Kitabı oku: «Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.», sayfa 7
In tollkühnem Grimm jede andere Gefahr dabei hintansetzend, lief er deshalb dem flüchtigen Alten nach; das Terrain schien ihn auch zu begünstigen, denn jener gerieth in eine Schneewehe, durch die er sich nur weit langsamer Bahn brechen konnte. Ein Blick auf die casucha überzeugte ihn aber auch, daß er sich fast schon in Schußnähe befand, und dem Flüchtigen jetzt auf etwa dreißig Schritt nahe gekommen, riß er das Terzerol aus dem Gürtel, um auf ihn zu schießen. Da sprangen von drüben herüber die anderen Gauchos vor, und diesen nicht in die Hände zu laufen, mußte der Peon noch näher nach dem Führer der mashorqueros hinüberhalten. Dieser drückte die Waffe auf ihn ab, aber ohne Erfolg, und ingrimmig das Terzerol in den Schnee schleudernd, ergriff er den Lasso, den er lose in der linken Hand trug, und die Schlinge zweimal rasch um den Kopf schwingend, flog sie in furchtbarer Sicherheit über ihr Opfer.
Felipe wäre verloren gewesen, hätte ihn der Schnee, der ihn am raschen Laufen hinderte, nicht auch eben wieder vor der gefährlicheren Lassoschlinge gerettet; denn kaum sah er die furchtbare Waffe, deren Sicherheit er nur zu gut aus eigener Erfahrung kannte, gegen sich gerichtet, als er auch blitzschnell in den hier weichen Schnee sank, und schon im nächsten Moment fühlte er, wie die drohende Schnur, durch den weichen Schnee emporgehalten, wie eine Schlange, aber harmlos, über /105/ ihn hinglitt. Die Gefahr war vorüber, und emporschnellend floh er der Hütte zu.
Ellington und Don José standen dort Beide, die Gewehre im Anschlag, in der Thür, des sonderbaren Schauspiels Zeuge, und im Anfang in der That nicht sicher, ob das Ganze nicht eine schlau ausgesonnene Kriegslist sei, an sie heranzukommen. Das Abfeuern des Terzerols bestärkte sie darin fast noch mehr, denn an drei verschiedenen Stellen tauchten nach dem Schuß plötzlich dunkle, drohende Gestalten empor. Der Lassowurf schien aber wirklich ernst gemeint, und das bleiche, erregte Gesicht des Peons, der zu gleicher Zeit ängstliche Blicke nach dem entfernteren Theil ihrer eigenen Hütte warf, schien eher ihre Hülfe anzuflehen, als Verrath zu sinnen. Was konnte der einzige Unbewaffnete ihnen auch schaden? - Ungehindert ließen sie ihn deshalb heran, als ein Schuß, dicht neben ihnen abgefeuert, ja fast wie aus der Hütte selber kommend, sie auf's Neue erschreckte.
In der nächsten Minute war Felipe an ihrer Seite, ohne sich aber auf eine Entschuldigung oder Erklärung seines Betragens einzulassen, die, wie er recht gut wußte, einen irgend gegen ihn erhobenen Verdacht in diesem Augenblick nur vermehren mußte; er zeigte jedoch auf den sich jetzt wieder zurückziehenden Führer der mashorqueros und rief, kaum im Stande von der furchtbaren Anstrengung Luft zu schöpfen:
„Dort - Den - macht Den unschädlich - es ist der Hauptmann der Henker - er kann Euch - er kann Euch nicht mehr entfliehen."
„Wir dürfen die Hütte nicht verlassen!" rief warnend Don José, als er sah, daß Ellington unwillkürlich hinaussprang, um den gefährlichen Feind zu erreichen; aber seines Schwagers grenzenlose Wuth gegen die Helfershelfer und Henkersknechte seines grimmigsten Feindes ließ denselben im tollen Uebermuth der Gefahr trotzen.
„Wir müssen Luft haben!" schrie er, indem er den Hahn der Büchse spannte und in's Freie sprang - „Pest und Blut über jene Schufte, und jetzt, da uns Gott sein Sonnen-/106/licht gesandt, mögen sie's wagen, unseren Büchsen entgegen zu treten!"
Mit wenigen Sätzen den freien Plan vor der Hütte erreichend, von wo er das Thal überschauen konnte, sah er eben, kaum zwanzig Schritt von sich entfernt, die flüchtige Gestalt des jungen Spions. Hatte dieser doch gerade von der Hütte selber aus auf den Peon gefeuert, und jetzt floh er der Schlucht wieder zu. Fast unwillkürlich hob Ellington die Büchse, diesem den Todesboten nachzusenden; allein der Führer der Bande war edleres Wild. - Aber wo war der mashorquero geblieben? - wie in den Boden gesunken, schien er verschwunden. - Ellington sprang noch einige Schritte vor, und nicht viel Zeit hatte er zu verlieren, denn die Helfershelfer eilten von zwei verschiedenen Seiten herzu - da hob sich die dunkle Gestalt wieder aus dem Schnee heraus - die Schlinge wirbelte um seinen Kopf, und während der Engländer überrascht im Anschlag blieb, fühlte er sich plötzlich von einer unwiderstehlichen Gewalt gefaßt und zu Boden gerissen. Das Triumphgeschrei des Henkers tönte in sein Ohr, und das blanke, haarscharfe Messer in der Faust, stürmte dieser heran. Ellington wäre verloren gewesen, hätte Felipe nicht, wie er den mashorquero in den Schnee niederkauern sah, und leicht die Absicht desselben errieth, den jungen Spanier vermocht, dem Freund zu Hülfe zu eilen. - Fiel Ellington, das wußte er setzt recht gut, so war er selber verloren, und Don José, die Vertheidigung der Hütte so lange dem alten Herrn überlassend, kam mit der Doppelflinte eben noch zeitig genug, um das rechte Rohr auf den heranstürmenden Henker abzufeuern und sich dann rasch gegen zwei der anderen Feinde zu wenden, die indessen den Eingang der Hütte zu erreichen suchten.
Hier aber empfing sie der Bleigruß des alten Briten, der trotz seiner vorgerückten Jahre die Tage in Moor und Haide noch lange nicht vergessen hatte und mit zwei wohl- gezielten Schüssen aus kaum fünfzehn Schritt Entfernung beide Henker zu Boden streckte.
Es bedurfte keines weitern Schusses - wie ein Volk zerstreute Hühner stoben die übrigen der Verfolger, um der /107/ furchtbaren Wirkung der Feuerwaffen zu entgehen, nach allen Seiten auseinander. Ellington aber, der sich rasch wieder von der ersten Betäubung des Sturzes erholt und von dem Lasso befreit hatte, sah eben noch die Flucht der Feinde und den herbeieilenden Felipe, der, das in der casucha gefundene Messer seines früheren Kameraden in der Hand, jetzt ebenfalls herbeieilte und dem Engländer winkte, der Fährte des angeschossenen mashorquero nachzugehen. Am steilen Rand der Uferbank war dieser im Schnee verschwunden, aber das strömende Blut verrieth die Todeswunde des Unglücklichen, und als sie den Hang erreichten, von wo aus sie das ganze Thal übersehen konnten, taumelte der Henker seinem Grabe entgegen. Ellington hob noch einmal die Büchse, aber senkte sie wieder.
„Schießt!" schrie der Peon, und ein wildes, unheimliches Feuer blitzte aus seinen Augen.
Bei dem Klang des Wortes drehte sich der zum Tod getroffene Henker nach ihm um und that, die Hand krampfhaft auf die Wunde pressend, noch einen Schritt nach vorn - es war sein letzter - der Fuß glitt auf einem der Steine aus - er wollte sich halten, rechts von ihm wich der Schnee, eine steile Kluft hinab schmetterte er in die Tiefe, und in der nächsten Minute spielte die stürmische Fluth des Tucunjado mit der Leiche des Henkers.
*
Felipe war jetzt schlau genug, die Gefahr, in der er geschwebt, um seinen neuen Herren treu zu dienen, gegen die Flüchtigen herauszuheben, und da ihm nun selber der Rückzug abgeschnitten worden, führte er die kleine Schaar ihren mühseligen und auch gefährlichen Weg treulich durch den Schnee nach Chile hinüber. Wohl drohte ihnen noch ein grimmer Feind in aufsteigenden Wolken, die den Horizont umzogen und sich in dicken Schwaden über die Höhen legten, aber was ihren Pfad hier bedrohte, schützte sie auch auf der andern Seite wieder um so viel sicherer gegen jeden weitern Verfolger, von denen sich keiner in die Gebirge gewagt hätte, /108/ so lange solche Wolkennebel einen jener entsetzlichen Schneestürme befürchten ließen.
Zwar mit Hunger und Kälte kämpfend, gewannen sie aber doch drei Tage nach den vorbeschriebenen Scenen die Schneegrenze Chiles - und Rosas' Arm reichte nicht so weit, sie hier mehr zu gefährden.
Der todte Zimmermann
I.
Im Westen von Yorkshire, tief im Innern des Landes und von der großen Heerstraße selbst ziemlich abgelegen – denn Eisenbahnen gab es damals noch nicht in dem jetzt von ihnen nach allen Richtungen hin durchschnittenen England – lag ein altes, wohl nicht gerade schon verfallenes, jedoch baufällig genug aussehendes Gebäude. Vor der Reformation hatte es zu einem Kloster gedient, von den Rundköpfen aber genommen und eine Zeit lang zu einer Art Kaserne benutzt, war es später durch Kauf an eine alte katholische Familie übergegangen, die allerdings kein Kloster wieder daraus machen konnte und wollte, aber doch auch soviel als möglich das alte Schloß von den Entweihungen zu befreien suchte, die ein fanatischer Pöbel damals, in der festen Ueberzeugung, dem lieben Gott damit einen ungemein großen Gefallen zu thun, ausgeübt hatte.
Die Klosterkirche oder Kapelle, von der die wüthenden Reformatoren wenig mehr als die Gewölbe hatten stehen lassen – und diese ebenfalls nur aus dem Grunde, weil sie sie nicht einreißen konnten -, wurde wieder so weit hergestellt, daß sie den Namen eines ‚anständigen Gotteshauses‘ verdiente – wie es die Pastoren und Priester gewöhnlich nennen, wenn die Kirche ländlich und die Pfarrwohnung behaglich eingerichtet ist. Die hohen gewölbten Fenster, aus denen die wilden Soldaten all‘ die zierlichen Steinhauereien, die gothischen Arabesken, Kreuze und Heiligenbilder, mit /112/ größter Sorgfalt herausgeschlagen hatten, wurden frisch, aber einfach umgemauert und mit neuen Fenstern versehen - die Zellen der Mönche dagegen, die eben den Haupttheil der Kaserne gebildet hatten, ließ der Eigenthümer niederreißen und den Platz zu Wirthschaftsgebäuden benutzen. Er war bis auf das Refectorium mit der innern Einrichtung fertig geworden, als er plötzlich starb und sein ganzes Vermögen und Grundeigenthum, was sich meist auf dies alte Kloster und die dazu gehörigen Ländereien beschränkte, seiner einzigen Erbin, einer Stiefschwester und alten Jungfer, hinterließ, die ihm bis dahin, mit Hülfe ihrer fast eben so alten Dienstmagd, die Wirthschaft geführt hatte.
Diese verpachtete bald darauf das Gut an einen Fremden, einen Protestanten, der die Felder und sonstigen Wirthschaftsgebäude in vortrefflichen Stand brachte, sich aber dafür den Henker um die neu eingerichtete Kapelle kümmerte, und lieber zwei volle englische Meilen zu der dort errichteten protestantischen Kirche ritt, als daß er sich der kleinen Gemeinde in der alten Klosterkapelle angeschlossen hätte.
Die Dienstleute, fast lauter Katholiken, die mit dem früheren Besitzer gekommen oder sich später, aus protestantischen Umgebungen, hierher gezogen hatten, schüttelten darüber freilich mit dem Kopf und meinten, der alte Herr müsse sich im Grabe umdrehen, wenn er sähe, wie all' seine Mühe und Arbeit nun so vergebens gewesen wäre und protestantische - und man könnte eben so gut sagen heidnische - Hände auf seinem Grund und Boden wirthschafteten. Die Schwester aber war ein viel zu vernünftiges Frauenzimmer, sich an solche Reden und Ideen zu kehren. Sie wußte recht gut, daß sie leben mußte, und da sie natürlich nicht selber mehr Landwirthschaft treiben und Felder bebauen konnte, so verstand es sich von selbst, daß sie einen Pächter dazu nahm. Ob der nun später, wenn er einmal starb, in den Himmel und Abraham's Schooß, oder an einen Ort kam, dessen eine gute Christin nur mit innerem Schauder gedenken konnte, ging sie auf der Welt nichts an. Sobald der Mann nur, so lange er ihr Gut bewirthschaftete, seinen Zins ordentlich bezahlte, hätte er ihretwegen einen Wegweiser /113/ statt eines Crucifix anbeten können. Das konnte ihr gleichgültig sein.
Ich erwähne dies aber nur hier deshalb, um eben zu rechtfertigen, daß sie von den noch streng katholischen Untersassen des kleinen Gebiets mit nichts weniger als günstigen Augen betrachtet wurde. Diese schüttelten auch sehr häufig die Köpfe und meinten, das könne nun und nimmermehr zu einem guten Ende führen.
„Das Fräulein", wie sie übrigens allgemein von der Nachbarschaft zum Unterschied von anderen Fräulein genannt wurde, die gewöhnlich noch ihren Geschlechtsnamen dabei gesetzt bekamen, bewohnte mit ihrer alten Dorothea die Zimmer des früheren Abtes, die danach von einigen Officieren der Rundköpfe7 benutzt, später, nachdem sie anständig hergerichtet worden, von ihrem Bruder in Besitz genommen, und dadurch die noch am besten erhaltenen Gemacher des ganzen Hauses waren.
Gleich an diese stieß das alte Refectorium des Klosters, und dieses hatte ihr Bruder wollen mit mehreren Abtheilungen durchschneiden und dadurch in kleinere Gemächer, die zu verschiedenen Zwecken benutzt werden konnten, verwandeln lassen. Hierbei aber vom unerbittlichen Tod überrascht, war Alles in dem großen Saale, wie es die Arbeiter eben verlassen, stehen und liegen geblieben, und es sah fast unheimlich aus, wenn man, aus dem Wohnzimmer tretend, die Thür öffnete und dann in den weiten, alten, grau düstern Saal hineinschaute, wo die Mauersteine neben den noch halb vergoldeten und mit Zierrathen geschmückten, halb von profanen Händen abgekratzten und beklecksten Wänden aufgeschichtet oder unordentlich umhergestreut lagen; wo hier ein Balken über einem Heiligenbild, dem die Rundköpfe das früher glorienumstrahlte Angesicht schwarz übermalt hatten, in der Ecke lehnte, dort eine Leiter aus der Kreuzigung Christi an der Hinterwand ordentlich herausgefallen schien, während die Bilder selbst, beschmutzt und mit groben Pinselstrichen überschmiert, gar traurig und betrübt nur hier und da noch einen Arm oder ein Bein vorstreckten.
Der alte Herr hatte diese Kleinigkeiten eben gelassen, /114/ weil er einen Totalumbau des ganzen Saales beabsichtigte, und dann wären die Wände ja doch von Neuem wieder mit Kalk beworfen und übermalt worden.
Dies Alles beschloß „das Fräulein" abändern zu lassen, und zwar nicht allein des Saales und des dadurch verlorenen Raumes wegen, - lieber Gott, sie brauchte mit ihrer alten Magd sehr wenig Platz, und hätte den recht gut entbehren können, ohne sich auch nur im Mindesten einzuschränken, - aber es war schon ein häßliches, ich möchte fast sagen, unheimliches Gefühl, wenn sie in ihrem Zimmer, das dicht daran stieß, saß und sich nur durch die schwere eichene Thür von dem wüsten Bauplatz mit seinen entweihten und geschändeten Bildern und dunkeln Ecken und Schutthaufen getrennt wußte. Und Abends hätte sie manchmal darauf schwören wollen - wenn sie das überhaupt je gethan -, daß sie Schritte und Geflüster in dem Saal gehört habe. Dorothea war leider halb taub und konnte nicht gut zum Zeugen aufgerufen werden; aber selbst die Köchin, ein junges leichtfertiges Ding zwar, und sonst gerade in keiner großen Achtung bei ihrer Herrin, wurde, als man sie später danach fragte, ganz verlegen und versicherte dem Fräulein, sie wolle es nur gestehen, sie hätte etwas ganz Aehnliches in dem alten Saale auch schon gehört, und sie möchte ihm nicht, mit seinen verunstalteten und mißhandelten Heiligenbildern, Abends nach Dunkelwerden zu nahe kommen - nicht um alles Geld in Yorkshire.
Arbeiter mußten deshalb her, um den Theil des Saales, der ihrer Zimmerthür zunächst lag, aufzuräumen und eine Mauer quer durch die obere Abtheilung zu führen. Hierdurch wurde nicht allein die weite Räumlichkeit gebrochen, sondern auch noch eine prächtige und luftige Speisekammer gewonnen, die nur noch einer Decke bedurfte, um benutzt werden zu können und das Wohnzimmer des Fräuleins von ihrer früheren unheimlichen Nachbarschaft vollkommen abzuschneiden.
Diese Decke, die aus etwa zehn Fuß von der Erde eingemauerten Balken bestand, und nur einzig und allein noch mit Planken übernagelt zu werden brauchte, hatte ein unten /115/ im Ort wohnender Zimmermann, ein Irländer, zu vollenden übernommen, und mit einigem Fleiß würde er auch im Stande gewesen sein, in nur wenig Tagen seinen Accord zu erfüllen. Patrick O'Flannagan hatte aber, obgleich sonst eine seelensgute Haut, einen einzigen Fehler, der aber manche seiner guten Eigenschaften wieder nicht allein verdunkelte, sondern total in den Schatten drängte. - Er trank nämlich, und wenn ich sage trinken, so meine ich nicht etwa unschuldiges Quellwasser, sondern ächten irischen Whisky, schon aus Nationalgefühl, und von diesem solche Quantitäten, daß man es recht gut trinken nennen konnte.
Die Beendigung der Speisekammer verzögerte sich deshalb von Tag zu Tag, und obgleich das Fräulein Patrick O'Flannagan immer drängte sie zu beendigen, oder ihr wenigstens einen Tag zu sagen, an dem er sie fest und bestimmt beendigt haben würde, - denn wenn Patrick erst einmal sein Wort gegeben hatte, konnte man Häuser darauf bauen, wie viel mehr denn Speisekammern - wich Patrick dem doch immer so geschickt aus, wie es wirklich nur ein Irländer unter solchen Umständen im Stande ist. Er versprach allerdings, sie „in den nächsten Tagen" fertig zu machen, hing aber so viele Wenn und Aber und Bedingungen von „mit des Herrn Gnade das Leben behalten" und „gesund bleiben" etc. an, daß man schon von vornherein wissen konnte, der liebe Gott würde gar nicht im Stande sein, all' die Bedingungen, die Patrick stellte, zu erfüllen, und der Erfolg lehrte auch, daß es gewöhnlich so herauskam.
Nun muß ich den Leser aber vorher noch mit Patrick's Privatverhältnissen etwas näher, und sei es nur durch wenige Worte, bekannt machen.
Patrick O'Flannagan wohnte am äußersten Ende des kleinen Ortes, wohl zweihundert Schritt von den letzten Häusern entfernt, auf einem kleinen Stück „Bog" oder Sumpf, das er sich zum Andenken an seine traute „Smaragden-Insel", wie ja das alte grüne Irland von seinen poetischen Söhnen genannt wird, ganz besonders ausgesucht und von dem früheren Eigenthümer des Grundstücks, der viel auf ihn hielt, noch kurz vor dessen Tode erb- und eigenthümlich bekommen /116/ hatte. Dort hauste er ganz allein mit seiner alten Mutter und einem jüngeren Bruder, und mied nicht allein die übrigen Dorfbewohner, sondern wurde auch von ihnen gemieden, denn Patrick gehörte zu jener Partei der irischen Nation, die sich dem Protestantismus zugewandt und die wunderliche Idee gefaßt hatte, daß sie auch ohne die Gebete ihrer bisherigen Patres einen Eingang in den Himmel finden könnten.
Es thut mir aber leid, hier gleich bemerken zu müssen, daß sich Patrick in der That eben so wenig um den Protestantismus bekümmerte, wie er sich früher um den Katholicismus bekümmert hatte. - Alles, woran ihm hier auf Erden gelegen schien, war, seinen eigenen Leichnam, so viel das nur irgend in seinen Kräften stand, zu pflegen und sich so lange als möglich „im Leben zu erhalten". Da er nun, wie er häufig äußerte, „mit sehr wenig Arbeit auskommen konnte", hütete er sich wohl, seine Kräfte übermäßig anzustrengen, und waren Kartoffeln und Whisky genug im Haus, dann hätte ich den Christenmenschen sehen mögen, der Patrick aus seinen eigenen vier Pfählen gebracht hätte. So lange noch eine dieser „irischen Citronen" (wie die Kartoffeln dort auch häufig scherzhafter Weise genannt werden) oder ein Tropfen des „Bergthaues" (der edlere Name für Whisky) im Hause waren, rührte und regte er sich nicht, und erst wenn diese Vorräthe zur Neige gingen, dachte er auf neue Arbeit und damit neue „Provisionen".
Patrick war übrigens außerdem ein ungemein drolliger Kauz und wußte die komischsten Geschichten von der Welt mit einem Humor zu erzählen, in dem er von wenigen anderen Menschen und von keinem auf zehn Meilen in der Runde übertroffen wurde. Da er sich auch noch außerdem als ein vortrefflicher und wackerer Sohn bewies und es seiner alten Mutter, die er zu sich genommen hatte, an nichts fehlen ließ, so war ihm das Fräulein und besonders Dorothea, was fast noch mehr sagen wollte, sehr gewogen. Sie wollten es ihm deshalb auch nicht gern zu Leide thun, einen andern Arbeiter zur Beendigung der Speisekammer anzunehmen, obgleich ein nüchterner und rechtschaffener Zimmermann - noch dazu ein Katholik - nur wenige Meilen von dem Gut entfernt wohnte, /117/ und seine Dienste auch schon mehrmals selber angeboten und durch Andere hatte anbieten lassen.
Endlich aber konnte es das Fräulein nicht länger aushalten; sie war es müde geworden, immer und immer nur anzutreiben und sich die Vollendung der Arbeit auf's Ungewisse hinaus versprechen zu lassen. Sie schickte also an einem Dienstag-Morgen - denn Montags war es immer nur eine höchst ungewisse Sache mit Patrick - den Kutscher, einen jungen rüstigen Burschen, der die zwei Pferde zu besorgen, die alte Kutsche in Stand zu halten und nebenbei noch den kleinen Garten zu bestellen hatte, nach Patrick O'Flannagan's Wohnung hinüber und ließ ihm sagen, er möchte augenblicklich einmal auf's „Kloster" (wie das Herrenhaus immer noch aus alter Gewohnheit genannt wurde) herauskommen, weil das Fräulein etwas sehr Wichtiges mit ihm zu besprechen habe.