Kitabı oku: «Handbuch Wandertourismus», sayfa 3

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1.3.2 Der Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘

Gleichberechtigung bei der Möglichkeit, sich in der Natur zu erholen und von Vergünstigungen für Vereinsmitglieder zu profitieren, war Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht angesagt. Arbeiterinnen und Arbeiter nahmen die damals existierenden Wander-, Berg- und Sportvereine nicht auf. Dies motivierte im März 1895 in Wien den Sozialisten und Lehrer Georg Schmiedl dazu, in der „Arbeiterzeitung“ einen Aufruf zu starten, um Gleichgesinnte zur Gründung einer „touristischen Gruppe“ zu finden. Zu Schmiedl kamen der Metallarbeiter Alois Rohrauer, sein Sohn Josef (Student phil.) und der Student Karl Renner (später Staatskanzler und Bundespräsident Österreichs) hinzu. Im September 1895 gründen daraufhin 185 Männer und Frauen in Wien den Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘.

Es ging ihnen darum, das Recht des freien Zugangs zur Natur gegen die bürgerlich-privaten Interessen von Großgrundbesitzern durchzusetzen, die Natur als Quelle der Erholung zu erkunden und sich anzueignen, gemeinsam zusammenzutreffen, sich fortzubilden und Aktivitäten zu organisieren (vgl. Websites der österreichischen und deutschen Naturfreunde). 1906 beschloss die Ortsgruppe Graz, den Gruß „Berg frei“ zum Gruß der steirischen Naturfreunde zu machen, der dann vom gesamten Verein übernommen wurde und bis heute üblich ist. „Der kämpferische Gruß ist Ausdruck der Forderung nach dem Recht auf Freizeit in den Bergen nicht nur für Adel und Bürgertum“ (http://www.naturfreunde.de/cms/de/1_NaturFreunde/inhalte/1_Die_Organisation/index.php?channel=channel_1&Kennung=6593e02939c59db496f5ceed3a7ca36f&LN=4026&OF=de&PF=1926).

Im August 1905 wurde mit der 42. Ortsgruppe in München der deutsche Zweig des Vereins gegründet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Gesamtverein fast 9.000 Mitglieder und darunter – revolutionär verglichen mit den Alpenvereinen – auch einen Frauenanteil von 15 %! Mit dem Bau von Hütten und Wanderheimen begann man ebenfalls: 1907 wurde das erste österreichische Naturfreundehaus auf dem Padasterjoch (2232 m NN) in den Stubaier Alpen (Tirol) eröffnet, 1911 das erste in Deutschland, das die Hamburger Naturfreunde am Rand der Lüneburger Heide erbaut hatten.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Aktivitäten der österreichischen Naturfreunde zum freien Zugang zur Natur von ersten großen Erfolgen gekrönt, denn in einigen Bundesländern Österreichs wurde das freie Wegerecht in den Bergen gesetzlich verankert. Die freie Begehbarkeit des Waldes sollte erst 1975 festgeschrieben werden. Ihrer Zeit weit voraus waren die Naturfreunde 1910, als sie den Naturschutz als Vereinsziel in ihre Statuten aufnahmen. Die Möglichkeiten, Skilaufen und Bergsteigen zu lernen, gab es für die Mitglieder ebenfalls ab 1905 bzw. 1918.

Die Nationalsozialisten verboten 1933 den Touristenverein Die Naturfreunde aus politischen Gründen. Bei der Gelegenheit beschlagnahmten sie auch die 428 Hütten und Häuser des Vereins und übertrugen die Gebäude linientreuen faschistischen Vereinen. 1945 begannen die Naturfreunde mit dem Wiederaufbau ihres Vereins; 1950 wurde aus dem Gesamtverein die Naturfreunde Internationale (NFI), die sich aus selbständigen Landesverbänden zusammensetzt.

♦ Websites

▶ Naturfreunde Österreich

www.naturfreunde.at

▶ Naturfreunde Deutschland

www.naturfreunde.de

1.3.3 Wandernde Jugend

Unabhängig von Erwachsenen entdeckten an der Wende zum 20. Jahrhundert auch Jugendliche den Aufenthalt in der Natur während der knappen Freizeit und das Wandern. Der besondere Reiz lag darin, Wanderfahrten zu organisieren, an denen keine Erwachsenen beteiligt waren, und die Freiheit auszukosten, sich nur in einer Gruppe von mehr oder weniger Gleichaltrigen zu bewegen. Aber es ging auch um Kritik am Großstadtleben und um die Entfernung bzw. Entfremdung von der Natur. 1901 gründeten junge Männer in einem Hinterzimmer des Steglitzer Rathauses den „Wandervogel-Ausschuss für Schülerfahrten e. V.“. Vom damaligen Berliner Stadtrand aus dehnte sich die Wandervogelbewegung in ganz Deutschland aus.

„Sie wurde Hauptbestandteil einer sich am Anfang des Jahrhunderts im Kaiserreich herausbildenden eigenständigen Jugendbewegung, die eine von der älteren Generation unabhängige, jugendspezifische Lebensform anstrebte. Ab 1904 bildeten sich über das ganze Deutsche Reich verbreitet verschiedene Wandervogel-Bünde, die sich 1913 zum Wandervogel e. V. mit 25.000 Mitgliedern zusammenschlossen. Erstmals war es mit dem Zusammenschluss nicht nur männlichen Gymnasiasten, sondern auch Mädchen und Volksschülern erlaubt, als Wandervogel den Lebensstil der Bewegung mit Wanderfahrten, Lagerleben, Volkstanz und -musik zu führen.“ (https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/alltag/wandervogel/)

Doch auch unter der Führung von Erwachsenen gingen die ersten Jugend- bzw. Kindergruppen auf „Wanderfahrt“ – korrekter: Fußtour. Das größte organisatorische Problem war für solche Unternehmungen damals die Übernachtung. Erste Ansätze gab es zwar schon in einigen Regionen, wie zum Beispiel die Studenten- und Schülerherbergen, die der Fabrikant Guido Rotter im Sudetenland 1884 initiiert hatte. Diese Herbergen standen aber nur männlichen Studenten und höheren Schülern ab dem 16. Lebensjahr offen (vgl. HARTUNG (1959), S. 10)! 1889 riefen Bergwanderer bzw. Bergsteiger die Einrichtung der „Schüler- und Studentenherbergen des Deutsch- und Österreichischen Alpenvereins“ ins Leben. Auch andere Gebirgsvereine begannen, speziell für - männliche – Jugendliche, preiswerte Unterkünfte anzubieten.

Im August 1909 hatte der Lehrer Richard Schirrmann, der mit seiner Schulklasse eine achttägige Schulwanderung vom westfälischen Altena nach Aachen unternahm, die Idee für ein günstiges Quartier, die von einem Unwetter befördert wurde. Das übliche Quartier – eine Scheune – konnte er an jenem Abend nicht finden, wohl aber eine wegen der Schulferien leer stehende Dorfschule im Bröltal (Rhein-Sieg-Kreis), in die er schließlich Stroh bringen ließ. Aus dieser einfachen Unterkunft für seine Wandergruppe entwickelte er die „Volksschülerherberge“, d. h. die Ferienherberge im Schulhaus, von denen es 1910 bereits drei gab. 1912 öffnete auf der Burg Altena die erste Jugendherberge – zunächst nur während der Ferien; ab 1914 wurde sie ganzjährig betrieben. Lehrer Schirrmann wurde gleichzeitig auch erster Herbergsvater und lebte mit seiner Familie auf der Burg. „Von Altena ausgehend fasste die Bewegung vor allem in Holland, England und Schottland Fuß. 1931 existierten in Europa bereits zwölf Jugendherbergsverbände mit rund 2.600 Jugendherbergen.“ (http://www.djh-wl.de/de/jugendherbergen/altena-burg/ueber-uns/geschichte) 1932 wurde die International Youth Hostel Federation gegründet.

In den 1920er Jahren entdeckten auch einige der inzwischen etablierten Wander- und Bergvereine die Jugendarbeit, so beispielsweise im Alpenverein (zu jener Zeit: DuOeAV). 1927 wurde die Jugendarbeit in die Vereinssatzung aufgenommen; in Sektionen entstanden nach Geschlechtern getrennt Jugendgruppen – mehr für Jungen, denn für Mädchen.

Trennung und Ausgrenzung oder Einverleibung sollten unter der Herrschaft der Nationalsozialisten auch vor den Wandervereinigungen nicht haltmachen; doch diese Strömungen begannen schon früher. „Der verlorene Erste Weltkrieg, die Gebietsverluste Deutschlands und Österreichs, die enormen Reparationszahlungen sowie die daraus resultierenden großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten sorgten für eine starke Verbreitung deutschnationaler und völkischer Ideen. Mit einher ging ein radikaler Antisemitismus. Dies schlug sich auch im Alpenverein nieder. 1920 wurde der Antrag an den Dachverband des Alpenvereins gestellt und genehmigt, dass Sektionen offiziell Arierparagrafen in ihre Satzung aufnehmen durften und damit die Mitgliedschaft von Juden ausschließen konnten. In der Folge führten zahlreiche Sektionen Arierparagrafen ein, vor allem in Österreich, aber auch in München und Berlin.“ (http://www.alpenverein.de/DAV-Services/Broschueren/?searchKey=Ausgeschlossen+-+J%C3%BCdische+Bergsportler+und+der+Alpenverein)

Wandern, Bergsteigen, der gemeinsame freundschaftliche Aufenthalt in der Natur – unabhängig von Alter, Geschlecht, gesellschaftlicher Stellung und anderen soziologischen Kriterien – wurde in vielerlei Hinsicht von offizieller Seite verhindert oder für eigene Zwecke instrumentalisiert. So sollte es in den ausgehenden 1940er Jahren und danach zu einer großen „Wiedergründungswelle“ bei Vereinen und Institutionen rund um das Wandern kommen: 1945 Wiedergründung der Landesverbände der Naturfreunde, 1949 des Hauptverbands des Deutschen Jugendherbergswerk, 1950 des Österreichischen Alpenvereins und des Deutschen Alpenvereins.

Literatur

GÖTZ, K. (1959): 50 Jahre Jugendwandern und Jugendherbergen, 1909–1959. Deutsches Jugendherbergswerk (Hrsg., Verlag), Detmold.

HARTUNG, K. (1959): Das Jugendherbergswerk in Westfalen-Lippe. 50 Jahre DJH-Werk. Jugendherbergswerk Westfalen-Lippe, Hagen.

♦ Websites

▶ Deutscher Alpenverein (DAV)

www.alpenverein.de

▶ Jugend des Deutschen Alpenvereins

www.jdav.de/Jugendarbeit/

▶ Geschichte Jugendherbergen (Beispiel)

www.djh-wl.de/de/jugendherbergen/altena-burg/ueber-uns/geschichte

▶ Übersicht Wandervogelverbünde

www.wandervogel.de/

▶ Wandervogel Deutscher Bund

www.wvdb.de/

▶ Die Wandervogelbewegung

www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/alltag/wandervogel/

1.4 Die Erfindung von touristischen Wanderwegen

In diesen Ausführungen geht es um die Wanderwege, konkreter um Fernwanderwege der „ersten Stunde“. Dieses Kapitel Wandergeschichte in Deutschland muss mit dem Westweg und dem Schwarzwaldverein beginnen. Der älteste deutsche Höhenweg wurde im Jahr 1900 vom Badischen Schwarzwaldverein durch Philipp Bussemer aus Baden-Baden und Julius Kaufmann aus Lahr angelegt. Die Idee eines durchgehenden Höhenwanderwegs von Nord nach Süd war damals bereits sechs Jahre alt.

Im Spätherbst wurden in einer Sitzung der „Höhenwegsbezeichnungskommission“ auf dem Feldberg die Grundsätze der Markierung des „Höhenwegs Pforzheim–Basel“ festgelegt. Der rote Rhombus auf weißem Untergrund, der bis heute das Zeichen des Westwegs ist, wurde dafür ausgewählt. Zunächst ging man mit der Schablone für den Rhombus ins Gelände, aber auch weiße Zinkplatten mit dem Rhombus in den Maßen von 10 x 16 cm wurden als Vormarkierungen angebracht. Für die Hauptinformation sah man hölzerne Wegweiser mit Schildern aus 24 mm dickem Eichenholz vor. „Jeder Wegweiser erhält als Text die Überschrift: ,Höhenweg Pforzheim–Basel‘, darunter den rot ausgeführten Rhombus, seitlich das Schwarzwaldvereinszeichen und unter dem Rhombus die Ortsangaben, die an den Hauptabzweigungen die Entfernungen in Kilometer enthalten. Hervorragende Höhenpunkte werden mit Höhentafeln versehen, die außer der Ortsbezeichnung die Angabe der Höhe ü. d. Meer tragen.“ (BUSSEMER (1901), Spalte 2)

Das Wegemanagement organisierte die Kommission bereits in „moderner“ Weise, indem sie die Sektionen, durch deren Gebiete der Höhenweg Pforzheim – Basel verlief, mit den Arbeiten betraute – und diese „alljährlich aufs gewissenhafteste zu kontroliren [sic!] und in Verlust geratene Markierungszeichen [sic!] und Wegweiser nötigenfalls auf Kosten des Hauptvereins wiederum zu ersetzen.“ (a. a. O., Spalte 3)

1903 bekam dieser Höhenweg Gesellschaft: Der Württembergische Schwarzwaldverein „erfand“ seinen von Pforzheim nach Schaffhausen verlaufenden Ostweg sowie den Mittelweg von Pforzheim nach Waldshut.

Im Laufe der Zeit musste die Wegführung an zahlreichen Stellen verändert werden, da in den mehr als hundert Jahren in den Orten natürlich neue Wohngebiete und neue Straßen entstanden waren, Feld- und Waldwege asphaltiert und Land- bzw. Bundesstraßen ausgebaut worden waren. Die historische Trasse möchte heute niemand mehr wandern. Nach den Kriterien eines Qualitätswegs Wanderbares Deutschland (→ Kap. 6.1) gab es auf den 285 Kilometern zwischen Pforzheim und Basel reichlich Handlungsbedarf. 2006 erhielt der Westweg erstmals dieses Prädikat. In dem Zusammenhang hatte man auch die Trennung des südlichen Westwegs in eine östliche und westliche Variante vom Bärental an den Titisee verlegt.

In Thüringen besteht man ebenfalls darauf, den ältesten deutschen Fernwanderweg zu besitzen. Als historischer Weg, auf dem das Gros der Bevölkerung zu Fuß unterwegs war, reicht der Rennsteig als ehemaliger Grenzweg zwischen Franken und Thüringen bis ins Mittelalter zurück. An diese Funktion erinnern heute noch ca. 1.300 historische Grenzsteine am Wegesrand. Der Rennsteig ist in voller Länge als Denkmal in das Denkmalbuch des Freistaates Thüringen eingetragen, zahlreiche Abschnitte des „Pläncknerschen Rennsteiges“ (siehe unten) sind noch weitgehend im originalen Zustand erhalten. In diesen Abschnitten reicht der Gültigkeitsbereich des Kulturdenkmalensembles auf beiden Seiten des Rennsteiges jeweils 50 Meter (http://www.rennsteigverein.de/naturschutz.html).

♦ Wissen: Der Rennsteig: Weg für Eilige

Die Bezeichnung Rennsteig ist kein Monopol für diesen historischen Weg; es gibt weit über zweihundert Rennsteige in Deutschland. Das Wort leitet sich vom „Rynnestig“ ab und „setzt sich aus „rinnen“, im Mittelalter mit der Bedeutung „sich schnell bewegen“, davon abgeleitet „rennen“ = „zum raschen Lauf veranlassen“, und „stig“ = „ansteigender Pfad“ zusammen. Rennsteige waren demnach Wege zur raschen Fortbewegung, im Gegensatz zu den fahrbaren Heerstraßen schmale Lauf- oder Reitwege, auf denen man Boten oder Reiterscharen nach einem rasch zu erstrebenden Ziel sandte. Der Rennsteig des Thüringer Waldes ist somit als ein Höhenunterschiede überwindender Bergpfad zu erklären, auf dem man sich schnell vorwärtsbewegen konnte.“

Quelle: www.rennsteigverein.de/rennsteig.html

1829 wanderte der Topograph Julius von Pläckner von Blankenstein an der Saale den kompletten Rennsteig bis nach Hörschel an der Werra. Dabei beschrieb und kartographierte er die ca. 168 km lange Strecke; aus dieser Feldarbeit wurde sein „Taschenbuch für Reisende durch den Thüringerwald“, das 1832 erschien – also der erste Wanderführer für den Rennsteig. Das neue Naturgefühl der Romantik brachte auch die ersten Scharen von Wanderer.

Zum „modernen“ Wanderweg wurde der Rennsteig zum Ende des 19. Jahrhunderts, denn Pfingsten 1896 gründete man den Rennsteigverein mit dem Zweck: „[...] den Rennsteig des Thüringer Waldes touristisch zu erschließen und geschichtlich zu erforschen“ (a. a. O.). Natürlich machte man sich auch den Erhalt und die Pflege des historischen Wegs über die Kammhöhe des Thüringer Walds zur Aufgabe, aber ebenso die Erforschung, Erschließung, Erwanderung aller Rennsteige des deutschen Sprachgebietes wurden in der neuen Satzung von 1993 wieder mit verankert.

♦ Rennsteig-Knigge

Nicht wundern! Auf dem Rennsteig grüßt man sich mit „Gut Runst!“

Im Unterschied zur Neuschöpfung Westweg handelt es sich beim Rennsteig um einen historischen Weg, von dem noch ca. 121 Kilometer Originalstrecke sind, die restliche Strecke wurde nach den Vorgaben eines Qualitätswegs Wanderbares Deutschland verändert. Aktuell (2016) besitzt der Rennsteig jedoch nicht mehr dieses Gütesiegel. Im Juli 2017 wird der Rennsteigverein den Deutschen Wandertag (→ Kap. 3.4.4) ausrichten.

Literatur

BUSSEMER, Ph. (1901): Die Thätigkeit der Höhenbezeichnungskommission. In: Monatsblätter des Badischen Schwarzwaldvereins, 4. Jg. Nr. 1, Spalte 1–10.

♦ Websites

▶ Mehr zum Westweg  www.schwarzwaldverein.de/wege/fernwanderwege/westweg.html

www.westweg.info

▶ Mehr zum Rennsteig

www.rennsteigverein.de/rennsteig.html

www.rennsteig.de

www.rennsteigverein.de/naturschutz.html

♦ Zusammenfassung

 Die Füße sind das älteste Fortbewegungsmittel des Menschen, mit deren Hilfe von der Antike, über das Mittelalter bis ins ausgehende 19. Jahrhundert aus beruflichen Gründen Fernwanderungen von beachtlichen Entfernungen zurückgelegt wurden.

 Ein Beispiel für einen historischen Weg, der auch als touristischer Fernwanderweg der „1. Stunde“ zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, ist der Thüringer Rennsteig.

 Die historische Wanderung aus überwiegend spirituellen Gründen ist die so genannte „Pilgerfahrt“ auf dem europäischen Netz des Jakobswegs, zu dem bereits im Mittelalter eine Infrastruktur gehört, die auf die Bedürfnisse der Fernwanderer ausgerichtet ist.

 Infrastrukturen und andere Dienstleistungen für das „moderne“ Wandern, anfangs als Teil der Erholung und später auch als Teil der Freizeitgestaltung, schaffen die Wandervereine in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

 Diese Vereine, wie zum Beispiel die Alpenvereine und der Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘, sind bis heute – doch erfreulicherweise ohne die einstigen Klassen- oder Geschlechterschranken – aktiv.

 Alpenvereinshütten, Naturfreundehäuser und Wanderheime werden weitergeführt.

 Aus dem klassischen Wanderverhalten lassen sich Ideen für neue Angebote oder Events gewinnen nach der Devise „Alles kommt wieder“.

2 Wanderer heute

Das Wandern hat sein schlechtes Image längst wieder verloren und ist bei vielen, eigentlich allen Bevölkerungsgruppen mehr oder weniger in Mode gekommen. Auf den ersten Blick – vor allem denjenigen auf Homepages und Prospekte – scheint der Anteil junger Menschen gestiegen. Doch steckt dahinter nur eine Werbemasche? Unverändert umfasst die größte Gruppe die Wanderer fortgeschrittenen Alters, die Best Ager, die in Wald und Flur anzutreffen sind. Die Fortbewegung draußen per Pedes ist zu einem Massenphänomen geworden; ein Zeichen dafür: Outdoorkleidung ist allgegenwärtig und die Wanderausrüstung gibt es in regelmäßigen Abständen selbst beim Discounter. Trotz der vielen Gelegenheiten, preisgünstig an Wanderkleidung zu kommen, sind Wanderer nicht unbedingt Leute, die auf preiswertes Freizeit- oder Urlaubsvergnügen angewiesen sind, sondern eine durchaus zahlungskräftige Klientel.

Die technikaffinen jüngeren Leute locken GPS-Touren und Geocaching (→ Kap. 7.6) in die Landschaft, wo sie vor der Erfindung und Verbreitung der handlichen Geräte kaum anzutreffen waren. Auf den Nachwuchs setzt die Wander- und Tourismusbranche ebenfalls, indem spezielle Familienwanderwege (→ Kap. 7.2 und 7.3) angelegt werden. Ein engerer Kontakt zur Natur schon von Kindesbeinen an hat heutzutage noch größere Bedeutung bekommen, als es nur die ohnehin schon seltener gewordene Bewegung an frischer Luft für „Computer-Kids“ bedeuten mag. Wandern ist gut für Körper, Seele und Geist nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder, die damit einige Zivilisationsschäden minimieren können.

♦ Auf einen Blick

In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt:

 Wandern passt für viele zum aktuellen Lebensgefühl, zum Bedürfnis, etwas Gutes für sich und seine Gesundheit zu tun. Auch der Wunsch, Authentisches zu erleben, gehört zum zeitgenössischen Wanderer.

 Welche Gruppen schnüren wie oft die Wanderschuhe und ziehen in welcher Gesellschaft los?

 Welche Wanderarten kann man unterscheiden?

 Wandern ist für viele Jugendliche uncool – was sie aber doch vom Computer weglocken kann.

 Natur – ein Fremdwort für Kinder? Die Entfremdung von der Natur gehört heute zur Kindheit und hat weitreichende Folgen, die man nicht ignorieren sollte.

 Ein Plädoyer für das Schulwandern.

 Auf welche Trends im Wandertourismus sollten sich Touristiker aktuell einstellen?

2.1 „Outdoor ist in“ – eine traditionsreiche Fortbewegungsart erlebt einen Boom?

Zu Fuß durch die Landschaft gehen, ist das wesentlichste Merkmal des Wanderns – aber auch des Spazierengehens, des Spazierwanderns, des Bergsteigens, Trekkings, Nordic Walkings und der einen oder anderen Fortbewegungsart mehr. Den Versuch einer Abgrenzung verschiedener Wanderarten bietet das → Kap. 2.3.2, doch die grundlegende Unterscheidung zwischen Spazierengehen und Wandern soll an dieser Stelle erfolgen.

An einer allgemein verbindlichen Definition des Wanderns fehlte es lange Zeit. „Vor diesem Hintergrund wurde im Forschungsauftrag der vorliegenden Studie ausdrücklich die Bildung einer Definition gefordert, die auf Grundlage des empirischen Befundes entwickelt und als allgemeingültig angesehen werden kann.“ (BMWI (2010) S. 20) Als gängige Unterscheidung zwischen Wandern und Spazierengehen gilt seit 2002 die Begriffsabgrenzung des DTV/DWV.

Tab. 1: Begriffsabgrenzung Wandern und Spazierengehen nach DTV/DWV


WanderungSpaziergang
Zeit +/-1/2 Tag+/- 1 Stunde
Länge+/- 13 kmwenige km
Geschwindigkeitmoderat bis zügiggemächlich
VorbereitungPlanung, Materialstudiumkeine
AusrüstungAllwetterbekleidung, Gepäck, VerpflegungRegenschirm, Mantel
MotiveNaturerlebnis, körperliche HerausforderungBeine vertreten, frische Luft schöpfen
Aktionsraumüberwiegend ortsfernüberwiegend ortsnah

Quelle: DTV/DWV 2002, S. 11

Diese Definitionen geben immer noch Anlass zu Diskussionen beispielsweise unter Sportmedizinern oder Touristikern. „Sportmediziner verbinden das Wandern mit einer gewissen – sportlichen – Mindestgeschwindigkeit: Wandern beginnt bei einem Fußmarsch mit einer Mindestgeschwindigkeit von 5 bis 6 km/h. Aus touristischer Sicht ist diese Auslegung jedoch unrealistisch, da sie Streckenprofil und landschaftlichen Charakter vernachlässigt und den Umstand außer Acht lässt, dass gerade bei touristischer Betrachtung in der Regel der leistungsorientierte Charakter des Wanderns etwas in den Hintergrund tritt. So kommt ein mäßig trainierter Mittelgebirgswanderer auf einen Schnitt von ca. 3 bis 5 km/h und liegt damit deutlich unter der sportmedizinischen Definition (vgl. DTV/DWV 2002, S. 10)“ (a. a. O., S. 20).

Für die touristische Praxis besteht ein Konsens, eine Mindestdauer von zwei Stunden – nicht mit der Stoppuhr gemessen (!) – und die Motivation zu der Tour, beispielsweise die Suche nach dem Naturerlebnis, nach Entspannung, dem Wunsch, etwas für die Gesundheit zu tun und Neues kennenzulernen, als entscheidende Kriterien einer Wanderung zu verstehen. Die überwundene Entfernung soll dabei keine Rolle spielen. „Das sehr unspezifische Schlagwort vom „Genußwandern“ umschreibt diese Kombination unterschiedlicher Motive, bei denen das Natur- und Kulturerlebnis vor der sportlichen Motivation steht. Trotzdem weist das Wandern eine sportliche Komponente auf: Die körperliche Beanspruchung, die zusätzlich zu den alltäglichen Bewegungsformen ausgeübt wird. Wandern wird freiwillig ausgeübt und dient in Kombination mit den genannten Motiven einem Selbstzweck.“ (vgl. Menzel et al. 2008, S. 15) (a. a. O., S. 21)

Trotz der fließenden Übergänge von der Wanderung zum Spaziergang soll eine Definition bzw. Abgrenzung vorgenommen werden. Im Unterschied zur Wanderung ist das Spazierengehen eine „eher spontan und ohne spezielle Ausrüstung und Vorbereitung durchgeführte Aktivität“ (a. a. O., S. 21), die weniger Zeit in Anspruch nimmt. Befragungen zur durchschnittlichen Dauer eines Spaziergangs bzw. einer Wanderung haben Folgendes zutage gebracht: „Die durchschnittliche Dauer eines Spaziergangs wird von der Gesamtbevölkerung – also sowohl Wanderer als auch Nicht-Wanderer – mit ca. 1:22 Stunden angegeben, die durchschnittliche Dauer einer Wanderung dagegen mit 2:39.“ (a. a. O.) Aber auch bei der Frage der Dauer einer „richtigen“ Wanderung brachten Untersuchungen höchst unterschiedliche Werte. So bezeichnen 20 % der Bevölkerung schon eine Tour von einer Stunde Dauer als Wanderung, während ein Drittel eine Zeit von drei bis vier Stunden als Kennzeichen einer Wanderung angibt. Für 10 % der Befragten fängt dagegen eine Wanderung erst bei mehr als vier Stunden Gehzeit an (vgl. a. a. O., S. 22). So viel Relativität wird dem Touristiker in der praktischen Arbeit einerseits auch nicht unbedingt helfen, andererseits lässt sie ganz viel Freiheit!

Betrachtet man das Qualitätsmanagement an Wanderwegen, wie es die Qualitätswege Wanderbares Deutschland oder die Premiumwege voraussetzen, dann wird auch das Unterscheidungsmerkmal einer Planung und eines Materialstudiums hinfällig. Nach den Vorgaben ist es möglich, eine solche Wanderung ohne nennenswerte Vorbereitung durchzuführen. Die richtigen Schuhe und eine dem Wetter angepasste Kleidung anzuziehen kann schon reichen, und damit wäre man schon nah an den geringeren Voraussetzungen eines Spaziergangs.

„Aus den Befragungsergebnissen wurde eine Definition für das Wandern abgeleitet und durch den Projektbeirat im Januar 2010 einstimmig beschlossen:

♦ Wissen: Wandern

Wandern ist Gehen in der Landschaft. Dabei handelt es sich um eine Freizeitaktivität mit unterschiedlich starker körperlicher Anforderung, die sowohl das mentale wie physische Wohlbefinden fördert.

Charakteristisch für eine Wanderung sind:

 eine Dauer von mehr als einer Stunde,

 eine entsprechende Planung,

 Nutzung spezifischer Infrastruktur sowie

 eine angepasste Ausrüstung.

Diese Definition umfasst sowohl touristische Wanderungen im Rahmen von Urlauben oder bei reinen Wanderurlauben. Sie umfasst aber auch die Wanderungen, welche im Rahmen der Naherholung durchgeführt werden und bei denen teilweise deutlich kürzere Distanzen zurückgelegt werden.“ (a. a. O., S. 23)

In die Definitionsdiskussion bringt BRÄMER (4/2015, S. 10f.) noch die Variante des Spazierwanderns ein, eines Wanderns „light“; die Wortschöpfung weist er bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nach. Bei dem Begriff erlauben die Wortbestandteile schon eine erste Einordnung: Es handelt sich um „wanderähnliche Spaziergänge von im Schnitt etwa 2 h Dauer und 5 km Länge – mit einer Spanne von 3 bis 7 km bei fließendem Übergang. Eine solch moderate Spazierwanderung stellt sich nicht als großes, eingefleischte Spaziergänger abschreckendes Unternehmen dar, sondern entspricht dem modernen Freizeitrhythmus im Zweistundenraster.“(a. a. O., S. 11) Als wesentlichen Unterschied zu kurzen Wanderungen sieht der Autor, dass das Spazierwandern dem Zeitgeistanspruch nach Entschleunigung noch näherkommt als das Wandern, das für viele immer auch noch mit Mühen verbunden sei (vgl. a. a. O.). Der Grund für diese Differenzierung folgt sofort: „Damit wäre dann auch ein eigenständiger Begriff gefunden, dessen es bedarf, um ein neues Marktsegment zu begründen“ (a. a. O.). Als Gegensatz zum anstrengenden, sportlichen oder „Hardcore-Wandern“ taucht das Spazierwandern auf und bezeichnet Menschen zwischen ambitionierten Spaziergängern und genussorientierten Kurzwanderern.

Ist damit eine neue Zielgruppe für Wanderdestinationen gefunden? Gibt es Unterscheidungsmerkmale zu denen, die bereits bekannt sind, denen man die passende Infrastruktur und verlockende Angebote offeriert? BRÄMER sieht Chancen dieser Wanderform als „Einstiegsdroge für Nichtwanderer“, aber auch als Baustein für Veranstaltungsprogramme, als Teil einer gesundheitlichen Prävention, Rehabilitation und eines barrierefreien Angebots sowie weiteren Möglichkeit, Bildung und Abenteuer mit dem Wandern zu verbinden.

Wie steht es aktuell um den Trend Wandern im Allgemeinen – ohne eine Unterscheidung nach den möglichen Arten? Das Bild ist keineswegs einheitlich, verschiedene Studien kommen zu verschiedenen Ergebnissen. BRÄMER bewertet in seiner Publikation von 2015: „Es gibt keinen neuen Wanderboom. Erst recht nicht unter jungen Zeitgenossen“ (http://wanderforschung.de/files/kein-neuer-wanderboom-2015_1503181607.pdf) die Entwicklungen seit der Jahrtausendwende und ihre Interpretationen als neue Wandermythen. „Danach befinden wir uns nach wie vor im Wanderboom, ständig werden neue Fernwanderwege eröffnet und auf Wanderprospekten gehen junge Menschen strahlend quer über Wiesen. Wesentlichen Anteil an der Fortschreibung dieses Wandermärchens hat der Deutsche Wanderverband DWV, die Lobbyorganisation der organisierten Wanderer (welche allerdings lediglich 2 % der Wanderer organisiert).“ (a. a. O., S. 1f.)

Die Vergleichbarkeit und die kritische Analyse der aktuellen Untersuchungsergebnisse – Boom oder nicht, das ist hier die Frage – sei BRÄMER als langjährigem wie kompetentem Kenner der Wanderszene überlassen. Als ein Beispiel für die eingeschränkte Vergleichbarkeit von Studien sei genannt, dass es ein höchst wahrscheinlich verzerrtes Bild von Wanderern gibt, wenn die Umfrage ausschließlich online durchgeführt wird. Ein größerer Teil der Wanderer gehört der in der Regel nicht so technikaffinen Altersgruppe an, wohl aber mehr der Gruppe der häufigen Wanderer; diese werden bei einer solchen Befragungsmethode vermutlich unterrepräsentiert sein, während der höhere Anteil jüngerer Personen ein schiefes Bild ergibt – und man daraus den vielleicht falschen Schluss ziehen könnte, dass mehr junge Leute nun die Wanderschuhe schnüren!

Einige Resultate aus den neueren Untersuchungen, die dem Touristiker vor Ort als nützliches und derzeit aktuelles Hintergrundwissen vielleicht helfen könnten, seien im Folgenden kurz skizziert. So konstatiert BRÄMER (vgl. a. a. O., S. 2), dass der Anteil der „bekennenden“ Wanderer von rund 60 % um die Jahrtausendwende, auf 54 % für das Jahr 2010 und auf geschätzt 48 % im Jahr 2015 gesunken sei. Für den Zeitraum seit 2010 macht er einen Schwund des Stammpublikums aus, bei den Gruppen, die mehrmals monatlich wandern, wie bei denen, die einmal im Monat und seltener auf Tour gehen, sind die Zahlen gesunken. „Es ist vor allem das touristisch wichtige Stammpublikum, welches allmählich wegbricht.“ (a. a. O., S. 3) Dazu passt, dass die Motivation zum Wandern nachgelassen habe. Bei einzelnen Motiven sind Verluste von mehr als 10 bis über 20 % zu verzeichnen. Von einem neuen Wanderboom könne keine Rede sein, so der Autor.

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