Kitabı oku: «Kunsthistorische Aufsätze», sayfa 4
Die Buchmalerei wird in den Verfall der klösterlichen Kunst hineingezogen. Dass Handschriften weltlichen Inhalts jetzt häufiger mit Bildern geschmückt werden, ist kulturgeschichtlich bemerkenswert; die Kunstentwicklung hat bedeutende Impulse daraus nicht empfangen. Nur in den Niederlanden kommt in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine Buchmalerei von und für Laien in die Höhe, in der wir den Anfang einer neuen Auffassung erkennen; sie führt alsbald aus dem Mittelalter heraus. Endgültige Befreiung sowohl von der Einschnürung ins Kunstgewerbe als von der Verflüchtigung in Baudekoration brachte dann das Altarbild. Seine Geschichte, wenn sie auch im 14. Jahrhundert beginnt, gehört in die Anfänge der Neuzeit.
Ungleich der Malerei hatte die Plastik der Frühzeit jegliche Verbindung mit der monumentalen Kunst verloren. Die altchristliche Kirche konnte auf diesem Gebiet der Anschauung der nordischen Völker nichts darbieten. Geraume Zeit, bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts und länger, blieb die Bildhauerkunst ausschließlich Kleinkunst im Gefolge des Kunsthandwerks: sie schmückte Altarvorsätze, Kruzifixe, Leuchter, Diptychen, Buchdeckel, Messgeräte u. dgl. Kunstpsychologisch bemerkenswert ist die Tatsache, dass Auge und Hand der Neulinge sich weit leichter in die plastische Form einlebten als in die Abstraktionen der Malerei, und so tritt denn hier, neben dem, was den Vorbildern verdankt wird, verhältnismäßig früh auch Eigenes hervor. Die technischen Gattungen sind scharf voneinander getrennt, jede hat ihre eigene Formenüberlieferung. Den vornehmsten Eindruck macht die Elfenbeinplastik an Diptychen, Hostienbüchsen und Reliquienkästchen. Zu ihrer Schulung stand ein reicher Vorrat spätantiker und byzantinischer Musterstücke zur Verfügung. Doch es wurde nicht bloß kopiert, wir begegnen auch selbsterfundenen Kompositionen (z. B. in einer Reihe von Diptychen, die im 9. Jahrhundert in Metz oder Reims entstanden sind), ja sogar einer Formenauffassung, die das überlieferte Schema durch Naturbeobachtung zu ergänzen und zu beleben wagte (sächsische und rheinische Werkstätten). Im Lauf des 11. Jahrhunderts stirbt dieser Kunstzweig ab, um auf veränderten Grundlagen im 13., jetzt vornehmlich in Frankreich, eine zweite Blüte zu erleben.
Wollte man eine Stufe höher hinauf gehen und auch der Architektur plastischen Schmuck geben, so wandte man sich an den den Germanen sehr früh vertraut gewordenen Erzguss. Solcher Art sind aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts die großen Domtüren zu Augsburg und Hildesheim und die sog. Bernwardsäule daselbst. Monumental sind sie nur durch ihre Funktion; nach Stil und Technik gehören sie völlig der Kleinkunst. Die Erinnerungen an italienische Vorbilder erstrecken sich nur auf die Anordnung im Großen; der Einzelausdruck musste selbständig gefunden werden. Die Hildesheimer Tür zumal ist ein denkwürdiges Beispiel dafür, was entstehen konnte, wenn ein begabter Künstler von energischem Unabhängigkeitssinn sich voraussetzungslos dem Naturalismus in die Arme warf: in der Stärke des Ausdrucks ist er unerreicht, aber die Herrschaft über Form und Komposition hat er gänzlich verloren. Mit so keckem Sturmlauf ließ sich das Ziel nicht gewinnen. Das Interesse an plastischen Aufgaben blieb im sächsischen Stammgebiet lebendig, mehr als in anderen Teilen Deutschlands, aber das 11. Jahrhundert verging und ein großer Teil des 12., ohne dass ein nennenswerter Fortschritt gemacht wurde. Nur das Programm erweiterte sich: Grabplatten mit lebensgroßen Gestalten kamen in Aufnahme, nicht in Stein, sondern in dem noch immer geläufigeren Bronzeguss oder in fügsamer Stuckmasse; in gleichem Material dekorative Figuren an den Zwickeln zwischen den Arkaden der Kirchenschiffe oder an Chorschranken; kolossale Kreuzigungsgruppen aus Holz. Man sieht, an monumentalen Aufgaben fehlte es nicht mehr, wohl aber noch immer an einem monumentalen Stil.
Bis zu diesem Punkt war der Stand der Plastik in Deutschland, Frankreich, Italien ungefähr gleich hoch oder niedrig gewesen, in Deutschland vielleicht etwas höher sogar als in den anderen Ländern trotz deren älterer Kultur. Der monumentale Stil ist die alleinige Schöpfung Frankreichs. Er entstand um dieselbe Zeit und in denselben Schulen, deren Energie sich auf die Vervollkommnung des Gewölbebaus warf. Der innere Zusammenhang ist verständlich. Beide Erscheinungen sind Teile desselben Strebens nach erhöhter Monumentalität überhaupt; beide entfalten sich auch in der historischen Abfolge parallel. Die monumentale Plastik tut ihre ersten Schritte in Südfrankreich, es folgt Burgund, aber von der Mitte des 12. Jahrhunderts ab übernimmt der Norden die Führung. Die neue Stilbildung ist, dass die Plastik nicht mehr als ein frei im architektonischen Raum befindlicher oder einem architektonischen Untergrund angehefteter Schmuck, sondern, in viel tieferer Verbindung, als ein Teil der Architektur selbst gedacht wird. Ihre früheste und immer ihre Lieblingsschöpfung ist das Statuenportal. In Bezug auf Prachtentfaltung als solche war schon in den romanischen Portalen von Toulouse, Arles und St. Gilles, Autun und Vezelay ein Höchstes getan; mit den Westportalen der Kathedrale von Chartres beginnt doch ein ganz neues Geschlecht, neu nicht nur durch die Massenvermehrung der plastischen Arbeit, sondern noch viel mehr durch die veränderte Regelung ihres Dienstverhältnisses zur Architektur. Diese ist nicht mehr Rahmen der Plastik, die dann innerhalb desselben ihr eigenes, nur in den allgemeinen Gesetzen der Symmetrie und des Gleichgewichts mit jener in Einklang gebrachtes Leben führt (wie an den Giebelgruppen der griechischen Tempel), nein, es sind die unmittelbar tektonischen Glieder, Säulen und Archivolten, welche die plastischen Figuren an sich ziehen, ja schließlich geradezu durch sie sich ersetzen lassen. Ein Verhältnis, wie es noch niemals in der Kunst bestanden hatte. Rasch, wie in allen ihren Gedankenentwicklungen, schreitet auch hierin die Gotik vorwärts. Sie erkennt, dass in den gesteigerten Maßen und verschärften Kontrasten ihres Systems alle bisher gebräuchlichen Arten der Ornamentierung wirkungslos sind, und so ersieht sie sich die Figurenplastik zu einem Dekorationsmittel aus, von dem sie in kolossalstem Maßstab Gebrauch macht. Sie war das auch den Interessen des Kultus schuldig; denn nachdem sie die Malerei aus dem Inneren der Kirchen verdrängt hatte, konnte sie nur noch in dieser Form der heiligen Bilderfülle zu ihrem Recht verhelfen. So blieb es nicht bei den Portalen, obschon ein einziges an 200 Figuren aufnehmen konnte (z. B. am mittleren der drei Westportale in Amiens, außer denen noch ähnlich reich behandelte Querschiffportale vorhanden waren: 14 Freistatuen am Gewände, 88 Statuetten in der Bogenleibung, 4 stark gefüllte Reliefstreifen im Tympanon, 20 Sockelreliefs), auch die Galerien der oberen Fassadengeschosse bevölkerten sich mit langen Reihen von Standbildern, desgleichen die Tabernakel der Strebepfeiler, die Spitzen der Fialen und zu alledem noch ein gar nicht mehr zu zählendes Heer rein dekorativer Figuren an Kragsteinen, Wasserspeiern u. dgl. m. Die Berechnung, dass die ganz großen Kathedralen zu ihrer vollständigen Ausrüstung 2000 Bildwerke und mehr gebraucht haben, ist kaum übertrieben. Niemals hat ein Baustil der plastischen Kunst ein so unermessliches Feld der Tätigkeit geöffnet, niemals ihr zugleich so drückende Bedingungen auferlegt. Eine der wichtigsten derselben ist der »Blockzwang«, d. h. jede Gestalt muss in den von der Architektur ihr bestimmten Block eingeschlossen bleiben, es müssen die Verbindungslinien, die das Auge zwischen den äußersten Ausladungen der Figur herstellt, die ursprünglichen Grenzflächen der Rohform wiedererkennen lassen. Anders ausgedrückt: auch die Freistatue hört niemals ganz auf, Säule zu sein. Gegenüber den Gefahren bei Zusammenpressung des Unendlichvielen in engem Raum, wie das kirchlich-ikonographische Programm es forderte, gewährleistete dieses Prinzip auch für die verwickeltste Komposition Klarheit und Ruhe des Aufbaus. Die Architektur war vor Störung sicher. Aber in welcher Lage befand sich der Bildhauer? Welche Schmiegsamkeit der Erfindung war nötig, um in dieser Einschnürung ungezwungene und abwechslungsreiche Bewegungsmotive zu erreichen! Und welche Entsagung, um für Standorte zu arbeiten – das gilt für alles Bildwerk an den oberen Teilen des Gebäudes – wo nie eine andere als summarische Betrachtung möglich ist.
Weiter war die gotische Bildhauerkunst durch die kirchliche Gebundenheit ihres Programms von der schönsten aller plastischen Aufgaben, der Darstellung des nackten Menschenleibes, ein für allemal geschieden. (Die seltenen Ausnahmen, so u. a. einmal das erste Menschenpaar oder die kleinen Figürchen in der Auferstehung des Fleisches zum jüngsten Gericht, kommen dagegen nicht in Betracht.) Den Köpfen fehlt nicht die Einsicht in das Organische; der Knochenbau der Stirn, die fleischigen Weichteile werden in großen breiten Zügen charakterisiert, die Augen sind selbst nach Verlust der Bemalung voll Leben, selbst die Hände gelingen zuweilen vortrefflich. Das Hauptobjekt der Darstellung ist aber immer die Gewandung, und hierin ist der Fortschritt der Zeiten besonders augenfällig. Noch am Anfang des 12. Jahrhunderts war nur die Gewandmasse im Ganzen roh angelegt und das Detail der Falten in schematischen Furchen eingegraben worden. Hundert Jahre später ist die Ausdrucksweise hochplastisch; durch kühne Unterschneidungen werden starke Schatten hervorgerufen; mit sicherer Berechnung wird auf Fernwirkung gearbeitet. Die Gewandung vorzüglich hilft dazu, den engen Kreis der möglichen Körpermotive zu erweitern. Durch sie werden Charaktere geschildert, wird Stimmung gemacht. Es gehörte strenge Wahrheitsliebe dazu, um dies Mittel nicht zu missbrauchen. Wie nahe die Gefahr lag, den Körper zu einem bloßen Kleidergestell zu machen, hat die nachklassische Zeit auf Schritt und Tritt erwiesen. Zweifellos hat es hochbegabter Künstler bedurft, um die Gesetze des monumentalen Stils in vorbildlichen Typen festzustellen. Aber es lag ihnen fern, als Individuen aus der Masse hervorzutreten. Sie sollten und wollten nur einer Durchschnittsempfindung dienen.
Ein vergleichsweise schmaler, an sich immer noch sehr imponierender Nebenstrom monumentaler Plastik wurde nach Deutschland geleitet, welches Land das einzige ist, das neben Frankreich mit Ehren genannt werden darf. Die Blütezeit fällt in dieselben Jahre, die wir oben für Frankreich genannt haben, d. i. dasselbe Jahrhundert von 1220–1270. Der Unterschied ist der, dass sie scheinbar ohne Vorbereitung ist. Für mehrere der besten deutschen Meister des 13. Jahrhunderts hat die Forschung es bereits klargestellt, dass sie ihre Schulung in Frankreich empfangen haben. Ihre Kunst ist im Schulsinne eine Abzweigung der französischen, doch eben nur in dem, was schulmäßig erlernt werden kann. Im Übrigen sind sie unabhängige Künstlerpersönlichkeiten, mehrere von ihnen – wie der Straßburger, der Bamberger, der Naumburger – den besten Franzosen in der Begabung nichts nachgebend, im Charakter individueller als diese. Schulung kann nur durch die auf das gleiche Ziel gerichtete Anstrengung vieler erzeugt werden, das Individuum braucht freien Raum. In Deutschland war, bei unendlich lockerer stehendem Anbau, dieser noch zu finden.
Indessen ist durch die französische Einströmung noch nicht alles erklärt. Schon bevor sie kam, war in Obersachsen durch glückliche ahnende Erfassung entfernter Nachklänge der Antike, wie byzantinische Elfenbeine sie darboten, der Sinn für Reinheit und Größe der Form erwacht. Dazu brachte die französische Anregung das Element des Monumentalen. So entstanden in hoher idealer Stimmung die herrlichen Skulpturen in Freiberg und Wechselburg. Daneben lebte, eigentlichst sächsisch, jener tüchtige Wirklichkeitssinn wieder auf, der sich einst in kindlichem Ungestüm an der Hildesheimer Domtür geäußert hatte. Ihm verdanken wir die Fürstenbilder des Naumburger Domes, eine großartig naive Synthese des monumentalen und des realistischen Stils, der einen jener Höhepunkte bezeichnet, auf denen zu verweilen der Kunst selten gegeben ist. Die Naumburger Bildwerke zeigen, was die Plastik leisten konnte, wenn die Architektur, nachdem sie ihr den Geist des Monumentalen eingeflößt, zur Freiheit sie entließ. In Wirklichkeit zog sie die Zügel nur noch fester an.
Das 14. Jahrhundert wurde auch in Deutschland eine Zeit der Massenproduktion. Überschwängliche Programme zum Schmuck der Portale und Strebepfeiler wurden entworfen und kamen sie auch nur unvollständig zur Ausführung, so überstiegen sie auch so die vorhandenen Kräfte. Die Kunst verflachte zur handwerklichen Routine. Ein Element des Fortschritts lag nur in der Grabplastik, die den Sinn für individualisierende Charakteristik langsam schärfte. Daneben bestand als zweite Hauptgattung die den Holzschnitzern zufallende Altarplastik. Ihre Blütezeit kam jedoch erst später.
Nach Ablauf des 14. Jahrhunderts ist überall in Europa der künstlerische Geist des Mittelalters am Ende seiner Zeugungskraft angelangt. Die Kraft zur Verjüngung ist aber nicht überall die gleiche. Auf den Verlauf und die Charakterbildung der mittelalterlichen Kunst hatten Deutschland und Frankreich den am meisten bestimmenden Einfluss gehabt; der werdenden Kunst der Neuzeit trugen die Niederlande und Italien die Fackel voraus.
Die Bildkunst hatte mit der Darstellung einer idealen Welt begonnen, die mit der wirklichen weder in der Form noch im Inhalt zusammenhing, deren Sinn und Bedeutung dem Volk nur langsam sich erschloss. Der Zusammenhang der Kunst mit dem praktischen Leben wird durch das Kunstgewerbe dargestellt. Es hat sich in allen Epochen des Mittelalters größter Wertschätzung und ununterbrochen hoher Blüte erfreut. Es hat am meisten volkstümliche Elemente in sich aufgenommen. In der Stammeszeit war es schlechthin die Kunst gewesen. Das christliche Zeitalter wusste auch die altgermanische Freude an kunstvoll bearbeiteten Edelmaterialien auf den kirchlichen Zweck hinzulenken. Als liturgisches Prachtgerät und Priesterornat fanden die Kleinkünste ihre würdigste Verwendung. War doch das ganze Kirchengebäude nur Rahmen für das glänzende Bild des Altardienstes.
Das Kunstgewerbe, technisch in eine Menge von Gattungen gespalten, steht ästhetisch unter demselben Grundgesetz wie die Architektur und ist auch historisch mit deren Stilentwicklung eng verbunden, nur dass das Verhältnis von Geben und Nehmen ein anderes auf den primitiven als auf den hochentwickelten Kunststufen ist. In der frühromanischen Epoche arbeitete das Kunstgewerbe der Architektur vor in der Schaffung ornamentaler Motive, in der gotischen wurden selbst in dieser Welt des Kleinen die Strukturformen der Architektur repetiert, natürlich auf winzigen Maßstab herabgedrückt. Noch größer ist die Abhängigkeit der Bildhauerkunst; lange Zeit existierte sie überhaupt nur in der kunstgewerblichen Hülle. Ja, auch die am meisten gepflegten Gattungen der Malerei, die gewebten und gestickten Darstellungen, die man bezeichnend unter dem Namen Fadenmalerei zusammenfasst, die Emailmalerei, die Glasmalerei, im Grunde auch die Buchmalerei, sie sind nicht nur im äußeren Betrieb, sondern auch nach ihrem inneren Stilgesetz Kunstgewerbe, d. h. nicht »freie«, sondern »angewandte« Kunst, und der sichere Takt in der Findung und Anwendung dieses Gesetzes ist eine der schönsten Seiten der mittelalterlichen Kunst. Ferner ist den Kleinkünstlern, besonders wieder in der Frühzeit, die wichtigste Vermittlerrolle zwischen räumlich entfernten Kunstgebieten zugefallen. Was der romanische Stil des Abendlandes von Byzanz und dem Orient aufgenommen hat, kam großenteils auf diesem Weg. Endlich liegen auf diesem Gebiet auch die Keime der an der Grenze zur Neuzeit sich selbständig machenden reproduktiven Künste: der Zeugdruck und die Schablonen der Sticker sind Vorläufer des Holzschnittes, die Gravierungen der Goldschmiede Vorläufer des Kupferstichs. So ist das Kunstgewerbe gleichsam die mikrokosmische Zusammenfassung aller übrigen Künste. Man kennt das Mittelalter nicht, wenn man nicht sein Kunstgewerbe kennt.
Inhalt
ÜBER DIE GRENZE DER RENAISSANCE GEGEN DIE GOTIK
(1900)
Das ablaufende Jahrhundert hat keinem Gebiet der Kunstgeschichte mehr Liebe und Arbeitseifer zugewandt als der Renaissance. Das Schlussergebnis aber muss ein seltsames genannt werden. Es ist Infragestellung des Grundbegriffes. Immer mehr Stimmen werden laut, die ihn dringend der Reform für bedürftig erklären; es sei ein unvollständiger Begriff gewesen, womit wir uns bisher behalfen; er müsse inhaltlich tiefer genommen und darum auch in seinen historischen Grenzen weiter gefasst werden. [Allein das verflossene Jahr hat drei hierauf bezügliche Reformschriften gebracht: August Schmarsow, Reformvorschläge zur Geschichte der deutschen Renaissance (Berichte der k. sächsischen Gesellsch. d. Wissensch. 1899); Erich Haenel, Spätgotik und Renaissance, Stuttgart 1899; Kurt Moritz Eichborn, Der Skulpturenzyklus in der Vorhalle des Freiburger Münsters, Straßburg 1899. Die folgende Erörterung beschäftigt sich nur mit dem allgemeinen, allen drei Arbeiten gemeinsamen Problem. Auf die Einzelheiten, auch wo sie zu kritischem Widerspruch auffordern, gehe ich nicht ein.]
Der hiermit für überlebt erklärte Begriff war ausgegangen von der Umwälzung der Architektur unter dem Einfluss der Antike; dann wurden die Schwesterkünste angeschlossen; endlich als gemeinsamer Untergrund eine spezifische Renaissancekultur entdeckt. Alles dies Erzeugnis und Eigentum des modernen italienischen Geistes, aber mannigfach gefärbt durch die »Wiedergeburt des Altertums«, was hier in Italien jedoch nichts anderes war als das Zurückgreifen auf die nationale Vergangenheit. Später trat noch eine deutsche, französische usw. Renaissance hinzu, als Umbildung der nordischen Kunst und Kultur unter italienischem Einfluss. Wie man sieht, lässt diese Begriffsbildung an innerer Präzision und straffer, konzentrischer Fügung nichts zu wünschen übrig. Etwas ganz anderes ist diejenige »nordische Renaissance«, von der man seit 10 bis 15 Jahren bei uns zu sprechen begonnen hat. Sie soll gerade das selbständige Erwachen des modernen Geistes in der Kunst der germanischen Völker – von den van Eycks an oder, wie neuestens behauptet wird, noch früher – bedeuten und die neugeschaffene Gesamtrenaissance soll bis zum Beginn der »archäologischen Renaissance«, d. h. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dauern.
Lassen wir die Benennungsfrage einstweilen [beiseite]. Sachlich enthält die These etwas unbestreitbar Wahres und [einen] wertvollen Fortschritt der historischen Ansicht. Die Kunst des 15. Jahrhunderts ist auch im Norden nicht mehr einfach Mittelalter, sie befindet sich zum italienischen Quattrocento nicht im Gegensatz, wie man es früher darzustellen liebte, sondern in Parallele. Indem wir dieses Sachverhältnis anerkennen – und wer wird es nicht anerkennen? – geben wir auch das Bedürfnis zu, ihm in der stilgeschichtlichen Terminologie einen passenden Ausdruck zu verschaffen. Über die Problemstellung also werden wir alle einig sein. Dass aber die vorgeschlagene Übertragung des Namens Renaissance eine gute Lösung sei, bestreite ich sehr entschieden.
Betrachten wir sie zuerst von der Zweckmäßigkeitsseite her. Da ist doch wohl eine der beherzigenswertesten Warnungen für jede wissenschaftliche Terminologie: quieta non movere. Wenn einem stilistischen Terminus, der lange Zeit unverändert im Gebrauch gewesen ist – in unserem Fall so lange, als es eine Kunstwissenschaft gibt – ein neuer Sachinhalt untergeschoben wird, so werden Missverständnisse an der Tagesordnung sein, bis der ältere Sprachgebrauch völlig verdrängt ist. Schwerlich aber werden die Reformfreunde uns das in Aussicht stellen können. Wir werden es immer mit zwei Renaissancebegriffen zu tun haben, einem engeren (dem alten) und einem weiteren (dem neuen), und es wird eine stete Verlegenheit sein, wie man den Hörer oder Leser vor Verwechslung behüten soll. Eine vorhandene Terminologie verbessern heißt: sie verschärfen, verdeutlichen. Wir sind deshalb immer weiter in der Differenzierung gegangen. Wir unterscheiden heute genau zwischen altchristlichem, byzantinischem, romanischem Stil, die vor 50 Jahren noch als Einheit erschienen; wir haben die süd- und nordniederländische Malerei trennen gelernt; wir haben uns bemüht, das Barock von der Renaissance zu sondern und vom Barock das Rokoko und den Zopf. Was jetzt gefordert wird, ist das Gegenteil von Differenzierung. Indem die Grenzen der Renaissance einerseits tief ins Mittelalter zurückgeschoben, andererseits bis ans Ende des 18. Jahrhunderts vorgerückt werden, wird der ganze Begriff in eine andere Kategorie gestellt. Er umfasst nicht mehr einen geschlossenen Stil, sondern ein langgedehntes Zeitalter; er steht nicht mehr parallel den Begriffen »romanisch«, »gotisch« usw., sondern parallel dem Begriff »Mittelalter«, ist also nur ein anderer Ausdruck für das, was wir sonst »Kunst der Neuzeit« nennen. Was kann man praktisch mit einer Stilbezeichnung anfangen, unter deren Dach die van Eycks, Raphael und Rembrandt, das Ulmer Münster, die Peterskirche in Rom und der Zwinger in Dresden gleichmäßig Platz finden? Gesetzt, die Reform dränge durch, was wird man sich künftig dabei noch denken können, wenn von einer Statue, einem Möbel, einem Ornament gesagt wird, ihr Stil sei der der Renaissance?
Aber sehen wir auch von diesen weiteren Konsequenzen ab – obschon sie unvermeidlich sind – und fassen allein das 15. Jahrhundert ins Auge, so muss auch hier die Mangelhaftigkeit einer Terminologie, welche die italienische und die nordische Kunst unter einen Namen stellen will, einleuchten. Denn selbstverständlich könnte der Begriff nur aus solchen Eigenschaften bestimmt werden, die beiden Teilen gemeinsam sind; was aber nicht gemeinsam ist, hätte mit ihm nichts zu tun. Nichts zu tun also hätte mit diesem Renaissancebegriff die Antike; nichts zu tun die bisher sog. Renaissancekultur, da sie für den Norden im 5. Jahrh. nicht besteht; ja nichts zu tun sogar ein großes Gebiet der Kunst selbst, nämlich die tektonischen Künste, welche im Süden handgreiflich von der Antike abgeleitet, im Norden unerschüttert gotisch sind. Genug, es blieben als einzige, weil allein beiderseits verwendbare Bestimmungen: der Realismus und Individualismus. Ihre Wichtigkeit für die Renaissancekunst ist längst erkannt. Aber unmöglich können sie allein die Renaissance zur Renaissance machen, wie es auch nicht die Renaissance allein ist, die auf sie Anspruch erheben kann.
Dies führt uns zu den materiellen Irrtümern der neuen Lehre hinüber. Die heute beliebte Meinung von der Unerheblichkeit der Antike [Noch schärfer Moriz-Eichborn a. a. O. S. 337: »Die Antike hat zur Entwicklung der Renaissancekunst des 15. Jahrhunderts nicht das mindeste beigetragen.«] für die genetische Erklärung der Renaissance ist ebenso einseitig, wie früher ihre Überschätzung.
Es ist wahr: unmittelbare Entlehnungen kommen nur in den tektonischen Künsten vor; Malerei und Plastik sind davon beinahe frei. Aber ist denn damit schon alles gesagt? Gibt es nicht auch freiere, indirekte und imponderable Einflüsse? Wo Maler und Bildhauer in innigem Einvernehmen, ja oft in Personalunion mit der Architektur ihre Werke schufen, wie könnten sie von dem antiken Geist unberührt geblieben sein? Und dann der ganze Untergrund erblicher Stammeseigenschaften, welche die Italiener der Renaissance zu einem noch halbantiken Volke, nach Jakob Burckhardts Ausdruck, machten. Darum war eine Renaissance im eigentlichen organischen Sinne, als eine aus den tiefsten Wurzeln der Nation kommende Bewegung, nur in Italien möglich. Was man sonst mit dem unbestimmten Ausdruck »reinere Schönheit« der italienischen Renaissance als Vorzug vor der nordischen zugesteht, ist eben diese noch unverbrauchte Erb- und Stammesanlage. Dagegen war im Norden der durch das ganze Mittelalter hindurchgegangene Strom antiker Rezeption eben beim Eintritt in das 15. Jahrhundert bis auf den letzten Tropfen aufgebraucht und vertrocknet. In keinem Jahrhundert, von Karl dem Großen bis auf Wilhelm I., ist die deutsche Kunst von der antiken durch einen so weiten Abstand getrennt gewesen wie in diesem. Das ist sicher mit ein Grund, weshalb der italienischen Kunst die Überwindung des Mittelalters so viel leichter und folgerichtiger gelang als der nordischen. In dieser machte, nach kräftigstem Einsatz mit den Sluter und van Eyck, das moderne Prinzip nur fragmentarische und stockende Fortschritte und am Ende des 15. Jahrhunderts waren Norden und Süden weiter auseinander, als sie es am Anfang desselben gewesen waren. Der Norden fühlte sich zurückgeblieben, der Realismus allein hatte nicht genügt, ihn künstlerisch frei zu machen, er setzte schließlich neue Hoffnungen auf die »antikischen Art«.
Ich fasse zusammen: Die Bezeichnung Renaissance in dem bisher üblichen Umfang ist unentbehrlich. Ein daneben aufkommender zweiter Renaissancebegriff mit erweitertem Geltungsbereich wäre nichts als ein Spiel mit Worten, und ein durch seine Zweideutigkeit verhängnisvolles. Wir sprechen ja von Renaissance nicht bloß in der Kunstgeschichte. Auch auf anderen Gebieten wird Neubelebung eines vergessen gewesenen Alten so genannt; und immer denkt man dabei besonders gern an die Antike, z. B. wenn man das deutsche Geistesleben in der Zeit Winckelmanns und Goethes eine zweite Renaissance heißt. Dass aber etwas ganz Neues, ganz Eigenes, wie die van Eycksche Kunst, auch Renaissance heißen soll, wird der gesunde Menschenverstand niemals akzeptieren. Zur Kennzeichnung des der nordischen und der italienischen Kunst gemeinsamen Gegensatzes gegen das Mittelalter genügt die Kategorie »neuzeitliche Kunst«. Insoweit also ist nach einer Reform der bestehenden Terminologie kein Bedürfnis vorhanden. Wohl aber enthält dieselbe eine Lücke, darin bestehend, dass die in sich geschlossene Epoche der nordischen Kunst vom Ende des 14. Jahrhunderts bis zum Eintritt des Italismus im 16. einen eigenen Stilnamen noch nicht besitzt. Will man diese Lücke ausgefüllt haben, so kann das nur durch einen neu zu erfindenden Namen geschehen. Wir haben dasselbe bei Prägung des Namens »romanisch« getan und mit bestem Erfolg. Ob ein ähnlicher Versuch auch hier gelingen würde, kann niemand voraussehen.
Auch die eifrigsten Reformfreunde im Sinn des erweiterten Renaissancebegriffes empfinden es peinlich, dass durch das Verhalten der nordischen Architektur im 15. und früheren 16. Jahrhundert ein Riss in ihr System gebracht wird. Diesen zu schließen, haben jetzt A. Schmarsow und sein Schüler E. Haenel unternommen. Ihnen dient dazu das ebenso wie der »Realismus und Individualismus« aus der Burckhardtschen Hinterlassenschaft genommene Zauberwort »Raumstil«. Renaissance ist Raumstil, Spätgotik ist Raumstil, folglich ist Spätgotik Renaissance.
Diese Schlusskette ist offenbar logisch nicht richtig konstruiert. Sie wäre es nur, wenn der erste Satz lautete: jeder Raumstil ergibt Renaissance. Das hat aber weder Burckhardt noch sonst jemand bis jetzt behauptet. Nach Burckhardt bildet der Raumstil ein allgemeines Prinzip, das sich durch eine ganze Reihe historischer Stile verfolgen lässt, den spätrömischen, den byzantinischen, den italienisch-gotischen, bis es in der Renaissance seine feinste und kräftigste Entfaltung fand. Also: nicht jeder Raumstil ist Renaissance und Renaissance ist nicht Raumstil allein – gerade so wie sie im Bereich der Bildkünste nicht Realismus allein ist. Wäre die nordische Spätgotik wirklich Raumstil, so würde sie immer nicht mehr sein als eine partielle Vorstufe zur Renaissance und würde damit in gleiche Linie mit der italienischen Gotik rücken, nicht weiter. Denn noch ist es nicht Brauch, Gebäude wie den Dom von Florenz oder S. Petronio in Bologna nach ihrer stilischen Totalität zur Renaissance zu rechnen, obschon viel latente Renaissance in ihnen ist.
Nun aber die Hauptsache: ist die nordische Spätgotik wirklich Raumstil im spezifischen Sinne? Um sie als solchen charakterisieren zu dürfen, müssten wir an ihr Folgendes nachweisen können: 1. dass das Interesse an der schönen Raumgestaltung über die anderen baukünstlerischen Interessen dominierte; 2. dass es ein bewussteres, helleres war als auf den früheren Stufen der Gotik; 3. dass es in folgerichtiger Klärung, Befreiung und Steigerung in die Renaissance als ihren Höhepunkt hinüberführte.
Keine einzige dieser Bedingungen trifft in Wirklichkeit zu. Selbst das Schlussglied der postulierten Entwicklung, die deutsche und niederländische Renaissancearchitektur des 16. Jahrhunderts, war alles eher als Raumstil; sie war in keinem Punkt von der primären, d. h. italienischen Renaissance so weit entfernt als in diesem. Schmarsow lässt somit in der Spätgotik sich etwas vorbereiten, was nie eingetreten ist. Aber auch nach rückwärts verglichen kann ich nicht zugeben, dass die Spätgotik raumkünstlerisch über die Hochgotik hinausgegangen wäre. Es liegt hier eine leicht aufzulösende Täuschung vor. Schmarsow hat als Hebung des Sinnes für Raumschönheit angesehen, was lediglich ein Sinken des Sinnes für organische Schönheit war. Das ist, wie mich dünkt, ohne weiteres klar, wenn man die von Schmarsow, als Hauptvertreter dessen, was ihm deutsche Frührenaissance ist, aufgeführten Denkmäler genannt hört. Eröffnet wird die Reihe durch die Kreuzkirche in Schwäbisch-Gmünd (erbaut seit ca. 1330); es folgen die Kirchen S. Georg in Nördlingen, S. Georg in Dinkelsbühl, die Frauenkirche in München, die Martinikirche in Landshut, die Pfarrkirchen zu Schwaz und Hall in Tirol; in Norddeutschland die Wiesenkirche in Soest, die Lambertikirche in Münster usw. Alle diese Bauten gehören, wie man sieht, in eine bestimmte morphologische Klasse, die der Hallenkirche. Die von Schmarsow und Haenel gegebene Analyse ihres »Raumstils der deutschen Frührenaissance« ist nichts anderes als eine Analyse der Hallenkirche überhaupt. Aber bekanntlich ist dieser Typus weder an Deutschland noch an den gotischen Stil gebunden; er reicht in Frankreich bis in die Anfänge der Gewölbearchitektur im frühen 11. Jahrhundert hinauf. Was der Hallenkirche in der Konkurrenz mit der Basilika am meisten das Wort redete, war die Vereinfachung der Konstruktion, die bequemere Widerlagerung der Gewölbe. Dies ist auch durchaus die einleuchtendste Erklärung für ihre große Beliebtheit in der deutschen Spätgotik. Sparsame und einfache Konstruktion ist ja ein Hauptziel dieser vom bürgerlichen Mittelstand regierten Kunst; auch die der Hallenkirche eigene Klarheit und Übersichtlichkeit der Raumbildung war gewiss nach ihrem Sinn. Ist damit aber auch schon ein Raumstil in der zu verlangenden Bedeutung begründet? Den Maßstab dafür können nur die vorangehenden Stilstufen geben. Hier muss ich nun rund heraus sagen: wieso sich die Kreuzkirche in Gmünd und was ihr folgt »der gotischen Raumbildung entfremdet« habe; wodurch sie »eine Urkunde neuen Wollens« geworden sei, wie man überhaupt den Unterschied zwischen spätgotischen und hochgotischen Hallenkirchen allem voran in die Raumbehandlung legen kann – das liegt außerhalb meines Verständnisses. Die Veränderungen, die mit der Hallenkirche vor sich gehen, liegen in der Form der Stützen, der umschließenden Mauern, der Gewölbe, nur sekundär im Raum. Gerade unter den frühesten gotischen Hallenkirchen sind einige, wie der Dom von Minden in Deutschland, die Kathedrale von Poitiers in Frankreich, die in freier Raumschönheit später nie wieder erreicht worden sind. Es fehlt der Spätgotik überhaupt an einem bestimmt charakterisierten Raumideal. Wir finden nebeneinander langgestreckte Anlagen mit schmaloblongen Jochen, wie die Kreuzkirche in Gmünd, und quadratische Anlagen mit ebenfalls quadratischer Teilung, wie die Frauenkirche in Nürnberg, übermäßig steile Querschnittprofile, wie in St. Martin zu Landshut, und breitgequetschte, wie in der Stiftskirche zu Stuttgart, und andere Zeugnisse eines schwankenden Raumgefühles mehr. Sodann die von Haenel gerühmte Einheitlichkeit des Grundrisses, d. i. Mangel eines Querschiffes und einfache Gestaltung des Chors, hätte doch nur etwas zu bedeuten, wenn sie etwas Neues wäre; allein sie war in Süddeutschland von jeher zu Haus und in Norddeutschland wenigstens an den Hallenkirchen die Regel. Den Gipfel der Einfachheit in der Grundrissdisposition hatte aber schon lange vorher die Kathedrale von Poitiers erreicht. Hätten Schmarsow und Haenel, wie sich ziemte, diese historischen Maßstäbe in die Hand genommen, dann wären sie vor dem Irrtum bewahrt geblieben, von der Gmündner Kreuzkirche den Eintritt einer neuen Ära, den Eintritt der Frührenaissance, zu datieren. Aber auch ohne Vergleichungen, allein aus den ihnen vorliegenden Denkmälern, hätten sie merken müssen, dass der Sinn für einheitliche Raumgestaltung in der Spätgotik geradezu im Rückgang war. Ich nenne zum Beweis zwei häufig vorkommende Eigentümlichkeiten. Nach der einen wird die Decke, die nach Maßgabe der Raumidee in gleicher Höhenlage bleiben müsste, beim Eintritt in den Chor geknickt, d. h. in willkürlicher Weise bald höher, bald tiefer gelegt als im Schiff (Beispiel die Kreuzkirche in Gmünd), nach der anderen erhält das Mittelschiff eine Überhöhung im Sinn des Querschnittes, woraus eine schlaffe Zwitterbildung zwischen Hallen- und Basilikenanlage entsteht (Beispiel: die Frauenkirche in Ingolstadt); ferner die Verbindung eines basilikalen Langhauses mit einem hallenmäßigen Chor (Beispiele: St. Sebald und S. Lorenz in Nürnberg); es können damit anziehende malerische Wirkungen erzielt werden, aber es ist ein Hohn auf die einfachsten Prinzipien der Raumkunst. Dasselbe gilt von Ulrichs von Ensingen Plan für das Ulmer Münster; ursprünglich als Hallenkirche gedacht, wurde es zur Basilika umgebaut, aber so, dass die Seitenschiffe sich bis zur gleichen Breite mit dem Mittelschiff erweiterten, in völliger Verkennung des der Basilika eigentümlichen räumlichen Rhythmus. Noch später wurden die Seitenschiffe geteilt, so dass die Gesamtzahl fünf erreicht wird. – Wohin man auch blicken mag, von einem einheitlichen Willen der spätgotischen Epoche, die Raumschönheit in den Mittelpunkt ihrer künstlerischen Intention zu stellen, kann gar nicht die Rede sein.