Kitabı oku: «Die Regulatoren in Arkansas», sayfa 18
»Ja«, sagte das arme Mädchen, traurig den Kopf senkend, »sie meinte aber…«
»Du brauchst dich vor Mr. Brown nicht zu scheuen, er weiß alles«, beteuerte Wilson, als er bemerkte, wie seine Braut diesem einen ängstlichen Seitenblick zuwarf.
»Ach, es hilft ja auch nichts, es zu verschweigen«, seufzte das arme Mädchen, »ganz Arkansas wird’s doch wohl bald erfahren, daß ich den rohen Cotton heiraten soll.«
»Cotton?« fragte Brown erstaunt.
»Ja – leider. Zwar hat es mir die Mutter streng untersagt, den Namen gegen irgend jemand auszusprechen, aber weshalb nicht? Eher sterb’ ich, als daß ich den Menschen heirate.«
»Du sollst ihn auch nicht heiraten«, sagte Wilson trotzig. »Verd…, ja so, das darf ich auch nicht«, unterbrach er sich selbst, als ihm das Mädchen einen strafenden Blick zuwarf. »Ich weiß aber schon, was ich tue; haben wir erst die Raubbande entdeckt, die hier ganz in unserer Nähe ihr schändliches Wesen treibt, und will sich Atkins noch immer nicht erweichen lassen, nun gut, dann soll mich dieser und jener holen – das ist nicht geflucht —, wenn ich nicht einen dummen Streich mache und mit dir davonlaufen«
»Und das nennt der Herr einen dummen Streich?« fragte Ellen mit einem wehmütigen Lächeln.
»Du weißt ja, wie ich’s meine«, sagte Wilson, »aber was ist Euch, Brown – Ihr seht so gedankenlos oder gedankenvoll, wie man’s nehmen will, in die Baumwipfel hinauf?«
»Haben Sie den Mann, den Sie Cotton nannten, kürzlich gesehen?« wandte sich Brown jetzt, ohne Wilsons Bemerkung zu beachten, an das junge Mädchen.
»Ja«, sagte diese, »vor etwa vier Tagen kehrte er, ich glaube vom Mississippi, zurück, wohin er vor etwa zwei Wochen aufgebrochen war. Er kommt aber immer nur abends, und ich mag sein heimliches, häßliches Wesen nicht leiden; – kennen Sie ihn?«
»Ich glaube, weiß es aber nicht gewiß; kommt er wohl – aber was ist mit Wilson?«
Brown hatte auch alle Ursache, diesem bestürzt nachzusehen, denn wie eine Schlange glitt der Freund plötzlich ins Dickicht und war in wenigen Sekunden spurlos verschwunden. Die Ursache dieses eigentümlichen Rückzuges blieb aber nicht lange ein Rätsel, denn fast zu gleicher Zeit erschien auf dem zum Hause führenden Pfad die stattliche und selbst noch jugendliche Gestalt der Mrs. Atkins, deren helles, schimmerndes Kleid Wilson noch zur rechten Zeit gewarnt hatte, und der es jetzt dem Freund überließ, mit dem anrückenden Feind fertig zu werden.
»Hallo da, Miß!« rief die sich mit gewaltigen Schritten nähernde Frau, »hallo da – Herrengesellschaft? Ich habe schon seit einer Viertelstunde keinen einzigen Schlag gehört, die Wäsche soll sich wohl allein fertig machen?«
»Das – Kind —«, stotterte Ellen.
»Was da – Kind – das liegt so ruhig wie ein Gotteskäferchen in seinem Neste; leere Ausreden…«
»Ich muß Sie bitten, die junge Dame meinetwegen zu entschuldigen«, unterbrach jetzt Brown hervortretend die Zürnende, indem er sie freundlich grüßte, »ich komme mit einem Auftrag von den Herren Roberts und Rowson und beabsichtigte eigentlich, die Nacht in Ihrem Hause zuzubringen.«
»Dies ist nun freilich der breite Weg nicht«, sagte Mrs. Atkins, jedoch schon merklich besänftigt.
»Allerdings nicht«, erwiderte Brown lächelnd, jetzt nur bemüht, dem armen zitternden Mädchen jedes harte Wort zu ersparen, »ich kam aber ein Stück durch den Wald und wußte an der Slew nicht recht, ob ich hinauf- oder hinunterreiten solle, um das Haus am schnellsten zu erreichen, ging also zuerst über den darüberhinweg liegenden Stamm, um zu rekognoszieren, und fand die junge Dame hier, die ich freilich durch meine Fragen einige Minuten in ihrer Arbeit störte.«
»Junge Dame – hat sich was ’junge Dame‹, setzen Sie dem Mädchen nur keinen Unsinn in den Kopf. Mein Mann ist oben im Hause. wo steht denn Ihr Pferd, ich will den Jungen danach schicken.«
»Gerade dort, wo die Zypresse über der Slew liegt«, erwiderte Brown, dem jetzt daran lag, die zürnende Frau mit zum Haus zurück zu nehmen, um Wilson freien Spielraum zu lassen.
»Gut, so kommen Sie«, sagte Mrs. Atkins, »und du, Mamsell, hältst dich dazu und bist fleißig. Noch nicht die Hälfte von der Wäsche geklopft – es ist eine Schande, und schon an zwei Stunden hier unten! Daß du mir vor Dunkelwerden fertig wirst! Und was macht das Kleine?« wandte sie sich dann mit wahrhaft mütterlicher Zärtlichkeit in der sonst so rauhen Stimme zu dem Kind, das der bekannten Gestalt mit freundlichem Lächeln entgegenstrampelte, »das gefällt dem Kind? Nicht wahr? Schaukeln – den ganzen Tag schaukeln, und nachher schläft’s die Nacht nicht, und Ellen muß bis Tagesanbruch mit dir herumlaufen. Aber ja – Sie warten; also Ellen, daß du mir fleißig bist!«
Und mit diesen Worten schritt sie, von Brown gefolgt, dem Wohnhaus zu.
22. Atkins Wohnhaus – Der fremde Besuch – Die Parole
Atkins Wohnhaus unterschied sich, und zwar sehr zu seinem Vorteil, bedeutend von den meisten Blockhütten der Ansiedlung, obgleich es auch nur aus Stämmen errichtet war. Diese aber, von innen und außen behauen, bildeten zwei gleiche, anderthalb Stockwerk hohe Hausteile, welche in der Mitte durch einen nach Norden und Süden offenen Zwischenraum verbunden wurden, wobei sich das Ganze unter einem Dach befand. Auch das Innere des Hauses war sorgfältig bearbeitet, und die sauber abgehobelten Bretter, mit denen der Farmer jede Spalte vernagelt hatte, wurden nur hier und da durch einige riesengroße Ankündigungen wandernder Kunstreitertruppen, Wachsfigurenkabinette und Menageriebuden verdeckt. Eine der letzteren, auf hellgelbem Papier, war besonders auffallend und stellte einen Mann dar, der, mit sehr engen Beinkleidern und zwei außergewöhnlich großen Federn auf dem Barett, einem Löwen im Arm lag und diesem höchst angelegentlich etwas ins Ohr zu flüstern schien. Andere Plakate stellten ähnliches dar und waren jedenfalls einmal von den Eigentümern der Wohnung aus Little Rock, der Hauptstadt des Staates, als Kuriosität mitgebracht worden.
Das eine der beiden Gebäude enthielt die Schlafräume, je einen im Erdgeschoß und im oberen Stockwerk. Fünf Betten sowie Matratzen und Steppdecken boten genug Platz auch für Gäste. An den Wänden des unteren Raumes hing die Garderobe der Frauen und – in einem besonderen Winkel – der Sonntagsstaat des Hausherrn. In dieses Zimmer wurden die Gäste aber erst abends, zur Schlafenszeit, eingelassen. Am Tage blieb es jedem nicht zum Hausstand gehörenden Auge ein fest verschlossenes Heiligtum. Selbst Atkins wagte nicht, es ohne Erlaubnis seiner Frau, die den Schlüssel dazu bei sich trug, zu betreten.
In dieses Staatszimmer wurde Brown jetzt geführt, und dort fand er den Farmer, der auf den Hinterbeinen eines Stuhles balancierte, dazu ein Lied pfiff und mit einem halb abgebrochenen Federmesser an einem Stück Holz schnitzte. Das Eintreten des Gastes störte ihn aus seinen Betrachtungen auf, er hatte aber kaum einen Blick auf die Tür geworfen, als er von seinem Sitz emporsprang und wild nach dem Gesims über der Tür schaute, wo eine lange Büchse auf zwei Pflöcken lag. Sobald er aber sah, daß der Gast allein und in keineswegs feindlicher Absicht sein Haus betreten hatte, beruhigte er sich ein wenig.
Brown war über das unbegreifliche Erschrecken des Farmers bestürzt, ignorierte es jedoch und sagte, indem er auf ihn zuging und ihm freundlich die Hand entgegenstreckte: »Mr. Atkins, es sollte mir sehr leid tun, wenn ich Sie etwa gestört haben sollte.«
»Oh – ganz und gar – ganz und gar nicht«, stotterte, immer noch nicht recht gefaßt, der Farmer, »es war nur – es sollte sich doch auch…«
»Ich bin allerdings in dieser Gegend ein seltener Gast«, meinte Brown lächelnd, »und wenngleich am Fourche la fave heimisch, hier doch ein Fremder. Doch mag die Zeit, in der wir leben, meine Störung, wenn ich eine solche verursacht habe…«
»Aber, bester Mr. Brown«, unterbrach ihn Atkins, der jetzt seine Fassung wiedergewonnen hatte, »Sagen Sie nur so etwas nicht. Sie sind zwar ein seltener, aber darum nicht minder willkommener Besuch, und möge dies der Anfang zu einer engeren Bekanntschaft sein.«
»Ich will es wünschen«, sagte Brown, die dargebotene Hand schüttelnd, »und möglich ist es, daß wir in einem fremden Lande die hier begründete Freundschaft fortsetzen. Ich habe wenigstens gehört, daß Sie nach Texas auszuwandern gedenken.«
»Ja – Sie auch? Wenn ich mich recht erinnere, so wurde mir aber in der vorigen Woche erzählt, Sie – Sie hätten sich den Regulatoren angeschlossen, ja – Sie wären sogar deren Anführer geworden.«
»Ja und nein«, erwiderte Brown lächelnd, »angeschlossen habe ich mich ihnen tatsächlich und bin auch für einen Augenblick ihr Anführer geworden, aber nur bis die beiden kürzlich hier geschehenen Mordtaten aufgedeckt und die Mörder bestraft sind. Dann leg’ ich mein Amt nieder und verlasse den Staat, um ein Bürger der Republik Texas zu werden.«
»Aber die Pferdediebe«, warf Atkins ein.
»Die kümmern mich nur insofern, als ich in ihnen die Mörder vermute. Natürlich werde ich, solange ich an der Spitze der Regulatoren stehe, auch gegen sie mit allem Eifer vorgehen, falls wir ihnen auf die Spur kommen sollten. Vorerst kenne ich aber nur das eine Ziel, jene Mörder aufzuspüren, und der Herr sei ihnen gnädig, wenn wir sie finden. Von den Menschen haben sie keine Gnade zu erhoffen.«
»Sonderbar«, sagte Atkins nachdenklich, »daß man auch in beiden Fällen noch niemand in Verdacht hat. – Ja, ich weiß, Sie wurden zuerst der Tat beschuldigt, doch widerstritten dem im Anfang gleich mehrere; besonders hatten Sie die Frauen auf Ihrer Seite, auch war Ihr Benehmen an jenem Morgen gegen Heathcott, soweit ich es nämlich erfahren konnte, keineswegs so, als ob Sie sich gescheut hätten, ihm frei und männlich entgegenzutreten. Ein solcher Ausweg wäre also für Sie sicher nicht notwendig gewesen. Es muß ihn jemand nur seines Geldes wegen getötet haben, das hab’ ich mir gleich gedacht, und wer weiß da, mit wem er alles verkehrt und wer das Geheimnis von dem Geld, das er bei sich trug, noch außer denen gewußt hat, die hier am Fourche la fave wohnen.«
»So halten Sie keinen der Unsrigen für schuldig?«
»Aufrichtig gesagt, nein, denn selbst die«, setzte er etwas leiser und fast wie mit sich selbst redend hinzu, »die es vielleicht in anderen Fällen mit der Ehrlichkeit nicht so genau nehmen, halte ich doch für unfähig, einen solchen kaltblütigen Mord zu begehen.«
»Ich will es wünschen«, seufzte Brown, indem er sich mit der Hand an den obern Balken des Kamins stützte, »ich will es wünschen; übrigens erwarte ich täglich den Indianer zurück, und der kommt sicherlich nicht ohne Kunde wieder.«
»Nicht ohne Kunde – so?« meinte Atkins; »ja der Indianer ist sehr schlau, aber mit den Hufspuren war er damals doch nicht zurechtgekommen.«
»Weil er nie nachgeforscht hat«, erwiderte Brown. »Der Tod seines Weibes hatte ihn so erschüttert, daß ich wirklich ernstlich für sein Leben fürchtete. Übrigens kam er auch einen Tag zu spät, denn die Diebe waren schon geflohen, und der Regen hatte indessen die Spuren verwaschen.«
»Ein verwünschtes Ding mit dem Regen«, sagte der Farmer lächelnd, sich hinter dem Rücken seines Gastes selbstgefällig die Hände reibend, »er hat schon manche Spur verwischt und solchen Sappermentern fortgeholfen. Mir haben sie ebenfalls im vorigen Jahr ein paar herrliche Pferde gestohlen.«
»Ihr hättet längst schon entschlossener gegen die Burschen auftreten sollen; sie sind zu kühn geworden und holen Euch die Tiere zuletzt noch unter den eigenen Augen weg. Man sagt sogar, es wohne hier irgendwo am Fluß ein Hehler, der einen sicheren Aufbewahrungsort für geraubte Pferde habe.«
»Wer sagt das?« fragte Atkins auffahrend.
»Es wurde in unserer letzten Versammlung erwähnt«, entgegnete Brown, ohne die Bewegung des anderen zu beachten, »man sprach auch davon, wenn die Diebereien nicht nachließen, eine Durchsuchung vorzunehmen, ob man nichts entdecken könne.«
»Es wird sich nicht jeder einer Haussuchung unterwerfen«, erwiderte Atkins unwillig. »Wir sind hier in einem freien Lande, und wen ich nicht auf meinem Grund und Boden dulden will, dem sag’ ich ganz einfach ’marsch!‹, und wenn er dann nicht geht, so nehm’ ich die Büchse vom Haken.« —
»Ja, sehen Sie, Mr. Atkins«, entgegnete Brown, sich freundlich nach ihm umwendend, »das ist ja gerade die Ursache, weshalb wir Regulatoren uns zusammengetan haben. In diesem Falle sind die Gesetze zu schwach in Arkansas. Ein Mann, gegen den kein weiterer Beweis vorliegt, und wenn er der ärgste Schurke wäre, könnte ruhig und ungestört auf seiner Farm sitzen bleiben. Er hat das Recht, jeden niederzuschießen, der sich mit Gewalt bei ihm eindrängen will – gut! Hierdurch wird aber auch dem Verbrechen Vorschub geleistet. Wer soll sein Eigentum gesichert wissen, wenn es der Räuber bei regnerischem Wetter, das die Spuren verwischt, vielleicht nur nach Hause zu treiben braucht, um es außer Entdeckung zu wissen?«
»Wofür haben wir aber die Gesetze?« fragte Atkins mürrisch, »wofür, wenn sie zu schwach sind?«
»Sie sind nicht zu schwach«, erwiderte Brown, »können aber nicht ausgeführt werden. Ich will den Fall setzen, der Verbrecher wird von dem Sheriff gefaßt und vom Gericht verurteilt, wohin bringt man ihn, bis er in das Zuchthaus des Staates eingeliefert werden kann? In eins der kleinen zu diesem Zweck errichteten Blockhäuser, aus dem ihn seine Freunde in der ersten Nacht befreien.«
Atkins lächelte.
»Wir mir gesagt wurde«, fuhr Brown, ohne es zu bemerken, fort, »haben Sie davon selbst in diesem County einige Beispiele. Hat ihn aber der Staat tatsächlich sicher hinter Schloß und Riegel gebracht, so ist das doch nur für eine, höchstens zwei Wochen, denn ein paar von den daraus entsprungenen Verbrechern sollen ja selbst geäußert haben, das Zuchthaus sei so schlecht gebaut, daß sie der Sheriff gar nicht so schnell hineinsperren könnte, wie sie wieder herauskämen. Was hilft es uns also, wenn wir den Gesetzen gehorchen, die Sträflinge abliefern und sie dann, wenn wir sie sicher und unschädlich glauben, schon nach vierzehn Tagen wieder unter uns und mit unserem Eigentum beschäftigt finden.«
»Das stimmt«, pflichtete ihm Atkins, immer noch lächelnd, bei, »die Sache ist nicht so ganz ohne. Ich weiß, daß Cotton…«
»Wo ist Cotton jetzt?« fragte Brown schnell.
»Cotton?« wiederholte Atkins rasch gefaßt und, wie es schien, sehr verwundert, »Cotton? Lieber Gott, wer weiß, wo der jetzt steckt. Wie ich neulich gehört habe, sucht ihn sogar der Sheriff. Aber wie kommen Sie zu der Frage?«
»Er soll sich in dieser Gegend haben blicken lassen«, erwiderte Brown, der Ellens Aussage nicht anführen wollte, um dem armen Mädchen keine Unannehmlichkeiten zu bereiten, jetzt aber, durch seines Wirtes Leugnen, zum erstenmal Verdacht schöpfte. »Man will ihn sogar auf dieser Straße bemerkt haben.«
»Ja, das ist sehr leicht möglich«, räumte Atkins ein, »es reitet mancher auf dieser Straße hin, ohne gerade bei mir vorzusprechen. Die Leute schwatzen aber viel.«
»Ich bin heute eigentlich im Auftrage der Herren Roberts und Rowson hier«, sagte Brown, der dem Gespräch eine andere Richtung zu geben wünschte. »Mr. Roberts nämlich – ach, da kommt mein Pferd«, unterbrach er sich, als der Mulatte den Braunen vor die Tür ritt und dort aus dem Sattel sprang.
»Bitte – bleiben Sie hier«, hielt ihn Atkins zurück, als er sah, daß sein Gast hinausgehen wollte, »Dan wird das schon besorgen. – Nimm das Pferd in den Stall, füttere es gut und leg das Geschirr nachher hier zwischen die Häuser«, rief er diesem zu, »und wenn du damit fertig bist, so —« er war bei diesen Worten zu ihm hinausgetreten und vollendete den Satz mit leiserer Stimme, so daß Brown nichts davon verstehen konnte. Der Mulatte nickte verständnisinnig, führte das Pferd fort und ließ sich an diesem Abend nicht mehr sehen.
»Sie wollten mir etwas von einem Auftrage sagen?« fragte Atkins den Gast jetzt, als er in das Zimmer zurückkehrte.
»Ja«, antwortete dieser, wie aus einer Zerstreuung erwachend, »Mr. Roberts wird mit – mit seinem Schwiegersohn am Montagmorgen oder -mittag zu Ihnen kommen, um Haus und Felder in Augenschein zu nehmen, und läßt Sie daher bitten, auf ihn zu warten, wenn er auch vielleicht ein wenig spät eintreffen sollte.«
»Schön – sehr schön!« erwiderte Atkins freundlich, »ich denke, daß wir ein Geschäft miteinander machen können. Es sind wackere Leute, die einen armen auswanderungslustigen Teufel nicht drücken werden. Die Hochzeit soll wohl morgen schon stattfinden?«
»Ja!« antwortete dieser mit leiser Stimme, »ich glaube – morgen.«
»Sie werden wohl auch bei der Trauung sein?«
»Wer – ich? Nein – ich glaube nicht. Unsere Versammlung wird wahrscheinlich bis spätabends dauern, und dann bleibe ich bei Bowitts.«
»Welche Versammlung?«
»Die der Regulatoren. Wir kommen morgen in Bowitts Haus zusammen.«
»Morgen Versammlung? Das muß ja recht heimlich zugegangen sein, ich habe keine Silbe davon gehört.«
»Natürlich wurde es nur denen gesagt, die Regulatoren sind«, fuhr Brown fort, der in diesem Augenblick eine Gelegenheit gefunden zu haben glaubte, für den armen Wilson ein gutes Wort einzulegen; »doch wundert es mich, daß Ihnen Wilson nichts davon gesagt hat. Er hatte die Bestellung, die keineswegs geheimgehalten zu werden brauchte, in dieser Gegend übernommen.«
»Mr. Wilson ist sehr lange nicht in meinem Hause gewesen«, erwiderte Atkins, dem die Erwähnung dieses Namens unangenehm zu sein schien, »daher kommt es denn wohl, daß mir die Sache fremd blieb. Doch ist das einerlei; ich bin kein Regulator, habe also auch kein Interesse an der Versammlung. In Texas sollen sich ja ebenfalls solche Vereinigungen gebildet haben.«
»Ja«, sagte Brown, der jedoch nicht willens war, seinen Angriff so bald aufzugeben; »aber was ich gleich sagen wollte, Wilson scheint sich ja hier in der Gegend für immer niederlassen zu wollen. Ich glaube kaum, daß Sie sich einen besseren Nachbarn wünschen könnten.«
»Sie vergessen, daß ich mich kaum noch zu dieser Gegend rechnen kann«, erwiderte Atkins. »Doch da kommt meine Alte schon mit dem Tischzeug – die Tage sind noch recht kurz. Apropos, Mr. Brown, wie geht es denn Ihrem Onkel? Es hat uns allen recht leid getan, daß das Fieber den armen Mann so gewaltig packte.«
Brown sah wohl, daß, für jetzt wenigstens, jede weitere Anspielung vergeblich sein würde, noch dazu, da auch Mrs. Atkins und bald darauf Ellen mit dem Kind zum Hause zurückkehrten. Gern hätte er nun freilich ein wenig mit dem Mädchen geplaudert, doch fürchtete er ebenfalls, ihr dadurch unangenehme Worte zuzuziehen, ein freundlich dankender, ihm verstohlen zugeworfener Blick sagte ihm jedoch deutlich genug, daß sie seine Freundlichkeit, die Pflegemutter mit fortzunehmen, erkannt und – was noch besser war – genutzt hatten.
Das Gespräch drehte sich jetzt um allgemeine Dinge, um Weide, Jagd, Vermessung des Landes in der Nachbarschaft und die nicht selten damit verknüpften Streitigkeiten der nebeneinander Wohnenden; um einen vor etwa fünf Tagen vorgefallenen Mord am andern Ufer des Arkansas, wo ein Viehhändler erschossen und seiner Brieftasche, die etwa tausend Dollar enthalten haben sollte, beraubt worden, ohne daß man den Mörder hätte entdecken können; dann um die jetzige Gesetzgebung, Sheriffs- und Gouverneurswahlen und ähnliches mehr, bis die buntfarbige, den Kaminsims zierende Yankee-Uhr acht schlug. Jetzt aber begann das Kleine, das bis dahin sanft in seiner nun im Hause befestigten Hängematte geschlafen hatte, unruhig zu werden und zu schreien. Ellen nahm es aus dem Bettchen heraus und ging mit ihm im Zimmer auf und ab, es schrie aber immer ärger, wollte sich nicht mehr beruhigen und wurde in kaum einer Viertelstunde so krank, daß die Frauen, zu Tode geängstigt, hin und her rannten, um alle möglichen, im Hause nur aufzutreibenden Heilmittel herbeizuholen.
Es blieb aber alles vergeblich, das Kind schrie mit jedem Augenblick ärger, und in Todesangst schickte nun die Mutter nach Hilfe aus. Ein junger Amerikaner hatte in den letzten Tagen für Atkins ein großes und sehr geräumiges Kanu aushauen müssen und hielt sich noch im Hause auf. Dieser wurde jetzt mit dem Mulatten nach verschiedenen Richtungen ausgeschickt, die benachbarten und fernen Farmersfrauen, die irgend etwas von Kinderkrankheiten verstanden, mit dem Zustand des armen Würmchens bekannt zu machen und sie, so schnell sie ihre Pferde tragen würden, herbeizurufen.
Die Mutter gebärdete sich indessen wie eine halb Wahnsinnige. Wie ihrer Sinne beraubt, lief sie im Hause umher und machte dabei der armen Ellen fortwährend die bittersten Vorwürfe, daß sie das Kind vernachlässigt habe und es gern aus der Welt schaffen möchte, nur um seiner Wartung und Pflege überhoben zu sein.
Vergeblich beteuerte das arme Mädchen seine Unschuld, berief sich auf die Liebe, die es dem kleinen Schreier stets bewiesen; es war alles vergeblich, und unter den härtesten, ungerechtesten Vorwürfen befahl ihr die Frau, still zu sein und »keinen Mucks weiter zu tun«, wenn sie nicht erfahren wollte, wie man widerspenstige Dienstboten behandle.
Brown war entrüstet hierüber und beschloß, von nun an alles zu versuchen, was in seinen Kräften stehen würde, den Freund zu unterstützen und das Mädchen einer solchen Mißhandlung zu entziehen, wußte aber nur zu gut, daß in diesem Augenblick jede Vorstellung nicht allein nutzlos sein, sondern für die Arme nur noch unangenehmere Folgen haben würde.
Die Verwirrung hatte jetzt ihren höchsten Grad erreicht. Das arme kleine Wesen schien mit jedem Augenblick kränker zu werden. Mrs. Atkins lief, die Gegenwart des Fremden gar nicht mehr beachtend, im Zimmer auf und ab und rief, fortwährend die Hände ringend, daß dies des Himmels Strafe wäre, der sie in dem armen unschuldigen Kinde für alle ihre Sünden und Schwachheiten heimsuche. Da begehrte draußen plötzlich eine fremde Männerstimme Einlaß, und die Hunde, dadurch geweckt, schlugen laut bellend an. Der Wind, der den ganzen Tag nur schwach von Süden her geweht, hatte sich gedreht, schüttelte, von Nordwesten kommend, die Äste und Zweige der gewaltigen Stämme wild durcheinander und blies, als die Tür geöffnet wurde, das auf dem Tisch stehende Licht aus. Das Feuer im Kamin war indessen ebenfalls ziemlich niedergebrannt, und das Haus lag plötzlich in tiefer Dunkelheit.
»Hallo da drinnen – kann ich hier übernachten?« rief da die Stimme zum zweitenmal, »der Henker hole die Hunde – wollt ihr die Mäuler halten!«
»Ruhig, Hektor – ruhig, Deik – nieder mit euch, ihr Kanaillen! Könnt ihr einen Mann nicht zu Worte kommen lassen?« schrie Atkins, der vor die Tür getreten war, ärgerlich zu den Hunden hinüber. »Steigt ab!« wandte er sich dann an den Fremden, »mein Bursche soll das Pferd besorgen.«
»Beißen die Hunde?« fragte jener, vorsichtig über die Fenz steigend.
»Nein«, sagte Atkins, »nicht, wenn ich dabei bin. Kommt nur hierher und fallt nicht über das Holz dort. Halt! Da steht die Stahlmühle – stoßt Euch nicht – so – drei Stufen, die unterste wackelt ein wenig. Oh, Ellen, zünde doch das Licht wieder an!«
Ellen war indessen schon emsig beschäftigt gewesen, ein paar Kienspäne zum Brennen zu bringen. Bald war der Raum auch hinlänglich erleuchtet, um den Mann wenigstens erkennen zu können, der in diesem Augenblick ins Zimmer trat, dort seinen alten Reitermantel und die Otterfellmütze ablegte und nun freundlich grüßend zu der Familie an den Kamin und in den hellen Schein des jetzt wieder hoch auflodernden Feuers schritt. Er war ein kleiner untersetzter Mann mit lebhaften grauen Augen, langen, glatten blonden Haaren und vielen Sommersprossen; er trug ein baumwollenes Jagdhemd und Gamaschen, während eine alte, vielgebrauchte Satteltasche, die er über dem Arm trug und jetzt neben dem Kamin niederlegte, alles das zu enthalten schien, was er auf einem Ritt durch den Wald brauchte. Sein Blick schweifte, als er sich den beiden Männern näherte, unruhig von einem zum andern, und er schien mit sich selbst zu Rate zu gehen, welchen von ihnen er als den Wirt des Hauses anreden solle.
Mrs. Atkins mochte übrigens mit dem neuen Gast, der nur noch mehr Störung und Unruhe versprach, weniger zufrieden sein, denn sie nahm jetzt mit ziemlich mürrischem Blicke das kranke Kind auf den Arm, hüllte es in eine Decke und rief Ellen zu, ihr mit dem Licht in den anderen Teil des Hauses zu folgen, wo augenblicklich ein Feuer im Kamin angezündet werden sollte. Ellen gehorchte schnell dem Befehl, und es war wahrscheinlich, daß Mrs. Atkins sich an diesem Abend nicht wieder sehen lassen würde.
»Schrecklicher Wind draußen«, sagte der Fremde nach einer Weile, als er mit sich selbst über die Identität des Wirtes einig zu sein schien; »bläst, als ob er die Eichen mit der Wurzel ausreißen wollte.«
»Ja, es ist draußen ein wenig unruhig«, meinte Atkins, seinem Gast einen forschenden Blick zuwerfend. »Ihr kommt wohl weit her?«
»Nein, nicht so sehr – vom Mississippi.«
»Weiter westlich?«
»Ja – nach Fort Gibson zu – wie weit ist’s noch bis zum Fourche la fave?«
»Ich wohne an dem Fluß«, antwortete Atkins und begegnete dabei dem Blick des Fremden. Brown, der durch die Unruhe mit dem Kind und den Eintritt des Neuangekommenen aufgestört war, hatte indessen seinen Sitz am Feuer wieder eingenommen und unterhielt sich damit, den langen Feuerstock, der in der Kaminecke lehnte, dann und wann in die Glut zu stoßen.
»Ihr seid am Ufer des Flusses mehrere Meilen entlanggeritten«, mischte er sich jetzt in das Gespräch, »konntet ihn selbst aber nicht sehen, da das Schilf wohl eine Viertelmeile breit und sehr dicht ist.«
»Ja, ich dachte mir, daß der Fluß in der Nähe sein müßte. Schönes Schilf hier – muß herrliche Fütterung geben. Die Weide ist wohl gut hier?«
»Sehr gut«, antwortete Atkins, und wieder begegnete sein Blick dem des Fremden, der Brown unauffällig beobachtete. Dieser aber hörte mitten in seiner Beschäftigung auf, ließ ganz in Gedanken den Stock in der Glut, der hell zu flammen anfing, und sah sinnend in den Kamin hinein, als ob er sich irgend etwas ins Gedächtnis zurückrufen wollte, das ihm entfallen war.
»Ich bin scharf geritten«, brach jetzt der Fremde das kurze Schweigen, »und der Wind macht durstig; dürft’ ich Sie wohl um einen Schluck Wasser bitten?«
»Von Herzen gern«, erwiderte Atkins und ging zu dem Eimer, um dem Gast das Verlangte zu reichen. Aber auch Brown sah sich, von einem plötzlichen Gedanken durchzuckt, nach diesem um und fand dessen Blick forschend auf sich gerichtet. Doch der Fremde wandte sich sogleich Atkins zu, nahm den Flaschenkürbis und tat einen langen Zug.
»Als ich den Herrn nach Wasser fragen hörte, fiel mir ein, daß auch ich durstig bin«, sagte Brown jetzt wieder ganz gefaßt, der sich nun mit aller Klarheit des Gespräches in der gespenstischen Hütte am Arkansas erinnerte und auf keinen Fall die beiden Männer merken lassen wollte, daß er irgendeinen Verdacht geschöpft hatte.
»Halt, Gentlemen«, rief jetzt Atkins, »Sie trinken da das kalte Zeug so in sich hinein, noch dazu bei solchem Sturm draußen; wie wär’s, wenn wir erst ein Tröpfchen Whisky vorangössen? Der mag Bahn brechen und das Wasser tut nachher auch keinen Schaden mehr.«
»Wird uns allen dreien von Vorteil sein«, bestätigte schmunzelnd der Fremde, während der Wirt an einen kleinen Seitenschrank ging und gleich darauf einen Krug und drei Blechbecher zum Vorschein brachte.
»Hier, Mr. Brown – schenkt Euch selbst ein«, sagte er zu diesem, ihm den Krug hinhaltend, »oh – ordentlich, das ist ja kaum ein Tropfen – so ist’s recht. Je unfreundlicher es draußen stürmt, desto freundlicher müssen wir sehen, es im Innern zu erhalten. – Und nun Sie, Sir, wie ist Ihr Name eigentlich? Ich heiße Atkins und der Herr da Brown!«
»Mein Name ist Jones«, erwiderte der Gast, John Jones, leicht zu behalten, nicht wahr? Nun, auf bessere Bekanntschaft, Mr. Atkins – auf bessere Bekanntschaft, Mr. Brown!« Und er hob den Becher, freundlich zu den Männern aufblickend, an die Lippen. Atkins’ Züge aber überflog ein halb spöttisches, halb ängstliches Lächeln, als der Mann, der sich Jones nannte, mit dem Regulator »auf bessere Bekanntschaft« anstieß. Er durfte aber, was er dachte, mit keiner Miene, mit keinem Blick verraten und begnügte sich nur, die Becher der beiden zu berühren, während er wirklich aus tiefster Seele sagte, »auf daß wir immer recht gute Freunde bleiben mögen!«
Ellen hatte indessen mehrere Decken und Matratzen auf der Erde ausgebreitet und begann ein Lager daraus herzurichten.
Auf Atkins’ Frage nach dem Befinden des kranken Kindes sagte sie, daß es arge Schmerzen zu haben scheinen obgleich keiner von ihnen wisse, was ihm fehle.
»Kannst du ein Viertelstündchen von der Pflege des Kleinen abkommen?« fragte der Vater.
»Ich weiß nicht, ob…«
»Schon gut – setze nur die Töpfe ans Feuer«, unterbrach sie Atkins, »du mußt schnell noch etwas Abendessen für Mr. Jones hier zurechtmachen. Ich will es indessen meiner Frau sagen.«
Er verließ nach diesen Worten das Zimmer, und Ellen traf rasch alle nötigen Vorbereitungen zu der einfachen Mahlzeit der westlichen Farmer, die aus warmem Maisbrot, gebratenem Speck, heißem Kaffee und etwas Butter, Käse und Honig bestand. Die beiden Männer saßen indessen ruhig am Kamin, und Brown beobachtete die schlanke Gestalt des schönen Mädchens, das mit geschäftiger Eile und gewandter Hand alles Nötige besorgte, während Jones, wie in tiefen Gedanken, mit dem langen Stock im Feuer herumstocherte. Diese Arbeit unterbrach er nur dann, wenn er mit etwas ungeduldiger Miene einen Blick zuerst auf die über dem Kamin stehende Uhr und dann nach der Tür warf, durch die er Atkins zurückerwartete.
Dieser erschien endlich, und zu gleicher Zeit war das Abendessen für den späten Gast bereitet. Ellen sollte aber noch mehr Arbeit bekommen, denn eben hielten draußen vor der Tür wieder mehrere Pferde; man hörte Frauen sprechen, und die scharfe Stimme der Mrs. Atkins rief gellend herüber, den Kaffee aufzusetzen und eine tüchtige Kanne voll bereitzuhalten.
Brown saß noch immer sinnend, den Kopf an den Seitenbalken gelehnt, neben dem Kamin; Atkins aber zündete ein zweites Licht an und sagte freundlich zu ihm:
»Mr. Brown, Sie scheinen müde zu sein, hier ist Ihr Licht, und wenn Sie sich niederlegen wollen, will ich Ihnen Ihr Bett zeigen.«