie sind alle Thoren! Sie sind blind und thöricht. Du weißt es besser und du wirst und mußt sie eines Besseren belehren!” Und nun das eifrige Suchen nach der Quelle der Unglücksfälle, nicht mit Angst und Ungewißheit, aber mit dem heißen Drang aller Welt es vor Augen zu führen, wie falsch sie geurtheilt habe. Und als sie gefunden war, der schnelle Entschluß, diese unglückliche Konstruktion, die ihm aufgenöthigt worden, die gar nicht sein eigenes Geisteserzeugniß war, ganz zu beseitigen. Es wurde früher als ein im Geschäftsinteresse gebrachtes Opfer bezeichnet, daß Krupp die 300 8 cm-Rohre zurücknahm und durch andere ersetzte. Gewiß war es das! Aber im tiefsten Grunde waren die Motive zu diesem Entschluß doch andere, sie lagen viel tiefer, sie waren nicht einfach berechnender Natur, sondern Krupp war in tiefster Seele so empört über diese Geschöpfe seiner Fabrik, welche ihm diesen grimmigsten Schmerz angethan, daß er sie aus der Welt schaffen, sie auf jeden Fall beseitigen mußte. Wenn er nur in geschäftlicher Erwägung gehandelt hätte, so würde es nahe gelegen haben, bei der preußischen Regierung vorstellig zu werden, daß es besser sei, die unzuverlässigen Rohre zu verwerfen, und daß er unter billigen Bedingungen erbötig sei zu einem Umtausch gegen neue, obgleich er an der mangelhaften Konstruktion nicht die Schuld trage. Aber von einem solchen Versuch ist nichts bekannt. Es ist ein freier, rascher Entschluß, der bei Krupps energischem, vor nichts zurückscheuendem Charakter wohl erklärlich ist. Diese Kanonen hatten seine heiligsten Ideale beleidigt, seine Erfolge in Frage gestellt, die Weltstellung seines Gußstahls ernstlich gefährdet: mit der Schroffheit, welche sein Wille in diesem ihm wichtigsten Punkte anzunehmen begann, sagte er: „Weg damit!”
Gleichzeitig begann aber mit großem Eifer die Weiterentwickelung der eigenen Kruppschen Geschützkonstruktionen; es ist wohl keine Frage, daß die mit der preußischen 8 cm-Kanone gemachten Erfahrungen einen Anstoß gaben, selbständig für dieses Geschütz ein besseres zu konstruiren, und so ist der Herbst und Winter 1866 für Krupp unzweifelhaft von so heftigen Gemüthsbewegungen und geistigen Anstrengungen begleitet gewesen, daß eine Einwirkung auf sein körperliches Befinden nicht Wunder nehmen kann.
Es kam hierzu noch Eins, nämlich die Vorbereitung auf die 2. Pariser Weltausstellung, welche im Jahre 1867 stattfinden sollte. Sie war doppelt wichtig nach dem Stoß, den der Gußstahl soeben erlitten hatte, mit doppelter Sorgsamkeit mußte ihre Beschickung ins Auge gefaßt werden. Die geistige und körperliche Abspannung, welche sich im Winter geltend machten, zwangen Krupp dazu, seine unermüdliche Thätigkeit zu unterbrechen und in einem milderen Klima Erholung zu suchen. Er weilte ziemlich lange Zeit in Nizza, dem Ort, den er auch später wiederholt mit Vorliebe und gutem Erfolg aufsuchte.
Auf der Pariser Ausstellung wollte Krupp zum ersten Mal mit seiner neuen Rohrkonstruktion, mit einem Ringrohr, auftreten.
Man hatte bereits in mehreren Staaten Versuche angestellt, durch Herstellung des Geschützrohres nicht aus einer Masse, sondern aus mehreren zylinderförmigen Lagen über einander eine Verbesserung der Waffe herbeizuführen. Das von ihnen angewendete Material und das Geschützsystem waren aber von ganz anderer Art; Krupp mußte daher, als er den Gedanken aufgriff, ganz selbständig vorgehen, und die Konstruktion der Gußstahl-Ringrohre ist deshalb als sein eigenstes Werk zu betrachten.
Das Verfahren besteht darin, daß auf das – in der Wandung schwächer gehaltene – zylindrische Geschützrohr ein anderer angewärmter und dadurch erweiterter Gußstahlzylinder aufgebracht wird, welcher beim Erkalten sich zusammenzieht und auf den inneren Zylinder zusammenpressend wirkt, weil sein innerer Durchmesser im kalten Zustande um etwas geringer ist als der äußere des umschlossenen Geschützrohrs. Giebt man auf diesen äußeren noch einen dritten Zylinder, so wird der erste noch mehr zusammengepreßt, und die Ausdehnung, welche der zweite erlitt, gemäßigt. Alle Theile des so entstandenen Geschützrohrs werden aber, wie leicht verständlich, beim Abfeuern des Schusses in eine Spannung versetzt, welche von innen nach außen sich verringert, und in dem Ringrohr begegnet nun dieser Stoß der Pulvergase einer in gleicher Richtung abnehmenden Widerstandsfähigkeit des Materials. Die im innersten Theile ganz bedeutend gesteigerte Widerstandskraft vermag also viel größeren Ladungen Stand zu halten, als beim alten Massivrohr. Und da ferner der Laderaum den stärksten Stoß erhält, die Kraftäußerung nach der Mündung zu abnimmt, so hat man es in der Hand, eine Verstärkung des Rohres durch Ringe genau im Verhältniß der nothwendigen Widerstandskraft, am stärksten am Laderaum und schwächer werdend von hier an, vorzunehmen. Es ist auch ohne Weiteres verständlich, daß man den hinter dem Laderaum liegenden Theil des Rohres, welcher lediglich zur Aufnahme des Verschlusses dient, schwächer halten kann, als bei Rohren früherer Konstruktion üblich war, und daß der Verschlußtheil in Folge dessen kleiner, leichter und bequemer zu handhaben wird. Es wurde bereits erwähnt, daß Krupp im Jahre 1862 in London einen von ihm konstruirten Keilverschluß patentiren ließ. Diesen hatte er in den folgenden Jahren wesentlich vervollkommnet und im Jahre 1865 sich den so entstandenen Rundkeilverschluß patentiren lassen, welcher in der Folgezeit auch von der Preußischen Regierung angenommen und seitdem bei allen Kruppschen Hinterladern angewendet worden ist.
Die Pariser Ausstellung 1867 gab Krupp willkommene Gelegenheit, seine Ringkanone öffentlich vorzuführen und er glaubte nicht mit Unrecht, den Eindruck durch die Wahl eines möglichst großen Kalibers steigern zu können. Nicht weniger als 14 Monate ward an dem Riesengeschütz gearbeitet, das bei 35,5 cm Seelendurchmesser ein Gewicht von ungefähr 1000 Zentnern erreichte. Und ihm zur Seite lag ein Block, 800 Zentner, für eine Schiffskurbelwelle bestimmt. Für diese beiden Objekte hatten besondere, auf 8 Rädern ruhende Eisenbahnwagen gebaut werden müssen und, da sich die Eisenbahngesellschaften weigerten, diese Monstrewagen mit ihrer unerhörten Ladung in gewöhnlichen Güterzügen zu befördern, mußte ein Separattrain sie nach Paris bringen.
Krupps Ausstellung war sehr günstig untergebracht, zwischen den beiden im Halbkreis emporführenden Treppen des stattlichen Marmorbaues, welchen die Berliner Baukünstler und Handwerker aufgeführt hatten. Das Geschützrohr lag in einer gleichfalls von ihm entworfenen stählernen Laffete und nahm in Verbindung mit einer Anzahl kleinerer Geschütze die allgemeine Aufmerksamkeit, vor allen aber die des Kaisers Napoleon in Anspruch. Die Franzosen gaben ihrer Bewunderung unverhohlen Ausdruck und zögerten nicht, der Firma Krupp namentlich auf Grund der großartigen maschinellen Hilfsmittel, welche allein diese Erzeugnisse zu liefern ermöglichten, den ihr gebührenden Platz an der Spitze der gesammten Eisen-Industrie der Welt einzuräumen. Am meisten imponirte aber den Franzosen, daß dieses Alles die Schöpfung eines einzigen Mannes sei. „Bedenke man,” äußerte sich eine große pariser Zeitung, „daß die Essener Hüttenwerke nicht etwa das Werk und das Eigenthum einer mächtigen Finanzgesellschaft, sondern daß sie durch das Genie und die Mittel eines einzigen Mannes geschaffen sind! Kam es nur darauf an, Geschütze von großer Gewalt und Tragweite zu fabriziren und auf die Behandlung des Stahles zu diesem Zwecke, so könnte ohne Zweifel die große Wichtigkeit des Essener Werkes bestritten werden. Aber in den anderen Industriezweigen, wo die Superiorität des Stahls anerkannt ist, in der laufenden Fabrikation der Schienen, der Reifen, der Räder, der Achsen, welche die französischen Eisenwerke ausführen können, in der Herstellung der Theile riesiger Maschinen, welche diese Anstalten in relativen Größen ausführen können, ist der Vorrang des preußischen Werkes so unbestreitbar, daß nicht nur Rußland, Frankreich und Deutschland seine Produkte um die Wette kaufen, sondern auch England davon bedeutende Quantitäten verwendet für seine Eisenbahnen oder für die ungeheuren Maschinentheile seiner mächtigen Dampfschiffe. Der große Hammer des Herrn Krupp wiegt 50000 kg; Frankreich besitzt einen solchen von 15000 kg bei den Herrn Petin Gaudet, einen von 12000 kg in Creusot; die schwersten Hämmer in England übersteigen nicht das Gewicht von 15000 kg.”