Kitabı oku: «Zeuge und Aussagepsychologie», sayfa 13
2. Opferzeuge[588]
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Brockmann/Chedor[589] weisen auf folgende psychologisch relevante Aspekte einer „Opfer-Vernehmung“ hin: die „akute und posttraumatische Belastungsstörung“, „Selbstvorwürfe/Schuldgefühle“, durch Dritte – wie z.B. den Vernehmungsbeamten – geäußerte Schuldvorwürfe, Kontrollverluste im Rahmen der Vernehmung, Opfererwartungen und -bedürfnisse, Angst vor dem Glaubwürdigkeitsverlust und Mehrfachbefragungen und Glaubwürdigkeitsverlust.
Hinweis
In der Praxis sind Vernehmungsbeamte vielfach geneigt, dem „Opfer“ zu glauben und geben das dem Zeugen auch zu verstehen. Ist der Vorwurf streitig und kommt es entscheidend auf die Aussage dieses Zeugen an, sollte man das Vernehmungsprotokoll besonders genau daraufhin prüfen bzw. den Vernehmungsbeamten in der Hauptverhandlung genauestens zu dem „Umgang“ mit dem Zeugen vor und während der Vernehmung befragen. Dabei sollte man um die suggestive Wirkung voreingenommener Befragung und die insoweit relevanten Kommunikationsprozesse[590] wissen.
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Abermalige Traumatisierung. Die Frage der abermaligen Traumatisierung wird vielfach klischeehaft fehlerhaft unterstellt. Nach Scholz[591] ist sie„ wenig wahrscheinlich, denn bei der Psychotherapie einer posttraumatischen Belastungsreaktion arbeitet man insbesondere dann erfolgreich, wenn man Konfrontationsstrategien benutzt, d.h. wenn die Patientin dazu ermutigt wird, sich bewusst wieder und wieder an das traumatisierende Geschehen zu erinnern.“
Busse/Volbert[592] berichten, eine Beteiligung am Strafverfahren könne auch „positive Effekte im Sinne einer Entlastungs- und Erledigungsfunktion“ haben, da eine „offene Thematisierung und Aufklärung des Ereignisses für den Verarbeitungsprozeß auch förderlich sein kann“. Pfäfflin[593] sieht einen möglichen therapeutischen Effekt darin, dass die ursprüngliche Situation sich nicht wiederholt.
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Begleitung durch Mitarbeiter von Opferhilfeeinrichtungen. Vor der Anzeigenerstattung nehmen Zeugen vielfach Kontakt zu Opferhilfeeinrichtungen[594] auf. Diese sind vornehmlich einseitig parteilich für Opfer ausgerichtet. Sie unterstellen den Opferstatus, den es – wenn der Sachverhalt streitig ist – erst gerichtlich festzustellen gilt. Das kann z.B. vor allem dann die Aussage suggestiv beeinflussen, wenn die Verdachtsabklärung und das Inaussichtstellen therapeutischer/beratender Angebote bei Anzeigenerstattung Gegenstand der Beratung ist.[595]
Regelmäßig vermitteln Opferhilfevereine den Ratsuchenden an einen Rechtsanwalt, der als Zeugenbeistand bzw. Nebenklagevertreter auftritt. Auch wenn anwaltliche Gespräche der Schweigepflicht unterliegen, sind sie im Rahmen der Aussageentstehungsgeschichte von Interesse, da auch hier (indirekt) Suggestionen wirken können. Vor allem ist die Besprechung des Akteninhaltes wie auch eine mögliche Beratung durch den Rechtsanwalt zum Inhalt der Aussage von Interesse. Werden Angaben dazu verweigert und bestehen Anhaltspunkte, können Suggestionseffekte, die Auswirkungen auf die Aussage haben, nicht ausgeschlossen werden.
3. Nebenkläger als Zeuge[596]
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Aktenkenntnis. Gemäß § 406e StPO kann für den Verletzten ein Rechtsanwalt im gerichtlich anhängigen Verfahren wie auch schon im Ermittlungsverfahren die Akten einsehen. Das Recht steht gem. § 397, 385 Abs. 3 StPO auch dem Nebenkläger zu, der zugleich auch Zeuge in dem Verfahren sein kann. In diesen Fällen kann sich der Zeuge auf seine Vernehmung in der Hauptverhandlung an Hand des Akteninhaltes vorbereiten und mit dem Rechtsanwalt besprechen und beraten.
Eine solche Vorbereitung im Einzelfall kann die Qualität der Aussage schwächen, gar unverwertbar machen. Mögliche Übereinstimmungen der Angaben z.B. in der Exploration und früheren Schilderungen können auf das Aktenstudium zurückzuführen sein. Es kann unklar bleiben, ob das, was der Nebenkläger nach dem Aktenstudium berichtet, tatsächlich seiner Erinnerung oder einer zwischenzeitlichen Auffrischung des Gedächtnisses entspricht.
Dieselben Bedenken bestehen, wenn der Nebenkläger das aussagepsychologische Gutachten, einschließlich des Wortprotokolls kennt.
Bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen ist das von Relevanz, wenn durch die Aktenkenntnis die Beeinträchtigung der Sachaufklärung zu besorgen ist,
Baumhöfener/Daber/Wenske[597] erläutern: „Aktenkenntnis kann sich als Risikofaktor erweisen, „wenn eine umfangreiche, konkrete und konstante Aussage vorliegt. Denn nur wenn auch hier keine Aktenkenntnis gewährt worden ist, kann die Hypothese einer Verwässerung und/oder Kontamination der Gedächtnisinhalte durch zwischenzeitlich aufgenommene Informationen zurückgewiesen und die Aussage als originäre Gedächtnisrepräsentation beurteilt werden.“ Die Aktenkenntnis kann sich vor allem nachteilig für die Konstanzbeurteilung auswirken.[598]
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Persönliche/wirtschaftliche Motive des Nebenklägers. Neben der Aussageanalyse ist im Rahmen der Fehlerquellenanalyse auf das jeweilige Motiv des Nebenklägers zur Anzeigenerstattung abzustellen.[599] Hier kommen persönliche Motive wie Rache oder Eifersucht, aber auch wirtschaftliche Interessen in Betracht. Die rechtspolitische Ausweitung der Opferschutzinteressen und Opferrechte können dazu beitragen, dass sich mit dem Inaussichtstellen finanzieller Entschädigung vermeintliche Opfer zur Anzeige entscheiden und schon deshalb von einer unzutreffenden Beschuldigung nicht mehr abgehen. Hierzu kann auch die Beratung durch Opferhilfeeinrichtungen beitragen.
Auch kann die durch Opferhilfeeinrichtungen und die Ausweitung der „justiziellen Aufmerksamkeit“ für den Zeugen, die Zeugen in ihrem sonstigen Leben meist nicht zu Teil wird, es dem vermeintlichen Opfer schwer machen, diese Position durch Abkehr von der Beschuldigung wieder aufzugeben.
4. Der durch die Presse gesteuerte Zeuge
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In spektakulären presseöffentlichen Verfahren muss mit Blick auf die heutige Medienlandschaft grundsätzlich damit gerechnet werden, dass Reporter (vermeintliche) Zeugen interviewen und ihnen dafür auch finanzielle Zuwendungen zukommen lassen. Solche Interviews werden manches Mal zeitlich vor der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung geführt, jedoch nicht in jedem Fall auch zu diesem Zeitpunkt, sondern erst später, z.B. am Tag des Urteils, abgedruckt oder gesendet.
Hinweis
Die Aufklärungspflicht gebietet es, im Rahmen der Aussageentstehung einen möglichen Pressekontakt des Zeugen bei der Befragung des Zeugen zu thematisieren. Ihm steht hierzu kein Aussageverweigerungsrecht[600] zu.
Dabei wird neben dem finanziellen Anreiz auch ein mögliches Aufmerksamkeitsstreben des Zeugen, mit seiner Aussage in der Zeitung zu stehen oder in einer Fernsehsendung zu erscheinen, bei der Aussagebeurteilung zu berücksichtigen sein, was es wiederum Reportern erleichtern dürfte, die Aussage zu erlangen und durch entsprechende Befragung des Zeugen indirekt Einfluss auf den Inhalt zu nehmen, um mit der Aussage eine möglichst große Leserschaft oder Zuschauerzahl anzusprechen. Dabei wird in der Regel auf eine emotionale Beteiligung während der Aussage Wert gelegt, von ihr kann der „Pressewert“ insgesamt abhängen.
Insgesamt besteht die Gefahr, dass der Zeuge sich auf seine presseöffentliche Aussage einschließlich der die Aussage untermauernden Gefühlsbeteiligung festgelegt fühlt und versuchen wird, diese im Strafprozess zu wiederholen, würde er ansonsten gegenüber einer breiten Öffentlichkeit als Lügner dastehen.
Teil 2 Zeugenvernehmung
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Im zweiten Teil dieses Buches geht es um die Vernehmung von Zeugen.
Ziel der Zeugenvernehmung ist, den Zeugen dazu in die Lage zu versetzen, seine Wahrnehmungen und seine Erinnerungen so gut wie eben möglich innerhalb einer Befragungssituation sprachlich zu rekonstruieren.[1]
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Ziel der Zeugenvernehmung
Wahrnehmungen und Erinnerungen
so gut wie möglich in der Befragungssituation rekonstruieren
Bei der Erhebung und Beurteilung der Aussage geht es konkret um die Bedingungen (Teil 2 I; Rn. 186 ff.), unter denen die Vernehmung stattfindet, die Art (Teil 2 II; Rn. 202 ff.) und die Inhalte (Teil 2 III; Rn. 267 ff.) der Vernehmung sowie um das Ausdrucksverhalten des Zeugen (Teil 2 IV; Rn. 286 ff.) während seiner Aussage und die Dokumentation der Vernehmung (Teil 2 V; Rn. 297 ff.).
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Vernehmungsbedingungen. Zu den Bedingungen gehört z.B. die Befassung damit, wo die Vernehmung stattfindet, ob die Aussage aufgezeichnet wird, wie lange die Vernehmung dauert, wer dabei ist und wer den Zeugen befragt. Alle diese Bedingungen können für den Inhalt der Aussage von Bedeutung sein.
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Art der Vernehmung. Bei der Art der Vernehmung kann schon die Vorladung von Bedeutung sein, wenn sie dem Zeugen Aufschluss über den Sachverhalt gibt, zu dem er befragt werden soll, z.B. wenn darin Einzelheiten über den Vorwurf genannt werden.
Zwischen Zeugen und Vernehmendem entsteht während der Befragung eine Beziehung. Das Geschlecht des Vernehmenden, seine Einstellung und seine Deliktkenntnisse können Einfluss auf den Gang und das Ergebnis der Befragung haben. Es kommt vor, dass Zeugen durch mehrere Beamte vernommen werden, was negative Auswirkungen auf das Gesprächsergebnis haben kann, wenn der Zeuge nicht hinreichend selbstbewusst ist und sich dadurch in eine Abwehrposition gedrängt sieht.
Vielfach entscheiden die Erwartungen des Zeugen und des Vernehmenden an die Vernehmung über deren Verlauf. Dem Vernommenen wird die Vernehmungsatmosphäre in der Regel fremd sein. Er hat – insbesondere, wenn er von dem Geschehen selbst betroffen ist – meist ganz andere Erwartungen an die Vernehmung als der Vernehmende.
Zeugen sind immer in Abwesenheit anderer Zeugen zu hören. Ihre Erinnerung soll nicht durch die Erinnerung anderer verändert werden. Zudem sollen sie sich nicht auf zuvor geführte Gespräche mit anderen innerlich festgelegt fühlen.
Auch der Verlauf der Vernehmung kann den Inhalt beeinflussen. Das kann schon im „informatorischen Vorgespräch“ geschehen, das vielfach gar nicht in der Akte erwähnt und erst recht nicht protokolliert wird.
Die Art der Belehrung des Zeugen zur Wahrheitspflicht und über seine Zeugnisverweigerungsrechte, die Befragung zur Person und die Unterrichtung über den Untersuchungsgegenstand können für die weitere Aussage von Bedeutung sein.
Vor allem in einfach gelagerten Fällen gibt sich die Justiz vielfach mit schriftlichen Aussagen zufrieden, ohne zu überprüfen, unter welchen Bedingungen der Zeuge die Angaben gefertigt hat und ob sie überhaupt von ihm stammen.
Nimmt der Zeuge bei seiner Aussage Notizen zu Hilfe oder kennt er den Akteninhalt, kann er seine Aussage daran anpassen.
Gerade in polizeilichen Vernehmungen werden Zeugen vielfach nicht aufgefordert, zunächst im Zusammenhang zu berichten, was sie von dem Vorwurf wissen, sondern direkt – häufig gezielt, gelenkt – auf ein bestimmtes Ergebnis hin befragt. Werden so Bericht und Befragung in der Vernehmung nicht getrennt, ist der Beweiswert der freien Berichterstattung zu einem späteren Zeitpunkt in der Hauptverhandlung zumindest zweifelhaft, weil jede Befragung für den Zeugen einen Lerneffekt hat.
Im Folgenden wird die Befragung selbst unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet.
Es geht u.a. um die Reihenfolge und Art der Befragung, den Befragungsstil, den psychischen Zustand des Zeugen bei der Befragung, um die Voreinstellung des Vernehmenden und die Auswirkungen wiederholter Vernehmungen.
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Inhalte der Vernehmung. In Teil 2 III (Rn. 267 ff.) geht es um die Inhalte der Vernehmung.
Dazu gehören die Aussageentstehung und -entwicklung, aussagebestimmende Motive, materiell-rechtliche Vorwürfe und die Identifizierung von Beschuldigten.
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Aussageverhalten. Vernehmende lassen sich bei der Beurteilung der Aussage vielfach von ihrem Gefühl beeinflussen. Dabei spielt der Eindruck, den der Zeuge macht, eine oft entscheidende Rolle. Deshalb ist dem nonverbalen Aussageverhalten ein eigener Gliederungspunkt Teil 2 IV (Rn. 297 ff.) gewidmet.
Oft wird die Glaubhaftigkeit allein nach dem Motto geprüft: „Macht der Zeuge ein trauriges Gesicht, wird er auch etwas Trauriges erlebt haben.“ Dann geht es mehr um den Eindruck von dem Zeugen als um die Qualität seiner Aussage. Das kann zu fatalen Fehleinschätzungen führen, erst recht dann, wenn der Zeuge mehrfach vernommen wird und er in jeder Vernehmung mehr gelernt hat, worauf es dem Vernehmenden ankommt.
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Dokumentation der Vernehmung. Die Dokumentation der Vernehmung erfolgt in aller Regel durch den Vernehmungsbeamten. Trotz weitgehend vorhandener technischer Möglichkeiten, die seit der Einführung der Videovernehmung allerorts geschaffen wurden, werden Vernehmungen immer noch nicht in ihrem Wortlaut aufgezeichnet. Nach wie vor wissen die dann später mit der Sache befassten Verfahrensbeteiligten nicht um den genauen Inhalt der Angaben des Zeugen. Jahrzehntelang ist der Justiz der hohe Wert der genauen Aussage nicht vermittelt worden. Erst langsam – durch die Aufwertung kindlicher Zeugenaussagen als dem oft einzigen Beweismittel in sexuellen Missbrauchsverfahren und die Akzeptanz aussagepsychologischer wissenschaftlicher Erkenntnisse in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wie auch durch die Diskussionen um den verbesserten Opferschutz – hat zumindest die Tonbandaufzeichnung, die heute auch zum Standard aussagepsychologischer Begutachtung gehört, bei der Anhörung kindlicher Zeugen Einzug in das Ermittlungsverfahren genommen.
Bei erwachsenen Zeugen bleibt die Rekonstruktion der Aussage mangels Tonbandaufzeichnung nach wie vor vielfach in der Hauptverhandlung im Streit. Der Vorhalt aus dem polizeilichen Protokoll gepaart mit dem verstärkenden Zusatz, „das sollen Sie so bei der Polizei gesagt haben“, geht meist schon im Ansatz fehl, da der Zeuge es so wie protokolliert wörtlich nicht gesagt hat. Zudem ist ein solcher Vorhalt höchst suggestiv und die dazu gegebene Antwort dürfte nicht nur aussagepsychologisch, sondern auch rechtlich ohne Wert sein.
Vor der eigentlichen Vernehmung findet fast immer ein „Vorgespräch“
statt, das nur ganz selten protokolliert wird. In einem solchen Gespräch können die entscheidenden Weichen für die Vernehmung gestellt werden, da der Zeuge hier schon erfährt, worauf es dem Vernehmungsbeamten ankommt.
Der Lerneffekt ist nicht zu unterschätzen.
I. Vernehmungsbedingungen
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Im Folgenden werden Vernehmungsbedingungen nicht unter rechtlichen, sondern ausschließlich unter aussagepsychologischen Erkenntnissen und Fragestellungen erörtert.
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Wartezeiten. In Hauptverhandlungen kommt es vor, dass Zeugen lange warten müssen, bis sie ihre Aussage erstatten. Wartezeiten können Stress bedeuten, der sich auf die Erinnerungsfähigkeit des Zeugen auswirken kann.[2]
1. Ort der Vernehmung
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In der Regel werden Zeugen auf Polizeidienststellen, in Räumen der Staatsanwaltschaft oder des Ermittlungsrichters vernommen. Selten erfolgt die Vernehmung an einem anderen Ort, z.B. zu Hause oder am Arbeitsplatz.
Die Vernehmung in Räumen wie z.B. einem Gerichtssaal, die vielleicht auch mit dem Sprechen über Mikrophon verbunden ist, kann für viele Zeugen eine Stresssituation bedeuten.[3]
Kindliche Zeugen. Auch kindliche Zeugen werden in der Regel in den Räumen der Ermittlungsbehörde vernommen. In größeren Behörden sind die Räume meist kindgerecht eingerichtet.
Nur in seltenen Fällen erfolgt die Anhörung in der gewohnten häuslichen Umgebung des Kindes, denn auch Kinder sollen die Besonderheit der Befragungssituation erkennen können. Darüber hinaus muss die mögliche Einflussnahme von Dritten ausgeschlossen werden.
Die Anhörungssituation ist einer ärztlichen Untersuchung vergleichbar, die auch nicht zu Hause, sondern in der Praxis des Kinderarztes durchgeführt wird. Eine neutrale sachliche Umgebung ermöglicht dem Vernehmenden eine bessere Kontrolle der Vernehmungsbedingungen. Auch in der Hauptverhandlung kann die Vernehmung kindgerecht durchgeführt werden. Das hängt wesentlich von dem Geschick des Vorsitzenden ab. Dazu kann eine andere als die übliche Sitzposition in der Mitte des Saales gewählt werden. So kann das Kind z.B. neben dem Vorsitzenden Platz nehmen. Wichtig ist, dass eine Atmosphäre geschaffen wird, die dem Kind eine mögliche Unsicherheit oder Angst nimmt, ihm aber zugleich die Bedeutung der Situation vermittelt.
Annahmen, wonach es immer kindgerecht sein soll, eine Aussage des Kindes zu vermeiden, gehen fehl. Busse/Volbert[4] berichten über eine Untersuchung von Goodman et al.[5], wonach „Kinder, die nicht aussagen müssen, diese Regelung nicht immer positiv bewerten“. Das betraf vor allem Kinder, die sich für die Tat mitverantwortlich fühlten, die zum wiederholten Male Opfer geworden waren oder in Fällen, in denen der Angeklagte freigesprochen wurde.
2. Videovernehmung
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Videokonferenz bei Entfernung des Zeugen, § 247a StPO. In den Wormser Mißbrauchsverfahren wurden kindliche Zeugen erstmals außerhalb des Gerichtssaales mittels Videotechnologie vernommen.[6] Dieses sog. Mainzer Modell war prozessual, weil der Vorsitzende sich bei der Befragung des Kindes im Vernehmungszimmer und nicht im Sitzungssaal aufhielt, mit Blick auf die so „gespaltene Hauptverhandlung“[7] in vielfacher Hinsicht nicht zulässig[8] und ist in die gesetzliche Regelung des § 247a StPO nicht aufgenommen worden. In der Praxis wird die audiovisuelle Videovernehmung wenig praktiziert.
Video-Aufzeichnung der Vernehmung, § 58a StPO.[9] Kluck[10] sieht die Videovernehmung, in der die Aussage aufgezeichnet und später den Verfahrensbeteiligten vorgespielt wird, aus aussagepsychologischer Sicht kritisch, „da die audiovisuelle Wiedergabe von Zeugenaussagen dazu führen könnte, dass laienhafte Glaubhaftigkeitseinschätzungen (speziell die Mimik und Gestik von Zeugen) an die Stelle fachlicher Expertisen“ treten. Dieser Sorge kann nur zugestimmt werden, wenn man (kritisch) beobachtet, wie sehr richterliche Überzeugungsbildung häufig nur momentane Eindrucksbildung ist.[11] Videoaufzeichnungen bergen zudem die Gefahr, dass Zeugen ihre Aussage zur Untermauerung der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben entsprechend – z.B. durch Weinen – inszenieren.[12]
Fraglich ist auch, ob und ggf. wie sich das Wissen um die Aufzeichnung und damit auch darum, dass eine Vielzahl von Verfahrensbeteiligten sich das Videoband später ansehen können, auf das Verhalten des Zeugen während der Vernehmung und auf den Inhalt seiner Aussage auswirkt.[13]
Interessant ist der Hinweis von Volbert[14] – unter Bezugnahme auf Verfahren in USA und England –, wonach vielfach angenommen wird, „daß der Eindruck, den ein im Gerichtssaal auftretender Zeuge hinterläßt, stärker ist als bei der Videoaufnahme oder -übertragung“.
Köhnken[15] und Pfäfflin[16] befassen sich aus psychologischer/psychiatrischer Sicht mit Videovernehmungen. Außerhalb der Hauptverhandlung kann ein Zeuge, der sich an einem anderen Ort befindet, durch zeitgleiche Übertragung in Bild und Ton an dessen Aufenthaltsort und in das Vernehmungszimmer übertragen werden, § 58b StPO.
3. Dauer der Vernehmung
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Kindliche Zeugen. Zur Dauer der Anhörung von Kindern führt Michaelis-Arntzen[17] aus, dass die sozialen Anpassungsschwierigkeiten von Kleinkindern die Vernehmung erschweren und ihre Zeugeneignung einschränken können: „Aus ihrer noch unentwickelten Steuerungsfähigkeit können sich motorische Unruhe, Sprunghaftigkeit, Willkür im Aufgreifen oder nicht Aufgreifen von Fragen, schnelles Ermüden und Lustlosigkeit, aus ihrer Egozentrik eigenwillige und ängstliche Gesperrtheit ergeben. Die Unfähigkeit zur willentlichen Aufrechterhaltung von Aufmerksamkeit und Konzentration zwingt – besonders bei der größeren Beeinflußbarkeit des Kleinkindes und seiner Neigung zu kritiklosen Äußerungen im Zustand der Ermüdung – zu einer Beschränkung der Vernehmung auf 20-30 Minuten (ohne die besonders rechtlich zu bemessende Zeit für ein auflockerndes Eingangsgespräch und für oft notwendigen Spieleinlagen zur Überwindung von Hemmungen).“ Letztlich wird aber die Frage, wie lange das Kind vernommen werden kann, immer eine Frage des Einzelfalles sein. Das wird auch davon abhängen, wie sehr oder wie wenig das Kind motiviert ist, auszusagen.
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Erwachsene Zeugen. Bei erwachsenen Zeugen findet die Dauer der Vernehmung rechtlich dort ihre Grenze, wo es zu Beeinträchtigungen der Willensfreiheit bis zur Erschöpfung der Willenskraft kommt oder ein solcher Zustand ausgenutzt wird.[18]
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