Kitabı oku: «Ausbildung der Ausbildenden (E-Book, Neuauflage)», sayfa 2

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Im Zuge der Digitalisierung wird jedenfalls noch klarer, dass eine Front-loading-Vorstellung von Bildung unhaltbar ist, also die Vorstellung, man könne sich auf eine Ausstattung mit Bildung in jungen Jahren allein verlassen, die dann bis zum Ende zumindest des Erwerbslebens trägt. Es geht vielmehr darum, ein System des lebenslangen Lernens zu etablieren, das allen Menschen ermöglicht, sich nach ihren Interessen, Bedürfnissen und Bedarfen über die Lebensspanne weiterzubilden. Dabei gilt es, die Diskrepanz zwischen der Betonung der Wichtigkeit von Weiterbildung und realer Implementation weiter zu verringern. Hierzu gibt es vielfältige Initiativen zum lebenslangen Lernen auf europäischer und nationaler Ebene, die aber mit Blick auf die Lernenden deutlicher profiliert und ausgebaut werden müssten – einige davon skizziert im folgenden Kapitel.

2.2Lebenslanges Lernen

«Heute kommt es nicht so sehr darauf an, was man kann, sondern was man gelernt hat.»

F.W. Bernstein, 1991

«Wirst alt wie Kuh – lernst imma zu.»

Gerhard Polt, 2000

Das Memorandum der EU zum «lebenslangen Lernen»

Basis der europäischen Weiterbildungspolitik ist nach wie vor das «Memorandum zum Lebenslangen Lernen» (verabschiedet von der EU-Kommission im Jahre 2000) und das Bekenntnis zur Wissensgesellschaft, an dem alle EU-Bürger teilnehmen können sollen; dazu gehört unter anderem die Optimierung der «Weiterbildung vor Ort» sowie der bessere Zugang zu hochwertigen Informations- und Beratungsmöglichkeiten. «Adult Learning» ist dabei ein zentrales Programm. Dabei zeigt sich der Trend, dass Weiterbildung enger auf berufliche Verwertbarkeit hin diskutiert wird. Gemäss dem «Lissabon-Prozess» ist mehr Investition in Humankapital durch bessere Bildung beabsichtigt, die EU möchte mit Hilfe einer Bildungsoffensive zur weltweiten Wirtschaftsführerin werden.

Der Gedanke einer lebenslangen Bildungsphase ist in der umfassenden Bildungsreform Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre entstanden. Die OECD, die UNESCO und der Europarat prägten die Begriffe «lifelong education», «recurrent education» und «éducation permanente». Das Konzept der «éducation permanente» (vgl. Aebi 1995, S. 52, Gonon 2001, S. 56) entstammt ursprünglich der französischen Kulturtradition und ist den Ideen der Aufklärung verpflichtet; der Begriff wird als Anliegen anfangs der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts von UNESCO und Europarat verwendet.

Der Begriff «recurrent education» – von der OECD geprägt – entstammt der angelsächsischen Tradition (vgl. Aebi 1995, S. 53). Dabei sollen spezifische (Nach-)Qualifikationen es ermöglichen, den veränderten Anforderungen am Arbeitsplatz gerecht zu werden. Von der Europäischen Union wurde der Begriff des lebenslangen Lernens mit dem Memorandum als ein neuer Hauptbegriff deklariert. Die permanente Anpassung der Qualifikationen der arbeitenden Menschen an neue Techniken und auch kulturelle Anforderungen tragen dem internationalen Konkurrenzdruck Rechnung. Das Grundkonzept des lebenslangen Lernens geht davon aus, dass nur Menschen, die ihr ganzes Leben lang lernen und sich weiter qualifizieren, in der Lage sind, die raschen Veränderungen kompetent zu meistern. Lebenslanges Lernen beinhaltet ebenso, dass die Lernenden die lebenslange Lernperspektive ihres Lernprozesses selber lenken. Die Bildungssysteme des lebenslangen Lernens werden somit nicht mehr nur von Institutionen und Bildungsanbietern definiert, sondern auch von denjenigen Personen, die lernen (Nachfrage-Orientierung). Beim lebenslangen Lernen geht es darum, dass das Individuum entsprechend seinem individuellen Lebensentwurf und seiner Biografie die Lerninhalte definiert und wählt. Dazu braucht es neue und strukturierbare Angebote mit freien Zugängen. Entsprechend rücken Fragen nach individuellen Lernformen und der persönlichen Gestaltung von Lernprozessen in den Vordergrund.

Das Konzept des lebenslangen Lernens stellte einen Paradigmenwechsel in der Weiterbildung dar und bedingte eine strukturelle Veränderung des bisherigen Bildungssystems. Es erfordert nach wie vor neue Bezüge zwischen den einzelnen Bereichen des Bildungssystems, sowohl bezüglich Lerninhalten, Gestaltung der Angebote als auch bezüglich Übergängen, Zugängen und des Aufbaus von Wissen, Qualifikationen und Fähigkeiten.

Politische Umsetzung in Europa

2008 haben das Europäische Parlament und der Rat eine Empfehlung zur Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (EQR) verabschiedet. Der Europäische Qualifikationsrahmen macht als Übersetzungsinstrument nationale Qualifikationen europaweit verständlich und soll die grenzüberschreitende Mobilität von Beschäftigten und Lernenden und deren lebenslanges Lernen fördern. Mit der Einführung des EQR sollen Zugang zum und Teilnahme am lebenslangen Lernen sowie die Nutzung von Qualifikationen auf nationaler Ebene gefördert werden. Zudem soll der EQR der Brückenbildung zwischen formalem, nicht formalem und informellem Lernen dienen sowie der Validierung von durch Erfahrungen schon erlangten Lernergebnissen. Leider jedoch haben 2017 erst fünf europäische Länder begonnen, an Konzepten für die Integration von non-formaler Bildung in ihren NQR (nationalen Qualifikationsrahmen) zu arbeiten.

Das Verständnis von «lebenslangem Lernen» ist in den EU-Staaten unterschiedlich:

In Grossbritannien beispielsweise mit seinem stark dezentralen und wettbewerbsorientierten Bildungssystem existiert keine offizielle, einheitliche Definition.

In Frankreich mit einem ausnehmend zentralistisch regulierten Bildungssystem wird lebenslanges Lernen als «persönliches Recht» der Bürgerinnen und Bürger verstanden; dafür soll der Staat entsprechende Angebote bereitstellen.

Die Bundesregierung Deutschlands hat 2008 eine Konzeption für das «Lernen im Lebenslauf» verabschiedet. Diese schliesst an schon bestehende Qualifizierungsmassnahmen an. Leitend war hier der empirische Befund, dass die Beteiligung an Weiterbildung in Deutschland im internationalen Vergleich zu niedrig war. Insbesondere Menschen mit niedriger Qualifikation nehmen zu wenig an Weiterbildung teil (das gilt auch für die Schweiz!). Speziell zu erwähnen ist zudem die geplante Einführung von «Bildungsprämien» und die Verbesserung der Bildungsberatung. Durch finanzielle Anreize sollen mehr Menschen zur individuellen Finanzierung von Weiterbildung motiviert und befähigt werden. Ausserdem sollen Bildungsausgaben grundsätzlich als Investition verstanden werden.

Das Weiterbildungsgesetz in der Schweiz

Das Schweizer Parlament hat 2014 das Weiterbildungsgesetz (WeBiG) angenommen. Es ist seit 2017 in Kraft. Die Weiterbildung wird damit in die Politik zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI) integriert.

Das Weiterbildungsgesetz regelt als Rahmengesetz:

ADie gesamte non-formale Weiterbildung. Dazu gehören alle Weiterbildungsangebote, die nicht zu einem staatlich anerkannten («formalen») Abschluss führen. Non-formale Weiterbildung umfasst einzelne Kurse, Workshops und selbstorganisierte Lerngruppen genauso wie längere Lehrgänge. Dazu gehören auch die Vorbereitungskurse der Höheren Berufsbildung und Weiterbildungen an Hochschulen (CAS, DAS und MAS).

BErforschung und Entwicklung der Weiterbildung

CFörderung der Grundkompetenzen von Erwachsenen

DFörderung der Organisationen der Weiterbildung

Fünf Grundsätze des Gesetzes thematisieren die Bereiche Verantwortung, Qualität, Anrechenbarkeit, Chancengleichheit und Wettbewerb (siehe https://www.sbfi.admin.ch/sbfi/de/home/bildung/weiterbildung.html).

Da das Weiterbildungsgesetz ein Rahmengesetz ist, sind die Grundsätze über die entsprechenden Spezialgesetze umzusetzen (d.h. beispielsweise über das Berufsbildungsgesetz, Kulturförderungsgesetz, Hochschulgesetz und Ausländergesetz). Diese Umsetzung steht aktuell (2018) noch aus.

Lernen lebenslänglich

Insgesamt zeigt sich eine immer stärkere Zweckorientierung des lebenslangen Lernens an Beschäftigung und Wettbewerb. Die Forderung nach Bereitschaft zum lebenslangen Lernen ist deshalb auch auf scharfe Kritik gestossen. Die Kritik richtet sich darauf, dass vorab die Optimierung von Lernprozessen fokussiert wird, deren ökonomische Verwertbarkeit naheliegt. Lebenslanges Lernen wird so plötzlich als «Lernen lebenslänglich» verstanden – wer nicht lernt, ist selber schuld. Wir wandeln gemäss dieser Kritik sozusagen als ewig unfertige Baustelle durch das Leben und rasen von Zertifikat zu Zertifikat, unsere Qualität stets optimierend und daher immer ein wenig inkompetent.

Es sollte uns zudem zu denken geben, dass im Sinne des Matthäuseffektes «demjenigen gegeben wird, der schon hat»: Gut ausgebildete Personen bilden sich eher weiter; laut Angaben des Bundesamtes für Statistik der Schweiz bilden sich (Stand 2016) ca 25% der Schweizer Bevölkerung zwischen 15 und 75 (auch informell) nicht weiter. Dazu gehören vor allem wenig oder gering qualifizierte Personen.

Der Gedanke der Demokratisierung weicht hier offensichtlich demjenigen der Wettbewerbsfähigkeit.

Nun «schlagen die aufgeklärt erkämpften kleinen Freiheiten in einen grossen Zwang zur Freiheit um» (Geissler/Orthey 1998, S. 14, vgl. auch Geissler 1997).

Hier Gegensteuer zu geben, dürfte wohl die wichtigste und grösste Herausforderung in der Umsetzung der oben genannten Konzepte werden.

Von der Wiege bis zur Bahre – Seminare, Seminare?

«Sechs Tage dauerte es, bis nach dem programmatischen Ausspruch ‹Es werde Licht!› die Schöpfung vollendet war. Und abgeschlossen wurde sie schliesslich am siebten Tage, an dem Gott sich in die Beobachterposition begab und bewundernd feststellte, dass er es gut gemacht hatte. Irgendwann im Laufe der Geschichte muss er dann bemerkt haben, dass es nicht so weit her ist mit den Menschen, die sich seine Welt untertan machen sollten – und er erschuf die Lehrer, später dann auch noch die Erwachsenenbildner, die Trainer, die Sozialarbeiter und neuerdings die Museums- und Reisepädagogen und die Berater und Coaches (und – weil er gerecht sein wollte – in männlicher und weiblicher Ausprägung). Sie alle durften jetzt selbst ein wenig Licht in das existentielle Halbdunkel bringen und mit dem Anspruch auftreten, wenn schon nicht die Welt, so doch die Menschen zu verbessern.

Irgendwie jedoch klappt das nicht. Auf jeden Fall nicht so, dass die Ersatzgötter auf ihr Werk schauen und zufrieden mit dem wären, was sie und wie sie sich angestellt haben. Statt Schöpfung scheint immer nur Erschöpfung herauszukommen. ‹Burn out›, wo man hinschaut, und die Mittel, die man dagegen einsetzt, die sucht man wiederum im Bereich des pädagogischen Bemühens. Misserfolg kennt dieses System nicht – vielmehr ist dieser ein Teil des Erfolges. Das System ist auf dem Weg, sich selbst mit Anschlussmöglichkeiten überzuversorgen. Pädagogisierung total – selbstreferentiell! Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Gott sich bei der Erschaffung des pädagogisch tätigen Menschen nicht an sich selbst orientiert hat, sondern an dem von ihm ja auch ‹geschöpften› Hamster im Laufrad.» (aus: Geissler/Orthey1998, S. 21/22)

Haben Sie heute schon gelernt?

Über das landauf landab gepredigte «lebenslange Lernen» müsste ich mich eigentlich freuen: Wenn lebenslang gelernt wird, darf auch lebenslang gelehrt werden.

Trotzdem sträubt sich alles in mir gegen diese unvermeidliche und endlose Lebenslänglichkeit. Verdammt zum ewigen Lernen sollen wir als Lernende – angeleitet und kontrolliert von Lernhelferinnen, Lernbetreuern, Lernbegleiterinnen und Lernmoderatoren – sozusagen im Lernhochsicherheitstrakt unser Lernen fristen? Macht Lernen denn wirklich glücklich?

Klar, mit dem lebenslangen Lernen hätte wenigstens etwas im sich beschleunigenden technologischen und sozialen Wandel Bestand.

Immerhin könnten wir dereinst von uns behaupten, wenigstens lebenslang gelernt zu haben.

Und doch weigere ich mich, mein Leben lang sozusagen als wandelndes unfertiges Produkt zu leben und kontinuierlich dafür sorgen zu müssen, meine Inkompetenz aufrechtzuerhalten, um damit wiederum meinen Lernbedarf zu sichern oder gar zu erhöhen. Mein Leben ist keine Lernwerkstatt.

Und: Lernen lebenslänglich geht blitzschnell!

Das Verfalldatum von Lerninhalten wird immer kürzer; kaum ausgepackt, setzt schon der Schimmel an.

Wir rasen als Lerner/innen pausenlos im Lerneilzugstempo von Zertifikat zu Zertifikat, von Qualifikation zu Qualifikation, die kaum erworben schon wieder als wertlos und überholt erklärt werden.

Tempo Teufel! Wer da nicht mithält und lernt, was das Zeug hält, bleibt auf der Strecke.

Die Gegenwart wird zur Durchgangsstation, das Leben zum immer wieder neu geplanten Vorprojekt.

Begegnungen mit Inhalten und Menschen sind instrumentalisiert, die Beiläufigkeit eliminiert.

Titanisches Lernen. Zufall ausgeschlossen.

Da kann man nur hoffen, dass uns keine Eisberge in die Quere kommen.

Ausser man könne beim Untergang auch noch was lernen.

Genug gejammert! Lernen könnte ja auch heissen, mit besagter Veränderung und Beschleunigung besser umgehen zu können, eigene Ressourcen zu nutzen, (Selbst-)Verantwortung zu tragen, eigenständiger zu werden.

Dies wäre zugegebenermassen eine lebenslange Sache.

Was aber, wenn solche eigenständigen Lerner/innen sich gegen lebenslanges Lernen auflehnen, wenn sie sich sperrig für eine Entschleunigung von Lernprozessen einsetzen, wenn sie für das Herumirren auf Lernumwegen einstehen, Pausen und Langeweile einfordern und unproduktivem Müssiggang huldigen?

Wenn sie dadurch ganz einfach auf andere Gedanken kommen?

Zum Beispiel auf den, dass Leben mehr als Lernen ist?

Wehe dann dem lebenslangen Lernen!

Ausschnitt aus dem Lerntagebuch vom 12.4.98

Lerner: Geri Thomann (Thomann in: Schweizer Schule 6/1998)

2.3Kompetenzorientierung und Prinzipien des Lernens

(Der folgende Text ist angelehnt an Thomann, Geri: Kompetenzorientierung und Bildung auf Tertiärstufe in Case Management 4/2017.)

Einleitung

Um die individuelle Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmenden an sich verändernde Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, wurde im Rahmen der arbeitsmarktpolitischen Debatte Ende der 1960er- und anfangs der 1970er-Jahre in Deutschland der Begriff «Schlüsselqualifikation» – häufig mit «Schlüsselkompetenz» gleichgesetzt – lanciert. Dieter Mertens prägte den Begriff als Leiter des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und verstand darunter Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nicht berufsspezifisch sind, lange anhalten und unvorhersehbare Anforderungen bewältigen lassen. Handlungsorientierung und Erfahrungswissen ergänzten dadurch den Primat der rein fachlichen Orientierung. Heute spricht und schreibt man diesbezüglich von überfachlichen Kompetenzen.

Inzwischen hat sich der Begriff «Kompetenz» zu einer regelrechten Stopfgans entwickelt, das jeweils zugehörige Erklärungskonzept schwankt bedarfsorientiert zwischen Standardisierung und Vergleichbarkeit, Überprüfbarkeit, Ungewissheitsbewältigung und Persönlichkeitsbildung (vgl. Backmann 2018, S. 20 ff.).

Die begriffliche Unschärfe nährt sich einerseits durch die Paradoxie, dass eine Qualifizierung als Anpassung an Gegebenes bei dem vorausgesetzten steten Wandel nie reicht und Kompetenzen immer auf eine nicht begrenzbare Qualifikationsdimension zielen. Andererseits dadurch, dass hoffnungsvoll und mit technologischer Grunderwartung eine Steuerung der Persönlichkeit von Lernenden angenommen wird. Legitime bildungspolitische Harmonisierungs- und Anerkennungsbestrebungen führen zudem europaweit zu kompetenz- (resp. outcome-)orientierten Ausbildungsprofilen. So erzeugen bildungspolitische Intentionen andere Begrifflichkeiten als etwa psychologische oder gar didaktische Intentionen.

Bildungspolitische Sichtweise: Standardisierung und Vergleichbarkeit

Die formalen Vorgaben der Bologna-Reform für Hochschulen in der Schweiz beispielsweise gehen davon aus, dass Kompetenzen über Lernzielformulierungen angestrebt werden und im Rahmen von Modulprüfungen während des Studiums zu Qualifikationen führen sollen. Dabei sollen Lernziele (learning outcomes) dem jeweiligen Kompetenzstand angepasst sein und diesem Stand gemäss transparent überprüft werden. Die Handlungsorientierung wird hier durch das Prinzip der Vergleichbarkeit und der Überprüfung ergänzt. Wissen wird gemäss diesem Verständnis kontinuierlich zu Können, der Aufbau von Kompetenzen erfolgt in dieser Denkweise in Stufen.

2000 formulierte der Europäische Rat in der Lissabon-Agenda zudem folgendes Ziel: Europa soll zum wettbewerbsfähigsten, dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden. Dafür solle die Umsetzung der Bologna-Deklaration vorangetrieben werden. Parallel dazu wurde 2002 der Kopenhagen-Prozess für den Berufsbildungsbereich analog zum Hochschulbereich lanciert. Der Kopenhagen-Prozess ist eine arbeitsmarktorientierte Strategie, die analog zum Bologna-Prozess Qualitäts- und Attraktivitätssteigerung der Berufsbildung, deren Positionierung im europäischen Rahmen sowie Mobilitätszunahme und Stärkung der internationalen Zusammenarbeit zum Ziel hat. Diese Ziele sollen durch die Vergleichbarkeit, Durchlässigkeit und Transparenz von Qualifikationen und Abschlüssen sichergestellt werden.

Für die Umsetzung oben genannter Ziele entwickelt die EU unterschiedliche Instrumente. Zu den zentralen zählen der Europäische Qualifikationsrahmen (EQF für englisch: European Qualifications Framework), der die beiden Harmonisierungsprozesse Bologna und Kopenhagen miteinander verbinden soll, sowie der nationale Qualifikationsrahmen (NQF für englisch: National Qualifications Framework oder NQR).

Schweizer Hochschulen verfügen mit nqf.ch-HS über einen darin situierten eigenen Rahmen, die Berufsbildung neu mit NQR-CH-BB ebenso. Geplant sind im europäischen Raum gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen.

Der EQF orientiert sich an Lernergebnissen beziehungsweise am Outcome von Lernprozessen. Er definiert acht Bildungsniveaus in Stufen, alle Stufen werden durch Deskriptoren beschrieben; er soll zudem lebenslanges Lernen durch Validierung von nicht-formalem und informellem Lernen fördern (siehe dazu auch weiter oben unter 2.2).

Wenn diese bildungspolitische Sicht- und Ordnungsweise ohne «Übersetzung» curriculare und didaktische Konsequenzen zeitigen soll, muss sie sich dem Vorwurf der Atomisierung von Kompetenzen, des technokratischen Stufendenkens in Bezug auf Lernprozesse und der Suggestion von linearer Steuerbarkeit von Lernen aussetzen.

Für die notwendige didaktische «Übersetzung» des Kompetenzbegriffes ist es angezeigt, darüber nachzudenken, was ursprünglich mit dem lernpsychologischen Begriff «Kompetenz» gemeint war und wie dieser nach wie vor verstanden werden könnte.

Arbeitspsychologische Sichtweise: Situativ angemessenes «gutes Handeln»

Calchera und Weber (1990, S. 5 f.) definierten «Kompetenz» wie folgt:

Kompetenz , aus dem Lateinischen «cum» und «petere», = «mit» und «streben nach», bedeutet eigentlich «schritthalten (können), ausreichen, zusammentreffen». Das entspricht bei Lernprozessen üblichen Formulierungen wie «er kommt mit» und «sie kann folgen». Eine Kompetenz ist somit die Fähigkeit, «mitzukommen» und «zu folgen» in dem jeweiligen Gebiet, und setzt daher eine direkte situative Vergleichsmöglichkeit voraus. Eine Kompetenz kann, wenn sie erkannt und richtig eingestuft wurde, als Qualifikation bestätigt werden. Die andere Bedeutung des Wortes Kompetenz = «Zuständigkeit» stammt aus der Zeit, als beide Eigenschaften in der Regel zusammenhingen: Wer in einem bestimmten Gebiet schritthalten konnte, war auch dafür «zuständig».

In ihren Ausführungen betonen die Autoren, dass die Überprüfung von Kompetenzen stets die sogenannten «Umweltbedingungen» in der Geschichte eines Individuums mitprüft und dass Kompetenzen nicht wie Fertigkeiten trainiert werden können, sondern «selbstschöpferisch» entstehen und gefördert werden können, wenn die notwendigen «Umweltbedingungen» gegeben sind. Auch Fertigkeiten und Techniken (Skills) werden in der Praxis also nicht mechanisch, sondern «kompetent», das heisst situativ angemessen und damit modifiziert, eingesetzt.

Le Boterf (2000) unterscheidet in frankofoner Tradition «Ressourcen» (individuelle Kenntnisse, Fertigkeiten, kognitive Fähigkeiten, Umfeldbedingungen) von «Kompetenzen». Mit anderen Worten: Ressourcen stellen das Potenzial einer Person dar (dazu gehören auch Vorwissen und Erfahrung).

Kompetenzen entstehen nach Le Boterf in der Mobilisierung und Kombinierung von Ressourcen «am Ort» im Verhältnis zur Erwartung von Leistungen. Aus- und Weiterbildung kann in diesem Sinne vor allem Ressourcen berücksichtigen, entwickeln, transparent machen, zur Verfügung stellen, also Voraussetzungen schaffen, ohne die angestrebte Wirkung gleich mitzuproduzieren.

Kompetenzen werden demnach nur im Arbeitsprozess sichtbar und können nur dort evaluiert werden. Die ausgewiesene und sichtbar gewordene Kompetenz nennt Le Boterf in Anlehnung an Chomsky «Performanz», die keine künstliche Aufteilung in Selbst-, Sozial-, und Fachkompetenz mehr erkennen lässt. Erst diese Performanz würde dann qualifizierbar und damit von einer externen Autorität anerkennbar.

Aus Performanz kann demnach auf Kompetenz geschlossen werden, das Ausbleiben von Performanz bedeutet jedoch nicht, dass Kompetenz nicht vorhanden ist.

Transfer von Wissen oder Kompetenzen ist immer kontextabhängig und steht wahrscheinlich auch in engem Zusammenhang mit jeweilig fachspezifischem Wissen. Wissen wird also nicht importiert und verarbeitet wie ein industrieller Rohstoff; Wissen wird als Transferwissen in problemhaltigen, komplexen und sozialen Lernkontexten aufgebaut und – wenn schon – dann im Praxisalltag verallgemeinert. Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass Kompetenzen Verbindungen von Wissen, Können, Erfahrung und Haltungen meinen, mit denen komplexe Situationen eigenständig in der Praxis handelnd bewältigt werden können. Daneben beinhalten Kompetenzen nicht zuletzt motivationale Elemente wie etwa den Willen, ein Problem lösen zu wollen, die Ausdauer, Rückschläge zu ertragen, oder die Ambiguitätstoleranz.

Solche Überlegungen führten zum Beispiel zum interessanten CoRe (Kompetenzen-Ressourcen)-Projekt in der Schweizer Berufsbildung, einem Modell der Curriculumsentwicklung, das auf den Säulen «subjektive Dimension», «soziale Dimension» und «theoretische Bezüge» basiert (Ghisla et al. 2008) und Lernenden eröffnen soll, Kenntnisse, Fähigkeiten und Haltungen (so genannte Ressourcen) zu erwerben, die eine kompetente Bewältigung von komplexen Praxissituationen ermöglicht.

Nachdem das lernpsychologische Verständnis ergründet ist, nun zu den didaktischen Dimensionen.

Didaktische Sichtweise: Konsequenzen für tertiäre Bildung (Hochschulbildung und Höhere Berufsbildung)

Was bedeutet ein solches Verständnis von «Kompetenz» oder «Ressourcen» nun konkret für didaktische Arrangements im handlungs- und berufsorientierten Bildungskontext?

Der Autor hat zusammen mit einer Steuergruppe im Rahmen der Planung von kompetenzorientierter Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen an der Pädagogischen Hochschule Zürich (2014/2015) den Versuch unternommen, unter Bezugnahme auf erwachsenenbildnerische Konzepte Lernprinzipien zu formulieren, didaktische Konsequenzen davon abzuleiten und das Ganze zu Prämissen der Kompetenzorientierung in Bezug zu setzen (wie sie weiter oben ausgeführt wurden).

Dabei wurden Prinzipien ins Zentrum gesetzt, welche immer wieder mit Kompetenzorientierung in Verbindung gebracht werden, wie etwa die Anerkennung von vorhandenen Kompetenzen (was bildungspolitisch relevant ist), oder die Kontext- und Situationsorientierung von Kompetenzen (siehe Le Boterf weiter oben).

Den nachstehenden Prinzipien folgen jeweils kursiv gesetzt Überlegungen in Verbindung zur Kompetenzorientierung.

Prinzipien des Lernens, didaktische Konsequenzen und Bezüge zur Kompetenzorientierung

1. Lernen ist Anschlusslernen.

●Erfahrungen von Aus- und Weiterbildungsteilnehmenden werden anerkannt und einbezogen.

●Weiterbildungen nutzen Expertenwissen und unterschiedliche Ressourcen von Aus- und Weiterbildungsteilnehmenden.

Bereits erworbene Kompetenzen der Teilnehmenden werden im Vorfeld bei Aus- und Weiterbildungsteilnehmenden abgeklärt (Bedingungsanalyse), wenn notwendig validiert und anerkannt oder für die spezifische Weiterbildungs-/Ausbildungssequenz nutzbar gemacht.

2. Lernen richtet sich an Ergebnissen aus.

●Aus- und Weiterbildungen pflegen Ziel- und Vorgehenstransparenz und überprüfen gesetzte Ziele und Ergebniserwartungen wo möglich gemeinsam mit den Teilnehmenden.

●Die Kohärenz von Zielen, methodischer Gestaltung und Ergebnissicherung zeichnet Aus-/Weiterbildungsangebote aus.

Die Ziele beziehen sich auf ein transparentes übergeordnetes Kompetenzprofil des Aus-/Weiterbildungsprogrammes. Dieses Profil setzt sich zusammen aus vorgegebenen und von Aus- und Weiterbildungsteilnehmenden eingebrachten Kompetenzansprüchen. Zielüberprüfung und Ergebnissicherung geschehen gemeinsam entlang diesem Profil.

3. Lernen geschieht in einer (sozialen) Vereinbarungs- und Auseinandersetzungskultur.

●Gegenseitige Verbindlichkeit wird im Rahmen der Aus- und Weiterbildungen gepflegt (Vereinbarungen zu Zieldefinierung, zu Ergebnissicherung sowie zu Lehr- und Lernkultur).

●Es gibt eine konstruktive Feedback-Kultur, sei es in formativer (Kalibrierung zwischendurch) oder in summativer Art und Weise (Evaluationen).

●Perspektivenwechsel wird durch Austausch und Auseinandersetzungen in Aus- und Weiterbildungen gefördert, Lernergebnisse und Lernschritte werden sichtbar gemacht und stehen anderen zur Verfügung, Wertehaltungen werden thematisiert.

Kompetenzerwerb geschieht stets in sozialen Kontexten und sozialem Eingebundensein. Die gemeinsam vereinbarte und gestaltete Lehr-/Lernkultur ermöglicht Erfahrung von Differenz und den – für die Kompetenzentwicklung notwendigen – Perspektivenwechsel.

4. Lernen ist ein aktiver und selbstgesteuerter Prozess.

●Für ihren Lernerfolg und die Gestaltung von Lernprozessen sind Aus- und Weiterbildungsteilnehmende mitverantwortlich.

●Sie erhalten im Rahmen der Weiterbildungen die Möglichkeit, selbstorganisiert Themen und deren Bearbeitungsform zu wählen und werden dabei unterstützt und begleitet.

●Handlungsorientierung und -wirksamkeit sind beim Lernen leitende Prinzipien.

Kompetenzen werden unter anderem aufgebaut, indem Selbstwirksamkeit und Handlungswirksamkeit erfahren wird. Beides wird im Rahmen der sozialen Situation innerhalb der Aus- und Weiterbildung («hier und jetzt») erfahrbar. Vorhandene individuelle Ressourcen werden aktiviert, zusätzliche zur Verfügung gestellt.

5. Lernen ist kontextorientiert.

●Um Themen reflexiv und antizipativ zu bearbeiten, hat Praxis- und Kontextorientierung eine hohe Bedeutung.

●In der Aus- und Weiterbildung thematisierte Ideen, Modelle und Vorhaben für verschiedene Praxissituationen werden angewendet, umgesetzt und überprüft (Situationsbewältigung in der Praxis).

●Daraus werden Folgerungen für Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Themenauswahl- und -bearbeitung gezogen.

Der Kompetenzerwerb erfolgt kontextorientiert und situationsbezogen; der Kontext der Aus-/Weiterbildung entspricht nicht demjenigen der Praxis. Einige Kompetenzen sind im Rahmen der Aus-/Weiterbildung zwar förder- und überprüfbar, der praxisrelevante Kompetenzerwerb kann jedoch erst in der entsprechenden Praxissituation überprüft werden (Performanz). Präzise Situationsanalysen erhöhen die Chance des Transfers.

Eine solche Verbindung von Praxis und Aus-/Weiterbildung ermöglicht es, diejenigen Aspekte der Kompetenzorientierung zu berücksichtigen, die relevant sind für eine adäquate Performanz von professionellem Personal in spezifischen Kontexten und Situationen; die Verbindung gibt zudem einem Kompetenzprofil Sinn, indem sie ermöglicht, sich zu orientieren zwischen Kompetenzbedarf, schon vorhandenen und zu entwickelnden Kompetenzen sowie Aus- und Weiterbildungsteilnehmende in ihrer Kompetenzentwicklung beteiligt.

PRINZIPIEN VON LERNEN UND KOMPETENZORIENTIERUNG


Eine ganz andere, nicht minder spannende Frage wäre, inwiefern Ausbilder/innen und Pädagoginnen und Pädagogen ihre Kompetenzen überhaupt sichtbar machen wollen.

Ich behaupte, dass die Mehrheit von Lehrenden – eventuell auch wegen Bewertungsängsten – sich eher als bescheidene «heimliche Genies» denn als «aufschneidende Hochstapler» verstehen und verhalten.

Kompetenz ist im dargelegten Verständnis also «eine generative Kraft, welche permanent aus Ressourcen neue Tätigkeiten kreiert» (Furrer 2000, S. 12). «Kompetenz» wird im Alltag und situativ entwickelt, «Performanz» macht diese unter förderlichen individuellen und kontextuellen Bedingungen sichtbar und «Ressourcen» können in Bildungsangeboten vermittelt bzw. erzeugt werden (ohne dass daraus «von selbst» Kompetenzen erwachsen). In diesem Sinne könnten Kompetenzen nicht – wie es manche «Kompetenzprofile» in Ausbildungskonzepten in Aussicht stellen oder suggerieren – «trocken» antrainiert werden.

Dieser Kompetenzbegriff hat sich beispielsweise in Arbeiten zur Selbst- und Fremderfassung von Kompetenzen im Bereich des informellen Lernens in Frankreich und der Westschweiz durchgesetzt. Ich verweise hierbei auf die so genannte Kompetenzenbilanz und die biografische Portfoliomethode des Projektes der «éspace de femmes pour la formation et l’emploi, effe» (2001) oder das «Schweizerische Qualifikationsprogramm zur Berufslaufbahn, CHQ».