Kitabı oku: «Ausbildung der Ausbildenden (E-Book, Neuauflage)», sayfa 3

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Zum Glück lassen sich künftige Anforderungen nicht so präzise vorhersehen, wie es für die Entwicklung von Lehrplänen und die darin enthaltenen Formulierungen von Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen als «passe partouts» notwendig wäre.

Transfer von Wissen oder Kompetenzen geschieht, wie Le Boterf treffend beschreibt, nicht in einem generellen kausalen «Nürnberger Trichter»-Prinzip.

Warten auf Erleuchtung

«Was kann ich tun, um schneller zur Erleuchtung zu kommen?» fragte ein Jünger seinen Weisheitslehrer.

«Mit der Erleuchtung ist es wie mit dem Sonnenaufgang», antwortete der Meister.«Du kannst nichts anderes tun, als warten, bis sie sich ereignet.»

«Wozu nützen denn all die Gebete und frommen Übungen, die ich täglich verrichten soll?»

«Die habe ich dir bloss deshalb empfohlen, um sicher zu gehen, dass du nicht schläfst, wenn die Sonne aufgeht.» (aus: Imhof 1995)

2.4Standards

Oelkers und Oser (2000) nennen berufliche Handlungskompetenzen «Standards»:

«Unter Handlungskompetenz versteht man jene professionellen Fähigkeiten, die es ermöglichen, im Schulalltag unter Bedingungen von situativen Zwängen richtig zu agieren und zu reagieren. Wir bezeichnen diese Kompetenzen dann als Standards, wenn ihre Erfüllung dergestalt ist, dass jemand ohne diese professionelle Ausbildung nicht in der Lage ist, sie in zufriedenstellender Weise zu realisieren». (Oelkers/Oser 2000, S. 56)

«Standards stellen professionelle Fähigkeiten und gleichzeitig Niveauansprüche hinsichtlich ihrer situativen Sichtbarmachung dar». (Oser 1997, S. 210)

Bei solchen Standards handelt es sich um Wissensbestände, die notwendigerweise angeeignet werden und dabei auch einem handlungsorientierten Gütemasstab standhalten sollen. Standards müssen damit intersubjektiv verhandelt und ausgewählt werden – ganz im Sinne einer Professionsdefinierung. Gleichzeitig sind sie Massstab und «Messlatte».

Nur Experten verfügen über Standards, die in komplexen und unterschiedlichen Situationen zur Anwendung gelangen (vgl. Oser 1997, S. 27).

Standards sind keine «standardisierbaren» Skills, weil ihr Einsatz reflexiv und unter Anwendung diverser Theorien in je unterschiedlichen Situationen geschieht.

Ebenso wenig sind Standards allgemeine Schlüsselqualifikationen, weil sie professionsbezogen sind und Theorie, Empirie, Evaluation, Praxis und Reflexion zusammenbringen.

Ob und wie in Ausbildungssituationen (an)gelernte oder geübte Standards mit der Zeit in der Praxis in Le Boterf’schem Sinne zu Kompetenzen oder gar zu Performanzen werden, bleibt vorläufig dahingestellt. Ich verweise dafür auf meine Ausführungen zur Experten-Novizenforschung (in diesem Kapitel 3.2).

Analog zu Standardgruppen für die Lehrerbildung (nach Oelkers/Oser 2000) formuliere ich für die Ausbildung von Ausbildenden folgende Standard-Gruppen. Sie sind mitleitend für die Themenauswahl in vorliegendem Buch:

1.Selbsteinschätzung, Selbstwahrnehmung, Selbstmanagement

2.Planung, Gestaltung und Evaluation von Unterricht

3.Leitung und Führung von Gruppen und Individuen

4.Beurteilung und Qualifikation

5.Kommunikation mit Lernenden und anderen relevanten Bezugspersonen

6.Beratung von Lernenden/Begleitung von Lernprozessen

7.Organisationales Denken und Handeln

8.Fachliche und fachdidaktische Kenntnisse

Bei dieser Auswahl lasse ich mich unter anderem von Weinerts Unterscheidung zwischen (Klassen-)Führungswissen, unterrichtsmethodischem Wissen, diagnostischem Wissen und Sachwissen leiten (Weinert et al., in: Alisch et al. 1989); ich ergänze seine Unterteilung um den Aspekt des «Wissens um sich und seine Rolle» (vgl. Dann, in: Reusser/Reusser-Weyeneth1994, S. 166) und um das im Speziellen im Felde der Erwachsenenbildung thematisierte Kontextwissen (vgl. Döring 2008, S. 39 und Siebert 2000, S. 7 ff.).

Andere Autoren äussern sich über die Kompetenzebenen von Lehrenden in ähnlicher Weise (vgl. etwa Dubs 1995, S. 20, Messner/Reusser 2000, S. 277 und Dick 1996, S.122).

Für meine Ausführungen formuliere ich jeweils zu Beginn der Kapitel spezifische Standards.

Die Kapitel in meinem Buch entsprechen den Standardgruppen 1–7, Gruppe 1 wird zusätzlich repräsentiert durch die Reflexionsfragen in den jeweiligen Kapiteln. Gruppe 8 berücksichtigt meine Ausführungen nicht; hier ist Ihre fachspezifische Transferkompetenz gefragt.

Die Diskussion über den Lernerfolg in Weiterbildungen unterscheidet etwa zwischen «Veranstaltungserfolg» und «Transfererfolg»; Ersterer kann als «Wirksamkeit», Zweiter als «Nachhaltigkeit» bezeichnet werden (vgl. Baumgartner-Schaffner 2001).

Vorliegendes Buch kann Ihnen also in der «Kompetenz-Sprache» als Ressource und als Anregung, Ressourcen zu kombinieren, dienen. Inwiefern sich jedoch im Sinne der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit Kompetenzen in der täglichen Ausbildung ausformen, ist schwer zu beurteilen, darf aber selbstverständlich gehofft werden …

Form und Auswahl der Inhalte situieren sich in der ersten Auflage des vorliegenden Buches ungefähr zwischen Anforderungen des «eidg. Fachausweises Ausbildner/in» (ehemals SVEB II) und der eidg. Erwachsenenbildner/in HF (wobei meine Ausführungen die Organisation stärker betonen). Für die vorliegende fünfte Auflage wurden die Teile «Organisation gestalten» und «Beraten» stark ausgebaut, Aspekte des Digital Learnings neu integriert. Bezüglich der allfälligen Effekte basiert jedoch Ausbildungswissen und erst recht «Buchwissen» immer auf Vermutungen; die spezifische Ausbildungskultur und der Praxisalltag vor Ort bestimmen mehr, als sich Ausbildungsverantwortliche oder gar Lehrmittelautoren erträumen.

2.5Der «Rollenstrauss» von Ausbildenden

Als Ausbildnerinnen und Ausbildner bewegen wir uns während unserer alltäglichen Arbeit in einer Vielzahl von Rollen. Der Begriff Rolle entstammt ursprünglich dem Theater, wo er den in einer (Schrift-)Rolle vorgegebenen Text bezeichnet. Aus soziologischer Sicht wird unter Rolle das «Bündel» von expliziten und impliziten Erwartungen verstanden, die beispielsweise an uns in unserer Funktion als Ausbildner/in gerichtet werden. Die Rolle ist demnach eine Art interpretierbares Bindeglied zwischen Individuum und Organisation, persönliche Anteile und institutionell-gesellschaftliche Vorgaben treffen sich in der Rolle. Verhaltenserwartungen werden zwar an Individuen herangetragen, beziehen sich dennoch stets auf die soziale Position, welche sie einnehmen. So genannte Bezugsgruppen senden demnach Positionsinhabern Rollen, wobei Inhaber von Positionen auch «Selbstsender» sein können, d. h., sich selbst Rollen zuweisen.

Das Handeln in Rollen lässt immer gewissen Interpretationsspielraum zu. Rollenerwartungen führen zu Rollenkonflikten, wenn sich gegenüber Bezugsgruppen (Institution, Studierende, Kollegen) verschiedene Rollen widersprechen oder überschneiden.

In Bezug auf unsere Rollen sind wir also gleichzeitig «Täter» und «Opfer».

Zudem: Das sich erheblich verändernde Verständnis von Lernen trifft sich seit einiger Zeit mit deutlichen ökonomisch-gesellschaftlichen Ansprüchen an Aus- und Weiterbildung.

Lernende sind nicht länger Landeplätze für gesichertes Wissen, vielmehr haben «Verstehen» und «Problemlösen» Vorrang vor sinntötender Wissensanhäufung. Auszubildende erschliessen oder generieren ihr Wissen selbst.

Als reine salamididaktische Inhaltszuliefernde verlassen wir Ausbildner/innen langsam die Bühne, das «Phantom» der einheitlichen Gruppe oder Klasse entpuppt sich als heterogene Versammlung von individuellen Lernerinnen und Lernern («from the sage on the stage to the guide on the side»). Die damit einhergehende Rollenerweiterung von Lehrenden entpuppt sich dabei notgedrungen auch als Rollenverlust.

Gleichzeitig gilt im Aus- und Weiterbildungsgeschäft die Effizienz- und Qualitätsfrage nicht nur für Bildungsprozesse, sondern auch für Bildungsorganisationen, die uns als Bildungsfachleute miteinschliessen.

Auf unserem Lernweg sind wir Lehrende folglich angehalten, uns einerseits den uns anvertrauten Aus- und Weiterzubildenden dialogisch zu nähern, sie einzeln in ihren Verstehensprozessen und Vorgehensweisen zu unterstützen. Andrerseits sind wir als «Gesellschaftsagenten» gefordert, uns mit der Qualitäts- und Effizienzfrage auf allen Ebenen zu beschäftigen.

Das traditionelle berufliche Rollenbild der Ausbildnerin/des Ausbildners steht somit zwar nicht auf dem Kopf, sicher aber auf neuen Beinen!

Wenn wir lehren, leiten, Unterricht gestalten, begleiten, beraten und beurteilen und uns zudem als Infotainer, Unterhalter, Mütter, Brüder, Sozialarbeiterinnen, Lehrmittelvollstrecker, Verkäufer und Gesellschafts- und Organisationsagentinnen betätigen, bewegen wir uns in einer in sich widersprüchlichen, anspruchsvollen und sich immer wieder verändernden Rollenvielfalt.

Mit den Worten Bichsels gesagt, sind wir gleichzeitig «Staatsanwalt, Verteidiger und Richter in einer Person» (Bichsel 1984, S. 10).

Eine erfolgreiche Interpretation solch verschiedener Rollen bedarf einerseits einer hohen (Selbst-)Wahrnehmung, inhaltlichen Wissens und Handlungsstrategien in einzelnen Kompetenzbereichen, andrerseits ebenso der Fähigkeit, integrativ und situativ verschiedene Rollenkompetenzen zu unterscheiden und «unter einen Hut» zu bringen, ohne sich selbst zu verlieren.

Laut einem Bericht der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz EDK (2000, vgl. auch Renold 2001, S. 160) gewinnen drei Anforderungen an Lehrpersonen in Zukunft an Bedeutung:

●Rollen situationsgerecht zu interpretieren,

●sich in Rollen anderer versetzen zu können,

●Diskrepanzen zwischen in sich widersprüchlichen Erwartungen anderer und den eigenen Bedürfnissen zu ertragen.

Beleuchte ich pädagogische Berufsrollen innerhalb der Dyade Lehrperson – Lerngruppe, lässt sich ein Rollenstrauss skizzieren:

ROLLENSTRAUSS DER AUSBILDENDEN

Wir skizzieren die einzelnen Handlungsfelder von Lehrenden im Folgenden in Form von Rollen in einem so genannten «Strauss» kurz und werden dieses Modell als Basis und Orientierung für viele Ausführungen im vorliegenden Buch benutzen.


Folgende Rollen von Lehrenden lassen sich ausmachen:

Inhaltsexperte/-expertin sein

Ursprünglicher Grund des Auftrages der Lehrenden ist ihre Expertise, z. B. fachspezifisches Wissen, inhaltliches Durchdringen-Können des «Stoffes».

Lehr- und Lernsituationen planen und gestalten

Präsenzunterricht gestalten (Vorlesungen, Inputs, Aktivierung Teilnehmender oder Studierender, Übungen, Anwendungsaufgaben), Inszenieren von fall- und problembasiertem Lernen, Gestalten von Blended-Learning-Sequenzen, Produzieren und Gestalten selbsterklärender Scripts, interaktiver Lernmaterialien auf Lernplattform etc.

Siehe Kapitel II

Leiten und Kommunizieren

Leiten von Projektgruppen, Anleiten zum Selbststudium, Moderieren von Plenumsveranstaltungen, Führen von Konfliktgesprächen, Umgang mit schwierigen Situationen und/oder Teilnehmenden, Entscheiden bei Promotionsfragen etc.

Siehe Kapitel III und Kapitel V

Wahrnehmen und Beurteilen

Kompetenz- und lernzielorientiertes Prüfen, Gestalten von Leistungsnachweisen und Prüfungssituationen, Formulieren von Prüfungsfragen, Interpretieren und Bewerten von Leistungen, Kommunizieren von Bewertungen etc.

Siehe Kapitel IV

Begleiten und Beraten

Begleiten (längerfristig, Projekte, Gruppen- oder Einzelarbeiten)

Längere Begleitaktivitäten (Anleitung, Beratung, Controlling) während Selbststudium, Begleiten von Bachelor-/Master-/Diplomarbeiten, Begleiten von Praktika/Projekten, Begleiten Teilnehmender oder Studierender während ihrer ganzen Ausbildungszeit etc.

Siehe Kapitel VI

Beraten (kurzfristig, zielorientiert, eher einzelne Studierende)

Einzelne Teilnehmende (oder kleine Gruppen von Studierenden) in ihren Lernprozessen zielorientiert und «kontraktiert» beraten, diagnostizieren (etwa in Problem-based-Learning-Sequenzen, bei Stolpersteinen in einem Projekt oder in einer schriftlichen Arbeit, bei ungenügenden Leistungen), Beraten von Teilnehmenden zur Organisation der Weiterbildung und beruflicher Ausrichtung etc.

Siehe Kapitel VI

Institution vertreten und Organisation gestalten

Mit-Entwicklung von Curricula, von Kompetenzprofilen, Beurteilungskonzepten, Evaluationen; Kooperation mit Kollegium etc.

Siehe Kapitel VII

Gesellschaftlichen Bildungsauftrag wahrnehmen

Als gesellschaftlich anerkannte «öffentliche» Expertin oder Experte auftreten, als Modell wirken, «arriviert» sein. Als Türöffnerin oder Türöffner für gesellschaftliche Funktionen von Studierenden etc. wirken.

Integraler Bestandteil aller Kapitel

Rollenerwartungen von Teilnehmenden an Dozierende

Die beschriebenen Rollen überschneiden sich selbstverständlich: Beispielsweise existieren Nahtstellen zwischen der Beurteilungs- und der Institutionsvertretungsrolle oder zwischen der Führungs- und der Lehrgestaltungsrolle.

Die Komplexität des Rollenstrausses erhöht sich zudem durch die spezifischen Rollenerwartungen von Teilnehmenden oder Studierenden: Die einen erwarten von Dozierenden und Kursleitenden reine Expertise, andere möchten klare Führung, wieder andere wünschen sich zurückhaltender Begleitung. Weitere verlangen immer wieder individuelle Beratung oder pochen auf klare Beurteilung, einige sehen die dozierende Person als Vertretung der Institution oder als Modell einer gesellschaftlich anerkannten Funktion.

Diese Erwartungshaltungen verschieben sich von Fachgebiet zu Fachgebiet, von Dozent/in zu Dozent/in. Somit bewegen Lehrende sich dauernd zwischen differierenden Rollenerwartungen. Sie müssen Prioritäten setzen und Kompromisse zwischen eigenen Rollenvorlieben und Rollenerwartungen der Institution und der Lernenden eingehen.

Einzelne Lernende – die auch untereinander in unterschiedlicher Beziehung stehen und als Gruppe eine «Dynamik» (vgl. Kap. III) entwickeln – «rufen» beim Lehrenden verschiedene Rollen ab. Gleichzeitig sind die einen Rollen formal klarer vorgegeben als andere Rollen. Der Bedarf kann explizit oder implizit beispielsweise zwischen Beratung (Unterstützung) und Leitung (Disziplinierung) schwanken. Auf der anderen Seite signalisiert die Lehrperson mehr oder weniger bewusst ihre eigenen Rollenpräferenzen. Der gesamte Strauss bewegt sich in den Kontexten «Institution» und «Gesellschaft».

Mit dieser Vereinfachung blende ich eventuelle weitere innerorganisatorische «Rollensender» wie Vorgesetzte, Unterstellte, Kollegen oder ausserorganisatorische (etwa Familie, Freizeitkontakte, Arbeitskontakte) aus.

Für die Analyse der weitergefassten organisationalen Rolle verweise ich auf das Instrument der Rollenanalyse nach Schein in Kapitel VII (3.1).

Diverse dieser Lehr-/Lern-Dyaden machen also wiederum ein organisatorisches Rollengefüge aus, beispielsweise wenn verschiedene Lehrpersonen einer Gruppe Lernender zugeteilt sind; Lehrende übernehmen zudem im Rahmen ihrer Institution wiederum weitere Rollen wie etwa Projektleitung.

Rollen 2–7 entsprechen erstens den Handlungsfeldern der weiter oben formulierten Standards und damit zweitens den Themenbereichen in den folgenden Kapiteln.

Reflexionsfragen «Rollenstrauss»

●Wo und wie bewegen Sie sich als Ausbildner/in im «Rollenstrauss»?

●Welches sind Ihre Vorlieben, welches nicht?

●Was erwarten Lernende von Ihnen?

●Können Sie dabei Konfliktfelder benennen?

●Wie gross ist Ihr Interpretationsspielraum?

●Nutzen Sie ihn?

3.Biografisch-reflexiver Zugang

3.1Lernen Erwachsener

Sämtliche weiterbildungspolitischen und -praktischen Bemühungen zielen letztlich darauf, das Lernen Erwachsener zu unterstützen, sei es im Rahmen von Lehre, Beratung oder Planung und Leitung. Entsprechend beschreibt der Begriff des Lernens den Kern der Herausforderungen erwachsenenpädagogischen Handelns.

Wir haben bei der Formulierung und Diskussion von Lernprinzipien (siehe oben, Kapitel 2.3) bereits ein Verständnis menschlichen Lernens skizziert, das nun noch vertieft werden soll. Lernen ist zu Recht eine der zentralen Grössen der Erziehungs- und Bildungswissenschaft. Ohne die menschliche Fähigkeit zu lernen wären sämtliche Versuche von Erziehung und Bildung vergebens. Demnach lässt sich menschliche Lernfähigkeit als Basis jeglicher Bildungsarbeit sehen.

Üblich ist, bei der Klärung, wie menschliches Lernen zu begreifen sei, auf psychologische oder neuerdings wieder auf pädagogische Lerntheorien zurückzugreifen (vgl. z. B. Faulstich 2013; Göhlich/Zirfas 2007). Kritisch darf hier gefragt werden, ob es denn überhaupt eine Lerntheorie braucht, um gut zu unterrichten oder professionell Bildungsangebote zu konzipieren. Eine mögliche Antwort ist: Es geht prinzipiell auch ohne Lerntheorie, dennoch hilft ein für sich geklärtes, angemessenes Verständnis menschlichen Lernens zumindest dabei, die gröbsten Fehler zu vermeiden, die Lern- und Aneignungsbemühungen Lernender eher im Weg stehen, als diese fördern (was gar nicht so selten vorkommt!). Didaktisches Handeln besitzt eine die Lernenden und ihre Lernbemühungen unterstützende Funktion, es ist kein Selbstzweck. Vielmehr bemisst es sich danach, inwiefern es gelingt, Lernprozesse zu fördern.

Es gibt zahlreiche lerntheoretische Ansätze, die wir keinesfalls umfassend referieren wollen. Wir wollen dennoch kurz überlegen, welche Anforderungen es an eine dem Lernen Erwachsener angemessene Lerntheorie gibt.

Dabei beziehen wir uns stark auf die Überlegungen von Peter Faulstich, ehemals Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Hamburg. Er formuliert (mit z. T. anderen Worten) vier Ansprüche an eine angemessene Lerntheorie (Faulstich-Wieland/Faulstich 2006, S. 32):

1.Menschen sind keine passiven Apparate, die auf Reize reagieren, sondern aktive Personen, die überlegen und abwägen können, was sie machen wollen. Diese Offenheit und Freiheit menschlichen Handelns müssen Lerntheorien berücksichtigen.

2.Menschen unterscheiden sich von anderen Systemen, die auch mit Lernen in Verbindung gebracht werden, etwa von Tieren, Organisationen oder Staaten. Sie handeln auf der Grundlage eigener Sinnentwürfe und verhalten sich nicht nur in Reflexen und Routinen. Lerntheorien müssen dieser Spezifität des Menschen gerecht werden.

3.Wenn wir für eine humane Gesellschaft einstehen, muss Bildungsarbeit immer auch darauf gerichtet sein, Bildung zu ermöglichen – als permanente Bemühung des Einzelnen, sich und andere zu verstehen und auf dieser Grundlage vernünftig handeln zu können im Sinne humaner Lebensbedingungen. Eine angemessene Lerntheorie sollte diesen normativen Bezugspunkt aufnehmen.

4.In der Erziehungs- und Bildungswissenschaft ist der Blick immer auch gerichtet auf Konzepte von Lehre, Beratung und Moderation. Eine Lerntheorie sollte Hinweise auf eine adäquate Gestaltung dieser praktischen Handlungsformen geben.

Sprechen wir hier explizit vom Lernen Erwachsener, kommt die Frage hinzu, was eigentlich «Erwachsensein» meint und was ein Lernverständnis auszeichnet, das diesem Status gerecht wird. Diese Frage klingt zunächst eher nach einer abgehobenen Denkübung als nach etwas, was man diskutieren müsste, um die eigene Weiterbildung professionell zu gestalten. Eine Vergewisserung dieses Begriffs hilft trotzdem dabei, sich wenigstens über eine Leitperspektive zu verständigen. Zum Erwachsensein gibt es verschiedene Definitionen (vgl. Faulstich/Zeuner 2006, S. 36). Erwachsensein kann gefasst werden als:

●biologisch: Zustand körperlicher Reife,

●juristisch: Erwerb von Pflichten und Rechten mit Beginn der Volljährigkeit,

●psychologisch: Stabilität von Verhaltens-, Erlebens-, Denk- und Lernformen,

●soziologisch: Übernahme sozialer Rollen wie Partnerschaft und Elternschaft,

●ökonomisch: Stehen in Erwerbstätigkeit und wirtschaftlicher Selbstständigkeit.

Deutlich wird, dass keine genaue Definition und trennscharfe Einteilung möglich ist. Kern aller Ansätze ist allerdings die Idee eines selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Menschen (vgl. Faulstich/Zeuner, S. 36). Entsprechend könnte der mündige, vernünftige, freie, kritisch denkende Erwachsene als Leitbild für Lehren und Lernen dienen. Erwachsenenpädagogisches Handeln in seinen verschiedenen Formen sollte daher darauf ausgerichtet sein, diesem Leitbild zu folgen. Neben dieser allgemeinen Bestimmung müssen aber weitere Aspekte von Erwachsenensein einbezogen werden. Weiterbildungsteilnehmende zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie in vielfältige Kontexte wie Erwerbsarbeit oder Familie eingebunden sind, eine ausgeprägte vorauslaufende Biografie haben (vgl. Alheit 2010) und ihr Lernen immer Anschlusslernen und geprägt von verfestigen Emotionen ist (vgl. z. B. Gieseke 2016).

Diese Ansprüche und Aspekte dienen uns als Leitlinien, um unterschiedliche lerntheoretische Ansätze in ihrer Tragfähigkeit zu beurteilen, wie dies auch Faulstich vorgenommen hat (2008).

In der Lernpsychologie dominieren behavioristische und kognitivistische Ansätze (das Folgende ist nah angelehnt an Haberzeth 2010). Dabei wird zunehmend auf neurophysiologische Befunde der Hirnforschung zurückgegriffen. Behavioristische Positionen konzentrieren sich auf beobachtbares Verhalten. Sie versuchen, menschliches Verhalten auf der Grundlage von Reiz-Reaktions-Verbindungen zu erklären. Verzichtet wird dabei auf den Einbezug psychischer (Innen-)Vorgänge zur Erklärung von Lernen. Dass behavioristische Positionen in der Lernpsychologie nach wie vor stark vertreten sind, lässt sich etwa in den Lehrbüchern von Edelmann/Wittmann (2012) und Mielke (2001) ablesen. Zentrale Begriffe sind etwa Reiz und Reaktion, bedingter und unbedingter Reflex sowie Kontingenz. Es geht um operantes Konditionieren oder um verschiedene Formen der Lernverstärkung wie positive Verstärkung oder Bestrafung. Behavioristische Ansätze eignen sich allerdings kaum dafür, die Komplexität menschlichen Lernens adäquat abzubilden, sie beschreiben vielmehr Spezialfälle menschlichen Verhaltens, zu denen es dann kommt, wenn Menschen in ihrer Sichtweise so stark eingeschränkt sind, dass sie nur noch auf einzelne Aspekte der Umwelt reagieren. Zugleich werden die immer gegebenen Gründe des Handelns nicht beachtet und Zielperspektiven des Lernens bleiben aussen vor.

In Abgrenzung zu behavioristischen Ansätzen haben sich kognitivistische Positionen entwickelt. Sie brechen das Black-Box-Modell auf und beziehen mentale Vorgänge mit ein. Denk- und Verstehensprozessen kommt eine entscheidende Rolle zu. Lernen wird als Informationsverarbeitung konzipiert: Zum Beispiel müssen im Unterricht mitgeteilte Informationen von den Lernenden decodiert und in das Gedächtnis aufgenommen und dort verarbeitet werden (vgl. Göhlich/Zirfas 2007, S. 24 ff.). Gearbeitet wird häufig mit der Metapher des menschlichen Gehirns als Computer. Der Kognitivismus trägt zu einer erheblichen Komplexitätserweiterung bei, gleichzeitig kann er Aspekte menschlicher Psyche jenseits von Kognition nicht aufnehmen und Menschen nicht zugleich in soziale Bezüge einbetten. Wir bleiben so stark mentalen Prozessen verhaftet, ohne Lernende zu kontextualisieren, also ihn in ihre Lebenswelt einzubetten.

In den letzten Jahrzehnten sind konstruktivistische Ansätze stark beachtet worden (siehe auch 1.2. in Kapitel IV). Im Gegensatz zum Kognitivismus wird Lernen nicht als Informationsverarbeitungs-, sondern als Konstruktionsprozess begriffen (vgl. Göhlich/Zirfas 2007; Faulstich 2008). Wissen wird nicht mehr oder weniger passiv aufgenommen und verarbeitet, sondern das Subjekt baut aktiv Wissen auf. Ernst von Glasersfeld, ein zentraler Vertreter des Konstruktivismus, betrachtet entsprechend Wissen nicht als «Repräsentation einer vom Erlebenden unabhängigen […] Welt […], sondern unter allen Umständen als interne Konstruktion eines aktiven, denkenden Subjekts» (Glasersfeld 1998, S. 503). In der Erwachsenenbildung wurden konstruktivistische Positionen breit rezipiert, insbesondere von Horst Siebert. Bei ihm mündet die Reflexion des Konstruktivismus in der didaktischen Konsequenz: «Erwachsene sind zwar lernfähig, aber unbelehrbar» (2012, S. 35). Er wendet sich damit gegen eine Abbildvorstellung von Lehren und Lernen, der die Auffassung zugrunde liegt, dass Teilnehmende das lernen, was gelehrt wird. Betont wird hingegen die Eigensinnigkeit der Lernenden; es wird nur das angenommen, was als grundsätzlich viabel, also gangbar erlebt wird.

Seit einigen Jahren besonders einflussreich sind neurophysiologisch geprägte Positionen zum Lernen. Mit stark verbesserten bildgebenden Verfahren wird versucht, Gehirnaktivitäten sichtbar zu machen und im Gehirn einzelne Zentren und Felder für bestimmte Funktionen (Sprache, Emotionen etc.) zu identifizieren. Besonders bedeutsam geworden ist die Vorstellung einer neuronalen Plastizität (vgl. Göhlich/Zirfas 2007, S. 11): Ausstattung, Erregungsübertragung und Gestalt der Neuronen kann sich langfristig ändern. Definitionen von Lernen entsprechen dieser Vorstellung: «Lernen bedeutet Modifikation synaptischer Übertragungsstärke» (Spitzer 2003, S. 146). Von Seiten der Erziehungswissenschaft werden neurophysiologische Positionen zum Teil heftig kritisiert. Kern der Kritik ist, dass Lernen als ein materieller Prozess identifiziert wird und dass entsprechend Sinn als Basis menschlichen Handelns und damit auch Lernens ausgeblendet wird.

In den Bildungswissenschaften ausführlicher diskutiert werden weiterhin phänomenologische Ansätze und seit Jahren stark auch subjektwissenschaftliche Positionen. Phänomenologische Ansätze (z. B. Meyer-Drawe 2003) richten ihren Blick nicht nur auf die Resultate des Lernens, den Wissenserwerb, sondern auf Lernen als Prozess und als Erfahrung in einem umfassenderen Sinn: «Lernen bedeutet immer auch die Geschichte des Lernenden selbst, den konflikthaften Prozess seiner Veränderung» (Meyer-Drawe 2003, S. 506).

Eine für die Erwachsenenbildung zentrale, stark beachtete, subjektwissenschaftliche Position geht von den Arbeiten Klaus Holzkamps (1995) aus. Grundsätzlich geht es Holzkamp darum, Lehren und Lernen voneinander analytisch zu trennen und Lernen als eine eigenständige Aktivität theoretisch zu fassen. Lernen wird als ein Aspekt des aus Lebensinteressen vom einzelnen Menschen begründeten Handelns begriffen. Zum Lernen kommt es insbesondere dann, wenn Hindernisse im Handlungsvollzug auftreten und wenn dabei antizipiert wird, diese Hindernisse durch Lernen überwinden zu können. Lernen wird als nicht von aussen bedingt, sondern als vom Subjekt, vom Lernenden, begründet gesehen. Entsprechend kritisiert Holzkamp die Vorstellung, dass Lehre automatisch zu Lernen führt. Er nennt diese Vorstellung Lehr-Lernkurzschluss.

Wir sehen für die Erwachsenen- und Weiterbildung insbesondere diese subjektorientierte Position als weiterführend, ohne andere Ansätze grundsätzlich zu missachten. Dennoch sind beim Lernen Erwachsener gerade die folgenden Aspekte dieses Ansatzes als Leitlinien tragfähig:

●Die Sichtweise der lernenden Person wird in den Mittelpunkt gestellt.

●Dabei erfolgt Lernen nicht als von aussen verursachtes, sondern als vom Lernenden begründetes Handeln

●Die subjektive Bedeutsamkeit des Lerngegenstands oder des Lerninhalts ist für Lernen oder Nicht-Lernen wesentlich.

●Lernen erfolgt in einer Verbindung mit eigenen Berufs-, Arbeits- und Lebensinteressen und verbindet sich mit dem Versuch, die eigene Lebensqualität zu erhöhen.

●Mögliche Lernwiderstände sind keine Störungen, sondern lassen sich als begründete Handlungen begreifen, die es zu verstehen gilt.

Wir bewegen uns weg von der üblicherweise zentral gestellten Frage «Wie können wir optimal lehren?» hin zu der Frage «Was ist notwendig, damit die Lernenden besser lernen können?». Es geht darum, «expansives» (im Gegensatz zu einem «defensiven») Lernen zu fördern. Als Elemente einer entsprechenden subjektorientierten didaktischen Position können gelten:

1.Teilnehmenden-Orientierung: sich über Ausgangsbedingungen klar werden, anzuknüpfen an TN-Erfahrungen, Transparenz und Aushandlung des Vorgehens

2.Problembezug: konkrete Handlungsmöglichkeiten oder -probleme in der Arbeits- und Lebenswelt in den Mittelpunkt stellen

3.Handlungsorientierung: die Teilnehmenden in die Lage zu versetzen, selber handeln zu können

4.Methodenoffenheit: Vielfalt der Aneignungsformen nutzen von Unterricht über Gestalten bis reales Handeln

5.Selbsttätigkeit: Eigenaktivität der Teilnehmenden fördern und zulassen

6.Gruppenbezug: an gemeinsamen Problemen arbeiten, um Transfer zu ermöglichen (vgl. Faulstich/Zeuner 2006, S. 52 f.)

Diese Elemente sind nicht rezepthaft zu gestalten, sondern müssen immer wieder konkret durch das professionelle Handeln von einzelnen Aus- und Weiterbildenden ausgefüllt werden. Ein Rezeptbuch gibt es nicht.

Oben wird erwähnt, dass die biografische Rückbindung ein wesentlicher Aspekt von Erwachsenenlernen ist: «Lernen als lebenslanger Prozess ist nicht nur ein momentanes Sich-Einlassen auf situative Problemlagen, sondern immer auch ein biographisches Projekt. Zwar nehmen die Lernherausforderungen, zum Teil auch die Lösungsoptionen zu, die an Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen und Lebenslagen herangetragen werden. Ihre Umsetzung und Verwirklichung aber geschieht ‹gebrochen› durch die sich allmählich im Laufe eines Lebens zu einer Individualität aufschichtenden Muster und Strukturen, in die auch alle Lernerfahrungen eingegangen sind. Didaktisch angeleitete Ermöglichung individuellen Lernens geschieht so in einem kreativen Spannungsverhältnis mit diesen lebensgeschichtlich erworbenen, habitualisierten und Lernen auch begrenzenden Gestaltungsstrategien» (Arnold u.a. 2000, S. 7). Die biografische Prägung von Lernenden kann nicht abgestreift werden, sie kann Lernenden aber reflexiv bewusster gemacht und damit auch in ihrer Bedeutung für das (eigene) Lernen eingeschätzt werden.