Kitabı oku: «Alfried Krupp», sayfa 7
Bei dem großen Interesse, welches man in Frankreich den Kruppschen Geschützen zuwandte, lag für ihn die Hoffnung nahe, seinen Gußstahl auch für die französische Artillerie eingeführt zu sehen. Dieses geschah nicht, trotzdem sich Krupp ernstlich darum bemühte.
Man hat von der einen Seite ihm einen besonderen Ehrenkranz zu winden gemeint, indem man die Behauptung aufstellte, er habe das Liebeswerben Frankreichs stets zurückgewiesen und aus ahnungsvollem Patriotismus ihm keine Geschütze geliefert; anderseits hat Henri Bordier in seinem 1872 in Paris erschienenen Buche „L’Allemagne aux Tuileries de 1850 à 1870” unter den „Bettelbriefen” Deutscher an Napoleon III. auch einen Brief Krupps aufgenommen, um ihn in die Klasse der ihrer nationalen Würde vergessenden Deutschen herabzudrücken, welche den französischen Kaiser mit Schmeicheleien bestürmten. Eins ist so wenig berechtigt, wie das andere. Krupp war in jenen Jahren Frankreich gegenüber lediglich der Geschäftsmann, welcher in seinem Vaterlande noch um die Sicherung seines Absatzes kämpfen mußte und gar keine Ursache hatte, nicht den Markt für seine Erzeugnisse in allen kultivirten Ländern zu suchen. Von speziell preußischen oder deutschen Konstruktionen war noch keine Rede; denn man hatte hierselbst Krupps Vorschläge kaum erst in Erwägung gezogen, kaum kennen gelernt, geschweige denn, sie, wie später geschah, angenommen und weiter entwickelt. Krupp war mithin völlig Herr seiner neuen Konstruktionen, Ringrohr und Rundkeilverschluß. Kein Mensch verargte es ihm, daß er eine Bestellung Rußlands aus 25 achtzöllige und eine neunzöllige Ring-Kanone 1866 annahm und bis 1867 an Feldgeschützen nicht weniger als 601 Stück nach Petersburg lieferte. Von denselben Geschützen konnte er wohl auch Zeichnungen in Paris vorlegen, ohne des Mangels an Patriotismus angeklagt oder gar als zudringlicher Bettler bezeichnet werden zu müssen.
Thatsächlich hat Krupp im Jahre 1868 zwei Broschüren über Schießversuche der französischen Regierung übersandt. Ziemlich gleichzeitig lief ein Bericht des Militärbevollmächtigten in Berlin, des Obersten Stoffel in Paris ein, in welchem dieser die unbedingte Ueberlegenheit der preußischen über die österreichischen und auch über die französischen Feldgeschütze betonte: „das Material der preußischen Feldartillerie,” sagte er, „ist dem unsrigen sowohl in Bezug auf Treffsicherheit, wie auf Schußweite und Feuer-Schnelligkeit bedeutend überlegen.” Aber gleichzeitig berichtete er von den starken Anfeindungen, welche die Gußstahl-Geschütze zu erfahren hatten und glaubte annehmen zu können, daß die preußische Armee-Leitung nur durch das Vorhandensein der bereits beschafften Gußstahl-Rohre verhindert werde, sich zur Bronze zu bekennen.
Dem General Le Boeuf, welchem die Broschüren Krupps zur Begutachtung überwiesen wurden, fand in dieser letzten Bemerkung des Obersten Stoffel sowie in der Thatsache der Unglücksfälle von 1866 willkommene Gründe, um das Aktenstück bei Seite zu schieben, ohne dem Kaiser darüber vorzutragen. Er hielt die Gußstahlgeschütze für zu theuer, war überzeugt von der Vorzüglichkeit der französischen Feldgeschütze und, wenn er auch die Superiorität Krupps in der Stahlfabrikation nicht leugnen konnte, so glaubte er, der eigenen Industrie Zeit verschaffen zu müssen, jenen einzuholen und dem Staate bessere Kriegswaffen zu liefern.
So war zum zweiten Male die Gefahr für Deutschland abgewendet worden, daß in dem großen Kampfe mit der gallischen Nation außer dem überlegenen Gewehr ihm auch ein gleichwerthiges Geschütz gegenüberstände. Es war Frankreichs Geschick, das eine ewige Gerechtigkeit ihm fügte, daß es, befangen in Selbstüberschätzung, die dargebotene starke Waffe zurückwies, welche in der Hand des Feindes wenige Jahre darauf dazu diente, seinen Hochmuth zu brechen und seine Anmaßung zu Boden zu werfen.
Noch einmal im Jahre 1868 suchte Alfried Krupp die Aufmerksamkeit des französischen Kaisers auf seine Erzeugnisse zu lenken. Es ist der Brief, welcher ihm als „Bettelbrief” von Henri Bordier angerechnet worden ist, und welchen er am 29. April mit einer Sammlung Zeichnungen von verschiedenen seiner Fabrikate Napoleon übersandte. Es war eine einfache Geschäftsempfehlung, wie sich aus seinem Wortlaut ergiebt:
„Sire, encouragé par l’intérêt que sa Hauteur Votre Majesté a prouvé pour un simple industriel et les résultats heureux de ses offerts et de ces sacrifices inouïs, j’ose de nouveau m’approcher à Elle avec la prière de vouloir daigner d’accepter l’atlas ci-joint qui représente une collection de dessins de divers objets exécutés dans mes usines. Je me livre à l’espérance que surtout les quatre dernières pages qui représentent les canons en acier fondu que j’ai exécutés pour les divers hauts gouvernements de l’Europe, pourraient attirer un instant l’attention de V. M. et excuseront mon audace. Avec le plus profond respect, avec la plus grande admiration, je suis de V. M. le plus humble et le plus dévoué serviteur.
Fried. Krupp.”
Und die Antwort hierauf? Sie ward am 21. Mai ertheilt und lautete:
„L’empereur a reçu avec beaucoup d’intérêt l’atlas que vous lui avez adressé et S. M. a donné l’ordre, de vous remercier de le lui avoir communiqué et de vous faire connaître qu’elle désire vivement le succès et l’extension d’une industrie destinée à rendre des services notables à l’humanité.”
Das waren nur nichtssagende Phrasen, aber der „lebhafte Wunsch” des französischen Kaisers sollte schrecklich sich an ihm und seinem Lande erfüllen. Die Beziehungen Krupp’s zu Frankreich waren hiermit für immer abgebrochen.
Um aber Alfried Krupp’s persönliche Stellungnahme zum französischen Herrscherhaus des Weiteren zu charakterisiren, um zu zeigen, daß er lediglich durch das geschäftliche Interesse mit Ueberwindung seiner persönlichen Gefühle sich zu dem Versuch bestimmen ließ, in Beziehungen zur französischen Regierung zu kommen, muß noch ein Ereigniß Erwähnung finden, welches in dieselbe Zeit fällt.
Am 23. Januar 1868 übersandte Krupp seine Broschüren, vom 20. Februar datirt der Bericht des Obersten Stoffel, am 11. März 1868 verwies Le Boeuf die Broschüren in’s Archiv; am 29. April endlich sandte Krupp seinen Atlas an Napoleon. Am 20. März besuchte dessen Vetter, Prinz Napoleon Bonaparte, bekannt unter dem Namen Jerôme nach seinem Vater, dem ehemaligen König von Westfalen, die Gußstahlfabrik. Er kam inkognito unter dem Namen eines Grafen von Meudon, und begleitet von zwei französischen Offizieren in bürgerlichem Kleide. Daß Krupp von dem Schicksal seiner Broschüren unterrichtet gewesen sei, ist nicht anzunehmen; auch spricht seine Sendung vom 29. April dafür, daß er die Hoffnung nicht aufgegeben hatte, geschäftliche Beziehungen anzuknüpfen. Trotzdem weigerte er sich, als ihm eine Andeutung von des Prinzen Absicht gemacht wurde, entschieden, ihn in der Fabrik zu empfangen. Hier kamen also seine persönlichen patriotischen Gefühle zur Geltung, und selbst auf die Gefahr hin, seine geschäftlichen Erwartungen stark zu schädigen, konnte er sich zu keinem Entgegenkommen entschließen. Als der Prinz dennoch auf der Rückreise von Berlin in der Fabrik erschien, konnte er ihm unmöglich die Thür weisen, zumal jener sich auf eine Aufforderung des Kronprinzen von Preußen berief; aber er hielt sich ihm persönlich ganz fern und beauftragte einen Prokuristen mit der Führung. Bei dieser Gelegenheit ließ der Prinz – ein scharfer Beobachter – die bekannten Worte fallen: „Mais c’est donc un état dans l’état; jamais en France on ne laisserait passer cela!”, eine Bemerkung, über welche König Wilhelm, als Krupp sie ihm später erzählte, herzlich gelacht hat. Die Angabe Jerôme’s, daß der Kronprinz ihn nach Essen eingeladen habe, erwies sich übrigens später als eine Erfindung.
Am selben Tage mit dem Prinzen Napoleon traf der türkische Gesandte Aristarchi Bey in Essen ein. Mit der Türkei hatte Krupp bereits seit 1863 Beziehungen und in diesen Jahren bedeutende Geschützlieferungen dorthin auszuführen. Der Sultan wurde in der Folge einer der besten Abnehmer der Gußstahlgeschütze.
Die wichtige Entwickelungsperiode zwischen dem deutsch-österreichischen und dem deutsch-französischen Kriege brachte dem Fabrikanten der Gußstahl-Geschütze noch auf einem anderen Gebiete, als dem der Feldgeschütze eine ernste Krisis. Aber auch aus dieser ging er nicht nur als Sieger hervor, sondern gab auch wiederum den Anstoß zu einem hochwichtigen weiteren Schritte in der Vervollkommnung des deutschen Geschützsystems. Es bilden die zu besprechenden Vorgänge ein Beispiel des untrennbaren Zusammenhanges und der gegenseitigen Beeinflussung aller einzelnen Faktoren des Geschützwesens, und sie gewähren uns einen interessanten Einblick in die schwierigen vielgestaltigen Aufgaben, welche von dem modernen Artillerie-Konstrukteur zu bewältigen sind.
Wir erwähnten bereits, daß die preußische Armeeleitung nach dem dänischen Feldzuge einige Gußstahl-Geschütze größeren Kalibers beschaffte, weil die Bronzerohre in mancher Beziehung nicht genügt hatten. Außer den Belagerungs- und Festungsgeschützen bedurfte man aber, seitdem eine kräftige Entwickelung der Flotte und ein besserer Schutz der deutschen Häfen und Küsten (seit 1867) ins Auge gefaßt wurde, noch schwerere Geschütze für die Armirung der in Angriff genommenen Panzerschiffe und Küstenbefestigungen. Für diese, gegen Panzerziele mit äußerst gesteigerter Wirkung auszustattenden Geschütze erschien der Gußstahl von vorn herein als das am besten zu verwendende Material. Es war daher nicht nur das 35,5 cm-Geschütz der Pariser Ausstellung, welches Krupp dem König von Preußen zum Geschenk machte, sofort in einem Kieler Strandfort „Brauneberg” aufgestellt, sondern 25 Stück Sechsundneunzigpfünder, sowie 50 Zweiundsiebenzigpfünder in Bestellung gegeben. Die der Fabrik vorgeschriebene Konstruktion war aber noch mit dem in Preußen gebräuchlichen Doppelkeilverschluß ausgestattet und nur die Sechsundneunzigpfünder besaßen Ringrohre. Von der für alle Kaliber gleich vortheilhaften Ringkonstruktion hatte man sich wohl noch nicht überzeugen können.
Um dem Geschoß die nothwendige Durchschlagskraft gegen 8 Zoll starke Schiffspanzer zu geben, war verlangt worden, daß es mit einer Anfangsgeschwindigkeit von 408 m in der Sekunde den Lauf verlassen müsse. Bei dem ersten Schießversuch mit dem Sechsundneunzigpfünder, welcher im Frühjahr 1868 bei Tegel stattfand, gelang es aber nicht, die Geschwindigkeit höher als bis 361 m zu bringen, obgleich man die Pulverladung bis 25 kg steigerte. Bei einem in Gegenwart des Königs Wilhelm am 31. März vorgenommenen Probeschießen ward die achtzöllige Panzerwand nicht durchschlagen. Also das Gußstahlgeschütz leistete nicht, was man erwartet hatte und dessen man unbedingt benöthigte. Man beschloß also, bei Armstrong einen eisernen Vorderlader von gleichem Kaliber zu bestellen und ein Vergleichsschießen zu veranstalten.
Krupp glaubte den Grund für die geringe Leistung seines Geschützes zu wissen. Er selbst hatte bei den mit russischem Pulver angestellten Versuchen wesentlich günstigere Resultate erzielt. Dieses bestand aber aus sechskantigen Prismen von 25 mm Höhe mit 7 Durchbohrungen, während das preußische Geschützpulver aus lauter kleinen Körnern von wenigen Millimetern Größe sich zusammen setzte. Nach dem heutigen Standpunkt der Wissenschaft ist es ganz klar, warum das preußische Geschützpulver so wenig leistete. Die Entzündung des Pulvers erfordert immer einige Zeit und zwar desto mehr, je mehr einzelne Körner zu entzünden sind. Bei großen Ladungen werden, zumal wenn die Entzündung von einem Endpunkt beginnt, die zuerst entzündeten kleinen Körner bereits durch ihre Explosion zur Wirkung gelangen, d. h. das Geschoß heraustreiben, bevor alle Körner in Brand gesetzt wurden. Ein um so größerer Theil der Körner wird also unverbrannt mit herausgeschleudert werden, je größer die Ladung ist. Bei den um so vieles größeren Körnern des russischen prismatischen Pulvers wird die Entzündung aller Körner viel schneller und andererseits die Verbrennung, und demnach Wirkung jedes Kornes viel langsamer erfolgen. Die Durchbohrungen sorgen dafür, daß es nicht allzulangsam geschieht.
Krupp war davon überzeugt, daß die geringe Leistung nur der Anwendung des preußischen Schießpulvers zuzuschreiben sei und reiste nach Berlin, um vor dem Vergleichsschießen seiner Bitte, russisches Pulver anwenden zu wollen, in einer Audienz (23. Mai) beim König Nachdruck zu verleihen. Der Vorschlag stieß aber jedenfalls bei dessen technischen Berathern auf so energischen Widerstand, daß er nicht zur Ausführung kam, obgleich man der Firma Armstrong die Vergünstigung gewährte, das vorgeschriebene englische und nicht preußisches Pulver anzuwenden. Der Erfolg war, daß das Armstrong-Geschütz am 2. Juni in Bezug auf Durchschlagskraft entschieden den Sieg davontrug.
Dieses Ergebniß war für die Krupp’schen schweren Hinterlader von kritischer Bedeutung. Man zog ernstlich in Erwägung, ob man das Gußstahl-Geschütz nicht von der Verwendung gegen Panzer ganz ausschließen und die außerdem um vieles billigeren Armstrong-Kanonen dafür einstellen müsse. Sie kosteten nur 12000 gegen 30000 Thaler. Das schwere Gußstahl-Geschütz erschien für die Marine untauglich; die Nothwendigkeit, der norddeutschen Marine in kürzester Frist eine kräftige Armirung zu geben, gestattete nicht, etwaige Verbesserungsversuche abzuwarten; es blieb nichts übrig, als die Panzerschiffe mit englischen Geschützen auszurüsten. Ein um die Entwickelung des deutschen Geschützsystems hochverdienter Offizier, Generallieutenant v. Neumann, damals Präses der Artillerie-Prüfungskommission, mußte in Folge seines energischen Eintretens für die Gußstahl-Geschütze den Abschied nehmen.
Zu gleicher Zeit hatte auch Rußland dasselbe neunzöllige Geschütz Krupp’s erprobt, mit Anwendung seines prismatischen Pulvers vorzügliche Ergebnisse erhalten und in Folge dessen 62 solche Geschütze bestellt. Es ist wahrscheinlich, daß Krupp in der Audienz am 23. Mai diese, einen gewissen politischen Charakter tragende, Lieferung zur Sprache brachte, daß er einerseits die Allerhöchste Genehmigung zu ihrer Ausführung erhielt, anderseits des Königs Aufmerksamkeit auf die so wesentlich anders ausgeschlagenen Versuche an der Newa lenkte. Er reiste noch im Juni von Berlin nach Petersburg und erreichte hier von der Regierung, daß sie dem in artilleristischen Kreisen hoch angesehenen General Majewski den Auftrag ertheilte, über die russischen Schießversuche ausführlich nach Berlin zu berichten.
Bei König Wilhelm fand dieser Bericht offenes Gehör; er befahl eine Erneuerung des Vergleichsschießens unter Anwendung prismatischen Pulvers und einer veränderten, der Zentral-Zündung. Gleichzeitig ward anstatt des Geschosses mit dickem Bleimantel von der Fabrik eine Stahlgranate mit gehärteter Spitze und dünnem Bleimantel verwendet, und bei dem am 7. Juli stattfindenden Versuch feierte Krupp einen glänzenden Erfolg. Die 8 zöllige Panzerwand ward von dem Krupp’schen Geschütz mit Kraftüberschuß durchschlagen, in einen 9 zölligen Panzer drang seine Granate tiefer ein, als das Armstrong-Geschoß, und als man hierauf zu Dauerversuchen schritt, bekam das englische Geschütz bereits beim 138. Schuß einen Riß, während das deutsche nach 676 Schuß erst dadurch unbrauchbar wurde, daß eine Granate in dem Rohre krepirte. Weitere Schießversuche mit kleineren Kalibern ergaben gleich günstige Resultate: die achtzöllige Kanone leistete dasselbe wie Armstrong’s Neunzöller.
Damit war der Sieg des deutschen Geschützes über das englische endgültig entschieden. „Mit der eklatanten Niederlage,” so schrieb ein damaliger Berichterstatter, „welche England gleichzeitig auf dem Gebiete der Geschütz-, Geschoß- und Pulver-Industrie erlitten hat, ist dasselbe unwiderruflich von der ersten Stelle, welche es gerade für diese Industriezweige seit länger als anderthalb Jahrhunderten behauptet hat, herabgestiegen und wird nicht minder unwiderruflich diese Stelle fernerhin an Deutschland überlassen müssen.” Und zur selben Zeit erklärte der belgische Artilleriekapitän, Nicaise, eine Autorität auf dem artilleristischen Gebiet, nachdem er den englischen in Shoeburyness angestellten Panzer-Schießversuchen beigewohnt hatte, die Vorderladungsgeschütze und vornehmlich das englische Woolwich-Geschütz für endgültig überwunden durch Krupp’s Gußstahl-Hinterlader, welchen er als das Geschütz der Zukunft bezeichnete. Und trotz aller Anstrengungen, welche die englische Geschütz-Industrie gemacht hat, ist es dabei geblieben.
Allerdings sind die im Gebiete der Geschütz-, Geschoß- und Pulver-Industrie gleichzeitig errungenen Siege nicht durchweg als Verdienste Alfried Krupp’s zu bezeichnen. Denn die Geschosse, welche auch in England den Panzerzielen gegenüber als die besten, besser als die Stahlgeschosse, sich bewährten, waren nicht aus Krupp’s Fabrik, sondern Hartguß-Granaten von Hermann Gruson. Dieser gewann mit diesem seinem ersten Erfolge den ersten festen Grund und Boden, auf dem er mit ungeahntem Erfolge die Reihe seiner Hartguß-Konstruktionen aufzubauen begann. Er wurde mit seinen Granaten ein gefährlicher Rivale Krupp’s, und erst nach Einführung einer neuen Härtungsmethode gewannen die Stahlgranaten wieder den Vorrang. Da hatte aber Gruson längst in seinen Panzern ein reiches Feld der Thätigkeit erobert. Und auf dieses folgte ihm, wie wir bereits sahen, Alfried Krupp, zunächst wenigstens, nicht. Er stand vielmehr Gruson’s Schutzwaffen mit seinen Geschützen als Angriffswaffen gewissermaßen feindlich gegenüber, indem er in jeder Weise seine Geschütze und Geschosse zu vervollkommnen suchte, um die festesten Panzer zu durchdringen oder zu zerschmettern.
Gebührt aber Krupp auf dem Gebiet der Geschütz-Konstruktion allein das Verdienst, mittelst seiner Ringkonstruktion Rohre von der erforderlichen Widerstandsfähigkeit erzeugt zu haben, um die großen Pulverladungen verwenden zu können, welche die erstrebte Kraftsteigerung nöthig machte, so ist es ihm auch anzurechnen, daß er die Widerstände zu überwinden wußte, welche der Einführung verbesserter Pulversorten in Deutschland entgegengestellt wurden. Er hat hierdurch die Aufmerksamkeit aus diesen Theil des Geschützwesens gelenkt, welcher so außerordentlich wichtig ist und in der Folge eine so eminente Bedeutung für die Entwickelung der Artillerien aller Länder gewonnen hat. Daß dann Deutschland nicht hintenan hinkte, sondern sich an die Spitze der Bewegung stellte, das hat Krupp im Jahre 1868 glücklich angebahnt, wie er sich auch fernerhin thätig auf diesem Felde betheiligt hat.
So hatte diese Periode von 1866 bis 1870, welche mit so großen Enttäuschungen begonnen und so viele schwere Krisen mit sich gebracht hatte, doch in den endlich errungenen großen Erfolgen nur dazu beigetragen, dem Gußstahl und Krupps genialer Verwendung seines Materials in allen Gebieten reiche Anerkennung und eine Stellung zu verschaffen, welche nunmehr nicht so leicht mehr zu erschüttern schien. Freilich hatte sie auch seine Kräfte in einer Weise in Anspruch genommen, daß zum ersten Male der stählerne Körper der Ruhe und langer Erholung bedurfte. Das war der Preis des glänzenden Sieges.
VII
Neue Kämpfe
Die günstigen Erfolge des neunzölligen Ringgeschützes, welche ihm 1868 die Richtigkeit seiner Ideen erwiesen hatten, veranlaßten Krupp, durch Anwendung der gleichen Prinzipien auch die Leistungsfähigkeit der Feldgeschütze weiter zu entwickeln. Sie besaßen eine zu stark gekrümmte Flugbahn der Geschosse, ihre Wirkung konnte wesentlich gesteigert werden, wenn man es erreichte, daß sie flacher das Gelände bestrichen, und hierzu war eine Steigerung der Anfangsgeschwindigkeit nöthig. So gut wie bei dem schweren Panzergeschütz war diese aber auch beim Feldgeschütz durch stärkere Ladung gröberen Pulvers zu erreichen, und die hierdurch bedingte größere Widerstandsfähigkeit des Rohres wurde mit der Ringkonstruktion ermöglicht. So verfolgte Krupp seit 1868 bereits diesen Gedanken und beschäftigte sich mit der Erzeugung eines seinen Ideen entsprechenden Feldgeschützes. Bei den Versuchen erwies sich die hölzerne Laffete nicht haltbar genug für die starke Ladung und veranlaßte die Konstruktion einer stählernen Laffete. Endlich entging ihm nicht die Wichtigkeit, welche die Herstellung eines Einheitsgeschützes haben mußte. Wenn es gelang, ein solches für alle Aufgaben genügend herzustellen, so war damit eine außerordentlich werthvolle Vereinfachung des Munitionsersatzes, der Ausbildung, kurz des ganzen Systems verbunden. Wenn er auch mit diesem Gedanken nicht durchdrang, wenn es ihm auch damals nicht gelang, ein solches Geschütz zu konstruiren, so hat die spätere Zeit ihm doch Recht gegeben. Was man damals nicht für durchführbar erachtete, es wurde später ermöglicht, nachdem die großen damit verbundenen Vortheile sich allgemeine Anerkennung verschafft hatten. Wie es großen genialen Männern meist ergeht, sie sind mit ihren Ideen dem allgemeinen Verständniß zu weit voraus, und wenn man nach zeit- und kostspieligen Umwegen zu demselben Ziele gekommen ist, das sie auf kürzerem Wege anstrebten, dann ist es Einem meist ganz unverständlich, warum man nicht seinen Intentionen von vorn herein folgte.
Es ist allerdings auch hier eine Kehrseite vorhanden. Der geniale Erfinder hat meist nur die großen Hauptpunkte im Auge und, wenn er von der Energie eines Alfried Krupp beseelt ist, so drängt er ungestüm auf die Verwirklichung seiner Ideen, ohne auf alle die Nebendinge gebührend Rücksicht zu nehmen, welche für denjenigen gründlich erwogen werden müssen, der die praktische Durchführung und Verwendung zu verantworten hat. Macht und veranlaßt letzterer Umwege, so läßt er doch auch Zeit gewinnen, um die Idee gründlich ausreifen zu lassen, sie von allen Seiten zu prüfen und für die Verwendung zweckmäßig auszugestalten. Das Gewicht, welches hiermit dem kühnen Fluge des Genies angehängt wird, ist meist eine Nothwendigkeit für die gründliche Ausgestaltung seiner Ideen. Wir finden dieses durchaus auch bewahrheitet bei Krupps neuester Idee, dem leistungsfähigeren Feldgeschütz.
Im Anfang des Jahres 1870 glaubte Krupp seine Versuche abschließen zu können, übersandte am 9. Februar dem preußischen Kriegsministerium eine Druckschrift „Krupps 4pfündige (8 cm) Feldkanonen, Konstruktion 1869 mit 1700′ (533,5 m) Anfangsgeschwindigkeit” und stellte zwei Geschütze mit Kartuschen zur Verfügung, unter Wahrung des Eigenthumsrechtes und mit der Bedingung, die Konstruktion und die Versuche geheim zu halten.
Bei der Artillerie-Prüfungskommission, welcher die Kruppschen Vorschläge zur Begutachtung überwiesen wurden, war aber der Gedanke eines in der neuen Richtung weiter entwickelten Feldgeschützes nichts Neues. Die Versuche mit dem Neunzöller hatten ganz ähnliche Ideen angeregt wie bei Krupp, und auf der durch seine Erfolge gebildeten Basis war man bereits seit 1868 mit ähnlichen Versuchen beschäftigt. Man begegnete sich also auf demselben Felde. War das für Krupp günstig oder ungünstig? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Jedoch ist es wohl nur menschlich, wenn man annimmt, daß Krupps bereits fix und fertig vorgelegtes Projekt kein großes Vergnügen erregte, da man doch selbst gerade auf dem besten Wege zu sein glaubte, selbständig das gleiche Ziel zu erreichen. Und es waren tüchtige Leute, welche daran arbeiteten.
Es waren aber noch weitere Gründe, welche ein gemeinsames Zusammenarbeiten mit Krupp, zunächst wenigstens, erschwerten.
Der Zweck der Versuche war beiderseits derselbe, Steigerung der Geschoßgeschwindigkeit und Verstärkung des Rohrs, um die Ladung vermehren zu können. Der Ausgangspunkt war aber für beide verschieden. Da die preußische Feldartillerie soeben mit Gußstahlgeschützen neu bewaffnet war, galt es, entweder diese leistungsfähiger zu machen oder verstärkte Rohre selbst aus vorhandenem Material billig herzustellen. Hierzu war Bronze wohl verwendbar, da sie neuerdings wesentlich bessere Resultate ergeben hatte, nachdem man das Gußverfahren vervollkommnet hatte. Kurz vorher war ja auch die Herstellung von Bronze-8cm-Kanonen verfügt worden. An die Verwerfung der neuen Gußstahlgeschütze und Neuausrüstung nach Krupps neuestem Vorschlag wagte man gar nicht zu denken.
Diese Gesichtspunkte lagen dem Gußstahl-Fabrikanten natürlich gänzlich fern. Wollte und mußte er doch gerade dem wieder zu Ansehen kommenden Bronzegeschütz gegenüber sein Gußstahl-Geschütz zu einer Stufe der Leistungen erheben, daß er jenes für immer aus dem Felde schlug. Für ihn galt es also auch keine mäßige Kraftsteigerung der vorhandenen Stahlgeschütze, wie sie die Kommission erstrebte und wie sie auch mit Bronze erreichbar war, sondern die Neukonstruktion eines Geschützes, welches das äußerste Maaß der Kraftäußerung erreichte. Nach Steigerung der Anfangsgeschwindigkeit strebte man seit 1868 in allen Staaten, aber mehr als 400 m in der Sekunde war meist nicht zu erreichen. Krupp überbot sie alle mit seinen 530 m.
Unter diesen Umständen ist es erklärlich, wenn die Kommission dem Kruppschen Geschütz nicht mit Begeisterung entgegenkam und wenn die Berichte über die am 21. Mai und 9. Juli ausgeführten Schießversuche (der letzte bereits mit einem umgeänderten Geschütz) über eine große Zahl Mängel sich verbreiteten, welche hierbei zu Tage getreten waren. Die Hauptsache mußten sie doch anerkennen: Die Geschoßgeschwindigkeit betrug auf 50 m vor der Rohrmündung noch 507,9 m. Anderseits war allerdings auch nicht zu leugnen, daß das Geschütz noch in vielen Beziehungen der Verbesserung bedurfte, daß es in der vom Fabrikanten vorgeschlagenen Form für den Gebrauch sich noch nicht eignete.
Die Mobilmachung unterbrach die Versuche und erst nach Beendigung des Feldzuges konnten sie wieder aufgenommen werden. Ein wichtiger Differenzpunkt war nun beseitigt, es konnte die Bronze nicht mehr in Frage kommen, auch war nun ein Ersatz der gesammten Ausrüstung durch neue Geschütze nicht nur möglich, sondern sogar dringend erwünscht, nachdem die alten ihre Schuldigkeit im äußersten Maße gethan hatten. Krupp konnte nun ein weitgehendes Entgegenkommen erwarten und sich der Hoffnung hingeben, daß man nach neuer Prüfung seines Vorschlages und nach etwa nöthig erscheinender Verbesserung seiner Konstruktion die Neubewaffnung nach Kräften beschleunigen werde. Auch hatte er, wie bei früheren Anlässen, den allerhöchsten Bundesgenossen auf seiner Seite, denn der Kaiser verfügte, überzeugt von der Nothwendigkeit einer Neuausrüstung der Feldartillerie, am 7. April 1872, daß zur beschleunigten Beschlußfassung hierüber gleichzeitig mit den bei der Artillerie-Prüfungskommission fortzusetzenden Versuchen bei zwei Armeekorps durch besondere Versuchskommissionen Versuche mit den neuen 8 cm Kanonen angestellt würden.
Die Artillerie-Prüfungskommission faßte aber ihre Aufgabe ganz anders auf, als Krupp dieses voraussetzte. Durchdrungen von der Verantwortlichkeit ihrer Entschließungen für die Armee und von der großen Wichtigkeit der Annahme eines neuen Geschütz-Systems für die weitere Entwickelung der Artilleriewaffe, unterzog sie nicht allein Krupp’s Geschütz einer Prüfung, sondern that dieses lediglich unter dem Gesichtspunkte, ob es geeignet sei, in das neu zu schaffende Geschütz-System sich einzureihen. Für ein solches stellte sie aber zunächst (am 13. Februar 1872) Konstruktionsgrundsätze fest, erwog die verschiedenen in Versuch zu nehmenden Kaliber, Laffeten und Protzen und gab für alle Theile besondere Direktiven! Während sie demnach selbst die Konstruktion in die Hand nahm, – allerdings basirt auf die Krupp schließlich zu verdankenden bisherigen Vervollkommnungen – setzte sie die Versuche mit dessen Geschütz fort.
Dieses Verfahren stand in direktem Gegensatz zu Krupp’s Erwartungen. Es behagte ihm wenig, daß man ihm lediglich die Stellung des Fabrikanten zuwies und ihm als Konstrukteur so wenig Achtung bewies. Er mußte eben hier einen neuen Kampf durchkämpfen. Denn bislang war die preußische Artillerie-Prüfungskommission immer die Behörde gewesen, welche Konstruktion und Einrichtung der Geschütze allein entschied und entwickelte, ja sogar die Herstellung in den Staatsfabriken selbst bewirkte. Als man den Gußstahl in Verwendung nahm, dessen Erzeugung man Krupp überlassen mußte, hatte man zuerst nur die Rohre in unfertigem Zustande von ihm gekauft und in Spandau bearbeiten und fertig stellen lassen. Später hatte man ihm auch dieses übertragen, aber ihm Zeichnungen gegeben und jede Einzelheit vorgeschrieben. Als nun Krupp selbst als Konstrukteur austrat und sehr glückliche Ideen hatte, mußte man diese wohl anerkennen, anderseits aber konnte man mit Recht eine langjährige Erfahrung in der Einrichtung der Geschütze für den Feldgebrauch für sich in Anspruch nehmen, welche Krupp fehlte und die sich in vielerlei Mängeln zeigte, die seinen eigenen Konstruktionen anfangs anhafteten. Eine gründliche Durcharbeitung seines Projektes und eine vielseitige Verbesserung war nothwendig, weil bei aller Vorzüglichkeit der Grundideen doch die nur aus langer Praxis geläufigen Rücksichten auf die Verwendbarkeit in der Truppe nicht zur Geltung gekommen waren. Bei diesem Kampfe, den Krupp als Konstrukteur durchzufechten hatte, mußte er also viel lernen, vor Allem auch seinem Etablissement erst die Kräfte gewinnen, welche in dieser Hinsicht seine Ideen gründlich auszugestalten im Stande waren.
Faßt man aber ins Auge, was dieser energische Mann aus eigener Kraft geschaffen hatte, was er für Erfahrungen mit den preußischen Behörden gemacht hatte, wie er die Einführung seines Gußstahls nur mit äußerster Anstrengung und erheblichsten Opfern in die preußische Artillerie durchgesetzt, wie er noch vor wenig Jahren an der Hartnäckigkeit, mit der man auf Verwendung eines veralteten Pulvers bestand, beinahe mit seinen Ringkanonen gescheitert wäre; bedenkt man ferner, daß er sich vollbewußt war des außerordentlichen Antheils, welchen seine trotz der Widerstände eingeführten Feldgeschütze an den Erfolgen des letzten Krieges hatten, so ist es wohl verständlich, daß er in dem planmäßigen Vorgehen der Artillerie-Prüfungskommission eine Abneigung gegen seine Geschütze und einen Versuch erblickte, seinen Vorschlag bei Seite zu schieben. Um die Benutzung seines Materials konnte ihm nicht mehr bange sein, also das geschäftliche Interesse, die Furcht, daß ihm die Lieferung entgehen könnte, kam keinesfalls zur Sprache. An eine Schädigung seiner materiellen Interessen, – und er ist dessen beschuldigt worden, daß er eine solche fürchtete – dachte der Mann nicht, der Jahre lang jede Ersparniß nur dazu verwandt hatte, um des Vaterlandes Vertheidigung seinen Gußstahl dienstbar zu machen; aber er fühlte sich in seinem wahrlich berechtigten Stolz und Selbstgefühl als Geschützkonstrukteur zurückgesetzt. Die Schroffheit, die als nothwendige Kehrseite mit seiner Alles überwindenden Energie verbunden war und sich durch die vielerlei Erfahrungen von dem Knabenalter an immer stärker entwickelte, mit dem vorschreitenden Lebensalter immer mehr hervortrat, sie kam auch hier zum Ausdruck. Von beiden Seiten machte man sich Vorwürfe und gab man Veranlassung zu Vorwürfen. Der Sache ward damit wenig gedient.