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Kitabı oku: «Eine Mutter», sayfa 29

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»Nun?«

»Alles in Ordnung,« lachte dieser, »Sie alter Menschenkenner Sie – capital gemacht – ausgeßeugnet. Mit Ihnen möchte ich öfter zu thun haben. Donnerwetter, wenn ich da bedenke, wie zäh unser Alter ist!«

»Und er wird nicht pfeifen?« sagte Jeremias.

»Das Unmögliche dürfen wir nicht verlangen,« erwiderte achselzuckend Peters, »aber – er läßt sich 'rausschmeißen, und damit haben wir Alles gewonnen. – Ja, Sie lachen,« fuhr Peters halb beleidigt fort, »aber glauben Sie etwa, daß das eine Kleinigkeit ist? Wenn der Stand halten will, bringen ihn zwölf Menschen nicht hinaus, und zu großen Skandal müssen wir vermeiden, sonst mischt sich doch die Polizei hinein. So aber ist Alles in Ordnung. Pfeifen muß er, das sieht ein Kind ein; er hat das Geld dafür schon genommen, aber er bleibt nahe an der Thür stehen, dann fuhrwerken wir ihn wie der Wind hinaus, und damit ist der ganzen Opposition die Spitze abgebrochen.«

»Und das kostet?«

»Ein Heidengeld – fünfzehn Gulden; er wollte es aber nicht einen Kreuzer billiger thun. Seine Ehre stände auf dem Spiel.«

»Gut,« lachte Jeremias vergnügt; »kommt nicht darauf an, und für die Übrigen stehen Sie?«

»Jetzt habe ich keine Sorge weiter,« rief Peters, »nun muß ich aber fort. Donnerwetter, es ist schon ein Uhr vorbei, und ich kann nur die Beine unter die Arme nehmen!«

»Haben Sie noch etwas getrunken?«

»Nur noch vier Glas – das geht jetzt mit auf die große Rechnung – also adieu, Herr Stelzhammer, bei Pompeji sehen wir uns wieder.« Und mit einer eleganten Verbeugung schoß er aus dem Zimmer. –

»Fiesco oder die Verschwörung zu Genua. Fiesco, Graf von Lavagna – Herr Rebe« stand mit groß gedruckten Buchstaben auf den feuerrothen Zetteln, die überall in der Stadt angeklebt waren und die Augen auf sich lenken mußten.

Zugleich hatte sich aber – wer weiß denn durch wen solche Sachen bekannt werden – das Gerücht verbreitet, Rebe würde heut Abend ausgezischt werden, und wer nicht aus Theilnahme für das Stück und die Darsteller hineinging, suchte sich ein Billet zu verschaffen, um den Skandal mit anzusehen, so daß schon um vier Uhr an der Kasse sämmtliche Plätze vergriffen waren.

Insofern hatte der Director also ganz richtig speculirt. Er bekam ein ausverkauftes Haus, sogar das Orchester mußte geräumt werden, und im Übrigen war er nach keiner Seite hin gebunden; er konnte daß Resultat ruhig mit ansehen.

Rebe selber erfuhr von allen den gegen und für ihn gespielten Intriguen natürlich nichts, denn er hielt sich den ganzen Tag in seinem Zimmer verschlossen, um seine Rolle noch einmal fleißig durchzugehen. Ein paar Mal hörte er Schritte auf der Treppe, und es klopfte bei ihm an, aber er gab keine Antwort; denn nur dem Theaterdiener hatte er ein bestimmtes Anpochen gelehrt, wie er sich bemerklich machen sollte, wenn er vielleicht irgend etwas von der Direction zu bestellen hätte. Aber dieser kam nicht, und allen Anderen blieb die Thür verschlossen.

So kam die Theaterzeit heran, und schon eine Stunde vor Öffnung der Kasse drängte sich das Publikum der Gallerie und des Steh-Parterres vor den verschiedenen Thüren des Eingangs, mit Ungeduld die Erschließung derselben erwartend, und kaum geöffnet, füllten sich die Räume.

Die haute volée kam später, aber sie kam, denn Viele hatten an jenem ersten Abend dem so plötzlichen Auftreten Rebe's nicht beiwohnen können, und man war überhaupt neugierig geworden, wie sich ein junger Künstler, den man bis jetzt gewohnt gewesen als Statisten zu betrachten, entwickeln würde. Außerdem sollte er ja auch des vielbesprochenen Handor Platz einnehmen. Wirkliches Interesse für ihn fühlten nur Wenige. Was kümmerte sie der Schauspieler, sie wollten sich amüsiren, und wenn es im Theater ein wenig Skandal gab, desto besser; welchen trefflichen Unterhaltungsstoff hatte man dann wieder auf morgen! Daß die Existenz eines jungen Talents auf dem Spiel stand – wer dachte daran, oder sorgte sich deshalb?

Wie die Vorstellung aber heranrückte, wurde dem Director doch nicht wohl bei der Sache, denn durch seine Kundschafter hatte er schon lange erfahren, was für den Abend beabsichtigt, und wer dabei betheiligt war. Und wo stak Peters? Ob er des Menschen wohl habhaft werden konnte, der wie ein losgelassener Irrwisch in der Stadt umherschoß! Aber was konnte ihm Peters auch helfen?

 
»Was will gescheh'n, es mag gescheh'n!«
 

declamirte er mit Pathos vor sich hin und ging dann in's Theater und auf die Bühne, um zu sehen, ob dort wenigstens Alles in Ordnung und keine Störung zu befürchten wäre.

Den Schauspielern selber hatte die Stimmung im Publikum aber auch nicht verborgen bleiben können, und sie wußten aus eigener Erfahrung, welch böses Zeichen es ist, wenn schon im Voraus bei einem Stück Skandal angekündigt wird. Es giebt immer eine Masse nutzloses Volk, das mehr Freude daran, als an einer guten Aufführung findet, und zuletzt den Skandal, wenn er wirklich nicht ausbrechen sollte, provocirt.

Sie Alle wußten aber nicht, wie des Doctors Strohwisch boshafter Artikel durch den Aufsatz über die Monford'sche Familie völlig paralysirt worden. Der bessere Theil des Publikums, und, Gott sei Dank, bei jedem Publikum die Mehrzahl, war entschieden entrüstet darüber, und dadurch auch fest entschlossen, seinen Beifall nicht zurückzuhalten, wenn ihn der Schauspieler wirklich verdienen sollte. Was sich dann im Parterre vorbereitete, mußte man eben abwarten.

Um sechs Uhr sollte die Vorstellung beginnen. Etwa eine halbe Stunde vorher betrat Jeremias, ziemlich erschöpft von dem heutigen ereignißvollen Tag, Graf Rottack's Wohnung und wurde von dem Diener, der ihn rasch wiedererkannte, sogleich gemeldet.

Graf Rottack war allein im Zimmer, als Jeremias in einer Transpiration, die nichts zu wünschen übrig ließ, dasselbe betrat.

»Nun, Jeremias, wie geht's?« redete ihn der junge Graf freundlich an. »Sie haben sich lange nicht bei uns sehen lassen. Was treiben Sie?«

»Was ich in meinem Leben nicht geglaubt hätte, Herr Graf,« sagte der kleine Mann, sich den ganzen Kopf abtrocknend; »ich werbe Leute an, um im Theater zu applaudiren.«

»Wollen Sie selber auftreten?« lachte Felix. »Dann stelle ich Ihnen meine Hände ebenfalls zur Verfügung.«

»Danke Ihnen,« nickte Jeremias, »ich nehme sie an, wenn auch nicht für mich selber. Aber ich bin Ihnen noch die Erzählung von meinem neulichen Abenteuer schuldig, und wenn Sie einen Augenblick Zeit hätten, denn lange kann ich selber nicht…«

»Setzen Sie sich, Jeremias – für Sie immer.«

Jeremias ließ sich nicht lange nöthigen und erzählte jetzt dem jungen Grafen mit kurzen Worten zwar, aber immer dabei nur das Hauptsächlichste hervorhebend, seine eigene kleine Familienangelegenheit, zu welcher der Schauspieler Rebe und dessen neulicher Erfolg in engster Beziehung stand; dann die Bosheit jenes Literaten und sein neuliches Begegnen mit demselben, und jetzt dessen rachsüchtige Machinationen, um den ihm verhaßten Menschen zu stürzen, und seine eigene Contremine dagegen.

Rottack, welcher der Erzählung mit der gespanntesten Aufmerksamkeit gelauscht, denn Handor's Flucht stand ja in der genauesten Beziehung dazu, seufzte tief auf.

»Wie wunderbar das in der Welt ist,« sagte er, »daß Eines Glück des Andern Elend birgt! Während durch jenes Menschen Flucht Ihr junger Freund Lorbeern erntet und sich eine Existenz erringt, geht auf der andern Seite darüber ein altes edles Haus zu Trümmern.«

»Ja, Du lieber Gott,« sagte Jeremias achselzuckend, »wie manches edle Haus wird auch mit dem Untergang vieler armen Familien aufgebaut! Wer kann's ändern? Der Himmel helfe dem nur, den's trifft; wir Anderen schwimmen indessen sachte weiter. Aber, Herr Graf, was ich Sie fragen wollte: gehen Sie heut Abend in's Theater?«

»Ich hatte nicht die Absicht, Jeremias. Meine arme Helene fühlt sich noch recht angegriffen, und ich selber bin, aufrichtig gestanden, gerade nicht in der Stimmung, Komödie zu sehen.«

»Sollte mir sehr leid thun,« sagte Jeremias, »ich hatte fest auf Sie gerechnet.«

»Auf mich?«

»Ja, und Ihnen auch schon ein Billet besorgt für den ersten Rang.«

»Für mich?« lachte Felix. »Aber, bester Jeremias, wenn ich das Theater besuchen wollte, würde ich mir doch das selber besorgen.«

»Kriegen aber keins mehr,« rief Jeremias, »das ist ja gerade die Geschichte, nicht um eine Million; Alles ausverkauft bis in die Puppen hinauf.«

»So voll wird es?«

»Na, da kommen Sie schön an; die eine Hälfte von Haßburg sitzt drin und die andere steht vor der Thür.«

»In der That? Und hat Ihr Rebe wirklich brav gespielt?«

»Das nicht allein, er ist auch ein ehrlicher, anständiger Kerl, der sich auf so gemeine Kniffe nicht einläßt, und da…«

»Haben Sie ihm das besorgt,« lächelte Felix.

»'s ist beinahe so 'was; aber thun Sie mir den Gefallen und gehen Sie, 's ist wahrhaftig ein gutes Werk!«

»Und ich soll auch applaudiren?«

»Was Sie können; ziehen Sie nur keine Glacéhandschuhe an, es flappt besser.«

»Das ist nicht übel,« lachte Rottack gerade heraus; »da werben Sie mich also mit einem Freibillet zum Claqueur?«

»Nennen Sie's, wie Sie wollen, aber hauen Sie nur tüchtig ein,« rief der kleine unverwüstliche Bursche; »ich wirke unten.«

Graf Rottack schüttelte den Kopf. »Gut, Jeremias,« sagte er endlich, »ich will gehen.«

»Bravo! Der erste Rang ist die Hauptsache.«

»Aber ich habe eine Bedingung zu stellen.«

»Stellen Sie.«

»Sie sind mit vielen Leuten des Theaters bekannt?«

Jeremias nickte.

»Schön, so bitte ich Sie, genaue Nachforschungen zu halten, ob jener Handor nicht wieder irgendwo aufgetaucht und wo er dann zu finden ist.«

»Der ist Ihnen wohl auch noch schuldig?« rief Jeremias. »Ja, der hat Gott und die Welt angepumpt.«

»Das nicht,« lächelte Graf Rottack; »aber mir liegt sehr viel daran, seinen jetzigen Aufenthaltsort zu erfahren, und ich würde Ihnen unendlich dankbar sein, wenn Sie mir Auskunft darüber brächten.«

»Ja, was an mir liegt, mein lieber Herr Graf, da können Sie sich fest darauf verlassen. Ich habe freilich noch nicht viel Bekannte, aber Pfeffer kennt die ganze Theaterwelt von A bis Z, und was der Eine da nicht weiß, weiß der Andere. Irgendwo muß er ja doch wieder zum Vorschein kommen.«

»Also verlasse ich mich auf Sie.«

»Das können Sie, und wenn – Hurrjeh, da schlägt's Sechs – machen Sie, daß Sie hinüberkommen!« Und wie der Blitz war er zur Thür hinaus.

Er hatte sich auch in der That nicht verhört; die Schloßuhr schlug gerade noch, als er vor die Thür trat, und er lief jetzt mehr, als er ging, dem Theater zu, um sich, dort angekommen, zu seinem Sperrsitz durchzuarbeiten.

Das Orchester beendete eben sein Vorspiel, und Jeremias hatte gerade noch Zeit, einen Blick im Theater selber umher zu werfen, wo Kopf an Kopf dicht gedrängt saß, als der Vorhang aufging.

Fräulein Rottenhöfer als Leonore trat auf; aber sie spielte heut Abend befangen, und kein Wunder, denn überall im Theater hatte sich schon das Gerücht eines beabsichtigten Tumults kund gegeben, und die Schauspieler selber konnten unmöglich unter diesem Eindruck ihre Ruhe bewahren.

Pfeffer, heute übrigens nicht beschäftigt, ging in Todesangst hinter der Scene auf und ab und allen Menschen scheu aus dem Wege, und der Director selber hatte sich in seine kleine, völlig versteckte Loge geflüchtet, von wo er Alles übersehen und doch selber nicht gesehen werden konnte.

Jetzt kam die vierte Scene mit Julia und Fiesco, und im Parterre lachte Jemand laut; aber Alles sah ihn an, es war zu früh und wurde Ruhe geboten.

Rebe übertraf sich selber; mit voller Ruhe und edlem Anstand und zuletzt mit glühender, hinreißender Leidenschaft spielte er die Scene durch. Seine ganze Persönlichkeit paßte dabei vortrefflich zu dem Grafen Lavagna; ein reiches, geschmackvolles Costüm hob sie noch mehr hervor, und die Damen waren entzückt von ihm.

Im Parterre wurde jetzt hier und da leise mit einander geflüstert, aber da bei seinem Abgang kein Zeichen des Beifalls gegeben wurde, unterblieb auch jede Gegendemonstration.

Jeremias hatte indessen immer vom Parket aus nach dem ihm bekannten Platz im ersten Rang hinaufgesehen, ob Graf Rottack noch nicht erschienen wäre.

Jetzt trat Fiesco wieder auf, und in der nächsten Scene mit den drei schwarzen Masken erschien auch Graf Rottack und nahm seinen Platz ein. Auch diese Scene ging vorüber und die mit Bourgognino, und jetzt kam die Hauptscene mit dem Mohren, den Höfken ganz vortrefflich gab. Aber auch hier regte sich noch nichts. Es war ordentlich, als ob Alle, die Rebe's Spiel befriedigte, gefürchtet hätten, durch irgend ein Beifallszeichen den angedrohten Tumult hervorzurufen, und die Gegenpartei schien strenge Ordre zu haben, nicht zu beginnen, weil sie sich dadurch leicht in Nachtheil setzen konnte.

Der Vorhang fiel, Todtenstille herrschte im Hause, bis sich dieselbe in ein lautes Flüstern auflöste. Jeremias war aufgestanden und hatte sich umgedreht. Sein Blick fiel auf ein rothes, dickes Gesicht mit blonden Haaren, das ihm lächelnd zunickte, – das war richtig Herr Walther. Er stand nicht weit von der Thür, und wie er weiter suchte, erkannte er auch mitten im Parket, aber auf einer der letzten Bänke desselben, den Doctor Strohwisch, der ihn hämisch und wie triumphirend belorgnettirte. Jeremias lief die Galle über. War der Bursche seines Sieges so gewiß?

Aber der Vorhang ging wieder auf, und jetzt ließ sich die für Alle unerträglich werdende Aufregung nicht länger zurückhalten.

Schon in Fiesco's erstem Auftreten mit dem Mohren sprach Rebe die Worte: »Von einem Schurken das anzuhören!« so ganz vortrefflich, daß im ersten Range Einige applaudirten, unter ihnen Rottack; im Parterre wurde darauf an zwei, drei Orten gezischt, aber das konnte auch Ruhe bedeuten. Damit aber hatte der Kampf begonnen, denn die vorhin ihren Beifall gezeigt, ärgerten sich jetzt, daß sie Jemand daran verhindern wollte.

Das Flüstern steigerte sich während der folgenden Scenen, die Rebe ganz vortrefflich gab, wozu Director Krüger hinter seinem Gitter fortwährend beifällig mit dem Kopf nickte; und als er sich vom Mohren den Arm ritzen ließ und mit dem Ausruf: »Mörder! Mörder! Besetzt die Wege, – riegelt die Pforten zu!« abstürzte, kam es zum Ausbruch.

Jetzt wurde nicht allein vom Parterre aus, sondern auch vom ersten und zweiten Range lebhaft applaudirt, während an den verschiedensten Stellen das Zischen die Bravos zu übertäuben suchte.

Leonore und Rosa traten rasch auf, konnten aber nicht zu Worte kommen und zogen sich bestürzt zurück. Darüber wurde gelacht, und jetzt ertönte der erste Pfiff, mit dem Herr Walther selber das Zeichen gab und der an verschiedenen Seiten ein Echo fand.

»Da haben wir's,« stöhnte Krüger und sank in seinen Stuhl zurück; »oh, dieser Strohwisch!«

Aber die Opposition war stärker, als die Pfeifer vermuthet hatten. Im Parterre wurde eine Bewegung bemerkbar, und nach verschiedenen Richtungen hin drängten sich Menschen, während Parket und erster Rang plötzlich fest entschlossen schienen, ihren mit Recht gespendeten Beifall nicht übertäuben zu lassen.

»Rebe heraus!« tönte es auf einmal an verschiedenen Stellen, und ein gellendes Pfeifen antwortete, – das war Strohwisch selber.

»Hinaus mit dem Lump!« rief Jeremias, der sich nicht mehr mäßigen, aber auch nicht von seinem Platz konnte, wo er eingekeilt saß. Wieder pfiff es rechts und links. Aber »Hinaus, hinaus mit den Kerlen! Rebe heraus! Bravo, bravo!« tobte es jetzt von allen Seiten, und Herr Walther, der in voller Gemüthsruhe unter einer Parketloge lehnte und laut vor sich hin pfiff, als ob er sich ganz allein in einer einsamen Gegend befände, sah sich plötzlich von zu ihm andrängenden Leuten gefaßt und fortgeschoben.

»Na, holla,« rief er, »was ist das? Ich habe meinen Platz bezahlt!« Aber er leistete dabei nur geringen Widerstand, und Strohwisch, der aufgesprungen war, beobachtete in ziemlicher Spannung die Entfernung seiner Hauptstütze.

»Rebe heraus!« schrie es jetzt wieder von verschiedenen Seiten, und ein schallender Applaus folgte.

Wieder Zischen und Pfeifen, aber schon bedeutend in der Minorität und nur vereinzelt. »Rebe heraus!« schrie das Publikum, und links und rechts wurden indessen einige räthselhafte Individuen aus dem Parterre hinausgeworfen. »Rebe heraus!«

Krüger war auf die Bühne gesprungen. Rebe weigerte sich, hinaus zu gehen, aber auf des Directors Bitten und Beschwörungen gab er endlich nach und trat hinaus.

Stürmischer Applaus und ein einzelner gellender Pfiff dazwischen, den der von Verzweiflung getriebene Recensent als letzten Versuch selber ausgestoßen. Jetzt aber war die Geduld des Publikums auch erschöpft.

»Hinaus mit ihm!« schrieen die ihm Nächsten, während das übrige Publikum nur so viel stärker applaudirte. Strohwisch wollte sich wehren – umsonst; er klammerte sich an die Parketlehne – umsonst. Kräftige Arme hatten ihn gefaßt, und während Rebe unter rauschendem Applaus abging, beförderte das Parterre mit einer merkwürdigen Geschwindigkeit und unter dem noch fortwährend lebhaften Applaudiren des ersten Ranges und dem Jubelgeschrei der Gallerie den unglücklichen Recensenten vor die Thür.

Jetzt hatte Rebe gesiegt. In der Scene mit dem Maler und nachher mit den Verschworenen wurde er rauschend applaudirt, ohne daß die Opposition auch nur einen Gegenlaut gewagt, nach dem Acte wie nach allen übrigen Acten stürmisch, und zum Schlusse sogar, etwas Unerhörtes für Haßburg, dreimal hervorgerufen.

Krüger umarmte ihn auf der Bühne vor allen übrigen Mitgliedern und bat sich seinen Besuch auf morgen früh aus, und das Publikum ging mit dem beruhigenden Gefühl nach Hause, seinen Willen durchgesetzt und sich vortrefflich amüsirt zu haben.

Daß Rebe ein ausgezeichneter Schauspieler sei, darüber war von dem Augenblick an nur Eine Stimme in Haßburg, und sein Triumph wurde vollkommen, als am nächsten Morgen die Nachricht die Stadt durchlief, daß der Eigenthümer des Stadtblattes Herrn Doctor Strohwisch die Redaction des Feuilletons gekündigt habe.

Der boshafte Aufsatz über die Monford'sche Familie hatte ihm den Hals gebrochen.

29.
Der Maulwurfsfänger

In der Stadt Leben und Bewegung, lärmende Vergnügungen und fröhliches Schaffen und Drängen – draußen auf dem Monford'schen Stammsitz dumpfe Schwüle und Grabesruhe.

Ja, die Sonne schien noch so warm und golden auf die schattigen Waldungen und den sorgfältig gehaltenen Rasen nieder, die Blumen blühten und dufteten wie vordem, der kleine Bergstrom rieselte rasch vorbei und rauschte und plauderte, und die Nachtigallen sangen Abends ihr wunderbar ergreifend Lied; aber still und geräuschlos glitten die Diener in dem alten Schlosse umher, öffneten und schlossen die Thüren leise und vorsichtig und sprachen nur flüsternd mit einander.

Der alte Graf hatte sich bis jetzt noch einigermaßen wohl gefühlt, wenigstens jeden Tag seinen kurzen Spaziergang gemacht. Gestern Abend aber, noch in später Stunde, war er plötzlich wieder, gerade als ihm der Haushofmeister seinen Thee in's Zimmer brachte, vom Stuhle gefallen und lag jetzt in dumpfem Hinbrüten in seinem Bette.

Der Ober-Medicinalrath war noch in der Nacht von Haßburg herausgeholt worden und saß an dem Lager des Kranken. Das war keine Ohnmacht mehr gewesen; der Tod hatte deutlich an des Lebens Pforte geklopft, und der alte Arzt fühlte wieder und wieder den Puls des Kranken, stand dann auf, ging in dem Zimmer auf und ab und setzte sich wieder am Bett nieder.

Die Gräfin kam nur selten in das Zimmer des Kranken, der allerdings nicht bewußtlos, aber vollkommen theilnahmlos auf seinem Bette lag. Er beantwortete auch keine der an ihn gerichteten Fragen, sah wohl nach der Thür, wenn sich diese öffnete, starrte dann aber wieder halbe Stunden lang zur Decke empor.

Des Ober-Medicinalraths Famulus war indessen von der Gärtnerwohnuug herüber gekommen, um Bericht abzustatten und den Arzt zu bitten, sich den Verwundeten dort oben selber einmal anzusehen. Es ging sehr schlecht mit ihm, und er fürchtete, da eine Amputation an der Stelle unmöglich war, das Schlimmste. Die Wunde nahm ungewöhnlich rasch einen bösartigen Charakter an, da sich der Verwundete noch außerdem in heimlicher Weise Branntwein verschafft und unmäßig davon getrunken hatte.

Der Ober-Medicinalrath schüttelte ungeduldig mit dem Kopf, versprach aber im Laufe des Morgens hinüber zu kommen, und fragte, ob sich der Geschossene nicht transportiren ließe.

Es war ganz unmöglich; bei der geringsten Bewegung schrie er laut auf.

Der alte Maulwurfsfänger befand sich wirklich in einer bösen Lage und hatte die ganze Nacht ein heftiges Fieber gehabt. Erst mit der Morgendämmerung ließ das etwas nach, und er fiel dann in einen unruhigen Schlaf, aus dem er manchmal mit einem Schrei emporschreckte. Gegen zehn Uhr wachte er auf und aß etwas Wassersuppe, aber er fühlte sich todesmatt. Als ihm der junge Arzt nachher die Wunde verband, betrachtete er sie selber auch kopfschüttelnd und sagte dann, indem er ihn fest ansah:

»Hören Sie 'mal, Herr Doctor, die Ränder gefallen mir nicht; ich habe in meinem Leben schon zu viel Derartiges gesehen. Das kommt mir beinahe vor wie der Brand – hm?«

»So weit ist's noch nicht,« beruhigte ihn Frank, »aber wenn Ihr noch einen Tropfen Branntwein trinkt, steh' ich Euch für nichts.«

»Ja, jetzt hat's der Branntwein gethan,« nickte der Alte vor sich hin. »Daß Ihr Doctoren doch immer genau wißt, woher es kommt, aber nie, wohin es geht! Ich merke schon, wie die Geschichte ist, faul, überfaul, und…« Er biß vor Schmerz die Zähne aufeinander und fiel, während der Arzt die geöffnete Wunde wieder verband, auf sein Kissen zurück.

So lag er wohl eine halbe Stunde. Der Arzt war fortgegangen, und die alte Wärterin, die ihn pflegen mußte, da man dem Kind im Hause das nicht Alles überlassen konnte, war hinunter in die Küche gestiegen, um sich ihr Mittagessen zu bereiten. In der Zeit mußte dann immer des alten Jonas Enkelin bei ihm sitzen, um die Wärterin rufen zu können, wenn er etwas verlangte, oder ihm selber vielleicht eine kleine Handreichung zu thun.

Der Verwundete hatte eine Weile still gelegen Und auf seine Decke niedergestarrt. Endlich sagte er leise:

»Bärbel!«

»Ja, Herr Fritz,« antwortete die Kleine, welche am Fenster stand und auf die grünen Büsche hinausschaute, »wollt Ihr Wasser? Ich habe frisches mit heraufgebracht.«

»Nein, Kind, jetzt nicht,« antwortete der alte Maulwurfsfänger; »aber willst Du mir einen recht großen Dienst erweisen?«

»Ich darf Euch keinen Branntwein wieder bringen,« sagte die Kleine erschreckt; »der Herr Doctor hat so mit mir gezankt.«

»Das sollst Du auch nicht, Kind,« lautete die matte Antwort; »den letzten in diesem Leben werde ich wohl getrunken haben. Hast Du mir nicht gesagt, daß Du jeden Tag zur Frau Gräfin hinaufgehst und ihr Blumen bringst?«

»Ja, Herr Fritz, wenn die alte Rosie wieder zu Euch heraufkommt, gehe ich gleich. Großvater hat sie schon abgepflückt – immer Mittags.«

»Und siehst Du die Gräfin selber?«

»Ja, jedesmal; ich gehe immer gleich zu ihr in's Zimmer – ich darf.«

»Willst Du mir einen Gefallen thun?«

»Recht gern, wenn ich kann.«

Der alte Maulwurfsfänger schwieg, zog aber von dem kleinen Finger der linken Hand einen schmalen Goldreif mit einem kleinen grünen Stein herunter. Vor acht Tagen noch war der Ring in's Fleisch gewachsen gewesen, daß man ihn fast gar nicht mehr sehen konnte; jetzt fiel er fast von selber ab.

»Willst Du mir auch versprechen, Bärbele, daß Du keinem Menschen etwas von dem, was ich Dir jetzt sage, erzählst?«

»Es ist doch nichts Böses?« fragte das Kind erschreckt.

»Nein, Bärbele, nichts Böses, im Gegentheil, vielleicht macht es mich wieder gesund. Aber höre, Kind; den Ring hier – verlier ihn mir ja nicht – den Ring nimmst Du mit hinauf zur Frau Gräfin, und wenn Du ihr die Blumen bringst, gieb ihr den Ring und sag' ihr, hier bei Euch im Hause liege Jemand krank und wünschte sie noch einmal zu sprechen.«

»Aber die Frau Gräfin soll doch nicht zu Euch herüberkommen?« sagte das Kind bestürzt; »das thut sie gewiß nicht.«

»Gieb ihr nur den Ring, Herz,« bat der Maulwurfsfänger, »und richte aus, was ich Dir gesagt habe, weiter nichts. Willst Du das thun?«

»Gewiß; das ist nichts Böses.«

»Und Du sprichst mit keinem Menschen darüber?«

»Ich will's Keinem sagen, ich verspreche es Euch, und was man verspricht, muß man halten, meinte die Mutter selig immer.«

»Ich danke Dir, Bärbel; ich werd's Dir auch gedenken. Geh jetzt mit Deinen Blumen, je früher Du hinauf auf's Schloß kommst, desto besser; denn – wer weiß, wie lange es noch mit mir dauert.«

»Aber ich kann doch jetzt nicht fort, bis die Rosie wieder heraufkommt.«

»Geh nur, Kind, ich brauche jetzt nichts; ich schlafe so lange, und da ist's besser, wenn ich Ruhe habe.«

Die Kleine zögerte einen Augenblick. Es war ihr nicht recht, daß sie ihre Pflicht versäumen solle – aber der Kranke bat sie so sehr.

»Ich will der Rosie sagen, daß sie dann und wann einmal heraufguckt, und der Großvater muß auch gleich heimkommen,« nickte sie, band den Ring dann in ihr kleines Taschentuch, daß sie ihn ja nicht verlor, und stieg die Treppe hinab, um den Auftrag auszuführen. –

In ihrem Zimmer am offenen Fenster stand die Gräfin Monford in Trauer gekleidet und sah gedankenvoll auf das freundliche Landschaftsbild hinaus, das sich, jetzt freilich unbeachtet, unbewundert, vor ihr entfaltete. Aber wie auch ihr Herz gebrochen sein mochte, ihr Stolz war es nicht, ja, es schien weit eher, als ob er sich durch die furchtbaren Verluste, die sie erlitten, noch mehr gehärtet, noch unzugänglicher diese Brust einem wärmeren Gefühl gemacht habe.

Während ihres Gatten Krankheit waren noch zwei Briefe an diesen eingelaufen, und zwar von Handor selber an den Grafen adressirt, doch ohne nur einen Aufenthaltsort anzugeben, und so frech und unverschämt nur Geld, große Summen für sich fordernd, ja, sogar mit Drohungen im Falle der Weigerung gefüllt, daß die Gräfin sie im auflodernden Zorn zerstörte. Und dieses Menschen wegen hatte die eigene Tochter ihre Eltern verlassen!

Kein Schmerz lag auch jetzt in den Zügen der finstern Frau; das war Trotz allein, starrer, unbeugsamer Trotz dem Schicksal gegenüber, und während ihr thränenloses Auge unter den zusammengezogenen Brauen hervorblitzte, ballte sich unwillkürlich die weiße, mit Ringen bedeckte Hand, als ob sie einem Feind begegne – und doch stand ihr kein Feind gegenüber; nur in der eigenen Brust wohnte er, und klopfte und bohrte und mußte gewaltsam niedergehalten werden.

Über den Gartenplatz kam die kleine Bärbel mit ihren Blumen, sah die Gräfin am Fenster stehen und machte ihren Knix. Aber die Gräfin bemerkte sie gar nicht, wenn auch ihr Blick sie streifte, bis das Kind endlich, das von der Dienerschaft immer unbelästigt hinaufgelassen wurde, draußen schüchtern anklopfte.

Niemand antwortete; Bärbel klopfte noch einmal, und da noch immer keine Antwort erfolgte, öffnete sie die Thür. Es war schon oft vorgekommen, daß sich die Frau Gräfin nicht in ihrem Zimmer befand; dann ging sie doch hinein und legte ihr die Blumen auf den Tisch. Heut aber mußte sie ja drin sein, Bärbel hatte sie selber am Fenster gesehen. Wie sich die Thür öffnete, drehte sich die Gräfin um und erblickte das Kind; Bärbel war ihr Pathchen, und sie hatte die Kleine immer gern gehabt.

»Grüß Gott, Frau Gräfin!« sagte das Kind mit einem tiefen Knix, indem sie ihr den Strauß entgegenhielt; »hier bring' ich die Blumen.«

»Ich danke Dir, Bärbel; leg' sie nur auf den Tisch, ich werde sie selber in die Vase stellen.«

Die Kleine gehorchte und blieb dann zögernd stehen.

»Willst Du noch etwas, Bärbel?«

Bärbel drehte das Tuch verlegen in der Hand herum und knüpfte dann den Ring heraus. »Ja, Frau Gräfin,« flüsterte sie; »bei uns liegt der arme Mensch krank, der Maulwurfsfänger…«

»Ja, ich weiß, er ist vom Förster geschossen.«

»Ja, sehr, und da – da hat er mich heute gebeten…«

»Nun, um was, Bärbel? Braucht er etwas?«

»Nein, Frau Gräfin,« sagte die Kleine ängstlich, denn es kam ihr jetzt gar so entsetzlich vor, daß sie bestellen sollte, der alte, schmutzige Maulwurfsfänger wolle die Frau Gräfin sprechen; »nein, er hat Alles und die alte Rosie pflegt ihn.«

»Und was will er sonst? Was hast Du da, Bärbel?«

»Den Ring hat er mir gegeben,« sagte das Kind, jetzt gewaltsam Muth fassend, denn es hatte ja versprochen den Auftrag auszurichten; »ich – ich sollte ihn Euch bringen, Frau Gräfin.«

»Mir?« rief die Gräfin erstaunt. »Von wem?«

»Von dem alten Fritz, und er möchte – er meinte, er – er wäre recht krank – und er möchte die Frau Gräfin gern sprechen.« Das Kind seufzte recht aus voller Brust auf – jetzt war's heraus.

Die Gräfin schüttelte noch immer erstaunt mit dem Kopf; es mußte da jedenfalls ein Irrthum obwalten, und die Kleine hatte irgend einen Auftrag verkehrt ausgerichtet. »Und zu mir solltest Du den Ring bringen?«

»Ja, zu Euch, Frau Gräfin, und ihn Euch selber in die Hand geben.«

Die Gräfin streckte den Arm aus, und das Kind reichte ihr den kleinen Goldreif, den sie mit zwei Fingern nahm und gleichgültig einen Moment betrachtete; aber plötzlich wurde ihr Blick stier und haftete wie entsetzt auf dem einfachen Schmuck.

»Wer gab Dir den Ring, Bärbel?« fragte sie und faßte des Kindes Schulter. »Wer? Wo kommt er her?«

»Ach, Frau Gräfin, ich kann ja nichts dafür!« bat die erschreckte Kleine; »der kranke Mann gab ihn mir.«

»Der Geschossene?«

»Ja, Frau Gräfin.«

»Und wie heißt er?«

»Ja, das weiß ich nicht,« sagte Bärbel, immer schüchterner werdend; »Fritz heißt er, den alten Fritz nennen sie ihn im Dorfe.«

»Wo hat er den Ring her?« fragte die Gräfin, aber mehr mit sich selber, als mit dem Kinde sprechend.

»Ja, das kann ich Euch auch nicht sagen,« rief die Kleine, immer ängstlicher werdend. »Er wird ihn doch nicht gestohlen haben? Ich sollte keinem Menschen etwas davon erzählen; aber ich kann ja wahrhaftig nichts dafür!«

»Nein, Bärbel, beruhige Dich,« sagte die Gräfin, sich gewaltsam fassend, »ich weiß, Du kannst nichts dafür; Du bist ein gutes Kind und hast nur Deinen Auftrag ausgerichtet. Also ist der Mann wirklich so krank und kann nicht ausgehen?«

»Ach Du lieber Gott,« sagte die Kleine, »nicht einmal tragen können sie ihn; sehr krank ist er. Aber er wird den Ring doch nicht gestohlen haben?«

»Nein, Kind, ich glaube nicht; ich – ich werde ihn selber darum fragen – vielleicht hat er ihn gefunden.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
620 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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