Kitabı oku: «Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.», sayfa 9

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Dorothea schien, bei Rosy's Vorschlag, große Lust zu haben, diese zu begleiten - lieber Gott, wie das sägte und arbeitete in der Kammer, es ging Einem ja wie mit glühenden Messern durch die Seele, nein, man mußte Gott auch nicht durch zu große Dreistigkeit versuchen und es war besser, einer solchen Sache friedlich aus dem Weg, als ihr gerade entgegen zu gehen. Das Fräulein beschloß also ebenfalls sich Rosy anzuschließen, in deren Kammer unten zu gehen und dort mit Dorothea zu warten, bis Rosy Tom gerufen habe und dieser Nachricht bringen würde. Nachher konnten sie noch immer thun, was sie für gut fanden.

Das war ein Vorschlag zur Güte und so schnell ausgeführt als gefaßt. Das Fräulein und Dorothea setzten sich in Rosy's kleinem freundlichen Kämmerchen, die Erste auf den einzigen Stuhl, der darin stand, die Andere auf's Bett, und beteten mit angsterfülltem Herzen zu ihrem Heiland, daß er den schweren Kelch an ihnen glücklich vorüberführen und Alles noch zum Besten kehren möge. Rosy blieb etwas lange aus, endlich kam sie aber zurück und brachte die Nachricht, Tom sei augenblicklich hinübergegangen, wohin sie ihn beschicken habe, und werde, sobald er nur irgend etwas deutlich sehen und erkennen könne, direct hierher kommen und ihnen Nachricht bringen.

„Und was sagte Tom?" frug das Fräulein etwas ängstlich, denn sie hoffte noch immer in Tom's totalem Unglauben einigermaßen Trost zu finden. Hierin sollte sie aber vollkommen getäuscht werden, denn Tom war, nach Rosy's Aussage, als sie ihm erzählt, was oben im alten Saale vorgehe, todtenbleich geworden und hatte nur schwer bewogen werden können, die schwierige Mission zu unternehmen. Was für Mittel Rosy angewandt, ihn doch endlich dahin zu bringen, sagte sie nicht, aber er war gegangen und konnte jetzt jeden Augenblick mit der Botschaft zurück sein.

Tom kam endlich, aber er sah selber zu viel wie ein Geist aus, als daß er den geängstigten Frauen hätte können tröstliche Nachrichten bringen. Er zitterte am ganzen Leibe, sein Gesicht war erdfahl und die Augen traten ihm stier aus dem Kopfe.

Er hatte ihn gesehen - es war Patrick O'Flannagan, wie er leibte und lebte, schneeweiß angezogen, wie sie die Leichen in's Grab legen - und mit einem weißen Tuch um die untere Kinnlade, um diese vor dem Niederfallen zu bewahren. Im Gesicht sah er dabei aus, nicht als ob er erst vor wenigen Tagen gestorben wäre, sondern als ob er schon eben so viele Monate im Grabe gelegen hätte - die Augenhöhlen leer und schwarz und der übrige Theil des Gesichts eher wie ein leerer Schädel als ein Leichenantlitz.

„Oh mein Traum, mein Traum," jammerte Dorothea, „ich wußte ja, daß es so kommen würde!"

„Und was macht er?" frug das Fräulein endlich nach einer ziemlich langen Pause, in der sie sich die größtmöglichste Mühe gegeben hatte, ihr eigenes Entsetzen zu bezwingen - „was macht er aber?"

„Was er macht?" wiederholte Tom erstaunt - „er arbeitet, daß Einem die Haare zu Berge stehen. Die Planken fliegen nur so, wenn er sie kaum anrührt, und legen sich selber auf ihre Plätze - mit dem Hammer geht's, als ob er hundert Hände dazu hätte, und es sollte mich gar nicht wundern, wenn er bis zum Frühstück mit der ganzen Be- scheerung fertig wäre."

Das Fräulein hatte Tom noch nie so zerknirscht gesehen, und der arme Mensch dabei so tiefliegende Augen und bleiche Backen - wenn er nur nicht selber krank war.

„Tom," sagte sie plötzlich, einen neuen Gedanken erfassend /134/ - „das Fieber neulich hat Euch doch auch recht angegriffen - Jesus Maria, wie bleich Ihr ausseht - legt Euch lieber zu Bett und ich will aus dem nächsten Städtchen den Doctor holen lassen."

Tom wurde noch bleicher als vorher, so daß Rosy jetzt selber vor Angst die Hände faltete und ihr die großen hellen Thränen in die Augen traten. Einen Augenblick stand er stumm und sprachlos - ein Bild trostloser Angst und Sorge da, dann aber plötzlich, als gerade von oben das Klopfen und Hämmern deutlich zu ihm heruntertönte, daß Alle unwillkürlich einen scheuen Blick nach oben warfen, konnte er sich nicht länger halten. In diesem Augenblick konnte er nicht lügen und fiel auf einmal mit gefalteten Händen vor dem auf's Aeußerste erstaunten Fräulein nieder, ihr seine ganze Sünde von neulich und die Unwahrheit, mit der er sich der verdienten Strafe zu entziehen gesucht, zu bekennen. Er erzählte jetzt auch dem Fräulein - denn nun er erst einmal im Zuge war, ging's ihm wie gedruckt von den Lippen, - wie entsetzlich Patrick an dem Tage getrunken habe und daß er fast glaube, der Schlag habe ihn nur in Folge jener unmäßigen Quantität des heißen, scharfen Getränkes getroffen.

Tom hätte übrigens zu einem solchen Bekenntniß keinen besseren Augenblick wählen können, denn das Fräulein war selber viel zu aufgeregt, um bei dem strafbaren Verfahren ihres Kutschers auch nur mit einem Gedanken weilen zu können. Sie schüttelte zwar bei der Erzählung des Geängstigten mißbilligend mit dem Kopfe, während Dorothea mit einem frommen Blick und Seufzer zum Himmel schaute und Rosty, ein Bild - aber ein liebliches - sprachlosen Staunens daneben stand - das war jedoch auch Alles, und sie frug den Zerknirschten jetzt noch einmal ernsthaft, ob er sich auch wirklich nicht in der Person geirrt habe und ob das - Wesen, das da oben im alten Saale schaffe und arbeite, dem seligen Patrick wirklich ähnlich sähe.

Tom, froh, diesmal so gut davongekommen zu sein und jetzt mit erleichtertem Herzen, bestätigte das aber auf das Ernsthafteste und Beharrlichste, und fügte auch zum Beweis der Wahrheit hinzu, daß er zwei von den Gutsknechten her/135/übergerufen und ihnen das - das Ding gezeigt habe, und Beide hätten nicht allein augenblicklich Patrick erkannt, sondern wären auch in demselben Moment, von plötzlicher Angst ergriffen, wie Spreu vor dem Wind auseinander gestoben.

Tom hatte aber ganz wahr erzählt. Als die Leute vom Gut die schauerliche Gestalt oben in dem überdies halbdunkeln Saale so allein und einsam bei der Arbeit sahen - eine Gestalt, die allem Rechte nach auf dem stillen Friedhof ruhig ausgestreckt liegen und der Ewigkeit entgegenharren sollte, faßte sie ein panischer Schrecken, und sie stoben, so schnell sie ihre Füße trugen, auseinander, um die schreckliche Kunde, je rascher, desto besser, auf dem Gut und im Dorfe zu verbreiten.

Es dauerte auch gar nicht lange, so sammelte sich das ganze Dorf unter der alten Linde, die an dieser Seite des innern Hofes stand, und von wo aus sie gerade in die Fenster des früheren Klostersaales hinaufsehen konnten. Männer, Frauen und Kinder standen in lautloser Angst dichtgedrängt um den knorrigen Stamm des Baumes herum, ja einige der muthigsten und auch wohl nichtsnutzigsten Jungen waren selbst in den Baum hinauf geklettert und hatten sich dort einen besseren Ueberblick über das gefährliche Terrain zu verschaffen gesucht. Hals über Kopf stürzten sie aber von dort wieder herunter, als das Gespenst nur zum ersten Mal das entsetzliche Leichengesicht nach ihnen hinüberdrehte und sie mit den leeren Augenhöhlen, in denen noch ein unheimlicher Schein zu glühen schien, anstierte.

Es hatte sich solcher Art auf dem Hof wirklich eine ganz wunderliche Gruppe gebildet - die Männer vorn, aber auch soviel als möglich zurückgedrängt, als ob sie gerade keinen besondern Stolz darein setzten, dem, was ihnen vielleicht entgegentreten konnte, die Stirn zu bieten; einige sogar mit Mistgabeln und anderen häuslichen Geräthschaften bewaffnet, sich irgend einer unbestimmten Gefahr zu erwehren oder fatale Gegenstände vom Leibe abzuhalten. Dicht dahinter gedrängt standen die Frauen, und wie Mandeln in einem Kuchen stak, zwischen die ziemlich feste Masse hingestreut, die ganze liebe Dorfjugend, da die Schule erstlich noch nicht an/136/gegangen war und auch sechs Schullehrer sie heute nicht von einem wirklichen Gespenst weg- und in die kleine Schulstube hineingebracht hätten.

„Da ist es," flüsterte jetzt einer der Männer und zeigte vorsichtig mit dem Finger - sich wohl dabei hütend, den Arm nicht weit vom Körper weg zu strecken - nach einem der Fenster hinauf - „gerade da oben neben der einen Planke - mein Heiland, ich glaube es sitzt ganz in der Luft!"

„Und warum soll es denn nicht in der Luft sitzen können?" sagte ein Anderer eben so leise, mit ängstlich gedämpfter, aber eifriger Stimme - „ein Schatten kann ja auch an der Wand und an der Decke kleben, und braucht nicht immer oben auf einem Balken daraufzusitzen."

„Ich begreife nur nicht, wie es dann die Bretter so werfen kann," wisperte der Erste dagegen.

„Jetzt fängt's gleich wieder an zu hämmern," unterbrach ihn hier ein Anderer und richtete sich, so weit er das irgend möglich machen konnte, auf den Zehen in die Höhe. Keiner wagte zu athmen und es herrschte eine lautlose Stille, bis endlich das Niederfallen des Hammers das prophezeite Geräusch verkündigte und es sich die draußen Harrenden leise untereinander bestätigten.

„Seht Ihr's? - da klopft's wieder, wie mit einem ordentlichen Hammer."

„In dem Haus möcht' ich nicht wohnen," sagte eine junge Bauerfrau schaudernd, „und wenn sie mir den Fußboden mit Gold und Edelsteinen belegten und ich weiter nichts als Wein und Chocolade trinken sollte. Da müßte man ja keine ruhige Stunde mehr darin haben -"

„Ich auch nicht," sagte eine Andere, „und auf solchen Häusern, wo einmal der Gottseibeiuns gewirthschaftet, liegt kein Segen mehr. Das kommt aber davon, wenn man Protestanten in's Haus nimmt und guten Christen damit die Arbeit entzieht - mein Schwager hätte die ganze Arbeit da oben schon in -"

„Bst - bst!" unterbrach es sie hier von mehreren Seiten - „jetzt sägt's wieder - oh Jesus Maria! jetzt dreht es sich um - Ha!" kreischten ein paar Frauen auf und fuhren /137/ zurück; eine wurde sogar ohnmächtig und mußte weggetragen werden. Der Raum vor der Linde war im Nu frei geworden, und Alles drängte sich in jähem Schreck nach hinten.

Das Gespenst hatte sich umgesehen und sie mit der entsetzlichen Todtenlarve so wild angestiert, daß es den Beherztesten unter ihnen wunderlich zu Muthe wurde, und die Männer, die fast sämmtlich dem lebendigen und noch kräftigen Patrick furchtlos im Einzelkampfe entgegengetreten wären, bebten und zitterten jetzt wie die Kinder vor dem Schatten desselben, der nur ihrer Menge die bleichen Züge entgegenwandte.

Das Gespenst oben im Saal hatte sie bis jetzt augenscheinlich gar nicht gesehen, oder, wenn gesehen, wie das von einem Gespenst kaum anders möglich sein konnte, doch nicht beachtet; ebenfalls nur sehr selten den Kopf nach ihnen hingewandt - und selbst dann immer um irgend ein Handwerkszeug zu suchen und aufzunehmen, ohne auch nur im Mindesten das, was außer dem Saal vorging, eines Blickes zu würdigen.

„Es leidet ihn nicht draußen, er will machen, daß er wieder in sein Grab zurückkommt," hatten die Männer geflüstert - „seht nur, wie er arbeitet, um das frevelhafte Gelübde zu erfüllen - und wer weiß, ob er nicht so bis zum jüngsten Tag fortarbeiten muß." Und die Frauen hatten dann immer ein leises Gebet für die arme gepeinigte Seele gemurmelt. Wenn es "auch ein Ketzer gewesen, lieber Gott, er war ja jetzt todt, und aus Frauenherzen keimt ja die schönste Blume unseres armen irdischen Lebens - das Mitleiden.

Jetzt schien es mit dem Gespenst da oben aber anders zu werden - es setzte sich auf das stumpfe Ende des einen Balkens, das Gesicht gerade nach außen gewandt, und stierte mit den bleichen, ausdruckslosen Zügen gerade auf sie, eine ganze Weile lang, hinunter. Dann schüttelte es mit dem Kopf, als ob es hätte sagen wollen: „Nein, nein! ich gehöre nicht mehr zu Euch, Ihr leichtsinnigen, gedankenlosen Menschenkinder, meine Zeit ist vorbei - meine Zeit ist vorbei!" - und ging dann wieder, wie von einer innern unbestimmten Gewalt getrieben, an die Arbeit. /138/

Einige machten jetzt den Vorschlag, den Geistlichen zu holen, daß er das Gespenst bannen möge, ein Anderer aber behauptete, das wäre nicht nöthig, Patrick hätte sich verpflichtet diese Arbeit fertig zu machen, und wenn das geschehen sei, was gar nicht mehr lange dauern könne, dann kehre er von selber wieder unter seinen Hügel zurück.

Dem widersprach aber einer der früheren Sprecher entschieden und riet, auf das Eifrigste flüsternd:

„Glaubt Ihr denn, daß der je mit seiner Arbeit da oben fertig wird? - wie ist es denn dem Maurer an der schottischen Grenze gegangen, der sich auch an seinem Heiland versündigte und ein frevelhaftes Gelübde that, was er Alles mit seiner eigenen Kraft und ohne des Himmels Beistand zu leisten vermöge, und der mußte Nacht für Tag an dem Thurm bauen, den er angefangen, und wenn er nur noch ein paar Steine vielleicht einzusetzen hatte, um fertig zu sein, dann rissen es ihm die Geister wieder nieder, daß es polternd zusammenstürzte. Immer von Neuem mußte er deshalb an der trostlosen, nimmer endenden Arbeit beginnen, und so wird es hier auch gehen," setzte der Mann mit düsterer Stimme hinzu, während sich die Umstehenden segneten und bekreuzten. „Wenn er das letzte Brett auflegen, den letzten Nagel einschlagen will, dann bricht ihm das Ganze unter den Händen zusammen und er kann wieder von vorn beginnen, aber Ruhe kriegt er hier auf Erden nicht, bis seine Schuld gebüßt ist oder ein frommer Mann vielleicht die gehörige Zahl Seelenmessen für seine arme Seele liest."

„Was macht es denn jetzt?" frugen hier Einzelne, denen eine Fenstereinfassung vielleicht die Gestalt entzog, „ich kann nichts mehr davon sehen."

„Es sitzt in der einen Ecke dort," zischelten Andere, „ganz zusammengedrückt, aber es ist zu dunkel dort hinten, man kann nicht sehen, was es treibt."

„Es bekreuzigt sich," flüsterten Einige - „es fährt immer mit der einen Hand hinauf nach der Stirn."

„Es ißt, bei der Mutter Gottes!" rief jetzt ein junger Bursch lauter als bisher, und zwar so laut, daß die neben /139/ ihm Stehenden seine Nähe nicht mehr für ganz sicher hielten und sich weiter von ihm fortdrängten.

„Essen!" riefen aber Andere wieder verächtlich - „essen! - wer hat schon davon gehört, daß ein Gespenst ißt? - Jesus Maria, da kommt es!" Und als ob ein Kanonenschlag zwischen sie gefahren wäre, so stoben sie Alle plötzlich auseinander, denn jenes unheimliche Wesen oben, was bis jetzt ihre Aufmerksamkeit so in Anspruch genommen, glitt wirklich plötzlich von einem der Balken herab und trat an eins der offenen, vom Sonnenlicht beschienenen Fenster. Einige der Herzhaftesten wagten es sich umzusehen, und es stand eine kurze Zeit an der Oeffnung, bog sich heraus, als ob es auf's Dach schauen wollte, schüttelte wieder wie wehmüthig mit dem Kopf und verschwand dann im Dunkel des Saales.

Im Kloster oben waren aber die Frauen auch nicht müßig gewesen. Als sie wiederholt durch Tom die Versicherung erhalten, es sei wirklich Patrick O'Flannagan's Geist, der keine Ruhe im Grabe habe, bis er auf Erden sein Wort gelöst, hatten sie nämlich denselben Gedanken ausgeführt, der auch unten bei den Leuten angeregt worden, und zwar zu dem Geistlichen geschickt, um dessen Hülfe und Beistand anzurufen.

Das Gerücht dieses Wunders war indessen schon lange zu dem ehrwürdigen Mann gedrungen und fand ihn nicht mehr unvorbereitet. Mit allem Nöthigen versehen, von dem Knaben, der die Räucherpfanne trug, begleitet, und vollständig gerüstet dem Teufel in jeder sich ihm zeigenden Gestalt mit dem Zeichen des Herrn bewaffnet entgegenzutreten, begab sich der Geistliche, von Tom schon angemeldet, nach dem Kloster, betete erst mit seinen Beichtkindern um Kraft zu dem bevorstehenden Kampf, und stieg dann mit festen Schritten, von den Frauen ängstlich und in weiter Entfernung gefolgt, nach oben.

Er mußte durch des Fräuleins Zimmer, wo es allerdings noch ein wenig unordentlich aussah, denn heute Morgen hatte natürlich nicht an Aufräumen gedacht werden können. Es war jetzt aber auch keine Zeit, auf so etwas Rücksicht zu /140/ nehmen, und der Priester trat mit schnellen, entschlossenen Schritten auf die Kammerthür zu.

Das Geräusch der Säge und des Hammers im Saal hatte indessen aufgehört; sie horchten einen Augenblick - nicht ein Athemzug ließ sich hören. Sollte die ketzerische Seele schon vor der Annäherung des ehrwürdigen Mannes geflohen sein? Der Geistliche mochte wohl etwas Derartiges glauben, denn mit einer laut ausgesprochenen Gebet- und Bannformel ergriff er den Schlüssel, drehte diesen zweimal rasch um, drückte auf das Schloß und stieß die Thür weit auf.

Der Priester war ein beherzter, unerschrockener Mann und auf etwas Uebernatürliches, schon als er die Schwelle des Hauses betrat, gefaßt gewesen; er fuhr aber doch fast unwillkürlich einen Schritt zurück, und die Zunge klebte ihm am Gaumen fest, als er sich plötzlich der wunderlichsten, geisterhaftesten Gestalt gegenüber sah, die ihm in seinem ganzen Leben - und der Mann war zweiundachtzig Jahre alt - vorgekommen.

Oben auf einem der Querbalken, die gerade durch den Saal befestigt waren, um die Decke der verhängnißvollen Speisekammer zu tragen, und auf denen die hierzu bestimmten Bretter schon theilweise festgenagelt, theilweise noch aufgeschichtet lagen, saß eine menschliche Gestalt in weißer grober baumwollener Hose und ebensolcher Jacke, mit einem weißen breiten Tuch um die untere Kinnlade gebunden, wie das Tom ganz richtig beschrieben hatte. Bei Leichen ist es ja auch gebräuchlich, ihnen die Unterkiefer aufzubinden, bis sie erstarrt sind, damit sie auch nach dem Tode noch ein eher menschenähnliches Aussehen behalten und nicht so graß und abschreckend aussehen. - Das Gesicht leichenblaß, die Augen aber nicht aus düsteren Höhlen herausstarrend, wie den Leuten das von unten vorgekommen war, sondern allerdings schwarz, aber eher, wie es schien, angeschwollen, saß das „Ding" dort oben und hielt ein Papier, mit irgend etwas darin eingeschlagen, vor sich auf den Knieen.

Der Geistliche behielt jedoch gar nicht Zeit, das Alles so genau zu beobachten, wie ich es hier beschrieben habe; seine /141/ innere Aufregung ließ ihn schon nicht dazu kommen. Er sah nur, die geisterhafte Gestalt, die allerdings Patrick O'Flannagan, wenn auch im Gesicht auf eigenthümliche Weise entstellt, auf ein Haar glich - was jedenfalls durch das im Grabe Liegen herkommen mußte, und er rief mit laut beschwörender Stimme, das Kreuz gegen das Gespenst emporhaltend:

„Gehe ein zum Frieden, gemarterter Geist eines Unglücklichen, und entweihe nicht diese heilige Stätte hier mit Deiner unreinen Gegenwart. Weiche im Namen des Vaters, weiche im Namen des Sohnes, weiche im Namen des Heiligen Geistes - hebe Dich weg von hier, Satanas!"

„Guten Morgen, Ew. Ehrwürden! Bin es ich etwa, mit dem Sie sprechen?" sagte aber Patrick O'Flannagan's Geist mit der größten Gemüthsruhe und seinem breitesten irischen Dialekt - nahm zu gleicher Zeit aus dem vor ihm liegenden Papier ein großes Stück Brod und Käse heraus, das wenigstens an und für sich nicht das mindeste Geisterhafte an sich trug - und schob es in den Mund. Patrick O'Flannagan hatte sich während seiner Lebenszeit nicht viel aus katholischen Geistlichen gemacht, und es war kaum zu erwarten, daß er sich darin nach dem Tode geändert haben sollte.

Der Priester, als er sah, daß seine Bannrede nicht den mindesten Eindruck auf das entsetzliche Wesen zu machen schien, hatte schon hinter sich gegriffen, um die Räucherpfanne zu fassen und einen förmlichen Exorcismus zu beginnen. Da sah er zu seinem unbegrenzten Erstaunen, daß der Geist mit vollen Backen zu kauen anfing und ihm dabei zu gleicher Zeit auf das Unbefangenste und Freundlichste zunickte. Etwas Derartiges war ihm in seiner Praxis noch nicht vorgekommen.

„Patrick O'Flannagan!" rief er erstaunt aus - „haben sie denn nicht vor drei Tagen Deine sterbliche Hülle zu Grabe getragen, und ist dies nicht Dein Geist, der am hellen Tage in Gottes Sonnenlicht umgeht und keine Ruhe finden kann?“

„Meine sterbliche Hülle haben sie noch viel schlimmer be/142/handelt als blos zu Grabe getragen, Ew. Ehrwürden," sagte der Geist da mit einem unheimlichen Zug um den Mund. „O'Brian, der Schuft, und wenig genug dank' ich's ihm - hat ihr die Paar schönsten blauen Augen gegeben, die sie in ihrem ganzen Leben gehabt hat; der Geist ist übrigens noch im Körper drin, wenn drei Gallonen vom besten irischen Whisky, der nur je Berglust gekostet, überhaupt nämlich Geist genannt werden können."

„Und bist Du denn nicht gestorben, Unglücklicher?" rief der Priester, dessen Erstaunen bei den räthselhaften Worten des merkwürdigen Wesens, das ihm aber schon anfing gar nicht mehr wie ein wirklicher Geist vorzukommen, mit jedem Augenblick wuchs.

„Gestorben? - ich?" sagte Patrick und schob sich auf's Neue ein Stück Brod in den Mund, das einen Thomas von seiner Identität hätte überzeugen können, „noch nicht - wenigstens nicht so viel ich weiß" - setzte er vorsichtiger Weise hinzu; „denn in den letzten sechs Tagen ist mehr mit mir vorgegangen, worüber ich eigentlich gern genaue Rechenschaft haben möchte. Doch können Sie das bei mir zu Hause erfahren."

Der Priester sah ihn starr und verwundert an, und wußte natürlich gar nicht, wie er sich das Ganze zusammenreimen sollte. Er hatte selber vor einigen Tagen die bestimmte Nachricht erhalten, daß Patrick O'Flannagan vom Schlage gerührt und gestorben, nachher von dem protestantischen Geistlichen beerdigt sei. Ja noch mehr, er war gerade an demselben Nachmittag die Straße heruntergekommen und noch, einem kleinen Beipfad folgend, aus dem Weg geritten, als er den Begräbnißzug - und das mit eigenen Augen - aus dem Irischen Hause herauskommen sah.

Die Frauen auf der Treppe, mit Tom im Nachzug, wußten nun gar nicht, was sie aus der wunderlichen Unterredung zwischen dem Geist und ihrem Pater schließen sollten - sie hatten sich natürlich nicht nahe genug hinan gewagt, um das fürchterliche Wesen „von Angesicht zu Angesicht" zu sehen. Patrick's nur zu wohl bekannte Stimme erfüllte sie schon mit /143/ Furcht und Grausen, und sie erwarteten fast mit jedem Augenblick einen Kampf auf Leben und Tod zwischen dem hartnäckigen Geist und seinem Beschwörer.

Die Nachricht, daß der Pater im Hause sei und den Teufel austreiben werde, war indessen auch zu den Leuten draußen gedrungen, und die gespannteste Neugier hielt alle in der Nähe des Gebäudes, und so, daß sie die Fenster übersehen konnten, versammelt. Alle schienen ein unbestimmtes Gefühl zu haben, daß sie über kurz oder lang eine blaue Schwefelflamme zu einem der altgothischen Fenster würden herausfahren sehen - und darauf warteten sie.

„Und hat Euch - Patrick O'Flannagan - nicht wahr und wahrhaftig der Schlag gerührt?" frug der Priester, der wenigstens hierin seinen Zweifel wollte gehoben wissen.

„Der Schlag?" entgegnete ihm Patrick, mit wieder etwas von seinem früheren Humor in den schrecklichen Zügen; „der Schlag, Ew. Hochwürden? - ja wenn sie eine Quantität von Püffen rechts und links von einem der besten Boxer im ganzen süßen Irland einen Schlag nennen, so hat mich der allerdings gerührt, ich möchte aber nicht gerne von der Art zwei haben."

„Wie bist Du denn aber in die Leichenkleider gekommen, Unglücklicher?" rief der Pater, der jetzt natürlich nicht mehr umhin konnte, zu sehen daß er es mit einem wirklichen körperlichen Wesen - und mit nichts weniger als einem Geist zu thun habe - „und wer ist aus Deinem Hause begraben worden?"

„Leichenkleider?" wiederholte Patrick erstaunt und besah seine beiden Aermel und Hosenbeine; „Leichenkleider? wo so Leichenkleider? - wenn mir O'Brian - bad luck to him - einen Fetzen von meinen gewöhnlichen Sachen am andern gelassen hätte, so brauchte ich allerdings nicht meines Bruders Sonntagsjacke und Unterhosen anzuziehen, und wenn Euer Ehrwürden nur einmal zwei Minuten unter O'Brian's Fäusten gewesen wären, würden Sie wohl auch ein Tuch um's Gesicht binden - und vielleicht zwei. - Wer aber begraben ist," sagte er auf einmal ganz traurig und ernst werdend, „das ist aber eine andere und recht schmerzliche Geschichte, und Patrick O’Flannagan bringt von nun an in seinem Leben keinen Tropfen Whisky mehr über die Lippen. – Aber, please, Yer ‚honour‘“, setzte er dann wieder mit etwas von dem all Drolligen in seinen Zügen hinzu und deutete dabei auf die Räucherpfanne, mit der und offenem Maule sich indessen der Chorknabe herbeigedrängt hatte, um dem merkwürdigen Gespräch zu lauschen – „ist es wirklich ein Geist, für den Sie mich gehalten haben, daß Sie mich vielleicht zum Fenster hinausräuchern wollen? Und darum haben auch wohl die guten Leute da unten den ganzen Morgen auf dem Hof gestanden und sind ausgekniffen, als ich an’s Fenster trat (denn ich glaubte, sie hätten oben etwas auf dem Dache), als ob der Gottseibeiuns hinter ihnen wäre. Das ist gut.“

Patrick lachte still in sich hinein, legte aber dann sein Frühstück bei Seite, griff Hammer und Säge wieder auf und sagte: „Nein, das thut’s nicht – bis heut Abend muß ich fertig sein und ich habe noch viel, viel zu thun, Yer honour – wenn Sie mich aber nach Feierabend ausräuchern wollen“, setzte er mit seinem trockensten Gesicht hinzu, „so stell‘ ich mich Ihnen ganz zur Verfügung.“

Der Geistliche zog sich etwas verlegen zurück, die Frauen wollten es aber erst gar nicht glauben, daß es Patrick O’Flannagan selber, und nicht Patrick O’Flannagan’s Geist gewesen sei, der den ganzen Morgen im alten Saale gehämmert und gesägt habe, „und das Fräulein“ schämte sich jetzt allerdings ein wenig, der allgemeinen Furch so nachgegeben und sich nicht fester gezeigt zu haben. Es war aber doch so immer besser, daß es kein Geist gewesen, sie wären in dem alten Hause sonst wohl nie ihres Lebens froh geworden.

Dorothea jedoch, als sie sich endlich zu Patrick hingetraut oder dieser vielmehr zu ihnen heerübergerufen wurde, schlug die Hände zusammen über die Jammergestalt und meinte gutmüthig, es wäre kein Wunder, daß man ihn für einen Geist gehalten hätte, denn er sähe ja gar nicht mehr aus wie ein menschliches Wesen. Zu ihrem wirklich unbegrenzten Erstaunen verschmähte aber Patrick selbst den Bittern, den sie ihm brachte, und zwar nicht nur aus dem Grunde, daß er /145/ seine Arbeit noch nicht vollendet habe, sondern weil er überhaupt keinen mehr trinke, und der Grund, den er dafür angab – wenn überhaupt noch einer, außer seinem Gesicht, nöthig gewesen wäre – rechtfertigte ihn vollkommen.

In das Trinken hineingerathen, hätte er sich fast die ganze Woche nicht wieder herausreißen können, da sei seine Mutter, eine überhaupt altersschwache und sieche Frau, plötzlich ernstlich krank geworden und endlich – während er noch besinnungslos fortgezecht habe, gestorben. Was während seines trunkenen Zustandes vorgegangen, wußte er gar nicht, selbst nicht, weshalb er sich mit O’Brian geschlagen. Als er aber wieder zu sich kam, lag seine alte Mutter, von der er gar viel hielt – kalt und starr auf dem Stroh – sie war gestorben, ohne daß er, der Sohn, ihre letzten Worte gehört und ihr die Augen zugedrückt hätte, ja mehr, sie war gestorben, während er in dem nächsten Zimmer, vom übermäßigen Genuß des Whisky fast rasend gemacht, sang, schrie und jubelte, und ihre sterbliche Hülle selbst hatten sie aus dem Haus getragen, ohne daß er im Stande gewesen wäre, ihr die letzte Ehre zu erweisen.

Das war zu viel – als er wieder zur Besinnung kam, machte er sich die bittersten Vorwürfe; dabei aber blieb’s nicht allein, er gab sich sein Wort, daß, so lange er athme, kein Tropfen geistiger Getränke wieder über seine Lippen solle, denn er fühlte sich zu schwach, ohne ein solches Gelübde der Versuchung widerstehen zu können, und war jetzt, wie er hoffte, ein anderer Mensch geworden.

Was das Uebrige betrifft, wird es sich der Leser leicht denken können. Patrick hatte das dem Fräulein gegebene Wort nicht brechen wollen und war deshalb früh auf der schon früher erwähnten Leiter in’s Fenster des alten Saales gestiegen, um seine Arbeit zu vollenden. Die Uebrigen schämten sich allerdings noch ein wenig vor einander, einem so tollen Gedanken Raum gegeben zu haben, am meisten aber Tom, dem in seiner Herzensangt das Bekenntniß seiner begangenen Sünde entfahren war – und Tom gerade hatte deshalb später nicht wenig von Rosy zu leiden. In der all-/146/gemeinen Verlegenheit schlüpfte er jedoch glücklich mit durch, und es wurde auch, wie sich das wohl denken läßt, so wenig als möglich von der Sache gesprochen.

Im Dorfe aber hieß Patrick von dem Tag an nur „der todte Zimmermann".

Der Bekehrte.

Patrick O'Kearney war ein wackerer junger Bursch, und seinem Geschäft nach ein Schiffszimmermann. Die fleißigste Hand bei der Arbeit, der kräftigste Schillelagh8 bei einer Schlägerei, und außerdem von gutem, ehrlichem Herzen, gewann er sich besonders die Liebe und Achtung der Nachbarn durch die Zärtlichkeit, mit der er seine alte kranke Mutter pflegte, bis sie in seinen Armen starb. Er hätte auch sicherlich in Inveran ein so ruhiges und stillzufriedenes Leben geführt und sich eine wackere Hausfrau genommen, wie andere junge Burschen, wenn - ja wenn die Sache nicht einen Haken gehabt.

Patrick liebte nämlich - wie sich das von selbst versteht, denn ein Irländer ohne Liebe, Prügel und Whisky ist nicht denkbar - ein junges, hübsches, aber armes Mädchen in Inveran, und da er selber ebenfalls kein Vermögen besaß, schloß er, der Himmel müsse sie Beide sicherlich für einander bestimmt haben. War das nun wirklich der Fall, so hatten die Menschen desto mehr dagegen. Judith Mac Reale mochte den wackern jungen Burschen freilich wohl eben so gern leiden wie er sie, und ein hübscheres, passenderes Paar gab es sicher an der ganzen Galwaybai nicht mehr, aber Judith hatte eine alte Tante. Denen nun, die schon aus Erfahrung wissen, was alte Tanten bei jungen Braut- oder Liebesleuten zu bedeuten haben, brauchte ich eigentlich gar nichts weiter zu lagen. Denen aber, die es noch nicht wissen, bin ich doch eine nähere Erklärung schuldig. Diese alte Tante gedachte nämlich /150/ Judith einmal - wenn sie starb - ein paar hundert Pfund zu hinterlassen, und glaubte dafür gerechte Ansprüche zu haben, ihr künftiges Lebensglück zu regeln, wie sie es für gut finden würde. In einer Verbindung ihrer in der recht-gläubigen Lehre erzogenen Nichte mit dem Ketzer Patrick O'Kearney konnte sie keinen Segen erblicken oder hoffen, und nur als sich Judith ihren Machtspruch gar so zu Herzen nahm, beschloß sie aus übergroßer Milde, selber einmal den abtrünnigen Patrick in's Gebet zu nehmen und ihm anzuempfehlen, wieder zur alten rechtgläubigen Kirche zurückzukehren! - nachher ließ sich vielleicht noch Alles reguliren. Daß seine Eltern und Großeltern schon Protestanten gewesen waren und ihn in diesem Glauben hatten taufen und erziehen lassen, kümmerte sie nicht.

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