Kitabı oku: «Die Regulatoren in Arkansas», sayfa 21
»Gut denn, auf Wiedersehen!« sagte der junge Mann, winkte dem Zurückbleibenden noch einmal zu und trabte dann, von den anderen gefolgt, schnell auf dem in den Wald führenden Pfad hin.
25. Harper und Marion – Ellens Ankunft bei Roberts
Still und freundlich beschien die leuchtende Morgensonne Roberts’ Anwesen. Noch hatten die das Feld und den Hofraum begrenzenden Kiefern und Eichen ihren tauigen Perlenschmuck nicht verloren, warfen ihn aber jetzt in glitzernden Tropfen auf die duftende Erde nieder.
Vier große, stattliche Truthühner stolzierten kollernd auf dem das Haus umgebenden freien Platz umher. Auf den kleinen, niederen Hickorybüschen, die des Schattens wegen in der Nähe des Hauses stehen gelassen waren, lärmten die blauen Häher und zwitscherten die feuerroten Kardinäle, und hier und da glitt ein munteres Eichhörnchen an einem Stamm herunter. Rasch sprang es dort auf die Fenz, lief an dieser, genau den Zickzackwindungen derselben folgend, hin und schwang sich dann wieder, durch irgendein im Laube raschelndes Huhn aufgescheucht, mit flüchtigem Satz an dem ihm nächst stehenden Baum hinauf, bis es sich in Sicherheit wußte. Nicht lange aber dauerte es, so schaute es oben, das Köpfchen gar schlau und pfiffig drehend, vorsichtig um den schlanken Stamm herum, mit den weit vorgespitzten kleinen Ohren herunterlauschend, was das verdächtige Geräusch denn wohl verursacht habe.
Die beiden Frauen waren allein. Roberts hatte sich mit den Hunden schon vor Tagesanbruch in den Wald begeben, um dort nach seinen Herden zu sehen, aber versprochen, noch vor Mittag wieder zurück zu sein, und Mrs. Roberts wirtschaftete jetzt geschäftig zwischen allen möglichen Pfannen und Töpfen herum. Ja sogar das Rauchhaus wurde durchstöbert und von dorther einige zugebundene und verwahrte Büchsen und Gläser herbeigeschafft, die teils saure Gurken und Honig, teils aber auch die verschiedenen Waldfrüchte, auf treffliche und delikate Art eingemacht, enthielten und heute zu einem sowohl seltenen als glänzenden Festmahl hervorgeholt wurden.
Marion hatte das Geschäft des Backens übertragen bekommen und knetete das weiße Mehl zu kleinen flachen Biskuits. Später sollten diese in der hohen eisernen Deckelpfanne gebacken werden, für jetzt aber lagen sie noch in langen Reihen auf dem Tisch ausgebreitet und wurden nur vorderhand mit einer Gabel eingestochen, um der Luft freien Zutritt zu gestatten und sie etwas zu lockern.
Die beiden Frauen trugen, ganz auf die gewöhnliche Art der amerikanischen Hinterwäldlerinnen, selbstgewebte Kleider, deren Stoff aber von der besten und vorzüglichsten Art, und die Farben und Muster auf das geschmackvollste und sinnigste gewählt waren.
Marion hatte die vollen kastanienbraunen Haare einfach und glatt zurückgescheitelt, und in einem Knoten befestigt. Der einzige Schmuck, den sie trug, waren zwei kleine, halb aufgeblühte weiße Rosen. Sie hatte ihre Arbeit beendet und schaute jetzt stumm und sinnend, die Hände gefaltet, den Kopf wie ermüdet an den blank gescheuerten Türpfosten gelehnt, die Straße hinab.
»Kommt er noch nicht?« fragte die Mutter, indem sie mit Kennermiene ein eben geöffnetes Glas an die Nase hielt.
»Wer?« fragte Marion, erschrocken auffahrend und sich schnell nach der Mutter hinwendend.
»Wer?« fuhr diese, ohne die Bewegung zu beachten, fort, »wer? Närrisches Mädchen, Sam natürlich, den du doch selbst zu Mr. Harper hinuntergeschickt hast, um ihn für heute einladen zu lassen. Hat’s aber gar nicht verdient, daß man die Leute nach ihm in die Welt hineinjagt. Er hätte sich wohl in der langen Zeit einmal wieder können blicken lassen.«
»Er war ja krank!«
»Nun, sein sauberer Neffe denn, der jetzt zu den Regulatoren übergegangen ist. Du warst auch unwohl, und es wäre nicht mehr als artig gewesen, einmal nachzufragen, wie dir’s ginge. Er ist immer freundlich hier aufgenommen und hat gar nichts zu Hause zu tun…«
»Er hat seinen Onkel gepflegt«, sagte Marion leise.
»O ja – ich weiß wohl, du verteidigst ihn immer seit der Geschichte mit dem…«
»Mutter!« unterbrach das Mädchen sie fast noch leiser als zuvor und mit einem leichten Vorwurf im Ton.
»Nun ja – er hat dir damals einen großen Dienst erwiesen, das ist richtig«, murmelte die alte Dame, »aber auch nicht mehr, als jeder andere an seiner Stelle getan haben würde, und – doch ich will gar nichts gegen ihn sagen, Kind«, schwatzte sie dann redselig weiter, die nicht mehr benötigten Gefäße dabei an ihre bestimmten Plätze zurücktragend, »ich habe keineswegs etwas gegen ihn. Er ist soweit ein lieber junger Mann, aber darum bin ich ja gerade böse auf ihn, daß er nicht manchmal herkommt. Freilich ist die Sache mit Heathcott…«
»Aber Mutter!« rief mit vorwurfsvollem Ton die Tochter.
»Ich weiß, was du sagen willst«, fuhr diese, ohne sich irre machen zu lassen, fort, »ich weiß; warum hat er sich denn aber seit jener Zeit nicht wieder hier sehen lassen, wenn er ein so ganz gutes, reines Gewissen hat? – Mr. Rowson gab mir darin neulich ganz recht.«
»Und Mr. Rowson hätte gerade volle Ursache, Herrn Brown zu verteidigen, wo es in seinen Kräften steht«, rief Marion, eifriger als bisher. »Das ist etwas, was mir an ihm nicht gefällt.«
»Er hat ihn auch verteidigt«, entgegnete diese, »hat ihn wacker verteidigt; aber was kann er dafür, wenn er selbst den Verdacht nicht ganz abzuschütteln vermag?«
Marion wandte sich zur Seite, um eine Träne zu verbergen. Ihre Mutter hatte aber jetzt auch vollauf zu tun, um verschiedene Fleischstücke herbeizuholen, die sie noch vor zwölf Uhr zubereiten wollte. Zufällig trat sie dabei einmal an das kleine, in die Holzwand eingeschnittene Fenster, das, eigentlich gegen arkansische Sitte, mit einer Glasscheibe versehen war, und entdeckte plötzlich zu ihrem Entsetzen drei Reiter, die auf der Straße herankamen. Es war der erwartete Harper mit seinem Nachbar Bahrens und hinter denen ihr eigener Negerknabe.
»Ei bewahre!« rief Mrs. Roberts erschrocken aus, »da kommt Harper schon, und ich bin noch nicht fertig. – Ei, der Schlingel von einem Jungen! Er hat doch bestellen sollen: erst um zwölf.«
»So laß doch, Mutter«, beruhigte sie Marion, »die beiden Männer nehmen das nicht so genau, es sind ja gute Freunde vom Vater; Sam hat sie sicher schon unterwegs getroffen.«
Es war übrigens auch nichts mehr daran zu ändern; Mrs. Roberts ordnete in aller Geschwindigkeit ihre, wie sie glaubte, etwas verschobene Haube vor dem kleinen Spiegelglas, strich sich die Schürze glatt und trat dann den beiden Gästen, wenn auch mit noch ein wenig erhitztem Gesicht, freundlich und herzlich entgegen.
»Willkommen, Mr. Harper, willkommen!« sagte sie, diesem die Hand reichend. »Nur herein, Gentlemen, mein Mann wird auch gleich hier sein, er will bloß einmal nach ein paar Kühen sehen, die lange nicht zum Melken nach Hause gekommen sind. – Nur näher, Mr. Bahrens, wenn ich auch noch nicht ganz in Ordnung bin.«
»Mrs. Roberts«, erwiderte dieser lachend, »ich dränge mich heute ungeladen ein, erfuhr aber erst, daß Sie Gäste hätten, als ich schon auf dem Wege war.«
»Ich glaubte Sie mit bei der Regulatorenversammlung«, antwortete Mrs. Roberts, »sonst hätt’ ich schon lange zu Ihnen hinübergeschickt, aber nur herein, vor der Tür machen wir das alles nicht ab.«
Die beiden Männer folgten der Einladung, und Harper, zwar noch immer sehr blaß und angegriffen, aber doch mit dem früheren gemütlichen Wesen, das ihm gerade so viele Freunde in der Ansiedlung erworben, mußte sich nun vor allen Dingen niedersetzen, einen Becher des besonders für ihn aus Honig und Früchten bereiteten Getränks zur Stärkung zu sich nehmen und dann erzählen, wie es ihm während seiner Krankheit ergangen, wer ihn alles gepflegt und was er für Arzneien genommen. Er willfahrte auch mit der freundlichsten Bereitwilligkeit dem allen und rühmte besonders seinen Neffen und seine drei Nachbarn, Wilson, Cook und Roberts, die sich sehr verdient um ihn gemacht hätten. »Selbst Bahrens«, fuhr er fort, diesem die Hand hinüberreichend, »hat sein Maisfeld verlassen und ist auf ein paar Tage zu mir herübergekommen. Sie haben mich alle lieb, was kann ich denn hier im Walde mehr verlangen?«
Das Gespräch wandte sich jetzt den ihnen zunächst liegenden Dingen zu, das heißt, man sprach über alle möglichen Arten von Gemüse und über andere Eßwaren, die teils schon auf dem Feuer brodelten, teils noch der weiteren Verwendung harrend auf einem kleinen Seitentisch aufgeschichtet lagen, während Mrs. Roberts ein scharfes Messer heraussuchte und ihre Absicht kundtat, in den Garten zu gehen, um etwas Salat zu holen.
Bahrens, der ihr indessen schon einige außerordentlich wunderbare Begebenheiten von fabelhaft großen Spargeln und märchenhaften Kohlköpfen erzählt hatte, bestand darauf, sie zu begleiten, und Harper blieb mit dem Mädchen allein im Haus zurück.
Marion hatte sich schon den ganzen Morgen danach gesehnt, mit Harper ein paar Minuten allein über Brown zu reden, war er doch der einzige, zu dem sie sprechen durfte. Als dieser Wunsch aber nun erfüllt war, schien es ihr, als ob ihr die Zunge am Gaumen klebte, und sie konnte kein Wort hervorbringen. Auch Harper schwieg, doch dachten beide sicherlich nur an denselben Menschen, fürchteten aber, etwas für beide so Schmerzliches zu berühren, und konnten es doch nicht übers Herz bringen, ein anderes, gleichgültiges Gespräch anzuknüpfen. Da brach endlich Harper das peinlich werdende Schweigen und sagte, dem jungen Mädchen mit wehmütig freundlichem Ausdruck die Hand hinüberreichend:
»Wie geht es Ihnen, Marion? Gut, hoff’ ich, nicht wahr? Das ist recht. Seien Sie ein braves, starkes Kind. Es freut mich herzlich, Sie so wohl und – und zufrieden zu finden. – Mr. Rowson«, fuhr er dann fort, als ihm Marion die Hand gereicht hatte, »Mr. Rowson ist ein sehr wackerer Mann und wird Sie schon so glücklich machen, wie Sie es verdienen. Der – der Junge ist doch ein Sausewind, und – sehen Sie, es ist vielleicht viel besser so —
Er ist jetzt bei den Regulatoren«, erzählte er, ihren fragenden Blick verstehend, weiter, »will aber nur sehen, ob er nicht die wirklichen Mörder finden kann. – Pest und Gift! Es müßte eine Wonne sein, die Kerle hängen zu sehen.«
»Und er ist nicht schuldig, nicht wahr?« fragte das Mädchen mit bittendem Blick.
»Schuldig?« fuhr Harper in seinem Stuhl auf, »schuldig? Ist da noch einer, der ihn für schuldig hält? Nein, Sie nicht«, sagte er dann, ihre Hand, die er nicht wieder losgelassen, beruhigend streichelnd, »sie gewiß nicht, aber auch andere Leute sollen das nicht mehr. Ich selbst freilich glaubte es einmal; ich kannte sein schnell aufloderndes Blut. Das geraubte Geld machte mich aber gleich stutzig, und später erst fand es sich dann, daß er an jenem Tage seine Mokassins getragen, und die Spuren waren beide von Stiefeln oder Schuhen. Nein, er hat keine Schuld an jenem Blute, hoffentlich aber wird irgendeinmal ein Zufall den wirklichen Täter verraten.«
»Die Regulatoren sind ja, wie Sie sagen, deshalb versammelt«, erwiderte leise das Mädchen.
»Ach, das sind auch nur Menschen«, meinte kopfschüttelnd der alte Harper, »nicht einmal Indianer. Ja, wenn Assowaum bei uns geblieben wäre; der Schlingel hat sich aber recht heimlich – recht indianisch fortgeschlichen und nie wieder etwas von sich hören lassen. Bill behauptet freilich noch immer, daß er wieder zurückkommt.«
»Mr. Rowson äußerte hier neulich, das heimliche Fortgehen des Indianers spreche sehr gegen ihn«, sagte Marion.
»Oh, Mr. Rowson sollte ein wenig sparsamer mit seinem Verdacht umgehen«, rief eifrig der alte Mann. »Es ist nicht schön, einem Menschen gleich so Schreckliches nachzusagen, und wenn er auch nur ein Indianer ist. Übrigens war der es nicht, dagegen wollt’ ich mit Freudigkeit meinen Hals zum Pfand setzen.«
»Wird Mr. Brown noch nach Texas gehen?« flüsterte zitternd das Mädchen.
»Ja«, bestätigte Harper, auf einmal wieder traurig und niedergeschlagen. »Ich kann ihm den tollen Gedanken nicht ausreden und glaube, wenn sie heute den Mörder fänden, er ginge morgen fort. Hat er schon das Pferd von Ihrem Vater gekauft?«
»Das eben ließ mich fragen«, sagte Marion, »ich hörte, wie mein Vater heute morgen äußerte, er müßte den Fuchs, der oben im Talgrund gewöhnlich weidet, für Mr. Brown einfangen. Es tut mir unendlich leid, die Ursache zu sein, die ihn fort – von Ihnen forttreibt.«
»Es hat so sein sollen, liebe Marion«, beruhigte sie der alte Mann, »und es ist vielleicht recht gut, daß es gerade so und nicht anders gekommen ist; wer kann es denn wissen. Also Herz gefaßt, mein liebes Mädchen, und die starke Seite nach außen gekehrt.« Dabei hob er ihr das Kinn in die Höhe und wollte sie recht heiter und sorglos anschauen, die Stimme zitterte ihm aber doch, und er mußte hart kämpfen, daß er nicht am Ende selbst von ihrer Wehmut angesteckt wurde.
Gerade noch zur rechten Zeit kam jetzt Mrs. Roberts mit Bahrens aus dem Garten zurück, zwar lachend, dennoch aber mit einer gewissen religiösen Entrüstung, daß Mr. Bahrens da Sachen erzählte, die doch unmöglich wahr sein könnten, so gern sie auch seinen Worten glaube. Bahrens dagegen bestand fest auf dem Erzählten und rief jetzt Harper für einiges, das er auch ihm schon mitgeteilt haben wollte, zum Zeugen auf.
Sie waren noch in diesem halb ernsten, halb scherzhaften Streit begriffen, als zwei Reiter vor dem Haus hielten und Ellen, von dem jungen Mulatten gefolgt, eintrat.
Die Mädchen kannten sich schon von früher her, und begrüßten sich herzlich, aber auch Mrs. Roberts empfing die junge Waise mit wirklicher Güte, da Rowson ihr (in diesem Falle einmal die Wahrheit) nicht allein sehr viel Liebes und Gutes, sondern auch das von ihr erzählt hatte, daß ihre Pflegemutter, Mrs. Atkins, sie eigentlich mehr wie eine Sklavin als wie das Kind, wenn auch das angenommene, behandele.
Harper war Ellen noch fremd, Bahrens hatte sie aber schon häufig gesehen, und sie fragte nach den ersten Begrüßungen schüchtern, ob sie noch zeitig genug eingetroffen sei, da sie sich zu Hause etwas verspätet.
»Zeitig genug, liebes Kind«, unterbrach sie Mrs. Roberts, »zeitig genug; morgen früh erst wollen wir hinüberreiten in deine neue Wohnung. Es wird wohl noch manches darin nötig sein, denn man kann doch nicht erwarten, daß ein Junggeselle seine Wirtschaft so ganz vollkommen eingerichtet haben sollte. Später besuchen wir den Richter, wo Mr. Rowson nachmittags predigen wird, und jener verbindet dann die jungen Leute miteinander. Abends bringen wir sie nach Hause, und du, liebes Kind, bleibst mit unserem Negerknaben, den ihr zu eurer ersten Einrichtung eine Zeitlang dort behalten könnt, bei ihnen.«
Diese Angelegenheit war bald in Ordnung gebracht, und es rückte nun die viel wichtigere des Mittagessens heran. Weder Rowson noch Roberts kamen aber, und die Matrone fing schon an sehr ungeduldig zu werden. Bahrens hatte auch, auf wiederholtes Anregen, soeben zum zweitenmal in das lange gerade Blechhorn stoßen müssen, das den Ton weithin durch den Wald trug, als endlich Roberts’ Jagdrufe Antwort gaben, und bald tobten, als fröhliche Vorboten, die kläffenden Hunde die Countystraße herunter. Wenige Minuten später kamen Roberts und Rowson, in etwas größerer Eile als gewöhnlich, angetrabt, wahrscheinlich, um dem dringenden Rufe Folge zu leisten und die Frauen nicht länger warten zu lassen.
26. Die Regulatorenversammlung – Jones befindet sich in einer höchst unangenehmen Lage – List gegen List
Um Bowitts kleines Haus hatte sich an demselben Morgen nicht allein eine ziemliche Anzahl der benachbarten, sondern auch der entfernter wohnenden Farmer und Jäger versammelt. Die Wohnung selbst durfte aber keiner betreten. Dort wirtschafteten und arbeiteten nämlich zwei wohlbeleibte, von der benachbarten, einem wohlhabenden Mann aus Little Rock gehörenden Mühle geliehene Negerinnen, um für manche, die schon eine weite Strecke Weges gekommen, Frühstück zu bereiten und unterdessen auch die nötigen Vorbereitungen zum Mittagessen zu treffen. Zu gleicher Zeit hing vor dem Haus über einem lodernden Feuer ein großer eiserner Kessel, um kochendes Wasser bereitzuhalten und dann und wann die Morgenkühle mit einem heißen, erquickenden Trank erträglicher und angenehmer zu machen.
Obwohl aber der Becher häufig im Kreise herumging, der doch sonst so schnell Leben und Fröhlichkeit unter die Männer von Arkansas brachte, schien heute ein fast feierlicher Ernst die Zungen der meisten gefesselt zu haben. Unter einem dichtlaubigen Baum, der das daruntergestreute vorjährige Laub vor dem niederfallenden Regen geschützt hatte, standen die Regulatoren, finstere Aufmerksamkeit und feste Entschlossenheit in den dunklen, sonngebräunten Gesichtern, dicht um einen einzelnen Mann geschart, der mit lebhaften Gebärden und geläufiger Zunge ihnen etwas anscheinend sehr Interessantes mitzuteilen schien.
Es war ein kräftiger, derber Bursche, der mit lebhaften Gestikulationen seinen Zuhörern erzählte, wie er von den Cherokesen aus der Spur von gestohlenen Pferden gefolgt sei, etwa fünf Meilen von da aber die Fährten verloren habe und schon wieder auf dem Heimwege gewesen sei. Da hätte er von dem »Regulator Meeting« gehört und war nun hierher geritten, die Regulatoren, wenn er die Tiere auch jetzt nicht wiederbekäme, doch auf diese wenigstens aufmerksam zu machen und ihre genaue Beschreibung zu hinterlassen.
Der Kanadier, denn Kanada nannte er seine Heimat, war ein kleiner untersetzter Mann, mit glänzend schwarzen, langen Haaren, dunklen feurigen Augen, blendendweißen Zähnen und ganz indianisch vorstehenden Backenknochen, etwas breitgedrückter Nase und großen Nasenflügeln. Seine Gesichtsfarbe schien freilich kaum dunkler gefärbt als die der ihn umstehenden Männer, seine Kleidung war aber völlig indianisch, und selbst der Gürtel, den er trug, aus perlenbestickter roter Wolle gefertigt und reich mit Pantherfängen und Bärenkrallen verziert.
Die Regulatoren rieten noch hin und her darüber, wie sonderbarerweise die meisten Fährten in ihre Nachbarschaft führten und da, auf fast wunderbare Weise, verschwanden, als Brown, Jones und Cook herbeiritten und von den vor der Hütte Versammelten mit freudigem Gruß empfangen wurden. Zu gleicher Zeit fast trat auch Husfield von der anderen Seite her ein und erquickte sich vor allen Dingen an dem Frühstück, da er schon, seiner Aussage nach, fünfzehn Meilen nüchtern geritten war.
Erst als er dies beendet, näherte er sich den zuletzt angekommenen Freunden, denen der Kanadier seine Erzählung wiederholte. Da mischte sich Jones mit in das Gespräch und fragte den Halbindianer, ob nicht ein weißes Pferd mit einem schwarzen Hinterbein unter den vermißten gewesen sei.
Mit freudig erstauntem Eifer bejahte es der Fremde.
»Dann hab’ ich sie gesehen«, sagte Jones, mit der rechten Faust in die linke geöffnete Hand schlagend, »dann hab’ ich sie, straf’ mich Gott! gesehen.«
»Aber wo?« fragte schnell und hitzig der Bestohlene.
»Etwa fünfzehn Meilen von hier; schon spät gestern abend und oben auf dem Bergrücken, der die Wasser der Mamelle und dieses Flusses voneinander trennt.«
»Und welchen Weg nahmen sie?« fragte jener voll Eifer, »waren sie auf der offenen Straße, oder…«
»Sie kreuzten die Straße, gerade als ich den steilen Berg von der andern Seite heraufkam«, erwiderte Jones.
»Und wieviel Männer waren mit ihnen?«
»Einer nur, den ich sehen konnte.«
»Das sind sie«, rief der Kanadier frohlockend aus, »ein Farmer an der Grenze hatte sie ebenfalls gesehen, konnte mir nur den Mann nicht beschreiben, da er zu weit entfernt gewesen war. Aber wo etwa find’ ich die Fährten?«
»Die werden freilich Regen und Wind verwischt haben«, meinte Jones nachdenklich, »kommt Ihr aber auf den Berg und seid etwa vier oder fünf Meilen geritten, ohne die Spuren anzutreffen, so tut Ihr meiner Meinung nach am besten, gleich hinüber an den Arkansas zu reiten. Der fließt von dort nicht so sehr weit entfernt, und in den am Uferrand stehenden Blockhütten werdet Ihr sicher Kunde von den Dieben bekommen.«
»Dann will ich wenigstens keine Zeit weiter versäumen, daß ich nicht auch diese, wenngleich sehr kalte Fährte verliere«, rief der Fremde, »dank’ Euch für die Weisung – Good-bye, Gentlemen!« Und ohne weitere Umstände wollte der Kanadier zu seinem Pony eilen und dem Dieb nachsetzen. Brown faßte ihn aber am Ärmel seines ledernen Jagdhemdes, und als ihn der Zurückgehaltene verwundert ansah, sagte er freundlich:
»Schenkt uns noch etwa eine halbe Stunde. Die angegebene Spur ist doch, wir Ihr einsehen müßt, sehr unsicher und zeitraubend, und auf so wenige Minuten kann es Euch unmöglich ankommen. Überdies scheint Euer Pferd ermattet und bedarf der Ruhe. Seid Ihr also in einer Stunde noch gesonnen nachzusetzen, so könnt Ihr meins nehmen, das frischer bei Kräften ist und Euch die versäumte Zeit bald einbringen wird. Auf dem Rückweg tauschen wir die Tiere wieder aus.«
»Wenn aber der Bursche unterdessen ein Boot finden sollte, das ihn aufnähme?« sagte Jones.
»So schnell wird das nicht gehen, denn so häufig sind die Dampfboote noch nicht auf dem Arkansas. Also Ihr bleibt noch ein wenig und nehmt dann mein Pferd?«
Der Mann nickte befriedigt und jetzt wieder voller Hoffnung, folgte aber fast noch freudiger dem Wink Bowitts, der ihn zu dem gedeckten Tisch lud. Dort zeigte er sich anfangs allerdings etwas zurückhaltend, bald gestand er aber, daß er seit dem vorigen Morgen keinen Bissen über die Zunge gebracht, und wütete nun ordentlich, zum Entsetzen der Negerinnen, unter den Speisen und Getränken.
»Gentlemen«, redete jetzt Brown, als sich der Halbindianer zurückgezogen hatte, die Versammelten an, »ich habe Ihnen vor allen Dingen einen mir von Herrn Rowson empfohlenen Fremden vorzustellen, der als Regulator aus Missouri bei uns eingeführt zu werden wünscht. Er hofft dadurch zwischen uns und den nördlichen Staaten eine Verbindung herzustellen, wünscht aber zuerst vor allen Dingen unsere Versammlung zu besuchen und den Geist kennenzulernen, der sie beseelt. Nicht wahr, Mr. Jones?«
Der also Gefragte verbeugte sich bloß verbindlich.
»Da er gleich damit begonnen hat«, fuhr Brown fort, »einem Hilfsbedürftigen auf den rechten Weg zu helfen, um sein verlorenes Eigentum wiederzuerhalten, so glaube ich nicht, daß es noch weiterer Empfehlung bedarf, ihm den Zutritt zu unserer sonst eigentlich geheimen oder wenigstens geschlossenen Versammlung zu gestatten – meinen Sie nicht auch?«
»Genügt völlig«, riefen die Männer fast einstimmig, und Husfield trat vor und drückte dem Fremden seine besondere Freude aus, gleich mit dem Bruderstaat in solcher Art verbunden zu werden. »Was wolltet Ihr mir denn sagen, Brown?« fragte diesen jetzt Cook, als er einige Schritte mit ihm abseits getreten war.
»Geht dem eben Eingeführten nicht von der Seite«, flüsterte Brown schnell, »er gehört mit zur Bande – pst – kein Wort weiter – teilt es Wilson mit, und ihr beide bewacht ihn – habt Ihr Euer Terzerol?« Cook bejahte. »Gut – ich will nur erst die Neger dort beiseite haben; ich traue ihnen nicht, sie könnten Alarm geben…«
»Also ist das mit den gesehenen Pferden auch eine Lüge?« fragte Cook schnell.
»Pst – er sieht hierher«, flüsterte Brown, »er darf noch nichts merken – nehmt Euch Wilson zur Hilfe, und dann müssen wir das Mittagessen schnell vorüber haben, daß die Neger fortkommen.«
Die Männer trennten sich jetzt auf kurze Zeit, als Jones aber gleich darauf von dem Kanadier wieder vorgenommen und über mehrere Einzelheiten befragt wurde, trat Cook noch einmal an Brown heran und sagte leise:
»Die Neger bekommen wir nicht fort, sie bleiben den ganzen Tag hier. Was geschehen soll, muß also bald geschehen. Daß sie aber nachher nicht fortkommen und das Gerücht aussprengen, dafür will ich schon sorgen.«
»Habt Ihr es Wilson gesagt?« fragte Brown.
»Ja, seid ohne Sorge, der kommt nicht weg – das gibt einen Hauptspaß. Doch die Versammlung soll beginnen.«
Husfield näherte sich in diesem Augenblick Brown und fragte ihn, ob sie nicht anfangen sollten, da manche der hier Anwesenden vielleicht noch an demselben Tage nach Hause zurückzukehren wünschten. Brown erwiderte hierauf kein Wort, führte ihn aber einige Schritte von den übrigen fort und erzählte ihm nun in aller Kürze und mit so wenig Worten als möglich seinen Verdacht.
»Und was wollt Ihr tun?« fragte Husfield schnell.
»Davon nachher«, flüsterte Brown, »mir bangt nur vor den Negern. Wer weiß, wenn wir hier etwas vornehmen, ob die nicht…«
»Ihr habt recht«, unterbrach ihn Husfield, »mir kam es überdies schon vor, als ob der Fremde dem einen Neger ganz verstohlen zugenickt hätte, Verrat könnte uns hier alles verderben. Doch halt! Laßt mich sorgen. Bowitt muß dafür stehen und kennt seine Leute; den will ich unterrichten. Verzögert Ihr indessen die Entscheidung, bis Ihr mich in den Kreis treten und den Hut abnehmen seht – fort! Jones kommt, es mag ihm wohl nicht angenehm sein, wenn zwei miteinander heimlich flüstern.«
Husfield verschwand gleich darauf, und Brown, als gewähltes Oberhaupt dieses Countys, rief die Männer herbei und eröffnete die Versammlung. Nach echt arkansischer Art trat er dabei, um etwas höher zu stehen und sowohl alle sehen zu können als auch von allen gesehen zu werden, auf den Stumpf eines gefällten Baumes und sprach zur Einleitung über den Zweck, der sie hier zusammengeführt, wie über das Gesetzliche der Versammlung selbst, fragte sie aber zum Schluß, ob sie auch fest und ernstlich gesonnen wären, den ungesetzlichen Teil ihrer Verbindung, die Ausübung des sogenannten Lynchgesetzes, in Gemeinsamkeit durchzuführen und die zu strafen, und zwar selbst am Leben, die solche Strafe verdient hätten, wenn es die Mehrzahl der Regulatoren für nötig finden sollte. Ein lautes Ja bewies, wie fest die Männer entschlossen waren, das zu vertreten, was sie einmal begonnen und unternommen hatten.
Unterdessen bemerkte Brown, wie Bowitt eine Zeitlang mit zwei jungen Burschen gesprochen hatte und diese sich jetzt von den übrigen absonderten. Einer nahm seinen Platz gerade der Haustür gegenüber ein, setzte sich dort auf einen Holzklotz und begann das Schloß seiner Büchse sehr aufmerksam zu untersuchen, während der andere, das gesattelte Pony am Zügel, neben ihn trat und eine Unterhaltung mit ihm anknüpfte.
»Nun, Massa«, sagte die eine Negerin zu den beiden, als sie eben einem jungen, etwa zwölfjährigen schwarzen Knaben einen Korb voll Späne abnahm und diese neben die Tür der Hütte schüttete, »wollen Sie nicht der Versammlung zuhören?«
»Noch zu jung, Lyddy«, erwiderte der eine lachend, »und nicht hübsch genug. Es dürfen bloß hübsche Leute dabeisein.«
»Oh, Unsinn das, Massa«, sagte die Negerin, »Massa Hokker dort…«
»Wer, Lyddy?«
»Oh – Massa – Massa Hostler dort«, stammelte die Negerin, offensichtlich verlegen werdend, »Massa Hostler auch nicht groß hübsch. Was hat Massa mit dem Gewehr? Etwas nicht in Ordnung?«
»Das verstehst du nicht, Lyddy«, antwortete der junge Bursche. »Wenn eine Armee irgendwo kampiert, dann werden Posten ausgestellt.«
»Oh, Golly – Golly!« schrie die Schwarze lachend, daß ihre Augen wie zwei große Kugeln aussahen, »Schildwachen vor die Küchentür! – Oh, Golly – Golly!«
Die jungen Leute lachten ebenfalls und scherzten und spaßten mit den beiden Negerinnen, die indessen im Innern des kleinen Gebäudes das Geschirr abwuschen. Dennoch traten sie abwechselnd vor die Tür und schienen besonderen Anteil an den nicht sehr weit von dort gehaltenen Verhandlungen zu nehmen.
»Wir sind also heute hier zusammengekommen, meine Freunde«, fuhr Brown, sich hoch aufrichtend und im Kreise umherschauend fort, »um dem Unwesen des Pferdediebstahls, das uns bei sämtlichen Staaten der Union in Mißkredit gebracht hat, zu steuern. Wenn wir aber auch kräftig und bestimmt gegen die offenen Feinde auftreten können, so ist das bei solchen, die sich unter uns als unsere Freunde einschleichen, die uns schmeicheln und am Tage herzlich die Hand drücken, während sie in der Nacht mit der Raubbrut aus anderen Gegenden verkehren, unmöglich.
Wie aber diese auffinden? hör’ ich euch fragen, wie sie entlarven, wenn sie sich schlau und listig dem forschenden Auge der Gerechtigkeit zu entziehen wissen? Allerdings ist das schwer, aber es lebt auch dort oben ein Gott, der die Sünder manchmal da, wo sie es am wenigsten vermuten, in die Hände der Rächer liefert.«
Husfield trat in diesem Augenblick heran, nahm den Hut ab und trocknete sich die Stirn.
»Nennt es Zufall oder Schicksal«, fuhr Brown, seinem Blick begegnend fort, »was mich gerade zum Mitwisser eines solchen Geheimnisses machen mußte; aber Mitwisser wurde ich, und jetzt, Kameraden, hoff’ ich, daß wir die Fährte gefunden haben, auf der der Wolf nächtlich ausschleicht und seine Beute in Sicherheit bringt.«
»Wo? – Was gefunden? – Was habt Ihr entdeckt, Brown? Wer ist es? Hier in der Ansiedlung? Ist es einer vom Fourche la fave?« tönten die Stimmen wild durcheinander, und Jones, der sich bis jetzt sehr ruhig und selbstzufrieden an einen Baum gelehnt hatte, wandte fast unmerklich seinen Kopf der Hütte zu. Er wollte sehen, ob er auch im schlimmsten Fall den Rückzug zu seinem Pferd frei habe, das dort etwas abgesondert von den übrigen angebunden war. Als er jedoch den Kopf drehte, begegnete er Cooks Blicken, der dicht hinter ihm stand und ihm freundlich und leise zuflüsterte:
»Nicht wahr, Ihr hättet zu keiner günstigeren Zeit hierher kommen können? Die werden in Missouri staunen, wenn sie das hören.«
»Ja – sehr günstig«, bestätigte Jones, »sehr günstig, ich – bin außerordentlich neugierig.« Er wandte den Kopf nach der andern Seite und sah Wilson dort, scheinbar gleichgültig, am Baum lehnend. »Ja wirklich außerordentlich neugierig, wer damit gemeint ist. Schade, daß ich die Leute nicht kenne!«
»Oh, Ihr lernt sie vielleicht kennen«, erwiderte Cook, »aber hört nur!«
»Gleich, meine Freunde«, beruhigte Brown die Ungeduldigen. »Ihr sollt alles erfahren, habt nur ein klein wenig Geduld. Ein Zufall nämlich, wenn wir’s denn einmal so nennen, ließ mich vor einigen Wochen Zeuge eines Gesprächs werden, dessen Sinn mir aber erst seit kurzer Zeit klar und deutlich geworden ist. Es war die Verabredung zweier Ehrenmänner, sich durch gewisse Worte und Redensarten, wenn auch sonst einander gänzlich fremd, an einem dritten Orte zu erkennen und zu verstehen.«