Kitabı oku: «Chinesische Medizin gegen Krebs», sayfa 2

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I. Allgemeiner Teil

Einleitung

Ich kann mich gut an eine Patientin erinnern, die ich in meiner Ausbildung zum Allgemeinmediziner an der Lungenabteilung des Krankenhauses Lainz kennengelernt habe. Sie ist ins Spital gekommen, um ihre zunehmende Atemnot abklären zu lassen. Bei der Durchuntersuchung stellte sich dann heraus, dass sie Lungenkrebs hatte. Und ich kann mich gut an die Visite erinnern, während der der Herr Oberarzt ihr die Diagnose und die geplante Therapie offenbarte. Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte, fragte sie den Herrn Oberarzt, ob sie selbst etwas zur Heilung beitragen könnte, vielleicht mit Ernährung, vielleicht mit Kräutermedizin, vielleicht mit gezielter Bewegung, wie zum Beispiel Qigong. «Sie können essen, was Sie wollen! Achten Sie vor allem darauf, dass Sie kein Gewicht verlieren. Bewegung ist auf jeden Fall gut, egal welche. Aber Kräuter bringen gar nichts!», so die Antwort des Herrn Oberarztes. Nach der Visite kam die Patientin dann direkt zu mir, um von mir noch Genaueres zu erfahren. «Kann ich nicht selbst noch etwas tun? Kennen Sie nicht vielleicht ein paar Kräuter, welche in meinem Fall helfen könnten? Ich möchte wirklich alles tun, was möglich ist, damit ich wieder gesund werde!», so ihre Formulierung. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, was man als Patient selbst zur Genesung beitragen konnte. Ich wusste nicht, was ich dieser Dame raten sollte. Genau dafür habe ich dieses Buch geschrieben.

So erging es mir in der Arztausbildung immer wieder. Ausgerechnet zu mir kamen die Patienten, um mich nach Alternativen zur Schulmedizin zu fragen, obwohl ich zur damaligen Zeit noch weit davon entfernt war, Alternativarzt («Arzt außerhalb der Schulmedizin») oder besser gesagt Komplementärarzt («Arzt mit ergänzender Behandlung zur Schulmedizin») zu werden. Ich war ein Suchender, auf der Suche nach einer Heilung für mein Asthma, und das dürften die Patienten gespürt haben.

Das Leben stellt uns immer wieder vor Aufgaben, denen wir scheinbar nicht gewachsen sind. Wir sollten uns Zeit geben zu überlegen und um die nötige Ruhe und Klarheit für unsere Handlungen zu finden. Dann schaffen wir die steilsten Hänge. Die Diagnose Krebs erschüttert uns alle bis ins Mark. Doch wir haben das Glück, hier im Westen durch unsere großartige medizinische Versorgung zumeist frühzeitig draufzukommen und schnellstmöglich auf die Erkrankung reagieren zu können. Unsere westliche Medizin bietet vielerlei Therapien mit dem Ziel an, dem Tumor möglichst radikal und schnell den Garaus zu machen. Leider kommt heute diese Therapie meist einer Kriegserklärung gleich und leider wird oft bei dem darauffolgenden Kampf mehr zerstört als nur der Krebs. Wenn der Krebs dadurch wenigstens vollständig entfernt werden kann, nimmt man das oft gerne in Kauf. Aber was, wenn nicht? Und was, wenn die Kollateralschäden des Kampfes den Nutzen der Therapie bei weitem übertreffen?

In solchen Momenten ist man sehr empfänglich für Heilsversprechen aller Art. Und wenn Sie dann von Spontan- und Selbstheilungen, von Wundermitteln und allerlei Heilsmethoden mit Handauflegen und beschwörenden Worten in Büchern und im Internet lesen, werden Sie geneigt sein, das Produkt gleich einmal zu bestellen. Um nichts unversucht zu lassen, ruft man dann getreu dem Motto «Hilft‘s nichts, so schadet‘s nichts!» gleich einmal beim Wunderheiler an.

Solche Heilsversprechen kann ich Ihnen leider nicht bieten! Ich darf Ihnen aber eine uralte Medizin vorstellen, die Krebs seit mehreren tausend Jahren behandelt, einmal mehr, einmal weniger erfolgreich, nämlich die Chinesische Medizin. Und damit diese auf dem neuesten Wissensstand ist, wird in China und schön langsam auch bei uns im Westen fleißig geforscht und werden vermehrt Studien zur Wirksamkeit durchgeführt.

Dieses Wissen, das ich so von meinem Lehrer François Ramakers lernen durfte, zusammen mit dem klinischen Wissen heutiger Krebsspezialisten für Chinesische Medizin in China, zusammen mit meiner persönlichen Erfahrung mit Chinesischer Medizin der letzten 25 Jahre, bildet die Basis für die Ausführungen in diesem Buch.

François Ramakers hat selbst zweimal in seinem Leben Krebs gehabt. Das erste Mal mit etwa 30 Jahren: Pankreaskopfkarzinom. Da er durch die Chinesische Medizin geheilt wurde, widmete er sein ganzes Leben der Erforschung der Wirksamkeit Chinesischer Medizin, vor allem gegen Krebs. «Macht IHR etwas aus all dem Wissen! Ich habe keine Zeit fürs Schreiben!», sagte François zu uns, seinen Studenten, er, der ewig Getriebene und ständig und überall Lehrende. Auch deshalb schreibe ich dieses Buch.

Nicht für jede Formel chinesischer Kräuter in diesem Buch gibt es heute schon eine klinische Studie. Aber in der Praxis ist jeder Therapievorschlag hundertfach erprobt! Die westliche Medizin fordert im Sinne der EBM, der Evidenzbasierten Medizin, also der «beweisbasierten Medizin», für jede medizinische Behandlung klar definierte Studien. Doch Studien kosten viel Geld und dieses wird jener zur Verfügung stellen, der sich davon einen Profit erhofft. So gibt es die pharmakologischen Studien bei uns, die durch die Pharmaindustrie selbst bezahlt werden. So laufen viele Studien an chinesischen Einrichtungen für Chinesische Medizin mit der Hoffnung auf den Geldsegen aufgrund der Ergebnisse. Das große Problem bei den Studien mit chinesischen Kräutern ist, dass die Therapie meist stark an den Patienten angepasst werden muss. Wir sprechen von «individualisierter» Therapie. So wird es schwierig, genügend Patienten für eine Studie zur Verfügung zu haben, wenn jeder dann eine andere Kräutermischung bekommt.

Ich spreche in diesem Buch nicht von «Traditioneller Chinesischer Medizin», sondern von «Chinesischer Medizin». Die Chinesische Medizin inkludiert das alte Wissen aus China der dokumentierten letzten 2 300 Jahre UND die neuen Erkenntnisse der Chinesischen Medizin sowie der traditionellen Arzneien in China, den USA und Europa. Dabei werden neue Ansätze entwickelt und ausprobiert, Mischungen aus chinesischen Kräutern in Kombination mit westlichem Wissen erprobt und es wird versucht, eine Art «Weltmedizin» zu formen, die allen Menschen zur Verfügung stehen soll. Übrigens verwende ich in dem Buch die Diktion «die Chinesen sagen», oder «chinesisch bedeutet das» und meine damit «in der Chinesischen Medizin sagen wir» oder «in der Chinesischen Medizin bedeutet das». So spreche ich auch zu meinen Studenten und meinen Patienten, wie es eben ein europäischer «Chinesendoktor» tut.

«Medizin ist keine Wissenschaft! Medizin ist ausprobieren und schauen, was passiert!», hat schon mein Vater, der Internist und ärztlicher Leiter eines Wiener Spitals war, gesagt. Wir nennen das «empirische Wissenschaft». Und das ist im Endeffekt auch das, was zählt: Es wirkt oder es wirkt nicht! Denken Sie an all unsere Medikamente, die gerade am Markt sind. Damit ein Medikament zugelassen wurde, mussten die Unternehmen klar definierte Studien vorlegen, welche die Wirksamkeit und die überschaubare Nebenwirksamkeit beweisen. Und dann sehen Sie sich Metastudien an, die man nach Jahren der Anwendung eines bestimmten Medikaments macht, um zu sehen, ob all die Versprechen der Wirksamkeit und sinnhaften Anwendung erfüllt wurden, oder ob nicht vielleicht durch die Anwendung ganz andere neue Erkrankungen entstanden sind. Sehen Sie sich solche Studien zum Beispiel bei Osteoporose-Mitteln, Cholesterinsenkern oder Blutdrucksenkern an! Und sehr schnell werden Sie bemerken, warum bei uns medizinisches Wissen von vor zehn Jahren oft als bereits komplett veraltet gilt.

Ist es nicht herrlich, dann mit einer Medizinform zu arbeiten, die sich über die Jahrtausende bewährt hat? Ist es nicht vermessen, dann für jede Anwendung eine Studie zu fordern, wenn sich diese in der Praxis der letzten Jahrhunderte tausendfach bewährt hat, und das ganz ohne Nebenwirkungen?

Unser Umgang mit dem Wissen der Welt erinnert mich oft an den Stil des mitteleuropäischen Kolonialismus der letzten Jahrhunderte: Man nimmt sich das, was man brauchen kann, und den Rest entwertet man mit der Bezeichnung «vorsintflutlich» oder «hinterwäldlerisch». Doch dann macht sich ein Arzt, eine Ärztin, ein Institut, eine Klinik, die Mühe und leistet sich den finanziellen Aufwand einer Studie, bestätigt mit dieser das uralte Wissen der Chinesischen Medizin und siehe da, auf einmal hat man es «eh schon immer gewusst» und kann nun das uralte Wissen als neueste Therapieform verkaufen … So sind wir hier im Westen …

Diagnostik

Es ist mir ein großes Anliegen, mit diesem Buch Betroffene zu erreichen, die den Kampf gegen ihren Krebs aufgenommen haben und zusätzliche Wege suchen, ihren Körper zu unterstützen. Gleichzeitig möchte ich auch allen Ärzten ein lehrreiches Buch in die Hände legen, damit sie ihre Patienten mit dem Wissen und aus Überzeugung auch über die Möglichkeiten der Chinesischen Medizin während und nach einer Krebstherapie beraten können. Aus Erfahrung tun sich westlich geschulte Ärzte viel schwerer, unser chinesisches Denkgerüst anzunehmen als Patienten oder Laien. Das liegt wohl daran, dass uns, und da muss ich mich einschließen, das sogenannte wissenschaftliche Denken Sicherheit vermittelt, Sicherheit, die wir über die Jahre des medizinischen Alltags immer wieder Gefahr laufen zu verlieren, aber dann doch umklammern und als «Wahrheit» annehmen, in Ermangelung einer Alternative. Wie herrlich einfach ist das Leben, wenn man das System, das man in seinem Beruf tagtäglich praktiziert, nie in Zweifel ziehen muss! Wie herrlich, wenn ein Weg keine Abzweigungen, Umleitungen oder Alternativwege kennt! Sie stellen das Navigationsgerät ihres Berufslebens auf einen Ort ein und ein Weg erscheint vor Ihnen auf dem kleinen Monitor, welcher Ihnen dann auch noch mit freundlicher Stimme vorgesagt wird. Herrlich, oder?

Dabei fällt mir eine liebe Freundin ein, die vornehmlich im Frühjahr und Herbst über eine verstopfte Nase und juckende Augen klagte. Die Beschwerden waren nicht dramatisch, aber doch lästig. Und so wollte sie wissen, ob eine Allergie dahintersteckte. Sie ist daher in ein Allergieambulatorium gegangen und der zuständige Arzt hat sie mit Haut- und Bluttests auf allerlei Allergene getestet. Nachdem sämtliche Ergebnisse vorlagen, traf sie den Arzt zu einem Gespräch. «Also, die Untersuchungen haben ergeben, dass Sie nichts haben. Sie sind völlig gesund», sprach der Arzt. «Aber meine Beschwerden? Die volle Nase, die juckenden Augen?», so meine Freundin. Und der Arzt fasste es so zusammen: «Sie können keine volle Nase haben und Ihre Augen können nicht jucken! Da ist nichts! Sie sind gesund!» Und so entließ er sie, mürrisch, weil sie seine Zeit vergeudete.

So erlebe ich es in der Schulmedizin leider immer wieder. Wenn Ihre Symptome nicht in die schulmedizinische Wirklichkeit passen, existieren sie dort nicht. Im freundlichsten Falle wird man dann vielleicht noch zum Psychologen oder Psychiater geschickt, weil die Erkrankung ja wohl «psychisch» oder «eingebildet» sein muss, oder man bekommt den Vorwurf zu spüren, dass man simuliere, weil man sich soziale und damit ökonomische Vorteile erhoffe.

Der Untersucher und dessen Methode wird zumeist nicht hinterfragt. Um beim Beispiel der vollen Nase meiner Freundin zu bleiben, wäre es ja möglich, dass sie auf etwas reagiert, auf das sie nicht getestet wurde, oder dass eine «Idiosynkrasie» vorliegt, also eine Imitation der Allergiesymptome. Vielleicht wurden die Beschwerden auch durch Allergene getriggert, ohne nachweisliche Allergenreaktionen auf Haut und im Blut. Es könnte sich auch um etwas anderes handeln, zum Beispiel um eine lokale Gefäßmissbildung in der Nase mit überschießender Kontraktionsreaktion auf Wind oder was auch immer. «Ich kann nichts nachweisen, also existiert es nicht» ist der falsche Ansatz. «Ich kann nichts nachweisen, also muss ich weitersuchen» wäre wohl die korrekte Reaktion. «Ich kann nichts nachweisen, also muss ich noch viel lernen», das wäre wohl der zielführende Ansatz, um weiterzulernen.

Und so möchte ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der westlichen Medizin (zumal ich weiß, dass die meisten Patientinnen und Patienten mir vertrauen und ich mir hoffentlich ihr Vertrauen verdiene), ein einfaches Beispiel beschreiben, wie wir chinesisch mit unserem Diagnosesystem zu einer korrekten Therapie kommen.

Basis unserer Diagnostik ist, neben dem Gespräch mit dem Patienten und dem sorgfältigen Beobachten seines Verhaltens und seines Körpers, das Ertasten des Pulses, zumeist in der Position der Arteria radialis beidseits, der Unterarmarterie auf Höhe des Handgelenks, und das Betrachten der Zunge. Der Einfachheit halber betrachten wir hier einmal nur die Zunge.

Stellen Sie sich einen chinesischen Arzt zur Zeit von Konfuzius, also etwa 500 vor Christus unserer Zeitrechnung, im alten China vor. Unser Arzt lebt in einem ländlichen Dorf, abgeschieden von großen Städten, in denen wohl die weisen bekannten Ärzte der Zeit leben. Unser Arzt ist jung und seine Erfahrung gering. Eines Tages kommt sein erster Patient zu ihm, ein Dorfbewohner, der über starke Bauchschmerzen und Durchfälle klagt. Also greift unser Arzt ihm auf den Bauch, der stark aufgebläht und überall schmerzhaft ist, und lässt sich auch den Stuhl zeigen, der säuerlich riecht und Unverdautes zeigt. Und er sieht sich die Zunge an.


Er greift dann noch auf die Stirn, kein Fieber, schließt anamnestisch noch eine Vergiftung aus und geht mit dem Dorfbewohner im Geiste noch all das durch, was dieser in den letzten Tagen getan und gegessen hat. Unser Arzt verordnet seinem Patienten strenge Diät, ein paar Kräuter, welche die Verdauung anregen und viel Ruhe, da er sich offensichtlich am Felde vollkommen überarbeitet hat. Nach einer Woche kommt der Dorfbewohner wieder, berichtet, wie gut es ihm geht und zeigt seine Zunge:


Und so lernt unser Arzt über die Jahre, dass man an der Zunge wunderbar erkennen kann, wie es im Bauch aussieht. Über die Jahre kommen viele Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner zu ihm und immer sieht er sich die Zunge an und versteht langsam, dass jene, welche die breite Zunge haben und den dicken Belag, Probleme haben zu verdauen, und solche mit einer roten trockenen Stelle genau in der Mitte der Zunge eher Probleme mit dem Magen haben. Er lernt weiter zu differenzieren, dass zum Beispiel jene Dorfbewohner, welche gerade viel Stress mit ihren Verwandten haben und sich sehr ärgern müssen, aufgeworfene Zungenränder haben und solche, die nicht einschlafen können, eine rote Zungenspitze oder rote Punkte an der Zungenspitze haben. Vor allem aber lernt er, dass, wenn er die richtige Therapie anwendet, diese Veränderungen von der Zunge wieder verschwinden und sich die jeweiligen Patienten auch wieder wohl fühlen.

So geht das viele Jahre und der Ruf unseres Arztes geht bereits weit über die Grenzen des Landes. Und so kommt eines Tages ein Edelmann zu ihm gereist, um sich von ihm untersuchen zu lassen. «Meister, Ihr habt die Weisheit und das Wissen, Gesundheit zu erhalten. Sagt mir, was ich tun kann, um gesund zu bleiben und lange zu leben!», so der Edelmann. Und unser Arzt fragt ihn, ob er irgendwelche Beschwerden hätte. «Nein, gar nichts!» Ob er gut schlafe. «Ja, wunderbar.» Ob der Stuhl fest wäre und einmal täglich komme. «Genau wie Ihr sagt, Meister.» Und unser Arzt fragt bei sich, wie er diesen Edelmann wohl zufriedenstellen könne, da er doch keine Beschwerden habe. Wie solle er ihm garantieren, dass er gesund bleiben würde? In Gedanken versunken und kurz vorm Verzweifeln bittet er den Edelmann, seine Zunge herauszustrecken.


Da fällt es unserem Arzt wie Schuppen von den Augen. Er muss dafür Sorge tragen, dass die Zunge so aussehe wie bei seinem allerersten Patienten NACH der Behandlung und nach den neuen Gewohnheiten beim Essen und im Alltag. Also lehrt er den Edelmann, was zu tun ist und gibt ihm zwei Monate, um all das umzusetzen und die Kräuter zu nehmen. In zwei Monaten solle er wiederkommen und dann könne der Arzt sagen, ob er am rechten Weg sei oder nicht. Und tatsächlich: Nach zwei Monaten sieht die Zunge des Edelmanns so aus:


Was unser Arzt gemacht hat, ist extrapolieren: Das Wissen aus einer Situation konnte er auf eine ganz andere Situation anwenden, weil er den Zusammenhang mithilfe der Zunge verstanden hatte.

Wie es mit unserem Arzt weiterging? Er lernte aus seinen Erfahrungen, dass die Zunge und dann auch der Puls sehr verlässliche und einfache Methoden sind, um zu verstehen, in welchem Zustand sich der Körper gerade befindet und was es vor allem braucht, damit er wieder in seine Mitte, dargestellt durch eine «gesunde Zunge», findet. Er konnte außerdem definieren, wie eine gesunde Zunge aussieht und wie sich ein gesunder Puls anfühlt.

Bevor überhaupt Symptome auftreten, erkennt man Veränderungen in Puls und Zunge.

Die Symptome sind dabei keine verlässlichen Parameter, wie wir am Beispiel des Edelmannes gelernt haben. Puls und Zunge sind verlässlicher. Doch mit den Symptomen will uns der Körper auf die richtige Spur, zu unserer Gesundheit bringen.

Symptome sind Wegweiser zur Gesundheit.

Voraussetzung dafür, dass man den Weg zur Gesundheit findet, ist, konsequent das zu tun, was der Körper einem sagt, und falls man das nicht versteht, konsequent das zu tun, was der gute chinesische Arzt sagt. Wenn ein Arzt tausendmal gesehen hat, wo denn der Weg zur Gesundheit verläuft, darf man den Arzt auch als Wegweiser zu seiner eigenen Gesundheit nutzen.

Denken Sie nochmals an unseren Arzt aus dem vorigen Beispiel zurück. Wie wird er Ihnen die Wirkung seiner Therapie erklären? Sicherlich nicht in unserer wissenschaftlichen Sprache von heute, weil es die damals nicht gab. Sicherlich nicht in den Worten der großen chinesischen Meister seiner Zeit, weil er ihre Werke nicht kannte. Sondern in seinen Worten, vielleicht den Worten seines Dorfes, und vielleicht waren dort Krankheiten verschiedene böse Geister und die Heilung gute Geister, die einem beistanden. Wie auch immer unser Arzt Ihnen die Wirkung erklären würde, die Erklärung sagt nichts über die Methode aus, die einfach wirkt, sondern nur etwas darüber, wie er es schafft, eine Erklärung zu haben, mit der er extrapolieren kann.

Auf den Punkt gebracht: Wichtig ist, dass eine Behandlung funktioniert und dass ich eine Erklärung dafür habe, damit ich das Wissen auch bei anderen Erkrankungen anwenden kann.

Wenn westliche Ärzte eine Behandlung aus einem anderen Kulturkreis ablehnen, dann meist bereits deshalb, weil die Erklärung dazu für sie vollkommen «absurd» oder «esoterisch» oder «schwachsinnig» klingt, sie sich dadurch aber die Möglichkeit verbauen, eine weitere wirksame Therapie für ihre Patienten zur Verfügung zu haben.

Denken Sie an meine Freundin mit der Allergie: Nicht die Erkrankung muss sich an die Diagnostik anpassen, sondern die Diagnostik an die Erkrankung. Und wenn es nicht mehr passt, wenn die Diagnostik nichts ergibt, braucht diese eine Weiterentwicklung.

ALSO, wenn wir als chinesische und westliche Ärzte irgendwo auf dieser Welt eine SOLCHE Zunge sehen, was machen wir?


ALLES, damit diese Zunge wieder so aussieht:


Als Schulmediziner denken Sie jetzt vielleicht: «Na, dann gebe ich ihm ein Antipilzmittel, wie zum Beispiel ein Daktarin®-Gel. Dann ist der Pilz von der Zunge weg und die Zunge sieht gleich wunderschön aus.» Gute Idee, aber sobald Sie das Daktarin-Gel wieder absetzen, ist auch der dicke Zungenbelag wieder da! Das, was die Schulmedizin «Pilz auf der Zunge» nennt, ist bei uns chinesisch «feuchte Hitze» und ein Symptom der «müden Mitte». Wenn ich diese nicht heile, bleibt das Symptom da beziehungsweise kehrt wieder.

Na, dann denken Sie vielleicht: «Gut, dann gebe ich gute Bakterien für den Darm, Probiotika, dann wird der Verdauungsapparat stärker und der Zungenbelag besser.» Vollkommen richtig, DOCH sobald Sie mit dem Probiotikum aufhören, kehrt der dicke Zungenbelag wieder. Die großartigen Bakterien sind wirklich großartig, werden aber nicht freiwillig in einem Darm bleiben, in dem sie sich nicht wohlfühlen, in dem das Milieu für sie nicht optimal ist. Also wenn Sie das Milieu des Darmes nicht ändern, werden die Darmbakterien einfach wieder ausgeschieden und nicht bleiben. Chinesisch sind alle Darmbakterien (das Mikrobiom, wie wir heute sagen) Teil unserer Mitte, unseres Verdauungsapparates. Lieb sein zur Mitte bedeutet auch, das Bett der Bakterien im Darm zu machen, damit diese sich dort wohlfühlen und die richtigen und wichtigen Mikroorganismen bei uns bleiben.

Jetzt denken Sie vielleicht: «Gut, dann putze ich einfach die Zunge mit dem Zungenschaber. Dann sieht sie doch wunderbar aus!» Kosmetisch ist das eine gute Idee. Das Problem ist nur, dass es überall im Körper so aussieht wie auf der Zunge. Überall der Dreck und der Schleim! Bringt also nicht viel.

Tatsächlich können Sie den Zungenbelag auch durch einen modernen Protonenpumpenhemmer (einen sogenannten Säurehemmer) reduzieren, welcher die Säureproduktion des Magens hemmt und die gesamten Schleimhäute des Magen-Darmtraktes trockenlegt. Kurzfristig eine gute Idee, doch langfristig schwächen Sie dadurch den Magen und unterm Strich damit wieder die Mitte, weil ein dauerhaft geschwächter Magen wieder die gesamte Mitte schwächt.

Und daher der Nachsatz:

Wir müssen ALLES tun, damit diese Zunge wieder so aussieht und auch dauerhaft so bleibt, und das schaffen wir aus meiner Erfahrung nur «chinesisch».

Dazu ist es wichtig, auf das Wissen der Chinesen zurückzugreifen und, wie ich es gerne formuliere, lieb zu sein zur Mitte. Damit ist einmal der erste Schritt auf dem Weg Richtung Gesundheit gesetzt. Woher wir das wissen? Weil unser Arzt aus obigem Beispiel all seine Erfahrungen in ein Buch geschrieben hat, so wie unzählige weitere Ärzte in China der letzten 2 500 Jahre. Und auch wenn viele dieser Werke verlorengegangen sind, wie auch das unseres Arztes, haben Ärzte der jeweiligen Zeit es gelesen und auch wieder darüber geschrieben. Was uns heute an Literatur aus dem China der letzten fast 2 500 Jahre zur Verfügung steht, ist ein großes Wissen aus unendlich vielen Erfahrungsberichten mit kulturell geprägten Erklärungen, die unter anderem alle zu diesem Ergebnis kommen: DER SCHLEIM MUSS WEG! DIE BLUTSTAGNATION MUSS WEG! BLOCKADEN IM UND UM DEN KÖRPER MÜSSEN WEG!

Meine persönliche Erfahrung mit der Chinesischen Medizin nach Jahren des anfänglichen Zweifelns: Mach einfach, was die Chinesen (also die alten chinesischen Meister) sagen, auch wenn du es nicht verstehst!

In diesem Buch gebe ich daher immer auch die chinesische Diagnostik des Pulses und der Zunge an, wenn es für das Verständnis und die exakte Diagnose von Bedeutung ist. Ich spreche gerne von der Integrativen Chinesischen Medizin (ICM), womit ich die Kombination aus beiden Welten meine: einerseits aus dem Wissen der westlichen Welt mit ihrem naturwissenschaftlichen Denken, ihren Laborwerten und bildgebenden Verfahren, um den Körper genauer ansehen und besser verstehen zu können und Therapien wie Impfungen und Antibiotika und Cortison und Chemotherapeutika; andererseits aus dem Wissen der chinesischen Welt, das weitläufig unter dem Produktnamen Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) zusammengefasst wird, mit den Erkenntnissen der alten chinesischen Medizinmeister und dem Wissen aus den überlieferten Meisterwerken der letzten zwei Jahrtausende. Vereinfacht nenne ich das dann Chinesische Medizin. Wir sagen auch, dass in der Chinesischen Medizin alle Verfahren der Untersuchung erlaubt sind, die mir der Patient gestattet. Wenn er also ein Röntgen und ein Labor möchte, dann her damit, dann sollte aber auch eine Puls- und eine Zungendiagnostik gemacht werden. Auch brauchen wir zur Verlaufskontrolle der Entwicklung einer Erkrankung Laborwerte wie Tumormarker oder bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) oder Szintigraphie. Ganz wichtig: Wir wollen eine Medizin für unsere Patienten, die gut wirkt und keine Kollateralschäden macht! In der westlichen Medizin haben wir oft sehr stark wirkende Therapieformen, die man dann mit den sanften Methoden der Chinesischen Medizin kombinieren kann, um deutlich weniger Nebenwirkungen alias Kollateralschäden zu erhalten. Und allen ist geholfen …

Wir verwenden die Chinesische Medizin also nicht STATT der westlichen Schulmedizin, sondern IN KOMBINATION mit dieser. In Therapiephasen, in denen keine westliche Therapie stattfindet, kann es sein, dass die Chinesische Medizin die einzige Therapie ist, zum Beispiel zwischen Chemotherapiezyklen oder nach einer abgeschlossenen Krebstherapie. Das ist der Sinn der Komplementärmedizin: Dem Patienten die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen, und dafür steht nicht nur unsere gewohnte Schulmedizin zur Verfügung.

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