Kitabı oku: «Louisianas Eskorts», sayfa 6
Louisiana hatte den Anruf einer reiferen Dame erhalten, die aber keinen Galan für sich wollte, jedenfalls an diesem Abend nicht, sondern für ihre zurückhaltende Tochter, ein Mädchen von zweiundzwanzig Jahren. Sie war Lou als sehr hübsch beschrieben worden, mit einer schönen Figur, sehr intelligent, aber ohne Freund, weshalb die Mutter sich Sorgen machte. Ohne festen Begleiter würde ihre Tochter immer weiter ausgegrenzt und bliebe ihr am Ende noch übrig, hatte sie Lou erklärt. Madame de Treville habe so geschwärmt und sie wolle es nun einmal auf diesem Wege versuchen, ihre Tochter ins Leben hinauszuscheuchen.
Michael war sofort Feuer und Flamme. Er würde sich nicht gleich auf Gala herausputzen müssen, seine Gespielin sei jung und sehr gutaussehend, und es reizte ihn, da sie vermutlich schüchtern sei. Eine wilde Katze von der Kette zu lassen, dazu gehöre nicht viel, dachte er sich, aber eine zurückhaltende in Flammen zu setzen, das sei doch mal eine Aufgabe, motivierte er sich und stimmte begeistert zu.
Lou zog ihr Bikinihöschen an, um auf dem Parkplatz vor dem Landhaus ihr „kleines Schwarzes” aus ihrem Wagen holen zu können.
Zurückkommend, zupfte sie es sich zurecht, nahm Michael bei der Hand, und winkte den Zurückbleibenden zu, die Michael ein freches „Mach’s gut, aber nich’ so oft” nachriefen, wofür er ihnen lachend den Stinkefinger in die Luft hielt.
Im Haus strebte Lou dem Ausgang zur Vorderseite zu, während Michael sich ins Obergeschoß begab, um in Konstantins Fundus nach etwas Passendem zu suchen. Da er seine Freunde nicht beim Ankleiden fand, sah er im Bad nach und bekam eben noch das Ende der intimen Reinigung mit.
Einen Augenblick blieb er stehen und nahm die Szene in sich auf. Da er Konstantin und Alexander in auf den ersten Blick eindeutig zweideutiger körperlicher Verfassung vorfand, überlegte er, ob die beiden spontan auf die Idee gekommen seien, auch mal etwas anderes auszuprobieren, da Kon Alex aber tatsächlich lediglich wusch, nahm er seine anfänglichen Gedanken sofort zurück. Da reinigten sich nur zwei Freunde. Honi soit qui mal y pense.
„Na, Ihr Zwei! Seid Ihr bald fertig? Ich müßte auch mal unter die Brause. Lou hat einen Auftrag für mich bekommen.”
Die jungen Männer sahen Michael überrascht an, Konstantin trat aus der Kabine heraus; daß Monsieur Bouchon noch etwas aufgeregt wirkte, störte ihn offensichtlich nicht. Alexander spülte sich derweil ab.
„Mach’ Sachen! Du gehst heute abend auch noch hinaus?”
„Hm-hm, und es scheint sehr angenehm werden zu können.” Michael lächelte in Vorfreude.
„Und was steht an?” Konstantin nahm ein Badetuch und trocknete sich ab. Dabei sah er Michael neugierig an.
„Ich soll eine Zweiundzwanzigjährige zu einer Party begleiten und dann bei ihr bleiben, wenn sie es wünscht. Ihre Mutter hat das Ganze arrangiert. Wir sind von Madame de Treville empfohlen worden.”
„Ach nee”, staunte Konstantin. „Die gute Treville! Kriegst Du da am Ende eine späte Jungfrau, hm?”
„Du, ich weiß nicht. Sie soll schüchtern sein. Vielleicht. Dann wäre es nicht nur eine vergnügliche, dann wäre es sogar eine wichtige Aufgabe, nicht wahr?”
„Kann man sagen. Das erste Mal ist verdammt wichtig. Wenn ich da an meine Premiere denke …, oh je.” Konstantin winkte ab, als wolle er sagen, „erinnere mich bloß nicht”, aber da war er bei Michael an den Falschen geraten.
„Na, jetzt nicht so schüchtern, heraus damit! Wie war’s bei Dir?”
Da wurden sie von Alexander unterbrochen. „Das können wir uns ein andermal beichten. Jetzt müssen wir uns auf unsere Einsätze konzentrieren.” Sagte es, während er aus der Kabine kam, nahm sich ein frisches Badetuch und rubbelte sich trocken.
„Er hat recht, Michael”, zuckte Konstantin mit den Schultern. „Willst Du ’nen Bademeister?”
„Nee, laß mal, ich mach’ das selber. Aber Du kannst mir ein paar frische Sachen herauslegen, Party eben. Und jetzt schiebt ab, den ‚Großfürsten’ zu richten. Raus mit Euch.”
„Ich putze mir nur noch die Zähne und rasiere mich”, sagte Alexander an, während Konstantin das Bad verließ und Michael in die Kabine kletterte, deren Milchglastür er sogleich hinter sich schloß.
Michael rieb sich gründlich mit einer milden und gut duftenden Waschlotion ein. Dabei dachte er unwillkürlich an sein erstes gemeinsames Duschen mit Maximilian Branbury in dessen elterlichem Schloß.
Plötzlich hörte er, trotz der rauschenden Brause, das laute Gurgeln Alexanders, der das Zähneputzen beendet hatte.
Maxi. Wie schön er war. Trotz seiner Größe fast noch knabenhaft wirkend, und doch schon deutliche männliche Züge. Schöne Züge. Er roch so gut, auch ohne Duschgels, und er hatte ihn plötzlich wieder in der Nase. Michaels Nasenflügel wölbten sich, er … da wurden seine sinnlichen Erinnerungen nicht minder schön unterbrochen. Alexander begann, à capella zu singen. Er tat das immer, wenn er besonders guter Laune war. Michael kannte das Stück. Es war die Arie des Fürsten Gremin aus „Eugen Onegin” … „Wer nie gekannt die Lieb auf Erden” … und er erlebte ein Nackenrieseln schönster Art. Und plötzlich freute er sich wie nicht gescheit, einem Mädchen, das darüber offenbar, außer vom Hörensagen, nichts wußte, zeigen zu dürfen, wie schön nicht nur seelische, sondern auch die körperliche Liebe sein kann. Er würde es dazu bringen, sich ganz vertrauensvoll fallenzulassen, um es wirklich genießen zu können. Es würde kein Vergleich sein zu dem, was er mit knapp Sechzehn erlebt hatte, was ihm nur als schale Erinnerung geblieben war. Michael empfand einen Moment der Scham, daß er ein so derart dummer Junge gewesen war. In der Sekunde hörte er ein lautes „Auh, Scheiße!” Alexander hatte sich beim Rasieren geschnitten und blutete ein wenig.
*
Gegen 19.45 Uhr saß Alexander Nikolaijewitsch Kurijakin in der Opernloge neben Berenice von Wildenbruch, der Diplomatengattin.
Sie war eine schöne Frau, was sie durch eine gelungen gewählte Abendgarderobe unterstrich. Ihre schulterlangen, schwarzen, gewellten Haare trug sie offen. Von ihrer Stirn schlängelte sich eine hellgraue Strähne über ihren schönen Kopf. Es war nicht auszumachen, ob sie echt oder eingefärbt war, aber es verlieh ihr das sinnliche Signalement einer reifen, erfahrenen Frau.
Ihr Satinkleid war silbrig-weiß, gerade so dekolletiert, daß ihre festen, offensichtlich wundervoll geformten Brüste, betupft mit einigen wenigen, ganz hellen Sommersprossen, ein eleganter Augenfänger für jeden Mann und ein Anlaß zu Stutenneid für jede Frau waren; über ihre linke Schulter hing, vom einzigen größeren Schmuckstück, einer weißgoldenen Blattnadel gehalten, die mit Brillanten übersät war, ein schwarzes Seidentuch. Ihr schlanker Hals war straff und glatt, eine sinnliche Versuchung für sich, ihn mit Küssen zu bedecken. Ihre schlanken Hände, mit rundgefeilten, klarlackierten Fingernägeln wurden einzig links vom Ehering und am kleinen Finger von einem weißgoldenen, brillantenbesetzten Ring verziert. Ihre feinen, kleinen Ohren, die sie zeigte, wenn sie sich wie gedankenverloren die Haare zurückstrich, genügten sich in ihrer Schönheit selbst. Alexander fragte sich, wer denn so abgrundtief blöd sein könne, eine solche Frau nicht zu beachten und allein zu lassen.
Ihr Mann, nur wenige Jahre älter als sie, aber mehr mit seinem anspruchsvollen Beruf verheiratet, denn mit ihr, befand sich auf einer Konferenz in Wien, bei der ihre Anwesenheit nicht notwendig war. Sie diente ihm kaum mehr als ein exquisites Accessoire, wenn er seine eigene Attraktivität optisch gestärkt sehen wollte.
Berenice machte das gesellschaftliche Spielchen mit, weil sie nicht ins Abseits gestellt werden wollte. Zudem hatte sie eine sechzehnjährige Tochter, das Küken ihrer drei Kinder, von der sie alle Beeinträchtigungen fernzuhalten fest entschlossen war. Randolph, der Älteste, war bereits aus dem Haus, Ernest, ihr „Sandwich”, stand kurz davor, doch Aledaide brauchte ihr Elternhaus noch und das intakt, zumindest nach außen.
Dennoch war ihre Mutter nicht gewillt, sich jede Lebensfreude zu versagen. Sie hatte nicht nur das Geld ihres Mannes zur Verfügung, sondern auch ihr eigenes, denn sie stammte aus einer wohlhabenden Hamburger Kaufmannsfamilie mit erheblichen Einkünften aus ihren diversen Anteilen − und die gab sie aus, gerade wie es ihr gefiel. Es scherte sie auch nicht, wenn sie etwas vom Konto ihres Mannes nehmen mußte.
An diesem Abend gefiel es ihr, sich einen attraktiven jungen Mann gekauft zu haben. Ihre teure Freundin Clarissa Schastikow hatte sie, kaum halbwegs von dem Abenteuer im Golfclub erholt, auf diesen neuen Quell frischer und erheblicher Freuden hingewiesen. Begeistert hatte sie registriert, wer ihr geschickt worden war.
Vermutlich würde dieser „Großfürst” kein echter Großfürst sein, das war ihr schon klar, aber sie hatte einen Blick für die Einschätzung gesellschaftlichen Ranges und war sich gewiß, daß sie einen schönen Vertreter einer Familie gehobenen Adels vor sich hatte. Warum eigentlich nicht, hatte sie sich gesagt. Seinen Titel und Namen wollte sie gar nicht wissen. Sie wollte seine Gesellschaft und sie wollte seinen Körper. Den Umschlag mit fünf Zweihundert-€uro-Scheinen hatte sie der Kleinen im kleinen Schwarzen dezent übergeben, die sich mit einem lächelnden „Er gehört ganz Ihnen, Gnädigste” verabschiedet hatte.
Ihr Großfürst erwies sich schnell als ein geübter Partner im unverbindlichen Kleingespräch. Sie empfand ihn als charmant, und verboten, ja beunruhigend gutaussehend. Berenice vermutete ihn unter seiner noblen Abendgarderobe als sehr gut gewachsen und gestand sich mit einem feinen Lächeln ein, daß sie die Opernvorstellung am liebsten gestrichen hätte, um ihn gleich … Nun ja, man lasse doch schon mal die Suppe weg und gönnte sich den Hauptgang ohne Umwege. Dann wäre mehr Platz im Magen, irgendwie so, nicht?
Adelaide hatte sie, schneller als sonst, erlaubt, auf die Pyjamaparty einer Freundin zu gehen und bis zum nächsten Tag fortzubleiben, ihr gar das Geld gegeben, ihre Freundinnen zu einem ganzen Tag in einer Sauna- und Badelandschaft einzuladen. Sie solle sich mal richtig amüsieren und keineswegs an hübschen, nackten Burschen vorbeischauen. „Aber Mama!” war die gespielt „empörte” Reaktion ihrer schönen Tochter, aber nach einem leichten Erröten hatte sie dann doch gelacht und sich überschwenglich bedankt.
Ernest war mit einem Freund für die Dauer der Ferien auf die Balearen abgeflogen und würde sich dort heftig die Hörner abstoßen, dessen war seine Mutter sich gewiß. Er war ein schöner Junge und hatte „schwer Schlag” bei den Mädels.
Nun, da Adelaide „versorgt” war, hatte Berenice sich seit langem einmal wieder die ersehnte „sturmfreie Bude” geschaffen, nur daß es keine Bude war, sondern eine große Stadtvilla, in der sie sich von einem jungen Galan auch „jagen” lassen konnte. Mal wieder kreischend wie ein junges Mädchen vor einem wilden Hengst davonzulaufen, nur um sich einfangen zu lassen − darauf freute sie sich wie ein Teenager, der aufgeregt etwas Verbotenes tut, von dem die Eltern nichts wissen dürfen. Nur, daß es bei ihr die Kinder waren, vor allem ihre Kleine. Ihr Ehemann war ihr diesbezüglich eher gleichgültig. Wer konnte schon wissen, was er so alles im Dienst des Vaterlandes außerhalb der deutschen Grenze triebe, würde es ihm nach Dienstschluß langweilig.
„Der Kongreß tanzt”, hatte es schon 1814 in Wien geheißen und beim bloßen Tanzen war es damals ganz sicher nicht geblieben. Gerade Allerhöchste Personen waren dafür bekannt, ihre Gene fleißig verstreut zu haben. Was ihr Gatte innerhalb der deutschen Grenzen trieb, davon hatte sie eine gewisse Vorstellung.
Alexander genoß die einzigartige Atmosphäre, die von einem großen Vorstellungsraum voller Menschen und einem sich mit Instrumentenstimmung vorbereitenden Orchester kurz vor dem Einsetzen der Ouvertüre und dem Heben des Vorhangs ausgeht. Dieses Summen und Brummen, verursacht durch die letzten Unterhaltungen, bevor es ganz still wird und der Begrüßungsapplaus für den ans Pult tretenden Maestro aufbrandet, empfand er als zutiefst anregend und die wohlige Erwartung des Kunstgenusses steigernd. An diesem Abend war es für ihn zugleich die Erwartung nicht nur finanziell beglückender erotischer Stunden.
Da erklangen die letzten Gongtöne als Aufforderung die Plätze einzunehmen, bevor die Zugänge geschlossen und erst zur Pause wieder geöffnet würden, die Beleuchtung wurde zügig heruntergefahren. Es schimmerte nur noch schwach das Licht aus dem Orchestergraben, der Dirigent, ein Italiener, kam herein, verneigte sich, der Applaus verstummte, der Maestro hob den Taktstock − und es begann.
Alexander und Berenice waren allein in der Loge, offenbar eine Dauerloge der Wildenbruchs, wie der Prinz annahm, weshalb es allein an ihnen lag, ob man alle vier Plätze belegte oder nicht. So bemerkte außer Alexander niemand, was während der musikalischen Ouvertüre geschah. Die erotische hob ebenfalls an.
Berenice hielt ihren Blick fest auf die Bühne gerichtet, doch ihre rechte Hand begann, Alexanders Schoß zu erkunden. Zärtlich strich sie über die deutlich tastbare Wölbung. Alexander rutschte ein wenig nach vorn, öffnete seine Beine und lehnte sich wieder zurück. Er spürte, wie sein Blut dorthin strömte, wo Berenice es haben wollte und es ihm selbst sehr willkommen war. Als er ihre Hand nahm und führen wollte, entzog sie sich ihm und klopfte ihm mit einem stummen „Na, na!” auf die Finger. Sein Schwanz hatte sich bald zur vollen Größe gestreckt. Als sie es fühlte, ging sie einen Schritt weiter und knöpfte langsam seinen Schritt auf, ehe sie hineinfaßte und den „Großfürsten” ergriff. Alexander atmete unwillkürlich tief ein und zitternd wieder aus. Dabei schloß er die Augen. Berenice hatte es bereits geschafft, ihn von der schönen Musik und dem Gesang abzulenken. Er hatte nicht damit gerechnet, daß sie, wenn auch im Dunklen sitzend, schon während der Vorstellung die Initiative ergreifen würde − und wie sie sie ergriff − buchstäblich. Und sie ergriff sie nicht nur, indem sie „ihn” ergriff, sie stimulierte ihn durch sanfte Bewegungen, übte Druck mit ihrem Daumen aus, daß es Alexander bald schwerfiel, nicht hörbar aufzustöhnen.
In der Loge genau gegenüber wurde ein Opernglas nicht auf die Bühne gerichtet, um die Kostüme zu studieren, sondern dazu benutzt, aus dem Halbdunkel heraus die Vorgänge in der Wildenbruch-Loge zu beobachten.
Madame de Treville hatte ihre Busenfreundin Müller-Gantermann in ihre Familienloge eingeladen und ihr eine interessant-anregende Extravorstellung versprochen. Dagmar-Schätzchen konnte dem nicht widerstehen.
„Sieh nur, wie gelassen sie tut und zur Bühne schaut, dabei hat sie den jungen Hengst bereits im Griff, wenn Du verstehst, was ich meine.”
„Ob ich verstehe, was Du meinst, Du schlimmes Geschöpf! Genau da, wo sie ihre Hand hat, hätte ich meine jetzt auch gern.”
Die Freundinnen kicherten leise auf.
„Der Junge hat schon die Augen geschlossen − kannst Du es sehen?”
Eleonore de Treville leckte sich die Lippen. Sie wußte, was kommen würde, denn sie hatte par distance den gleichen lustvollen Gedanken.
„Berenice wird bald etwas fallenlassen, und dann abtauchen, um ihn …”
„Sprich es nicht aus, ich bitte Dich, sonst kann ich mich nicht mehr beherrschen.”
„Oh, wie ungeschickt von mir“, schalt Berenice sich mit unterdrückter Stimme. „Jetzt sind mir doch tatsächlich die Bonbons heruntergefallen. … Bemüh’ Dich nicht, mein Lieber, ich mach’ das schon.”
Sie erhob sich, um sich im nächsten Moment zur Seite zu bücken und im Halbdunkel der Loge zu verschwinden. Einen Augenblick später seufzte Alexander leise auf, sog scharf seinen Atem ein, atmete durch die Nase aus und biß sich auf die Unterlippe. Berenice hatte gefunden, wonach es sie gelüstete.
*
Michael hatte sich fesch zurechtgemacht. Er wußte noch nicht, wie seine Partnerin für die nächsten Stunden aussah, wie sie auf ihn wirken würde. Er hoffte insgeheim, sie möge ihm auch privat gefallen, denn als rein mechanisch abarbeitender Jungfernheld war er sich in dem Moment doch etwas zu schade.
Auch die beiden sollten sich vor dem „Chez Alexandre” treffen. Michael bezog gerade Position, als er sie kommen sah. Er hatte nur eine vage Beschreibung erhalten, aber er wußte augenblicklich, daß sie es sein mußte.
Cecilia.
Sie stach unter all den Menschen, die den Platz vor dem großen Bistro belebten oder einfach nur vorbeiliefen, wie ein leuchtendes Signal hervor. Das Mädchen fiel auf, obwohl es das, von seiner Aufmachung her, selbst wohl eher verbergen wollte. Es hätte nur noch gefehlt, daß sie eine altmodische Hornbrille getragen haben würde. Sie kam näher und hatte Michael offenbar als ihr Rendezvous erkannt.
„Verzeihen Sie, sind Sie der Chevalier?” Sie sah ihn mit offenem Blick an, aber Michael bemerkte ihre Zurückhaltung dennoch. Ihr schien nicht wirklich wohl zu sein bei dieser Begegnung. Wer weiß, dachte Michael sich, was ihre Mutter ihr zur Einstimmung auf den Abend und eventuell gar die ganze Nacht an Instruktionen mitgegeben hatte. Er ahnte es nicht. Daß er bereits bezahlt worden war, erfuhr er sogleich.
„Ihre Agentin hat Sie uns vorhin so beschrieben, als Sie bei uns war.”
Die geschäftstüchtige Lou! Sie hatte nichts dem Zufall überlassen und die Peinlichkeit, daß das Mädchen das Geld hätte übergeben müssen, bereits ausgeschaltet.
„Zu Ihren Diensten, mein Fräulein”, verneigte sich Michael und nahm Cecilias Hand. Beider Händedruck war fest. Daß ihrer es war, überraschte ihn ein wenig. Er hatte mit einer gewissen Laschheit gerechnet. Den Handkuß vermied er in der Öffentlichkeit.
„Ich freue mich, daß wir uns gleich erkannt haben”, lächelte er sie an. „Wollen wir uns bei einem kleinen Aperitif im Bistro ein wenig unterhalten?”
Sie nickte, sagte aber nichts. Michael nahm sie bei der Hand und zog sie sanft mit sich.
Im Alexandre fand er zu dieser Stunde noch ein Plätzchen, das ihnen ein gewisses Maß an Intimität beim ersten Kennenlernen bot. Er rückte ihr einen Stuhl zurecht und nahm an dem kleinen Tisch genau ihr gegenüber Platz. Die Bedienung kam schnell, und er bestellte zwei Fruchtsaftcocktails mit etwas Armagnac, wenn es ihr recht sei. Cecilia nickte wieder − stumm.
Michael betrachtete sie. Nicht aufdringlich, aber ein freundliches Interesse signalisierend, das über oberflächliches Kennenlernen hinausging. Er wollte wissen, wen er vor sich hatte.
Cecilia war schwarzhaarig. Sie trug ihre rückenlangen, glatten Haare offen, in der Mitte gescheitelt. Er schätzte ihre Körpergröße auf nicht mehr als 1,74 m. Sie mochte 53, höchstens 54 kg wiegen. Ihre Haltung im Sitzen war gerade und nicht zusammengesunken. Sie hatte eine schöne Büste, aber sie war verhüllt. Cecilia trug ein kurzärmeliges buntes Sommerkleid, mit einem weißen Gürtel um ihre schmale Taille. Ihre schlanken nackten Füße steckten in weißen Pumps. Ihre Hände waren feingliedrig, sehr gepflegt, mit leicht spitz zugefeilten, klarlackierten Fingernägeln. Cecilia hatte schöne, schlanke Arme. Ihr Gesicht war entzückend hübsch, mit einer schmalen, schönen Nase, die sich immer wieder ein wenig kräuselte. Es war wohl ein Zeichen ihrer Nervosität. Ihre leuchteten Augen waren dunkelbraun und hatten einen leichten Schimmer von Traurigkeit. Michael hielt im Moment alle Männer, die dieses Mädchen bisher unbeachtet gelassen hatten, für ausgemachte Esel. Cecilia war zauberhaft. Und sie musterte Michael nicht weniger aufmerksam, als er sie.
Michael konnte nicht glauben, daß er tatsächlich eine Jungfrau vor sich haben sollte, wohlgemerkt eine Jungfrau, keine Sternzeichengeborene. Er wußte plötzlich nicht mehr sicher, wie ihr Status am nächsten Morgen sein würde, aber eines wußte er: sie müßte mehr aus sich machen. Da war eine Menge ungehobenes Potential. Sie müßte andere Klamotten bekommen. Cecilia war offensichtlich nicht geschminkt. Michael mochte allzu deutlich „angemalte” Mädchen und Frauen nicht, aber dezent die Optik zu betonen, das war auch nach seiner Ansicht nie verkehrt.
Da wurden die Cocktails gebracht, und er entschloß sich, den Abstand zwischen ihnen in einem ersten Schritt zu verringern. Er wußte ihren Vornamen und sie sollte seinen wissen. Michael hielt es für zu steif und unromantisch, ein Mädchen entjungfern zu sollen, das ihn selbst in Ekstase nur „Chevalier” nennen könnte. Mit reiferen Frauen würde ihm das vermutlich egal sein, da galt es nicht, eine echte Jungfernschaft zu erobern, aber hier lagen die Dinge anders.
Er erhob sein Glas, stieß mit Cecilia an und stellte sich noch einmal vor.
„Ich heiße Michael. Auf einen schönen Abend für Sie und uns beide.” Dabei sah er ihr fest in die Augen. Sie hielt inne und seinem Blick stand, trank dann aber doch und senkte ihre Augen. Beim Abstellen ihres Glases räusperte sie sich ein wenig. Sie war nervös. Michael gefiel das.
„Was …?” Sie sagten es gleichzeitig, sahen sich an und mußte beide lächeln. Michael empfand es als sehr angenehm, daß sie sich bereits ihr erstes Lächeln schenkten.
„Sie zuerst, Cecilia. Was möchten Sie wissen?”
„Was machen Sie beruflich, Michael?”
Der junge Graf war überrascht. Sie ging offenbar davon aus, daß er kein hauptberuflicher Gigolo war. Michael war plötzlich bereit, mit offenen Karten zu spielen, nur seinen vollständigen Namen würde er ihr nicht sagen. So gab er zu, zu studieren, wobei Cecilias Mimik sich deutlich aufhellte.
Ob er eine Freundin habe und ob er schon mit vielen Frauen geschlafen habe, wollte sie wissen.
Michael hatte Mühe, zu verbergen, wie baff er war. Das hörte sich nicht gerade nach schüchtern an. Die Frage war höchst indiskret, und er wußte von anderen Frauen, daß sie solch eine Frage für ausgesprochen dämlich hielten, aber er fand sie gar nicht so schlimm. Wie sollte sie auch wissen, ob er Erfahrung hätte. Die optische Alterseinschätzung kann da sehr irreführen. Aber was mochte ihre Mutter ihr gesagt haben, was an diesem Abend und der folgenden Nacht stattfinden sollte? Er schmunzelte, verneinte den ersten Teil ihrer Frage und bekannte, er könne es noch überblicken. Michael strich die Vorstellung, sein hübsches Gegenüber sei timide, er vermutete eher, daß sie einmal extrem enttäuscht worden sein müsse und sich daher verschlossen habe. Vielleicht war auch das der Grund, warum sie eher etwas bieder gekleidet war, statt aus ihrem Typ mehr zu machen. Dann erlebte er seine nächste, große Überraschung.
Cecilia nahm einen großen Schluck ihres Cocktails, als wolle sie sich Mut antrinken, und …
„Meine Mutter hat in ihrer großzügigen Fürsorge und Liebe für mich beschlossen, daß ich endlich meine Jungfernschaft verlieren solle und deshalb meine Begegnung mit Ihnen arrangiert. Und ich habe zugestimmt, weil ich neugierig war, wie das ablaufen und wem ich wohl begegnen würde. Die optische und eine erste Manierenprüfung haben Sie bestanden, Michael, und jetzt dürfen Sie mich küssen. Und danach werde ich entscheiden, ob Sie mich im Laufe dieser Nacht entjungfern und darüber hinaus mit mir schlafen dürfen.”
Michael blieb der Verstand stehen. Er hatte mit allem gerechnet, nur damit nicht. Dieses Mädchen war alles andere als schüchtern, und ein dummes Ding war es auch nicht. Cecilia wußte genau was sie wollte. Das Kommando hatte nicht er, das hatte sie.
Michael sah sie einen Moment durchdringend an, ehe er sich vorbeugte, sie sich ihm zubeugte, sie beide ihre Köpfe gegensätzlich leicht schräglegten, die Augen schlossen und ein erstes Mal ihre Lippen sich berührten. Ein Wärmestrahl durchfuhr seinen Körper, ehe er seinen Mund öffnete und seine Zunge nach ihrer forschte, sie ihre lechzend in seinen Mund vorschob und beide miteinander im Tanz verschmolzen. Ohne sich sonst zu berühren, blieben sie so eine gefühlte Ewigkeit miteinander verbunden. Als sie sich schließlich lösten, hatte Cecilia leicht glasige Augen und mußte sich einen Moment lang „sortieren”. Michael war seinerseits leicht benommen und registrierte deutlich, daß Monsieur Bouchon einsatzbereit war.
„Laß uns gehen”, flüsterte Cecilia ihm zu. „Ich möchte auf der Party tanzen, ehe wir uns …, Du weißt schon.”
„Aber erst küssen wir uns noch einmal … auf einem …”, forderte Michael wie ein Teenager, der weiter üben wollte, doch konnte er im Augenblick nichts weiter sagen, denn Cecilia hatte ihm bereits den Mund verschlossen.
*
Es kostete Alexander seine ganze Kraft, sich zu beherrschen. Berenice machte ihn wahnsinnig. Soweit er überhaupt noch denken konnte, empfand er sie als die wohl schamloseste Person, die ihm je untergekommen war. Untergekommen? Sie war über ihn gekommen.
Es erschien ihm bereits wie eine Ewigkeit, daß sie an ihm saugte und leckte. Er wollte sie schon auffordern, das „Bonboneinsammeln” zu beenden, ehe aus den Nachbarlogen spitze „Anfragen” kommen würden, ob man bei ihnen mitmachen dürfe, aber gleichzeitig fühlte er sich so stimuliert, wie selten zuvor. Es machte vielleicht auch der Reiz des Verbotenen, es in von großer Kunst erfüllter Umgebung zu treiben. Aber große Kunst geschah auch an ihm. Berenice genoß es nicht nur, sie gab ihm ein wundervolles Gefühl, begehrt zu sein.
Er schluckte, sog den Atem tief durch die Nase ein, als er es heranrauschen fühlte, zu zucken begann, sich die rechte Hand auf den eigenen Mund preßte, damit sein Aufstöhnen gedämpft würde, ehe Berenice alles empfing, was er zu geben hatte. Er hielt die Augen geschlossen, atmete befreit auf. So sehr er es genossen hatte, so froh war er, daß es vorbei war. Noch nie hatte eine begabte Frau derart bei ihm abgesahnt. Würde er es seinen Freunden berichten, sie glaubten es ihm vermutlich nicht.
Berenice bewegte sich, wie suchend, zu ihrem Platz zurück.
„Ist es denn die Möglichkeit, wie viele Bonbons allein in einer Tüte sich befinden, und ich ungeschicktes Dummerchen lasse alle fallen. Paß auf, mein Lieber, wo Du hintrittst, sonst dürfen wir noch die Reinigung für in den Teppich eingetretene Süßigkeiten bezahlen. Nicht wahr, Du paßt doch auf, ja?”
„Aber sicher, Liebe, ich werde darauf achten.” Alexander amüsierte sich über ihre Unverfrorenheit.
Berenice richtete kurz ihre Kleidung und setzte sich wieder hin. Der Prinz selbst war mental zurück und nahm Tschaikowskys schöne Musik wieder wahr. Der „Großfürst” verschwand in seinem etwas engen, aber warmen Quartier. Hosenstall zu.
„Hast Du Töne”, zeterte Madame de Treville verhalten. „Sie hat ihn vor unser aller Augen gemolken. Man glaubt es ja nicht.” Damit setzte sie das Opernglas ab und wandte sich flüsternd ihrer Freundin zu, die vor lauter Neid ganz schmale Augen bekommen hatte.
„Das hätte ich von Berenice nicht gedacht.”
„Natürlich haben wir das von ihr nicht gedacht, obwohl wir stillschweigend alle genau das von ihr gedacht haben, so wie sie vernachlässigt wird. Daß sie aber die Chuzpe aufbringt, gleich hier ihre Lust auszuleben, das ist ein starkes Stück. Und gib zu, Du hättest es auch gern getan. Trau Dich, es abzustreiten.”
„Natürlich hätte ich, aber der schöne Bursche sitzt nun mal drüben bei Berenice und nicht bei uns zwei unbeachteten Chaisen. Verdammt, sie ist schon ein Satansweib.”
„Aber Dagmar, Süße, was sind denn das für Reden?”
„Ach hör auf! Dir läuft der Sabber doch auch schon aus den Mundwinkeln!”
„Mir läuft der Saft ganz woanders, Schätzchen, und achte mal lieber auf Dich selbst, nicht wahr.”
„Und wir wären ganz zufrieden, wenn die Damen nebenan dazu übergehen könnten, wieder auf die schöne Vorstellung zu achten, statt erotische Volksreden zu halten”, ertönte eine ungehaltene Männerstimme aus der Loge rechts von ihnen.
„Ups!”
„Meine Güte auch”, und das unterstrichen die beiden Vernachlässigten mit einem leisen Kichern.
Alexander bemerkte erst etwas später, daß ihn sein rechter Zeigefinger schmerzte. In der nächsten Pause betrachtete er ihn. Er hatte sich im Höhepunkt selbst quer gebissen.
„Oh!”
*
Cecilia war mit Michael auf der Party ihres Cousins York Heygenrath sofort aufgefallen. Niemand konnte sich erinnern, sie je in männlicher Begleitung gesehen zu haben, wenn man von ihrem Vater und ihren Brüdern einmal absah. Entsprechend wurde sie bestaunt und Michael eingehend gemustert.
York feierte seinen 25. Geburtstag und zugleich sein bestandenes Physikum. Er war Medizinstudent. Ein großer, gutgewachsener und blendend aussehender Mensch, braungebrannt, mit streng, ohne Scheitel zurückgekämmten goldblonden Haaren. Für sein Alter eher ungewöhnlich, trug er einen ebenso goldblonden Schnurrbart.
Er hatte die Nichte seiner Mutter sehr herzlich mit zwei Wangenküssen begrüßt, sich artig für das mitgebrachte Buchgeschenk bedankt und mit nur kurz aufblitzendem Staunen, dann aber sehr freundlich Michael willkommen geheißen. Der entschuldigte sich ein wenig verlegen, ohne Präsent gekommen zu sein, wurde aber formvollendet beruhigt, daß seine Anwesenheit Geschenk genug sei. York fragte ihn sogleich, ob er Lateinamerikanisch tanzen könne, was Michael mit einem kessen Lächeln bestätigte. Das sei gut, denn gleich gehe das Tanzen los, und als erstes wäre Lambada aufs Parkett zu legen.
Cecilia wollte erst abwehren, aber Michael ließ es nicht zu, sie solle einfach locker mitmachen, er führe sie schon. Im Obergeschoß des Hauses war ein großer Salon bis auf Sitzmöbel am Rande ausgeräumt worden und als York das Signal für die Musik gab, legten zehn Paare, die sich aufgestellt hatten, schwungvoll los. Die meisten Mädchen trugen kurze Röcke und waren mit knappen, bunten Oberteilen bauchfrei bekleidet. Sie waren allesamt gertenschlank und sahen toll aus. Ihre Tanzpartner waren durch die Bank durchtrainierte junge Männer in körperbetonter Kleidung.
Michael fiel sofort aus dem Rahmen, denn er legte seine Oberbekleidung ab und tanzte als Einziger mit nacktem Oberkörper. Cecilia wurde rot, aber es gefiel ihr. Sie bekam einen weiteren optischen Vorschuß auf das, was sie nach der Party erwartete, denn sie hatte sich längst entschlossen, mit Michael die Nacht zu verbringen − und er offenbar auch, Auftrag ihrer Mutter hin oder her, denn bei dem körperengen Tanzen bemerkte sie schnell, wie erregt er war, sie zu spüren. Die Musik packte sie beide und bald tanzten sie in der Mitte der sich lasziv miteinander bewegenden Körper. Cecilia verlor alle Scheu, verlor alle Angst, sie könnte vielleicht nicht mithalten. Michael führte sie so mitreißend, daß sie in einen innerlichen Schwebezustand geriet. Für sie war es bereits Sex, was sie mit ihm erlebte, was sie fühlte. Und so nah bei ihm, sein schönes Gesicht vor sich, seinen herrlichen Oberkörper, seinen Schoß, der sich im Rhythmus der Musik an ihrem rieb, seine Erektion − in Wellen durchströmte sie das wachsende Verlangen mit ihm allein zu sein, ganz allein, sich ihm hinzugeben, seine Haut, seine Wärme, seine erotische Hitze zu spüren und seinen angenehmen Körperduft in sich aufzunehmen, sich mit ihm zu vermischen. Sie konnte nicht mehr verstehen, warum sie als erste Reaktion auf den Vorschlag ihrer Mutter ungehalten, ja böse reagiert hatte. Nun war sie dankbar, daß sie die mit Siebzehn gemachte, schlechte, ja böse Erfahrung hinter sich zu lassen bereit war. Ihre Neugier und ihr Wille, endlich ein gerade auch erotisch erfülltes weibliches Leben zu leben, hatten gesiegt.